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Full text of "Die Gartenkunst"

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Die 


Gartenkunst 


S^eitsclirift 


tur 


Gartenkunst  und  verwandte  Gebiete, 

Herausgegeben 
von  der 

Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst, 

redigiert  von 

C.  Heieke 

Gartendirektor  der  Stadt  Frankfurt   a.    M. 


►^H^ 


■^«  Neunter  Jahrgang  •<- 


ßOTANlC^ 


Beplln 

Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger 

SVV  11  GroCsbeeren  Strasse  !i 
1907 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Druck  von  A.  W.  flayn's  Erben,  Potsdam. 


Inhalt. 


LI; 

NE'-' 

botanical 
oaRüen. 


16,  30.  178,  18ö,  -Jil. 


1.  Vei'zeichuis  der  Mitarbeiter. 

Barth    .     .     . 
Beiahaidt 
Berz      .     . 
Cordel  .     .     . 
V.  Engelharclt 

Fuchs 

Garrelts 

Glogau (H 

Goecke 85, 

Günther 

Hannig 

Heerwagen 

Heirke."    .     .    ö,  18,  88,  83,  105,  111, 
121.  133,  151.   179.  210. 

Hoemaiin 20,  27. 

Johnson 43,  73,  126, 

Kamiiffmeyer 

Kiehl 71, 

Kiessling 9 

Krone 

Ledien 

Linne 

L 


Seite 


H. 


SeitP 


Seite 

.  140 

.     67 

.     (i7 

.  102 

248 

41 

230 

117 

109 

36 

132 

107 


_|UX  . 

Molz      .     . 
"^  '"hvvadt 
tzner    . 


Koss 

Rothe 

V.  Salisch 

Schachuer 163, 

Schneider 80,  84. 

Schnitze-Naumburg  ......     1, 

Schulze-Elberfeld 65, 

Schulze-Stettin 

Singer 19. 

Trip 12 

Widmer 

Zahn     .     .     .      .56,  78.  129.  187,  231, 


233 

99 

146 

63 

183 

,  24 

16 

62 

97 

77 

82 

81 

32 

89 

244 

226 

149 

171 

248 

.  21 

215 

31 

198 

34 

191 

246 


Dresdener,     Vereinigung    ehemaliger 
Gartenbauschüler .149 


F. 

Fintelmann,  Axel  F.,  Ehrung     .     .     .  231 


II.  Saolirejäi.ster. 

A. 

Ausstellung,  Volkstümliche,  für  Blu- 
men- und  Gartenpflege  in  Hannover     34 

B. 

Bad  Nauheim,  der  alte  Park  1857  bis 
1907 111 

Baumaterial,  das,  der  heutigen  Garten- 
kunst      173 

Bindekunstausstellung,  Erste  grosse 
Berliner :     .     .  102 

Buchners  Garten  vor  dem  Kunstge- 
werbehaus  auf  der  Bayr.  Landes- 
Ausstellung  1906  in  Nürnberg    .     .     16 

Bund  deutscher  Baumschulenbesitzer  170 


G. 

Kimigl.   Lehranstalt  Dahlem, 

Gartenbaukursus  für  Gartenfreunde     80 

Gartenkunst!.  Vortrage 37 

Prüfungen 16 

Zulassung  v.  Damen 16 

Gärtner  oder  Künstler' 67 

Gartenarchitektur ' ' 

Gartenbauau.sstellung,         allgemeine, 
Berlin Sl 

Gartenbauausstellung,   Internationale 
zu  Dresden 1-1 

Gartenbauausstellung,  .Jubiläums-, 

Bremen 36 

Gartenbauausstellung,  .Jubiläums-, 
Jlannheim  1907: 
Allgemeine  Besprechung    .     .     .        133 

Prinz  Arnulf- Preis 82 

Sonderausst.  f.  Gartenpläne    ...     24 
Sondergärten  von  Fr.  Brahe,  Gebr. 

Roethe  und  Siesmayer    ....  233 
Sondergärten  von  Fr.  Henkel     .     .  215 
Sondergärten  des  Prof.  Länger.     .   191 
Sondergärten  des  Prof.  P.  Schultze- 
Naumburg     und     des     Prof.     P. 

Behrens  .'' 321 

Schlussbetrachtungen 236 

Schluss  der  Ausstellung     ....  232 

Vorbesprechung 60 

Vor  der  Eröffnung lOo 

Gartenbauschule  Dresden,    Obergärt- 
nerprülung 

Gartenkunstbewegung,unsereStellung 
zur  heutigen ;     ^^ 

Gartenvorstadt   am  hohlen   Weg  bei 
Darmstadt .  170 

Gerichtliche    Klage    gegen    die    Ent- 
scheidung bei  Wettbewerben      .     .     81 

Gesetzentwurf   gegen   die  Verunstal- 
tung   von    Ortschaften    und    land- 
schaftlich hervorragenden  Gegenden  117 
Eingabe  der  D.  G.  f.  G.  dazu  .     .     .120 
Eingabe  des  Bundes   Heimatschutz 
dazu 119 

Gesetzgeberische   Maßnahmen   gegen 
die  Verunstaltung  vonOrtschaftenpp.     62 

Golenhofen  bei  Posen,  ein  Musterdorf    71 

Grossberlin,  Vortrag  von  Landesbau- 
rat  Prof.  Th.  Goecke 246 

Grundzüge     der     Landschaftsgestal- 
tung         43,  73,  126,  146 


llauptversannnlung,    XX.,  der    deut- 
schen Gesellschaft  für  Gartenkunst  179 

Hausgarten,    über    die    künstlerisclie 

!       (iestaltung  des 198 

i  Haus-    und  Obstgarten,    Entwurf    zu 
einem 67 

Heikle  i>age,  eine 185 

I  Heiraatschutz.  Wie  wir  unsere  Heimat 

j       sehen 99 

i  Holzhecke  im  Frankfurter  .Stadtwalde, 

i      ihre  hainartige  Umgestaltung     .     .       5 

I. 

Innengärten 85,  109 


>14 


Kaiser  Friedrichpark,  Aachen    ...  82 
Kongress,     internationaler    landwirt- 
schaftlicher, Wien 37 

Künstlerkolonie,  Darmstädter    ...  63 


W.  Langes  Gartenkunstprinzipien  und 

sein  neues  Buch 14 

Linnes  200.  Geburtstag 121 

i 

M. 

'  Mietgärten,  .städtische  in  München  163,  171 
i  .Muthesius,'  der  Fall  M 148 

I  ^- 

I  Naturverschönerung  ......     1,  21 

Niedersächsischer    Bauerngarten,    ein 

Beitrag  zu  seiner  Geschichte      .     .  244 

O. 

Offenbach  a.  M.,  Ludo  Mayer-Stiftung  170 


Parkpolitik ;     • 

Perspektive,  ihre  Bedeutung  und  Ver- 
wertung beim  Entwerfen  von  Gar- 
tenanlagen       -9 

Perspektivisches  Zeichenverfahren, 
neues     

Pflanze,  die,  als  Schmuck  für  Haus, 
Balkon  und  Fenster 

Pflanzenmaterial,  welchen  speziellen 
Pfl.  bedarf  die  Gartenkunst  moder- 
ner Richtung? 


Reform  der  Gartenkunst  und  die  Tra- 
dition      ,'     '•    ■ 

Rogalin,  Schloß,  sein  Park  und  seme 
Eichen 

Rosenfest,  das,  zu  Mannheim    .     .     . 

Kosengärten 


24 
107 
129 


230 


41 

183 
166 
210 


IV 


Seite 
S. 

Societe  dendrologiiiue  de  France  .     .     SO 
Stauden,  die  axisdauernden,  und  ihre 
Bedeiituns  im  ainerikanischeu  Gar- 
ten    . 220 

Szenerie,  die,  in  der  Gartenkunst .     .     65 

V. 

Verein     ausländischer     Gärtner     von 

Paris  und  Umgegend 2'M 

Villenkolonio,  Studie  zu  einer  .     .     ,  140 

Vilnioriu-Denkmal 108 

Vorgarten    und   StraÜenbepflanzung  .  3Ü 

W. 

Wettbewerb  Friedhof  Hameln.  Ge- 
danken über  Friedhofsgestaltung 
im    allgemeinen     und     mit    Bezug 

auf  den -7 

Kachklänge    zur    Hanielner    Fried- 
hofskonkurrenz    30 

Friedhofsvvettbewerb   Hameln, 

nochmals  der 13 

Wettbewerb  Friedhof  Stahnsdorf  .     .213 
Wettbewerb  für  die  Anlage  eines  Stadt- 
parks in  Haniburg-Wiuteihude  .     .     16 
Wettbewerb   für  Hausgärten,   veran- 
staltet von  der  „Woche"    ....  232 
Wettbewerb  Nordmarkt,  Dortmund   .  247 
Wettbewerb  Stadtpark  Schüneberg: 
Wettbewerbsentwurf  V.  Encke-Belte     49 
„  „  Göbel ...     54 

„  ..  Grossniann       54 

,,  ..  Krüpper .     .     48 

,.  Ullrich  .  .  51 
Betrachtungen  ziun  Wettbewerb  .  56 
Wettbewerb  Stadtpark  Schöneberg 

Prämiierungsergebnisse   ....     38 
Wettbewerb  Stadtpark  .Schöneberg, 

Nochmals  der 78 

Wettbewerb  Zentralfriedhof  Mann- 
heim.    Ankündigung 38 

Ergebnis 151 

Entwurf  v.  Bauer 160 

,  Gerstadt 191 

„  .  Grossmanji  .     .  .156 

„  „  Hoerning-Gaeüt   .     .     .166 

„  „  Braband 164 

Wilde  Garten,  der,  in  England      .     .     89 
Wilhelmshöher  Allee,  Kassel     ...     82 
Wiesbadener   Kuranlagon,    Unterhal- 
tung ....  .38 


III.   .M»liil(liiii:;'eii. 

Ausstellung,  Volkstümliche,  f.  Blumen- 
und  Gartenpflege  1906  in  Hannover  34,  35 

Bad  Xauheini. 

Lage|]lan  der  Kuranlagen.     .     .     .  112 
Parkbilder   109.   111,    113,  114,  115, 

116,   117 

Bauerngärten,   aus  niedersächsischen 

244,  245 

Baumaterial  der  heutigen  Gartenkunst 
174,  175,  176.  177,  17«,  179,  ISO,  ISl,  1S2 

Berz.  Uhr.  0.,  Entwurf  zu  einem  Haus- 
garten    67,  68,  69 

Buch  der  Nyraphaen,  Aus  dem     188,  189 

Buchners  Garten  vor  dem  Kunstge- 
werbehaus auf  der  Bayr.  .lub.-Lan- 
desausstellung  1906  in  Nürnberg  14,  15 


Seite 
Fintehnann,  A..  Porträt  .....  132 
Gartenbauausstellung,  Internationale, 

zu  Dresden 121,  122,   123 

Gartenbauausstellung,  J  ubiläunis-, 

Bremen:  Lageplan 37 

Gartenbauausstellung  Mannheim  I'.KIT: 
Gartenschmuckhof  Gebr.  Siesmayer 

242.  243 
Grossherzog  Karl  Friedrichdenkinal  133 

Kunsthalle,  die  neue 138 

Lageplan        1.37 


Rosenfest  im 

Ivosengärten  . 
Sondergarten 

Sondergarten 

Sondergai'ten 

Sondergarten 

Sondergarten 
■192.  19: 


Sondergarten 

Kaumburg 

Straßenausschmückung    . 
\'or  der  Eröffnung     .   85, 
Golenhofen   bei    Posen 
doi-f 


Nibolungensaal 

167.   16S.   109 
.207,  208,  209.  210,  211 
\on  Fr.  Brahe  .  233. 

234,  235,  236,  237 
F.  Henkel      .  215, 

216.  217.  218.  219 
Gebr.  Roethe  238. 

239.  240.  241 
Prof.  Behrens  224, 

225.  227 
Prof.  Länger    191, 
194,   I9.'>.  197,  199, 

21)1.  203,  205 

•Schultze- 

221,  222    223 

.     '.  V.U.  1.35 

104,  105,  10(i 

Ein  Mnster- 

.    70,  71.  72,  73 


v. 


Prof. 


Grundzüge  der  Landschaftsgestaltung 

44,  45,'  47.  74.  7.5,  7(i,  126,  127.  128.   129 
Hegi-Dunzinger,  Flora.     Bildproben 

248,  249 
Holzhecke  im  Frankfurter  Stadtwalde  (5,  8 
Mietgärten,  städtische  in  München  .  171 
Natur  u.  Kunst  im  Walde  146,  147,  148,  149 
Naturverschönerung  .     .   1.  2,  3,  4,  5, 

21.  22,  23,  24,  25 
Perspektive,  ihre  Bedeutung  beiniEut- 
werfen  von  Gartenanlagen     10,  11 

12,  13,  2(i,  27 
Perspektivisches  Zeichenverfahren  v. 

Heerwagen 107,  108 

Reform  der  Gartenkunst  und  die  Tra- 
dition      43 

Rogalin.  Sihloß,  sein  Park  und  seine 

Eichen  .     .     .     .183,  184,  18.5,  186.  187 
Stauden,  ausdauernde,  im  amerikani- 
schen Garten      ....     228,  229.  232 
Villenkolonie,  Studien  zu  einer     1,39. 

140.  141,  142,  143,  144,  145 
Wettbewerb  Friedhof  Hameln:  Kon- 
kurrenzentwurf    V.    R.    Hoemann- 

Düsseldorf 30,  31 

Wettbewerb  Stadtpark  Schöneberg: 

Lageplan 48 

Entwurf  v.   0.  Krüpper-Düsseldorf    49 

„  lOncke-Holte    .     .     .     .50,  51 

„         „  Ullrich-Berlin    ....     .52 

„  Göbel-Wien 53 

,  Grossmann-Dresden  .  54.  .55 
Wettbewerb  Zentralfriedhof  Mannheim : 

Lageplan 151 

Entwurf  v.  Bauer 156,  157 

,  Braband 164 

„  Gerstadt  .     .     1.5S,   1.59,   160 

„         „  Grossmann  152,  153,  154,  155 

,,         „  Hoerning-Gaedt    .     .     .  166 

„  Hoemann      .     .     .    162.  163 

Wie  wir  unsere  Heimat  sehen  .    .    . 

100,  101.  102.  103 
Wilde  Gärten  des  Kgl.  botan.  Gartens 
zu  Kew.  aus  den,  90,  91,  92.  93,  94,  95 


Seite 

l\.   Lileijiliir. 

Conventz.  H.,  .Schutz  der  natürlichen 

Landschaft .     .     s:', 

Encke,  F.     Der  Hausgarten  ....     16 
Felder,    Th.      Natur    und    Kunst    im 

Walde 149 

Flugblätter  f.  künstlerische  Kultur    .     40 

Gross-Berlin 1S7 

Hegi   Dr.  G.    und    Dunzinger.   Dr  G. 

Illustr.   Flora  von  ^Mitteleuropa  .     .     39 
Henkel.  F..  Kehnelt.  F.  u.  Dittmaun.  I>. 
Das  Buch  der  Nymphäen  ....   188 

House  and  Garden S4,  248 

Jekyll,  G.     Wald  und  Garten   ...     20 
Journal    of    the   Royal   Horticultural 

Society,  London 40 

Lange,    Willv.     Gartengestaltung  der 

Neuzeit     ". '    .     .     18 

Muthesius 248 

Nene  Aufgaben  in  der  Bauordnuugs- 

und  Ansiedelungsfrage 63 

Pudor,  Dr.  H.     Diverse  Schriften.     .     84 
Schneider,  C.  K.     Illustriertes  Hand- 
buch der  Laubholzkunde   ....   189 
.Schneider,  C.  K.   Landschaftliche  Gar- 
tengestaltung      19 

Schnitze  -  Naumburg,     Kulturarbeiten 

IV.     Städtebau  ." 38 

Schule  des  Gärtners 40 

Wieler,  Prof.  Dr.  Untersuchungen 
über  die  Einwirkung  schwefliger 
Säuic  auf  die  Pflanzen 82 


l'cis(iii;ilii;i<'liriclileii. 

Beck  Dr.  170.  —  Beirodt  108.  —  Berck- 
ling  4(1.   —  Bertram  40.  —  Bromme  108. 

—  Buchner,  A.  40.  —  Buchner.  M.  40. 
Diermayer  214.  —  Dreher  84. 
Elpel  40.  —  Ende  190. 
Fintelmann  132.  —  Freese  84. 
Glatt  S4. 

Hallervorden  40.  —  Hampel  170.  — 
Hartmann  214.  --  Heiler  40.  -  Helle- 
mann 214.  —  Hoffmann,  H.  64.  —  Hoff- 
mann. R.  40.  —  Hoestermann  214. 

Kahler  170.  —  Kalb  170.  —  Karich  170. 

—  Karl  170.  —  Keerl  170.  —  Kellermann 
170.  —  Kiehl  (>4.  —  Klett  170.  —  Koenig 
170.  —  Kube  84. 

Langenbuch  170.  —  Ledien  214.  — 
Lindemuth  214.  —  Löbner  214.  —  Lucas 
214. 

Mader  170.  —  Maecker  84.  —  Masters 
170.  —  Mertens  108.  —  Moncorps  4(1.  — 
Müller  170. 

Ohrt  170. 

Peicker  40. 
Pfitzer  40.    - 
108. 
_i;ansch    170.   —    Richter  214.  —   Kitter 
1(0.  —   Rosenberg  108. 

Scharnke  64.  - 
170.  —  Sehuste 
Stefen   190. 

Trip   1.50,  214. 

Undeutsch  40. 

Veiten  170. 

Wortmann  170.  —  Wychgram  40 

Ziwanskv  64. 


-  Perring  40,  170,  190.  — 
Roths   lOS.    —    Prestinari 


Schle 
84.    - 


ff  40.  —  Schultz 
■   Sieber  170,  — 


IX,  1 


DIE  GARTKNKUNST 


Natiirverscliöiieruiij!:.*) 

Vortraf?  vnn 
Prof.  P.  Schultze-Naumburg, 

gehalten   auC  der  .lahresversn.mmhiug  il.-s    Hurnlp^;  „Hi-imiitsoliiit/."   in   München. 


l-mk-^.^  r 
^EW    YORK 

i-.OTANICAL 
(lARDEN. 


Das  Wort  „NatiirverschömTLinü" 
hat  keinen  seiir  guten  Ruf.  Man 
denkt  an  gar  manche  alten  Sün- 
den, die  in!  Namen  der  Yer- 
schönernng  getan  wurden,  und 
sagt  sich,  dafs  die  Xatur.  wie 
unser  Herrgott  sie  gescdiaften, 
keiner  Verschönerung  durch  Men- 
schenhand bedürfe,  um  noch 
schöner  zu  werden.  Dennoch  wird 
man  dem  Thema  iiu  Leben  kaum 
aus  dem  Wege  gehen  können  und 
deshalb  gut  tun.  sich  mit  ihm 
auseinanderzusetzen. 

Im  allgemeinen  wird  man  sich 
wohl  darüber  einig  sein,  dafs  die 
vom  Menschen  unabhängigen 
Naturprodukte,  wie  Wolke,  Fels 
und  Pflanze,  kaum  einer  Ver- 
schönerung durch  Menschenhand 
bedürfen  oder  auch  nur  zugäng- 
lich sind.  Bei  Ptlanze  und  Tier 
treten  wir  jedoch  schon  in  ein  Ge- 
biet   ein,    Avo     das    Wort    „unafv 

hängig  vom  Menschen"  nicht  mehr  ganz  zutrifft.  Wenn 
man  uralte  Rieseneichen  oder  das  Schlinggewächs  des 
Urwaldes  betrachtet,  so  bewundert  man  allerdings  eine 
Schönheit,    die    mit    dem  E>asein    der   Menschen   nichts  zu 


Ai.u.   J 


1  Mit  Genehniio'iina;  dts  Kunstwartverlags. 


Abb.   1. 

tun  hat,  und  die  wohl  durchaus  ebenso  aussehen  würden, 
auch  wenn  der  Mensch  längst  von  der  Erde  verschwunden 
wäre.  Betrachten  wir  aber  im  Pfarrergarten  einen  Pyra- 
midenbirnbaum mit  reifen,  goldenen  Früchten,  so  wird  kein 
Empfänglicher  umhin  können,  auch  in  diesem 
Bilde  eine  wundervolle  Schönheit  zu  er- 
blicken, und  wir  werden  unsgestehen  müssen, 
dafs  weder  die  Form  der  veredelten  Frucht, 
noch  die  zum  Pflücken  und  Betrachten  ein- 
ladende Zwergform  ohne  menschliche  Kunst- 
zustande gekommen  wäre.  Der  Holzbirnbaum 
draufsen  im  Walde  hat  ja  auch  seine 
Schönheiten,  aber  in  unserm  Gartenbaum 
liat  die  Menschenliand  die  Natur  eben  doch 
um  eine  Schönheit  bereichert.  Sogar  beim 
Tier  kann  man  ähnliches  finden.  Ein  eng- 
lisches Vollblut  iväre  ohne  kluge,  menschliche 
^^Sr^  ■  ~:^  Züchtung  nicht  möglich,  und  der  wilde  Hund 
k  ■j^.'*'-*:L'**J  ist  etwas  anderes,  als  der  Hund,  der  durch 
ein  Jahrtausend  alte  Anpassung  allmählich 
unser  treuer  Freund  geworden  ist,  der 
unsere  Sprache  versteht  und  dessen  Auge 
uns  manchen  Wunsch  vom  Gesicht  abzu- 
lesen   verma.g.     Selbstverständlich  sind  das 


,1 


ni  1-:   (lAliTKN  KUNST 


IX.   1 


nur  kloino  Niiaiu-on.  dio  wir  in  lioni  iin- 
iiohouren  Fi>imenreichnun  dor  Natur,  dio 
unsoiv  Krdo  trägt,  horvorbringou  konnton. 
.\bor  OS  sind  Spiolarton.  die  doslialh  tur 
uns  wortvoll  sind,  weil  sio  luit  doui 
nionsoliliohon  Lobon  in  viol  näluro  Bo- 
zioluing  troton,  als  die  übrige  freie  Natur. 

Doch  auf  diese  Art  der  Natuniuiwand- 
lung.  oder  wonu  uian  will.  Naturver- 
schönerung, habe  ich  es  heute  nicht  ab- 
gesehen. Die  Frage,  dio  ich  stellen 
möchte,  ist  die;  kann  man  dio  Natur 
durch  harmonische  Voibindung  mit  eiuoui 
Werke  menschlicher  Kunst  verschönern' 
Ich  glaube,  dafs  wir  Menschen  diese  Frage 
ganz  unbedenklich  mit  ja  beantworten 
dürfen. 

Ks    ist   solbstvorsländlich.  dafs  es  auf 
unserer  Frde  Schönheiten  gibt,  dio  gerade 
durch  ihre  Unberührtheit  ihre  reinen  Reize 
bewahren    und    dio    durch   jedes    Hinzu- 
fügen   von    Erzeugnissen   der   Menschen- 
hand   nur    verlieren    können.     Wenn   wir 
in  die  Fels-  und  Eiseinöden  unserer  .\lpon 
steigen,  so  oftenbaren  sich  uns  dort  Schön- 
heiten von  einer  grofsartigen  und  seltsamen  Natur,  dio  uns 
gerade  deswegen  so  mächtig  orgreift,  weil  wir  an  ihrer  (iröfso 
die  Winzigkeit  unseres  menschlichen  Daseins  zu  orkoiinen 
vermögen.     Je  unentwoihter  wir  sie  erhalten,  um  so  bosser 
für  uns.     Steigen    wir    aber    in    dio  bewohnten  Täler  her- 
unter, so  erkennen    wir,    dals    von    dort   an    das  Bild    ein 
von  Menschenhand   mitgostaltotes    ist.     Denn    dio  Wiesen. 
Felde!-,  l'fado,   Stege     und  Brücken,    die  hier    das  Bild  dos 


Abb.  i.     (.iugL'nbci.-piel  zu   Abb.  3. 


Abb.  3. 

Landes  bestimmen,  sind  Monsehonkunstprodukto.  Man 
rechnet  sie  zwar  nicht  zur  huhen  Kunst,  aber  die  allge- 
meinen Kulturgedanken  und  der  (iostaltungswille  eines 
ganzen  Volkes,  das  als  Schöpfer  dahinter  steht,  sind  doch 
so  mächtige  und  gewaltige  und  zeugen  von  einer  so  ricsen 
hal'ien  Hildnerkraft,  dals  wir  eben  doch  in  dor  tiestaliung 
unseres  Landes  ein  grofses  .-Mlkunstwerk  sehen  müssen. 
wenn  auch  tausende  und  abertausendo  von  Handlanger 
händen  die  .\usführonden   waren. 

Tun  wir  einen  Blick  in  irgend  ein  schönes 
Tal  unseres  Landes  u^^bb.  1,)  wie  ich  hier  eines 
unter  tausonden  zeige,  so  erkennen  wir  auf  den 
ersten  Blick,  dafs  beinah  alles,  was  hier 
wesentlich  zu  den  Bestandteilen  des  Bddos 
gehcirt.  menschliche  Kunsterzeugnisse  sind. 
1  lenken  wir  uns  sie  fort:  die  Brücke  dos  Vor- 
tlorgrundes.  dafs  l^orf  im  Hintergrund,  das 
Torwächterhaus.  die  Strafsen  mit  ihren  Baum- 
reihon.  dio  üärten  und  das  Schachbrett  der 
l'vldor.  so  würde  ein  Waldtal  übiig  bleiben, 
das  an  sich  zwar  auch  gewifs  sehr  schön 
wäre,  aber  eben  doch  durchaus  etwas  anderes 
vorstellte  und  jedenlalls  der  besonderen  Schön- 
lieilen  unseres  ersten  Bildes  ermangelte.  Wir 
wollen  aber  in  unserem  Weltbilde  beide  nicht 
■  ntbehren.  Fast  ein  jedes  beliebige  Bild  aus 
unserem  Lande  wird  ähnliches  bezeugen  und 
uns  ins  Gedächtnis  zurückrufen,  dafs  die  Ver- 
bindung von  menschlicher  Kunst  mit  der  .Natur 
neue  Schönheiten  gesehafTon  hat.  die  nicht 
ganz  einseitig  als  Kunstwerk  bei  rachtot  werden 
können,  sondern  eben  als  Naturvorschönerung 
durch   Kultur.     Man    denke  an   das    Bild  irgend 


IX,  1 


DIK  GARTENKUNST 


eines  schlichten  Bauernhauses  am  Rande 
eines  Waldes:  auch  hier  erlebt  unser  Auge 
durch  das  Vorhandensein  dieses  Hauses 
eine  reichere  Freude,  als  wenn  es  nur  den 
schlichten  Waldrand  in  sich  aufnähme. 
Man  darf  das  natürlich  niclit  so  auffassen, 
als  müfste  nun  vor  jedem  Waldrand  ein 
hübsches  Bauernhaus  stehen.  Wir  werden- 
der Waldeinsamkeit  nicht  entbehren  wollen: 
ai>er  die  gelegentliche  Unterbrechung  uml 
Bereicherung  wird  uns  sogar  den  Genufs 
dei  darauffolgenden  Kinsamkeit  erhöhen, 
■la,  sogar  auf  Abb.  2  werden  wir  den 
hellen  Saum  der  Kaistrafsen,  die  weifs 
herausleuchtenden  Punkte  der  Landhäuser. 
Kirchtürme  und  die  dunklen  F'lecken  der 
I.aubmassen,  der  Gärten  als  eine  Bereiche- 
rung der  edlen  Form  der  Seeküste  emp- 
tinden  müssen.  Natürlich  immer  wieder 
mit  der  1-jnschräiikung,  dafs  es  Kulmin.'i- 
lion^punkte  bleiben  müssen,  diemitStrecken 
der  Fjnsamkeit  abwechseln. 

E>as  hier  Gesagte   waren  ja  eigentlich 
beinahe  Selbstverständlichkeiten;   es   sollte 
uns     auch     nur     in     den     Gedanken    hin- 
geleiten, dafs  eine   jede    gute    menschliche  .Anlage,    wenn 
sie    sich    harmonisch   mit   ihrer   Umgebung  verbindet,    ein 
Stück    Naturbereicherung    bildet.      Das    Grauen,    das    wir 


Abb.  (i 


Abb.  5. 

heute  vor  dem  blofson  Wnrte  „Xaturverschonerung" 
empfinden,  rührt  doch  eigentlich  allein  von  den  unwürdigen 
menschlichen  Leistungen  her,  die  seit  einigen  .Menschen- 
altern unsere  Erde  zu  entstellen  anfangen.  Und  zwar  in 
beiderlei  Sinn:  sowohl  b'M  den  \N'erken,  die  in  der  guten 
.\bsicht  zu  schmücken  und  zu  verschönern,  aber  mit  un- 
zulänglichem Vermögen  entstehen,  wie  bei  den  Werken, 
bei  deren  Gründung  nicht  der  Schmuckwert  die  Veran- 
lassung bildet,  sondern  die  zur  Befriedigung  unserer  mensch- 
lichen Bedürfnisse  dienen.  .Merkwürdigerweise  sehen  wir 
hier,  dafs  bei  fast  allen  älteren  Anlagen  wie  von  selbst 
beide  Zwecke  erreicht  werden.  Das  Werk  dient  nicht 
allein  seinem  Hauptzweck,  sondern  es  verschönt  zugleich, 
halb  ohne  es  zu  „wissen",  die  umgebende  Natur.  Werfen 
wir  einen  Blick  auf  irgend  eine  der  zahlreichen  Gegen- 
überstellungen von  Gut  und  Schlecht,  wie  ich  sie  oft  im 
Kunstwart  gebracht  habe.  Bei  den  Gegenbeispielen  wird 
die  Freude  gering  sein.  Solch  ein  Bauwerk  verschönt  die 
Natur  nicht,  aber  eben  nur  deswegen,  weil  es  Züge  trägt, 
die  uns  nicht  froh  machen,  die  deprimierend  auf  imd 
wirken,  mit  andern  Worten,  weil  es  eben  häfslich  ist. 

Ging  man  früher  daran,  irgend  ein  Stück  Natur  zu 
verschönern,  so  traf  man  mit  einem  bedauernswerten 
sicheren  Takt  stets  den  Nagel  auf  den  Kopf.  Ich  zeigte 
in  einem  früheren  Jahrgang  des  Kunstwarts  eine  Brunnen- 
anlage, die  ein  reizendes  Bild  ergab  (Abb.  3).  Nun  hatte 
vielleicht  mancher  von  diesem  Bilde  gesagt:  Ja,  schon 
recht,  aber  das,  was  das  Bild  so  reizvoll  macht,  ist  ja 
eigentlich  nur  das  .Alter  und  die  Zerstörung.  -Man  kann 
ruhig  zu  geben,  dafs  auch  das  seinen  gewichtigen  Anted 
an  der  Schönheit  dieses  Bildes  hat.  Alter  und  Zerstörung 
haben  gleichsam  zum  drittenmal  wieder  einen  neuen  Teil 
von  Schönheit    hinzugefügt.     Erst    war    die    Natur    schön, 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


Abb.  7. 

dann  verschönirte  sie  der  Mensch  mit  einem 
Brunnen,  und  nun  verschönt  Natur  wieder 
die  Kunst  des  Menschen.  E>afs  aljer  dieser 
dritten  Verschönerung  nicht  der  ganze  An- 
teil zufällt,  liann  ich  bei  diesem  Beispiel 
durch  einen  glücklichen  Zufall  zeigen.  Ich 
fand  einen  alten  Stich,  der  denselben  Brunnen 
im  einstigen  Zustande  darstellt.  Hier  ist  von 
Zerstörung  und  l'berwuchern  der  Natur  noch 
nicht  die  Rede,  sondern  wir  sehen  die  ganze 
Anlage  noch  so,  wie  Menschenwille  sie  ge- 
wollt und  Menschenhand  sie  geschaffen 
hatte.  Und  trotzdem  ist  auch  hier  der 
Brunnen  von  grofser  Schönheit.  Wenn  auch 
heute  noch  Brunnen,  Schmuckbrunnen,  an- 
gelegt werden,  die  meist  ein  Grauen  für 
alle  Menschen    sind,   über  deren    Empfinden 


l'ür  sichtbare  Erscheinungen  noch  keine 
Hornhaut  gewachsen  ist,  so  bestätigt  das  an 
sich  noch  kaum  die  Tatsache,  dafs  der 
menschliche  Sinn  die  Natur  nicht  zu  ver- 
schönern vermöchte.  Gewifs  ist  ein  Brunnen 
wie  auf  Abb.  4  albern  und  kindisch,  und 
last  alle  Brunnen,  die  heute  im  Walde  oder 
sonstwo  entstehen,  sehen  so  oder  so  ähn- 
lich aus.  Der  Beweis  ist  aber  eben  damit 
nur  gegeben,  dafs  hier  dii;  menschliche 
Gestaltungskraft  oder  vielmehr  das  ein- 
fachste Empfinden  für  primitives  Gestalten 
versagt  und  dafs  eine  Verrohung  in  der 
S|iracho  der  sichtbaren  Formen  Platz  ge- 
griffen hat,  wie  sie  tatsächlich  die  Welt- 
geschichte vorher  noch  bei  keinem  Volke 
und  in  keinem  Lande  erlebt  hat.  Jede 
Indianerhütte  zeugt  da  von  mehr  Gefühl 
und  Takt  in  der  Verwendung  der  leisen 
Sprache  der  Formen  und  des  Materials.  Und 
wo  nuui  mit  der  Absicht  umgeht,  Verschöne- 


Abb.  9.     Gegenbeispiel  zu  Abb    S. 


Abb.  S. 

lung  zu  schaftVn.  koiunit  man  auf  so 
jämmerlich  kindische  Ideen,  tlafs  es  da  fast 
noch  schlimmer  aussieht,  als  wenn  man  ganz 
darauf  verzichtet.  Hier  als  eines  der  Bei- 
spiele für  viele  auf  Abb.  5  einen  Haufen 
Steine,  die  man  über  einen  rriedlichen  Garten 
ausgegossen  hat,  offenliar  in  iIit  Meinung, 
dafs  dieser  Schutthaufen  eine  wesentliche 
Verschönerungherbeifiihiie.  In  unsei-nGailen- 
schulen  wird  das  oft  gelehrt.  Oder  man 
sehe  auf  Abb.  6,  mit  welcher  Vermessenheit 
sich  d(!r  Geschäftssinn  unserer  Zeit  einem 
ehrwürdigen  Pelsblock  naht.  Aber  nuin  tut 
nicht  nur  etwas  für  das  Geschäft,  man  tut 
aucli  etwas  IUI'  die  Poesie.  1  i;i  oben  liidis 
in  ilei'  iM'ke  hat  man  für  Jeden,  der  es  noch 
iiiclil  weifs,  „Teul'el-Stein"  aufgemalt.  Aucli 
eini'  .Art  (h'r  Naturverschönerung  unserer 
Zeit.  Nun  noch  auf  das  (ieratewohl  hin  ein 
paar  andre  Beispiele.    Abb.  7  zeigt  eine  alte 


IX,  1 


DIE  GARTENKUNST 


Ruine  im  Walde  auf  Bergeshöllen.  Sie 
war  ofl'enbar  nnch  lange  nioht  schön 
genug.  Der  Gärtner  kummt  i.ml  ni.irht 
sie  noch  viel  schöner,  indem  er  ihr  das 
Brandmal  seiner  Bretzelwege.  schöner, 
sauberer  Bordsfcineinfassiingen,  Täiin- 
chenbosketts  und  all  die  anderen  lieljüi'hen 
Requisiten  seiner  Kunst  anheftet,  Abb.  8 
zeigt  ein  anmutiges  Bild  vor  den  einsti- 
gen Festungsmauern  einer  alten  Stadt. 
Häuschen  und  Hüttchen.  Gartenhäuser 
und  Lauben  haben  sich  da  anmutig  ein- 
genistet und  geben  ein  Bild,  das,  wenn 
man  aus  der  Stadt  kommt,  im  über- 
tragenen Sinn  beinahe  ein  schönes 
Stückchen  Natur  genannt  werden  kann. 
Aber  es  ist  den  Menschen  von  heute  noch 
lange  nicht  schön  genug,  es  niufs  un- 
bedingt verschönert  werden,  wenn  es 
auch  ein  grofses  Stück  Geld  kostet. 
Merkwürdig,  sonst  ist  ja  für  nichts  Geld 
da  und  an  jeder  Anlage  mufs  so  viel 
gespart  und  geknausert  werden,  dafsanstatt 
des  Ziegeldaches  ein  Pappdach  und  statt 
des  Holzstakets  ein  Stacheklrahtzaun  ge- 
wählt werden  mufs.  Aber  in  unsererZeit  weifs  man  sehr  wnhi. 
was  man  den  Idealen  schuldig  ist,  und  für  eine  „Verschöne- 
rung" ist  Geld  da.  Auf  Abb.  9  sieht  man,  in  wie  merkwürdiger 
Weise  sich  ein  ähnliches  Stadtbild  verschönert  hat.  [la- 
bei  ist  es  noch  gar  nicht  mal  das  Schlimmste,  was  man 
zeigen  könnte.  Käme  es  mir  darauf  an,  ganz  besondere 
Karikaturen  festzunageln,  man  brauchte  kaum  weit  zu 
laufen.     Mit  wie  ganz   erstaunlicher  Sicherheit    man    stets 


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Abb.   10. 

daneben  greift,  wenn  man  heute  verschönern  will,  zeigt 
dieses  Bildchen  (Abb.  11).  Am  Rande  einer  steilen  Höhe 
zieht  sich  ein  Weg  hin,  von  dem  man  einen  wundervollen 
Blick  ins  Tal  hat..  Um  den  Weg  zu  verschönern,  pflanzte 
man  hier  seitlich  vom  Wege  Tannen  und  wieder  Tannen. 
Die  versperren  nun  jetzt,  wo  sie  herangewachsen  sind, 
zwar  die  Aussicht,  geben  aber  da.für  auch  keinen  Schatten. 
Das  einzige,  was  zu  vermeiden  gewesen  wäre,  ist  hier  mit 
raffiniertem  Ungeschick  erreicht.  Hätte 
man  an  der  Seite  des  Weges,  wie  es 
frühere  Zeiten  auf  der  andern  Seite  schon 
getan,  Alleebäume  gepflanzt,  so  hätte  man 
in  deren  Schatten  spazieren  gehen  können, 
während  man  unter  ihren  Zweigen  den 
Blick  ins  Tal  gehabt  hätte,  wie  es  unser 
Bild  (Abb.  10)  als  ein  nicht  mal  besonders 
schönes  Exemplar  einer  Allee  erkennen  läfst. 

tSchlul's  folgt,) 


Abb.  11.     Gegenbeispiel  zu  Abb.   10. 


I»ie    liainarti^e    Umsestaltiiiij!;  der  so^e- 

uaiiuteii  Holzliecke  im  Fraukfurter  Sta<lt- 

vvalde. 

Voa 
Heicke,   Stadtgartendirektor.   Piankfurt  a.  M. 

Wenn  irgend  wo  auf  forstlichem  Ge- 
biete es  ein  Gebot  der  Notwendigkeit  ist, 
die  wirtschaftlichen  Rücksichten  hinter  die 
der  Ästhetik  zurücktreten  zu  lassen,  so 
ist  es  überall  da  der  Fall,  wo  die  benach- 
barten   Waldungen    von  den  Wohnvierteln 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


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der  stetig  wachsenden  Grul'sstädte  er- 
reicht werden.  Forstwirtschaft  kann  in 
solchen  W'aldtoilen  nicht  mehr  betrieben 
werden,  ihre  technischen  Mai'snahmen 
versagen  vollständig  angesichts  des  Ver- 
kehrsstromes,  der  sich  aus  der  Stadt  in 
diese  Waldteile  ergiel'st.  Hier  inuls  die 
Forstwh'lschaft  durch  die  Waldptlege 
ersetzt  werden  und  es  mul's  das,  was  dem 
Korstmanne  nicht  mehr  gelingen  will, 
nämlich  die  Erhaltung  eines  ästhetisch 
befriedigenden  Zustandes,  durch  das  Ein- 
greifen des  Gartenfa.chniannes  angestrebt 
werden. 

t>amit  soll  nicht  gesagt  sein,  dal's 
dieser  Wechsel  in  (Jen  Behandlungs- 
grundsätzen auch  einen  Wechsel  in  der 
Person  des  verantwortlichen  Leiters  zur 
Folge  lia.l)en  miitste.  Wir  haben  Bei- 
spiele, wo  der  Forstmann  mehr  Schön- 
heitssinn und  künstlerisches  Verständnis 
an  den  Tag  gelegt  hat,  um  eine  solche 
Umwandlung  durchzuführen,  als  mancher 
Gartenfachmaun.  Es  liegt  die  Gefahr 
sehr  oft  nahe,  dal's  letzterer  in  vollstän- 
digem Verkennen  der  Aufgabe  sein  Ziel 
darin  erblickt,  aus  dem  Wald  möglichst 
gründlich  einen  nichtssagenden  l^ark  mit 
Sclilängelwegen.  glattem  Rasenteppich, 
mit  obligatem  Zierstrauch-  und  buntblätt- 
rigen Gehölzsiirtiment  und  all  dem  anderen 
Zubehör  „landschaftlicher  Anlagen"  macht, 
und  also  die  Saclie  soverkehrt  wie  irgend 
möglich  aufai'st. 

Indessen  darf  im  allgemeinen  ange- 
nommen werden,  dafs  er,  wie  auch  in 
zahlreichen  mit  Geschick  durchgeführten 
Umwandlungen  erwiesen  ist,  infolge  seiner 
Schulung  und  fachlichen  Vorbildung  eher 
der  geeignete  Mann  ist,  als  der  Porst- 
beamte,  bei  dessen  Ausbildung  bisher 
allzusehr  auf  die  wirtschaftliche  Seite 
seiner  Tätigkeil  Gewiidit  gelegt  worden 
ist.  Unter  Berücksichtigung  dessen  ist 
.lucli  die  bainarligi'  Unigeslaliung  der 
sogen,  llolzhecke  im  l'"ranklurter  Stadt- 
wa,ld  tler  städtischen  Gartenverwaltung 
übertragen   woiden. 

Schitn  seil  eim'i-  Reihe  von  .lahren 
war  unten'  llinwiMs  auf  Beispiele  in  a-nderen 
StädtiMi  der  l'lan  einer  solchen  Um- 
wandlung Von  Teilen  des  Frankfurter 
Stadtwaldes  er''irlerl  wdnlen.  Xanumllich 
ist  es  der  in  \ii'li'ii  lüngeii  recht  weil- 
schauende vei'si.  jleini'icli  Siesmayer 
gewesen,  der  gcM'ii  jcdr  (ielegenheit 
w  .ihrnalim,  dafürSlimmung  zumachen  und 
im  l-'nnikfnrterVerschönerungs verein  Helen 


IX,   1 


Dil':   0  AUTEN  KUNST 


SL'ine  Anrr,i;un,n'cii  :iiil'  rincii  IVuchtliarrii  Biidm.  Xacluli-m 
der  Verein  einige  Jalire  mit.  der  Aufwendung  von  Miiiclii 
für  kleineren  Aufgaben  zurückgehalten  und  daduiidi  rincii 
grölseren  Fund  angesamundt  lia.tte,  koniiti'  it  im  Miiiv, 
des  Jahres  l!H)4  mit  ili>m  Antrage  an  die  Stadtverwaltuni; 
herantreten,  den  au  der  Hauptzugangsstrasse  zum  Stadt- 
wald gelegenen  Distrikt  „Holzhecke"  einer  hainariigm 
L'mgestaltung  zu  unterzieluMi,  und  gleichzeitig  sich  ziii- 
('hernähme  des  Hauptanteils  der  entstehenden  Kosten 
bereit  erklären. 

Nach  längeren  Verhandlungen,  in  denen  es  namentlich 
auf  die  Besi^itigung  von  laut  t;-(<\vordenen  Befürchtungcii 
ankam,  als  solle  aus  dem  Wald  ein  regelrechter  und 
erhebliche  Unterhalt ungskdsten  verursachender  Zierpark 
gemacht  werden,  wurde  das  Anerbieten  des  Verschrme- 
rungsvereins  angenommen  und  die  Ausführung  nach  dem 
Entwürfe  des  Verfassers   beschlossen. 

^^'ir  fügen  unseren  Ausführungen  zwei  Planskizzen 
bei,  aus  denen  der  gegenwärtige  und  der  in  Ausführung 
begriffene  neue  Zustand  ersichtlich  sind  und  lassen  den  dem 
Entwurf  beigefügten  Erlänteriingsborichtnachstehend  folgen : 

,,lMe  Holzhecke  macht,  wie  es  auch  sonst  bei  Wald- 
teilen der  Fall  ist,  die,  in  nächster  Nähe  einer  grofsen 
Stadt  gelegen,  dem  nachteiligen  Einflulse  des  Verkehrs 
grofser  Menschenmengen  ganz  besonders  ausgesetzt  sind, 
einen  höchst  unbefriedigenden  Eindruck.  In  der  Regel 
wächst  dieser  mifsständige  Eindruck  in  dem  Malse,  wie 
die  Rente,  welche  die  Forstverwaltung  aus  einem  derartigen 
Waldteile  herauswirlschaftet,   sich  verringert. 

Man  mul's  sich  daher  wundern,  dal's  die  Stadt  Frankfurt 
nicht  längst  dem  Beisiiiele  anderer  Städte  gefolgt  ist,  die 
derartige  Teile  ihres  W^aldbesitzes  in  Anlagen  von  mehr 
parkartigem  Charakter  umgewandelt  habi/n,  um  so  dem 
grol'sen  Publikum  einen  angenehmen  und  gern  aufgesuchten 
Aufenthaltsort  zu  bieten. 

Wir  können  als  Beispiele  das  Bois  de  Bimlogne  in 
Paris,  Bois  de  la  Cambre  bei  Brüssel,  die  Eilenriede  bei 
Hannover,  das  Rosental  und  das  Connewitzer  Holz  bei 
Leipzig,  den  König-Albert-Park  bei  Dresden  und  andere  mehr 
anführen.  Neuerdings  sind  bekanntlich  auch  Teile  des 
Berliner  Tiergartens  einer  solchen  Umgestaltung  unter- 
zogen worden,  die  nach  dem  einstimmigen  Urteil  aller 
Sachkenner  als  äufserst  gelungen  bezeichnet  werden  mul's. 
Die  Empfindung,  dals  mit  unserer  Holzhecke  etwas  Ähnliches 
geschehen  müsse  und  könne,  ist  nicht  neu.  Bereits  vor 
60  Jahren  beschäftigte  man  sich  schon  lebhaft  mit  der 
Frage,  in  welcher  Weise  dieser  vom  Publikum  am  meisten 
besuchte,  den  Eingang  des  Waldes  bildende  Distrikt  in 
Zukunft  bewirtschaftet  werden  sollte  und  fafste  im  ,, Grol'sen 
Hat"  am  2.  April  1844  den  Beschlufs  —  dal's  bei  Holz- 
tällungen  in  genanntem  W'aldteil  nicht  allein  nach  forst- 
männischen Grundsätzen  zu  verfahren,  sondern  auch 
Rücksicht  auf  die  Annehmlichkeit  des  Pid^likums  zu 
nehmen  sei.  Und  im  Jahre  1863  wurde  beschlossen, 
auf  einen  regelmäfsigen  Reinertrag  bei  der  Bewirtschaftung 
der  Holzhecke  ganz  zu  verzichten  und  der  Forstverwaltung 
eine    plänterartige  borst-    und    gruppenweise  Verjüngung 


linier  miigliidist  langer  Fi-lialluni;-  und  Pllege  vuii  Ober- 
slaiid    und   1  lierh,-Ul    veivji.schreiben. 

Xarb  iliesem  (Iriindsat/.e  ist  die  Holzhecke  seit  li'')  Jahren 
liewirts(dia,flet  werden.  Allein  das  Resultat  läfst,  narhdi'iu 
aiirh  die  Silirme  der  .labre  llMlj  19(14  durch  Wurf  und 
Bruch  das  Waldbild  .sehr  zu  seinem  Nachteil  verändert 
haben,  den  Winisc  li  berechtigt  erscheinen,  dafs  man  nach 
dem  N'iirljjlde  andei-ei-  Grol'städte  sicdi  bei  der  fernei-en 
Bidmiidlung  dei-  llelzhi;i'ke  die  l'berfiiln-iing  in  eine  Aidage 
vim    melir    waldparkarligem    ("Imrakter    zum    Ziele    setz(\ 

Selche  Anlagen  unterscheiden  sich  vnn  di^ii  eigentlichen 
Fersten  da.durcli,  dal's  bei  ihrer  Bew  iilscdia.ftung  nicht 
mehr  nach  fiu'sttechnis(dn'u  Grundsäl/.eii  verfahren,  viid- 
mehr  auf  Rentabilität  verzichti^t  und  leiligli(di  auf  Steigerung 
der  Walilschönheit  durch  Anwendung  di'r  dem  Lautlscdiafts- 
gärtner  zu  Gebote  stehenden  Mittel  bi'ilacht  gennmmeii 
wird. 

Wenn  wir  ilie  Aiu'egung,  welche  Nom  \'erschiiiiei'ungs- 
verein  nach  dieser  Richtung  hin  l'ür  dii'  Holzhecke  gegeben 
wird,  begrüfsen  und  ihre  Ausführung  befürworten,  so 
glauben  wir  dabei  voraussetzen  zu  dürfen,  dal's  die  Um- 
wandlung nicht  auf  diesen  Waldteil  beschränkt  bleiben 
wird,  sondern  dal's,  wenn  erst  gezeigt  sein  wird,  was 
sich  aus  einem  solchen  Waldteile  liei  sachgemäl'ser  Be- 
handlung mit  verhältnismäl'sig  nicht  erheblichen  Mitteln 
machen  läfst,  auch  noch  andere  Partien  —  Biegwald  usw. 
--   der  gleichen  Behandlung  unterzogen  werden. 

liabei  möchten  wir  von  vornherein  der  Besorgnis  ent- 
gegentreten, als  solle  die  Holzhecke  in  eine  moderne  und 
mit  allen  Hilfsmitteln  der  Gartenkunst  ausgestattete  Park- 
anlage umgewandelt  werden,  deren  kurz  geschorener 
Rasen  von  keinem  Pul's  betn'ten  werden  darf,  deren 
seltene  ausländische  Blumen  und  Gehölze  vor  jeder  Be- 
rührung behütet  w^erden  müssen. 

Alle  Mal'snahmen  müssen  vielmehr  das  Ziel  verfolgen, 
die  Urwüchsigkeit  des  Waldbestandes  zu  wahren  und,  so- 
weit sie  durch  die  Forstkultur  verloren  gegangen  ist, 
wieder  herzustellen.  E)enn  es  besteht  ein  grofser  Unter- 
schied zwischen  dem  malerischen  sich  aus  den  verschie- 
densten heimischen  Baumarten  zusammen  setzenden 
Walde  und  einem  nach  modernen  Grundsätzen  gepflegten 
Porste.  Jenen  malerischen  Mischwald,  gewifsermassen 
in  idealisierter  Form,  wieder  herzustellen,  mul's  das  Ziel 
bei  der  landschaftsgärtnerischen  Behandlung  solcher 
Waldungen,  wie  die   Holzhecke,   sein. 

Dazu  ist  notwendig,  dal's  die  Gleichförmigkeit  der  nur 
aus  ganz  wenigen  Baumarten  bestehenden  forstlichen 
Bestände  durch  Unter-  und  Zwischenpflanzungen  von 
anderen  einheimischen  Baum-  und  Straucharten  unter- 
brochen wird.  Auch  können,  soweit  es  die  Erzielung 
gröfserer  Mannigfaltigkeit  wünschenswert  erscheinen  läfst, 
einige  wenige  ausländische  Arten  mit  verwendet  werden, 
indessen  mufs  man  sich  dabei  auf  solche  beschränken, 
die  schon  lange  bei  uns  eingebürgert  und  auch  dem  Laien 
zur  gewohnten  Erscheinung  geworden  sind. 

Die  geschlossenen  Bestände  sollen  mit  Eun-chsichten 
und  lichtgestellten  Baumgruppen  abwechseln,  zwischen 
denen  der  Boden  anstatt  der  öden  Laubschicht  eine  Rasen- 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  1 


decke  aufweist,  wie  wir  sii^  auf  Waid- 
liehtungiMi  antreffen,  niedere  und  liolie 
(Ji'äsiT,  b\irne  und  Waldblumen  in  bunter 
Misrluing  oder,  wo  der  Schatten  der 
Bauino  solche  nicht  zulälst,  Efeu  und 
alliiere  weniger  lichtliedürftig-e  Pflanzen- 
arten. Liamit  diese  grüne  Bodendecke 
sich  enlwit'kcln  kann,  ist  es  niitig.  auch 
an  den  als  Waldlichtungen  gedachten 
Stellen  vorläufig  die  Auslichtungen  nur 
in  dem  Grade  vorzunehmen,  dal's  ge- 
nügend Sonnenlicht  für  die  l-]ntwickelung 
■  1er  Vegetation  auf  den  Boden  gelangen 
kann,  andererseits  aber  derselbe  noch 
unter  einem  gewissen  Halbschatten  ge- 
halten wird,  um  die  ausdörrende  Wirkung 
iler  Sonnenstrahlen  möglichst  abzuhalten. 
\\'ird  aufserdem  die  richtige  Auswahl 
unter  den  sich  eignenden  Gräsern  und 
anderen  Gewächsen  getroffen,  so  kann 
von  der  Herstellung  kostspieliger  Be- 
wässerungseinrichtungen abgesehen  wer- 
den, zumal  die  in  der  Forsthausstrafse 
viii'handenen  Wasserentnahmestellen  ein 
Giel'sen  der  jungen  Anpflanzungen  mittelst 
üiefsfal's  gestatten,  soweit  solches,  um 
das  Anwachsen  zu  gewährleisten,  in  der 
ersten  Zeit  erforderlich  ist.  Bemerkt  sei 
indessen,  dal's  die  Anlage  eines  Wasser- 
laufs, der  sich  an  passender  Stelle  zu 
einem  kleinen  Teiche  erweitern  könnte, 
nicht  nur  das  W^achstum  im  ganze  Be- 
zirke fördern,  sondern  auch  das  Waldhild 
wesentlich  verschönern  würde  und  dal's 
die  Möglichkeit  einer  solclien  Anlage 
offengehaften  werden  sollte. 

E)ie  zusammenhängenden  Pll:inziingen 
düi'len  keine  gradlinigen  Begrenzungen 
auf  weisen,  auch  an  den  Wegerändern 
keine  steifen  Linien  bil.len;  ilire  Konturen 
müssen  in  natürlichen  Wellenlinien  ver- 
laufen, ba.ld  Vorsprünge,  bald  iMuliuch- 
tungen  zeigend,  wie  überhaupt  alle  Regel- 
mäl'sigkeit  und  Gleichförmigkeit  in  der 
Anordnung  der  Pflanzungen  einer  male- 
rischen Ungezwungenheit  weichen    mul's. 

B(\sondere  Beachtung  isl  di'r  Fühi-iing 
der  \\'ei;e  zu  wiiliiieii.  Im  f'iirsl  bi'a.iudlt 
iiia.ii  es  (lamit  nicht  so  genau  zu  nidiiiien 
und  es  genügt,  wenn  sie  dem  \'er- 
kelirsluMJürfnis  Rechnung  Iragim;  im 
Waldpark  dagegen  sollen  sie  .so  geführt 
sein,  dal's,  soweit  der  Blick  reicht,  sich 
dem  Auge  i'ine  ungesucdit  gefällige,  der 
Bodenbowegung  aiigepal'ste  Linie  bietet, 
zugleich  i_aber  auch  die  .\usblicke,  die 
man  vom  Wege  ans  in  den  angrenzen- 
den   \\'aldieil    hal,  in  si(di    abgeschlosseni', 


IX,  1 


DIE    GARTENKUNST 


einhr'itlii-lie,  a.lier  doch  auch  wiriler  alnveflisi/lungsi-iMclie 
BililiM-  gewähren. 

I'ntor  Berücksichtigung  dieser  allgemeinen  Grundsätze 
hallen  wir  ein  Projekt  für  die  Umwandlung  der  llolzhecke 
aul'gi'stellr,  das  wir  hiermit  vorlegen. 

Von  dem  Vorschlage  des  Vorschönerungsvereins  unter- 
scheidet es  sich  im  wesentlichen  dadurch,  dals  wir  etwas 
uiidir  Rücksicht  auf  die  vorhandenen  Bestände  genoinmen 
haben  und  sparsamer  in  der  Anordnung  neuer  Wege 
gewesen   sind,  als  es  dort  geschehen  ist. 

Nach  vorstehenden  allgemeinen  Ausführungen  können 
wir  uns  zur  näheren  Erläuterung  auf  nachfolgende  Be- 
merkungen fieschränken : 

Der  gegenwärtige  Bestand  der  Holzhecke  besteht  im 
wesentlichen  aus  zwei  (iruppen;  zu  der  einen  gehören 
diejenigen  Parzellen,  wehdie  mit  einmn  dichten  Bestand 
jungen  Holzes  bewachsen  sind,  vorzugsweise  jüngere 
Buchen  mit  ^^'eimuthskiefern  gemischt,  auch  etwas  jüngere 
Eichen  sind  vorhanden.  Diese  Parzellen  sind  von  ver- 
schiedener Gröfse  und  unter  sich  nicht  ülierall  im  Zu- 
sammenhang stehend.  Zu  der  anderen  Gruppe  gehiiren 
diejenigen  Fläclii'U,  welidie  in  lichtem  Stand  mit  Bäumen 
höherer  Altersklassen  l>estanden  sind,  untei-  denen  eben- 
falls die  Buche  vorherrscht. 

W'ii"  empfehlen,  die  erstgenannten  jüngeren  Partien,  soweit 
erforderlich,  zu  durchforsten  und  ihre  Konturen  durch 
Einschnitte  und  Voi-ptlanzungen  malerisch  zu  gestalten. 
Dabei  möchten  wir  nicht  unterlassen,  auf  einen  Unter- 
schied in  der  Wirtschaftsweise  des  Porstmannes  und  des 
Landschaftsgärtners  aufmerksam  zu  machen.  Der  Forst- 
mann pflanzt  eng  und  lälst  die  Bestände  solange  als 
möglich  geschlossen  in  die  Höhe  gehen,  um  die  Stamm- 
bildung zu  fördern:  denn  es  kommt  ihm  auf  schlanke 
astfreie  Stämme  an,  die  gut  bezahlt  werden,  (daher  die 
Bezeichnung  ..lange  Buchen",  die  dei'  Eiistiikt  im  Volks- 
munde führt). 

E)er  Ijandsohaftsgärtner  pflanzt  ebenfalls  eng,  damit 
die  zusammenhängenden  Bestände  von  Anfang  an  ge- 
schlossen erscheinen;  er  lockert  aber  frühzeitiger  und 
energischer  als  der  Forstmann,  damit  die  Kronen- 
entwickelung  der  Bäume  begünstigt  wii-d  und  Bäume 
mit  reichem,  möglichst  bis  zum  Boden  herabreichenden 
Astbehan.g  sich  bilden  kömnen.  Solche  Bäume  verankern 
sich  sehr  fest  mit  ihren  M'urzeln  im  Boden  und  fallen 
dem  Sturm  nicht  leicht  zum  ()pfer:  sie  können  daher 
auch  ohne  tiefahr  noch  in  hohem  .\lter  freigestellt  werden. 
Bei  Beständen,  die  nach  forstlichen  Prinzipien  erzogen 
sind,  ist  die  Erhaltung  der  langschäftigen  Bäume  dagegen 
sehr  schwierig,  sobald,  sei  es  durch  Sturm  oder  andere 
Ursachen,  einmal  Lücken  entstanden  sind,  wie  es  leider 
bei  dei'  Holzhecke  der  Fall  ist. 

Die  alten  Bestände  sind  tunlichst  zu  schonen:  nach 
ihren  Kändern  hin,  insbesondere  entlang  der  Mörfelder- 
landstrafse,  empfiehlt  es  sich,  sie  durch  LTnterptlanzung 
geeigneter  Baum-  und  Straucharten  dichter  zu  gestalten. 
Im  ülirigen  ist  der  Boden  zwischen  ihnen  mit  Waldrasen 
zu  bestellen,  damit  das  unerfi'euliche  Bild,  welches  die 
Flächen    gegenwärtig     fiieten,    verschwindet.       Bei     ihrer 


klinfligi'ii  Behandlung  wini  darauf  Bedacht  zu  nehmen 
sein,  da.rs  die  abgängigen  Bäuuie  nur  insoweit  dur(di 
Xachptlaiizungen  ersetzt  werden,  dafs  die  Wege  hinreichend 
beschatt(U,  sind,  im  übrigen  aber  nach  und  n,-ich  einige 
Wakhviesen  entstehen,  die  nur  mit  einzelnen  Baumgiaippcii 
bestandcm  sind  iiiul  als  Spielplätze  für  die  Jugend,  sowie 
zur  .\bhaltung  VdU    \olksfesten   dienen   können. 

DiiM-iirhandenen  Wege  lassen  hinsichtlich  ihrer  Führung 
zu  wünschen  übrig.  .Namentlich  wird  störend  empfunden, 
dal's  sie  vielfach  zu  nahe  nebeneinander  die  ofl'enen  Partien 
durchschneiden  und  Unruhe  in  die  Situation  bringen.  Es 
kommt  dies  vorzugsweise  daher,  weil  der  Radfahrweg  in 
seinei'  ganzen  Länge  mit  geringem  Abstände  fast  parallel 
neben  dem  Hauptweg  für  Fufsgänger  herläuft.  Wir  haben 
dem  in  unserem  Entwürfe  abzuhelfen  versucht,  indem 
wii-  den  Radfahrweg  tunlichst  weit  von  dem  Hauptfufsweg 
abgerückt  haben. 

Sonst  haben  wir  uns  dara.uf  beschränkt,  den  Verlauf 
der  verhandenen  Wege,  deren  Hauptrichtung  durch  das 
Vi'rkehrsbedürfnis  gegeben  ist.  etwas  zu  verbessern  und 
a.n  neuen  Wegen  nur  zwei  Fulswege  zur  Erschliefsung 
des  Teri-a,in\vinkels  zwischen  Mörfelderlandstrafse  und 
Niederräderstrai'se  und  eine  Verbindung  von  der  Mündung 
des  Wi^ges  nach  der  Oberschweinstiege  in  der  Richtung 
nach  der  Rennbahn  vorgesehen.  L>er  Reitweg  ist  unver- 
ändert belassen  worden.  Plätze  zur  Aufstellung  von  Bänken 
sind  in  ausreichender  Anzahl  angeordnet,  können  aber  im 
Bedarfsfalle  auch  noch  erheblich  vermehrt  werden. 

Was  die  Kosten  der  vorstehend  skizzierten  Umwandlung 
der  Holzhecke  anbelangt,  so  lälst  sich  ein  genauer  Kosten- 
anschlag wegen  der  sich  genauer  Berechnung  entziehenden 
.A.rt  der  verschiedenen  Arbeiten  nicht  gut  aufstellen.  Wir 
schätzen  auf  Grund  der  F^rfahrungen,  die  man  anderwärts 
bei  Solchen  .Vrbeiten  gemacht  hat,  die  Höhe  der  erforder- 
lichen Mittel  bei  der  auf  rund  24  Hektar  angenommenen 
Gesamtfläche  der  Holzhecke  auf  ca.  30000  Mk.  E>abei  ist 
griifste   Einfachheit  nach  jeder  Richtung  hin  angenommen. 


Kie    BefleutiiUii'    uikI  ^  ei-weituiin-    der  Perspektive    und 
des  freien  Zeicliueiis  beim  Entwerfeu  vou  (Tarteiianlageii. 

Von 
A.  Kiefsling. 

Erwägt  man  den  Nutzen  der  Perspektive  für  den 
Entwurf  von  Gartenanlagen  kritisch,  so  erscheint  der  Gebrauch 
dem  Plan  „zum  Schlufs"  .Ansichten  beizugeben,  die  reinste 
Zeitverschwendung.  Tatsächlich  wohnt  der  Perspektive 
freilieh  ein  hoher  Wert  inne,  nämlich  der  eines  unbestech- 
lichen Kritikers.  Ihre  höchste  Bedeutung  zeigt  diese 
Konstruktion  aber  während  des  Entwurfs,  nicht  nach 
Fertigstellung  desselben. 

Meine  Absicht,  den  Wert  der  perspektivischen  Ansicht 
allein  zu  behandeln,  würde  nicht  erschöpfend  gewesen 
sein,  es  erwies  sich  im  Verlaufe  der  Entwickelung  als 
notwendig,  nicht  nur  die  reine  Konstruktion,  sondern  auch 
die  .\usführung  und  damit  den  Wert  des  Freihandzeichnens 
zu    beleuchten.     Perspektive    und  freies   Zeichnen  sind    zu 


10 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


eng  verschwistei't.  als  dafs  die  Bedeutung  der  Kunslruktion 
erörtert  werden  könnte,  ohne  der  Ausgestaltung  des  Ge- 
wonnenen ebenfalls  gerecht  zu  werden:  haben  wir  es  über- 
dies doch  mit  den  freien  Gestalten  der  P'lora  zu  tun.  welche 
sich  zwar  scharf,  aber  oft  nur  durch  Feinheiten  vonein- 
ander unterscheiden. 

In  der  neueren  Zeit  hat  man  sich  mit  wachsendem 
Interesse  der  Ausstattung  von  Plänen  mit  Perspektiven  zu- 
gewandt, jedoch  kann  kein  Zweifel  bleiben,  dafs  gerade 
dasjenige,    was    dem  Architekten   dekoratives  Beiwerk    ist. 


nämlich  die  Landschaft,  von  uns  ein  liebevolles  Eingehen 
auf  ihre  Eigenheiten  verlangt.  E)ekorative  Landschaft 
und  flotteste  Technik  kann  der  Architekt  in  seinen  Dar- 
stellungen ohne  Schwierigkeit  vereinigen,  denn  sein  Haus 
kommt  im  Charakter  seiner  Form,  Flächen  und  Stoffe 
nicht  schlecht  dabei  weg  —  eher  ist  das  Gegenteil  der 
Fall:  Ein  Haus  in  flottem  Aquarell  sieht  auf  ilora  Papier 
leicht  schöner  aus,  als  der  Bau  selbst,  doch  sein(!n  Charakter 
verliert  es  nicht.  Die.se  Gefahr  besteht  aber  bei  der 
Landschaft. 

Zu  grofs  und  massig  gehalten,  kann  sie  z.  B.  leicht 
ihren  freundlichen  Charakter  verlieren  und  feierlich  ernst 
erscheinen.  Die  dekorativ  behandelte  Szenerie  der  Vegetation 
hebt  gerade  infolge  dieser  Ausführung  das  Haus  in  seiner 


feineren  E»urcharbeitung  wesentlich,  während  sie  selbst  vom 
Pachstandpunkte  bedeutend  verliert,  wenn  die  Charaktere 
nicht  gewahrt  l)leiben. 

Es  ist  viel  schwieriger,  die  freie  Pflanze  flott  dekorativ 
und  doch  charakteristisch  in  wenigen  Strichen  wieder- 
zugeben als  Archtekturteile  mit  ihren  festen  Formen. 

Wir  dürfen  nicht  auf  die  wechselvollen  Heize  unserer 
Pflanzenbilder  infolge  oberflächlicher  dekorativer  Behandlung 
verzichten,  denn  die  rohe  Gruppierung  der  Massen  allein 
schafft  die  landschaftliche  Schönheit  nicht  —  die  Pflanzen- 
charaktere mit  ihren  Kontrasten,  ihrer  Harmonie  bringen 
erst  die  malerischen  Reize.  Was  der  Wirklichkeit  recht, 
ist  der  Perspektive  bitter  nötig,  wenn  sie  praktischen  fach- 
männischen Wert  haben  soll.  Wenige  Linien  im  Umrifs, 
der  Astzeichnung  und  der  Laubgruppierung  sind  es,  welche 
scharf  und  klar  die  Schönheit  der  einzelnen  Pflanzen 
zeigen,  und  gerade  diese  gehen  leicht  bei  dekorativer 
Behandlung  unter  „flottem  Schmifs"  verloren,  gerade  sie 
verlangen  die  schärftse  Beobachtung.  Italienische  Pappel, 
mehrere  Koniferenarten,  freie  Pyramidenformen  anderer 
Gehölze  kommen  in  Gefahr,  ineinander  unterzugehen. 
Innerhalb  der  wichtigsten  Charakterlinien  bleibt  für  grofse 
breite  Behandlung  Raum  genug  (s.  die  Iteiden  Koniferen 
vor  dem  Pavillon  der  Abb.  4  Seite  13). 

Das  freie  Zeichnen  wird  oft  in  Fachkreisen  gering- 
schätzig beurteilt.  E>as  ist  falsch.  Ohne  dieses  gibt  es 
kein  praktisches  perspektivisch-malerisches  iJenken,  kein 
geschärftes  Nachempfinden  einst  gesehener  Formen.  Dieses 
mangelnde  „Gedächtniszeichnen"  ist  die  Ursache  mancher 
verfehlten  Anlage. 

Ebensowenig  ist  die  perspektivische  konstruierte  An- 
sicht ein  Luxus;  sie  nur  zu  dem  Zweck  zu  „erfinden",  den 
Plan  appetitlich  zu  machen,  heifst  freilich  dieses  wichtige 
Hilfsmittel  zur  geschäftlichen  Spielerei  lierabzudrücken. 

Wer  in  letzterem  Sinne  arbeitet,  dem  kommt  es  natür- 
lich nicht  darauf  an,  die  Ansichten  mit  einem  Beiwerk 
auszustatten,  welches  weder  Plan  n^ch  Anlage  berück- 
sichtigt —   Schaumschlägereil 

Sorgfältig  gearbeitete  Perspektiven  haben  mit  leerer 
Phantasie  nichts  zu  tun,  sie  haben  vielmehr,  richtig  ein- 
geschätzt, hohe  praktische  Bedeutung,  indem  sie  es  er- 
möglichen, an  jeder  Stelle  des  Plans  festzustellen,  ob  dieser 
das  Gewollte  wirklich  wiedergibt,  und  ob  er  nicht  Mängel 
enthält,  welche  eben  durch  die  Perspektive  zu  finden  und 
zu  beseitigen  sind. 

Man  vergleiche  Abb.  1  und  2.  „1"  gibt  die  zuerst 
gewählte  Stellung  des  Erlengehölzes  an,  „II"  zeigt  die 
Gruppe  in  korrigierter  Stellung.  Bedingung  war  hierbei 
die  Un Veränderlichkeit  des  Sitzplatzes.  „11"  wurde  frei- 
händig in  die  Ansicht  hineingesetzt  und  rückwärts  ent- 
wickelt in  den  Plan  übertragen.  I>er  Blick  wurde  also 
einfach  konstruktiv  l'reigc^legt. 

„I^onstruktionl"  das  ist  es  eben,  was  leicht  unter- 
schätzt oder  vergessen  wird  —  eine  richtige  Konstruktion 
kennt  kein  „Entwedei'  —  oder"!  |-']in  AnlVifs,  Grundrifs, 
Schnitt,  sie  alle  sind  auch,  wie  bekannt,  keine  Phantasie- 
gemälde. 

Schnitte  geben    trulz    ihrer    technischen   Vurzüge    fast 


IX,   1 


DIE   GARTENKUNST 


11 


keine  Anhaltspunkte  für  die  spätere  Wirklichkeit,  weil  die 
rein  geometrische  Aneinanden'eihun,ij;  ii'enau  wie  der  Plan 
keine  perspektivischen  Verschiebungen  und  Verkürzungen 
der  Natur  entsprechend  ergibt.  Das  alles  leistet  aber  die 
Perspektive,  also  hat  sie  praktischen,  technischen  Wert 
auch  in  der  freiesten  Landschaft. 

Xaturgemäfs  besitzt  der  gewiegte  Fachmann  einen 
ganz  anderen  Überlilick.  als  der  jüngere,  ungeübtere,  doch 
ist  es  in  manchen  Fallen  selbst  dem  Kenner  der  Perspek- 
tive schwer,  ein  sicheres  L'rteil  über  N'erschiebungen  usw. 
abzugeben.  Die  Idee  allein  tut  es  dabei  ja  nicht,  weil  der 
Nivellementsplan  „und"  die  Bepflanzung  zusammengehören 
und  Überraschungen  bieten,    welche  sich    zuverlässig   erst 


in  kurzem  unter  den  überwölbenden  Haumkronen  der  Um- 
gebung erstickt  werden.  So  gehen  dann  landschaftliche 
Werte  verloren.  Kine  einzige  Konstruktionsskizze  führt 
solche  Unmöglichkeiten  sofort  vor  .\ugen! 

Das  ist  das  Allerwichtigstc,  was  für  die  fachmännische 
.Vnsicht  spricht!  — Der  Weg,  eine  Pe  rspek  ti  ve  zu  ent- 
wickeln ohne  Phantasie,  ergibt  sich  unscliwer  aus  den 
F<u\lerungen  der  Praxis. 

Einheitlichkeil  und  praktischer  Wert  bedingen  die  .\n- 
nahme  eines  bestimmten  iJurchschnittsalters  der  darzu- 
stellenden Landschaft,  weil  dieses  für  den  Bindruck  der 
Szenerie  von  einscheidendster  Bedeutung  ist.  Jüngste 
Anlage  —  alter  Park:  Anfang  und  Ziel! 


Abb.  2.    Ansicht  zu  Abb.   1. 


durch  die  Konstruktion  ermitteln  lassen.  Man  betrachte 
Abb.  3  und  4. 

Ein  (beispielshalber)  krasser,  jedoch  nicht  schwierig 
zu  beurteilender  Fall  liegt  hier  vor.  indem  die  Horizontalen 
bei  „I"  falsch  gelegt  sind,  wenn  der  Blick  über  das  \\'asser 
ganz  frei  gedacht  ist.  Durch  die  so  entstehende  Erdwelle 
würde  die  Wasserfläche  gröfstenteils  verdeckt.  Die  Kor- 
rektur bei  „II"  vermeidet  diesen  Fehler. 

Solche  Verbesserungen  werden  durch  unsere  ver- 
schiedenen Mafsstäbe  und  die  Eigentümlichkeit  der 
meisten  Bepflanzungspläne,  nur  die  Pflanzfläche  anzu- 
geben, öfter  bedingt,  als  man  anzunehmen  geneigt  ist. 
Im  Mafsstab  1  :  500  z.  B.  wirken  die  Teile  des  Vorder- 
grundes bei  weitem  nicht  so  bedeutend,  als  es  sich  nach- 
her perspektivisch  ergibt:  die  Folge  ist  Unterschätzung. 
Wie  es  bei  Bildern  mit  dem  Format  der  Fall  ist,  so  er- 
geben auch  die  grofsen  Mafsstäbe.  wie  schon  derjenige 
von  1  :  100  eine  viel  natürlichere  Möglichkeit  der  Be- 
urteilung. 

Es  ist  nicht  verwunderlich,  wenn  .Anfänger  in  grofser 
Gemütsruhe  im  Bepflanzungsplan  eine  schmale  Rasenbahn 
mit  lichtliebenden  Stauden   besetzen,    weiche    naturgemäfs 


Das  Bild  der  ersteren  ist  der  dürftige  Anfang;  die 
Baumschule  ist  noch  zu  stark  vertreten,  also  kommt  dieses 
nur  unter  ganz  besonderen  Umständen  in  Betracht. 

Eine  100jährige  Vegetation  ist,  wenn  man  zu  seiner 
eigenen  Kritik  arbeitet,  ebensowenig  angebracht,  w-eil  sie 
sich  der  Berechnung  entzieht  und  man  ihr  Bild  nicht 
erlebt.  Der  letztere  Grund  mag  nicht  stichhaltig  erscheinen, 
jedoch  leuchtet  ein,  dafs  man  in  diesem  Fall  ständig  mit 
Bildern  zu  tun  hätte,  welche  man  an  den  eigenen  Anlagen 
nie  zu  sehen  bekäme,  welche  also  nicht  zum  Selbstunter- 
richt dienen  können.  Mit  ca.  1,5  Jahren  gibt  wohl  jede 
Anlage  ein  dankbares  Bild  zur  Beurteilung,  wenn  auch  die 
Reife  der  Pflanzung  noch  nicht  die  ist,  als  nach  mehreren 
Jahrzehnten.  Eine  bestimmte  Norm  erscheint  verfehlt: 
Zweck,  vorhandener  Bastand  u.  dgl.  entscheiden  von  Fall 
zu  Fall. 

Bei  der  Zahl  der  Ansichten  kommen  die  wertvolleren 
Teile  des  Plans  nur  in  Betracht  —  um  nicht  unnötig  Zeit 
zu  verlieren.  Aus  demselben  Grunde  greift  man  als  Fun- 
dament jedes  „Blickes"  zunächst  „Standpunkt"  und  „Kern- 
punkt" heraus.  Da  es  in  der  Ansicht  nicht  möglich  ist, 
durch    veränderte    Stellung    vor    dem    fertigen    Bilde    die 


12 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


Szenerie  wie  in  der  Natur  wechselnd  nach  wirken  zu  lassen, 
so  ist  es  ganz  selbstverständlich,  dafs  man  den  günstigsten 
Punkt  im  Plan  hierfür  wählt.  In  der  Ansicht  gibt  man. 
wie  bekannt,  der  Mitte  des  Bildes  den  Vorzug,  doch  wirkt 
die  rein  zirkelrechte  Einteilung  leicht  langweilig. 

Der  „Kernpunkt"  erhöht  oder  vermindert  den  Wert 
der  Szenerie,  von  seinem  Vorhandensein  hängt  die  Ein- 
heitlichkeit der  Wirkung  ab.  Das  Auge  verlangt  einen 
Ruhepunkt  in  der  Gruppierung  und  wendet  sich  unbefriedigt 
ab,  wenn  es  von  einer  Fülle  gleicher  Werte  bestürmt,  einen 
solchen  nicht  findet. 

Nicht  das  „Glatte",    „Geleckte"    der  Gärten    ist    es    in 


Im  Bilde: 

1.  Bestimmung  der  Bildgröfse  (Planteile  mit  vielen 
Einzelheiten,  wie  reicher  Vordergrundpflanzung  ver- 
langen gröfseres  Format). 

2.  Bestimmung  des  Formates  (Hoch-  oder  Breitformat. 
Ersteres  ist  in  vielen  Fällen  vorzuziehen). 

3.  Bestimmung  der  jeweiligen  Horizonthöhe,  ..1.50  über 
dem  Fufspunkt!" 

4.  Festlegung  des  Augpunktes  (und  damit  dos  Kerns 
der  Landschaft). 

5.  Konstruktion  des  Kernes  (Haus.  Teich,  wertvolle 
Bhimcnzusammenstellungen). 

6.  Konstruktion  der  zunächst  des  „Stand- 
punktes" liegenden  Gehölze  usw.  wegen 
ihrer  verdeckenden  Kulissenwirkung  (der 
Kernpunkt  darf  nicht  durch  diese  leiden). 

7.  Konstruktion  dessen,  was  die  vorderen 
Gruppen  von  der  dahinterliegenden  Land- 
schaft noch  sichtbar  lassen.  In  derselben 
Weise  werden  nach  und  nach  die  ferneren 
Gegenstände  ermittelt. 

L>urch  diese  Arbeitsweise  wird  nichts 
Überflüssiges  entwickelt  und  Zeit  gespart:  z.  B. 
ist  es  bei  einem  im  Bilde  quergelagerten 
Blumenstück  von  ungegliedertem  L^mrifs  nur 
bei  hohem  Standpunkt  nötig,  die  hinteren 
Grundrifslinien  zu  ermitteln.  Dasselbe  gilt  von 
dichten  Gehölzgruppen,  denn  man  kann  die 
auf  der  abgelegenen  Seite  befindlichen  Gehölze 
nicht  sehen.  (Schlul's  folgt.) 


f.     ,t^  luft 

ff.    4^u*.  ./«t. 


Abb.  3. 


diesem  Fall,  welches  einen  wohltuenden  Eindruck  beein- 
trächtigt, sondern  der  Mangel  eines  wohlempfundenen 
kraftvollen  Schlusses. 

Für   eine   zielbewufste  Entwickelung    hat   sicli    nach 
stehende  Disposition  bewährt: 

Im  Plan: 

1.  Bestimmung  des  Kernpunktes,  )  je  nach  Sachlage 

2.  Bestimmung  des  Standpunktes,/    auch  umgekehrt. 

3.  Bestimmung  der  den  Kernpunkt  uniialimenden  Land- 
schaft (Bildgrenzen). 

4.  Bezeichnung   der    für   die   Konstruktion    wichtigsten 
Punkte  mit  Zahlen  oder  Buchstaben. 


Nocliinals  der  Friedhofswettbewerb  in 
Hameln. 

Leider  kann  "ich  eine  Entgegnung  auf  die 
Hömannsche  Kritik  nicht  umgehen,  weil  der 
Verfasser  in  seiner  Besorgnis  um  die  Inter- 
essen der  Stadtgemeinde  Hameln  und  unseres 
gartenkünstlerischen  Nachwuchses  meinen  Plan 
als  unausführbar  bezeichnet  hat.  Er  verur- 
teilt ihn  hauptsächlich  wegen  des  Mifsver- 
hältnisses  der  einzelnen  Gräberklassen  zuein- 
ander, die,  wie  er  sagt,  jedem  Friedhofspraktiker 
ins  .\uge  springen  mufs.  Sollte  der  Verfasser 
nicht  doch  besser  daran  getan  haben,  ehe  er  mir  die 
Qualität  als  Friodhofspraktiker  abspricht,  einmal  ernstlich 
den  Versuch  zu  machen,  meinen  Gedankengang  zu 
verstehen?!  Wenn  wir,  in  Betätigung  der  doch  heute 
immer  mehi'  anerkannten  Anschauung,  dafs  bei  eiuci'  Rofciriu 
der  Fricdhofsgeslaltuiig  vor  allem  gegen  die  Massen- 
belegung Fi'ont  gemacht  werden  mufs,  N'orschläge  ge- 
legentlich eines  Wettbewerbes  machen,  so  müssen  wir 
dieses  meines  Erachtens  in  weitgehendstem  Mafse,  prinzi- 
[•iell  und  ohne  Rücksicht  auf  eventuelle  wirtschafllicli 
mundgerechtere  ['Entwürfe  vcm  Friedhofspraktikern  tun. 
.Mein    Bestreben    war    es.    lediglich    in   Verfolgung    solcher 


IX,  1 


DIE   GAKTENKUNST 


13 


Anschauungen  nachzuweisen,  dafs  eine  Belegung  des  Pried- 
hdtes  für  weit  mehr  als  einen  Belegungsturnus  —  für 
37  Jahre  — .  durch  meine  f5rabverteilung  zu  erreichen  und 
trotz  der  hohen  Ausfühi'ungskosten  und  der  schwachen 
Ausnutzung  des  Geländes  dennoch  zu  Ende  dieser  Periode 
eine  Rentabilität  zu  erzielen  sein  würde.  Es  lag  mir  prinzi- 
piell so  wenig  daran,  eine  grüfsere  Belegungszahl  hei  aus- 
zubekommen, dafs  ich  bei  der  Grabeinteilung  über  das 
Normalmafs    der   einzelnen  Reihengräber  erlieblich  hinaus- 


gräbern  nach  Mafsgabe  der  Bevölkerungsverhältni.sse.  zu- 
rückschrauben soll.  Es  kann  dadurch  ohne  Härte  ein  leiser 
Druck  auf  die  Bevölkerung,  unter  Ansporn  des  Ehrgefühls 
in  dieser  Richtung,  ausgeübt  werden,  um  sie,  wenn  die  Ver- 
hältnisse es  irgend  zulassen,  zum  Ankauf  der  billigen  Kauf- 
gräber 11.  und  111.  Klasse  zu  veranlassen.  Für  eine  Grofs- 
stadt  würde  das  Verhältnis  entsprechend  der  weit  gröfseren 
Zahl  der  unbemittelten  Bevölkerung  allerdings  nicht  durch- 
führbar sein.    Kür  eine  Stadt  wie  Hameln,  die  sehr  wenig 


Abb.  i. 


gegangen  bin  und  eine  .Abmessung  gewählt  habe,  wodurch 
die  einzelnen  Grabhügel  noch  durch  verhältnismälsig  breite 
Wege  voneinander  getrennt  werden  können.  Mir  schwebte 
dabei  der  Friedhof  einer  kleineren  Stadt  unserer  Provinz 
vor.  wo  das  Gräbermafs  von  3,9  qm  für  Erwachsene 
Trennungen  durch  1  m  breite  und  breitere  Längswege  er- 
möglicht. Jeder  Praktiker  konnte  auch  ersehen,  dafs  ich 
mit  meiner  Berechnung,  welche  ich  nur  annähernd  gemacht 
hatte,  lediglich  eine  Unterlage  für  den  Rentabililätsnachweis 
haben  wollte,  weil  ich  Kindergräber  überhaupt  nicht  beiiick- 
sichtigt  habe.  Wenn  ich  das  bislang  bei  der  scheraatischen 
Anordnung  der  Friedhöfe  übliche  Verhältnis  der  Gräber- 
klassen zueinander  wesentlich  verschoben  habe,  so  geschah 
das  aus  der  Anschauung  heraus,  die  ich  jederzeit  empfehlen 
und  vertreten  werde,  dafs  man,  um  eine  Besserung  in  der 
Fi'iedhofsgestaltung    zu    erzielen,    das  Angebot   an  Reihen- 


Pabrikbevölkerung   hat,   liegt  die   SacheJ jedoch   wesentlich 
anders. 

Ich  habe  die  Hamelner  Ausschreibung  zunächst  als 
Ideenwettbewerb  aufgefafst.  Bezüglich  der  Ausführung 
wird  die  Stadt  dann  selbstverständlich  alle  einschlägigen 
lokalen  Verhältnisse  bei  der  endgültigen  Festsetzung  der 
Friedhofseinteilung  mit  in  die  Beratung  ziehen.  Entgegen 
der  Behauptung  des  Kritikers,  wird  man  bei  näherer  Prüfung 
meines  Planes  die  Überzeugung  gewinnen  müssen,  dafs 
sich  die  Einteilung  auch  ohne  Schaden  oder  wesentliche 
Verschiebung  des  Gesamtcharakters  recht  gut  im  Sinne 
weiterer  Anordnung  von  Reihengräbern  ändern  lassen  wird. 
Ich  möchte  in  dieser  Beziehung  darauf  hinweisen,  dafs  man 
nur  nötig  haben  würde,  die  breite  waldartige  Randpflanzung 
entsprechend  zu  verschmälern  und  den  die  einzelnen  Teile 
verbindenden  Umfahrtsweg  näher  nach  der  Grenze  anzu- 


14 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


auf  etwaige  in  diese  landschaft- 
liclie  Anordnung  iiineingezogenu 
points  de  vue  würde  die  Wirliung 
dieses  Motives  stören.  Auge  und 
Sinne  von  der  wirkungsvollen 
Gruppierung  der  Grabdenkmäler 
ablenken.  Ein  schöner  Rund- 
blick über  die  Bäume  des  Fried- 
hofes hinweg  auf  Stadt  und 
Umgebung  bietet  sicli  nach 
meiner  Planung  von  der  Platt- 
form der  höchsten  Terrasse, 
aufweicher  ich  als  wii'kungs- 
vollen  Endpunkt  der  Mittelachse 
einen  Rundtempel  mit  anschlies- 
senden .Vrkadi-n  geplant  habe. 
Tri  p. 


ordnen,  wndurch  die  Grabfelder  wesentlich  gröfser  würden. 
Auch  die  geschmähten  landschaftlichen  Sichten  zu  beiden 
Seiten  der  Hauptachse  könnten  nötigenfalls  Reihengräbern 
Platz  machen.  Der  Plan  zeigt  gerade  in  dieser  Beziehung 
sehr  günstige  Verhältnisse,  da  man  diesen  Besehlufs  erst 
dann  zu  fassen  brauchte,  wenn  sich  die  Notwendigkeit 
während  der  Ausführung  herausgestellt  hat,  die  ja  in 
mehreren  Etappen  vorgesehen  ist. 

Zur  Beruhigung  der  Priedhofspraktiker  noch  die  Be- 
merkung, dafs  sich  die  Zahl  der  Reihengräber  —  falls  die 
Stadt  das  Normalmafs  wählen  sollte  und  die  Zahl  der  Kinder- 
gräber mit  40%  der  Gesamtzahl  in  Berechnung  gezogen 
würde  —  nach  meiner  Zeichnung  auf  8500,  davon  .3500 
Kindergräber  bringen  läfst,  ohne  an  der  Gesamteinteilung 
irgend  etwas  zu  ändern.  Dies  auch  zur  Beruhigung  der 
etwaigen  irregeführten  jüngeren   Fachgenossen. 

Die  übrigen  Bemängelungen, 
die  sich  lediglich  als  Ansichts- 
sache darstellen,  möchte  ich, 
um  nicht  zuviel  Raum  zu  ver- 
.schwenden,  übei'gehen.  Nui'  sei 
es  mii-  gestattet,  im  Bezug  auf 
die  Kritik  der  landschaftlichen 
Szenerien  der  von  Herrn  Hömanii 
geäufserten  Ansicht  entgegen/.u- 
treten,  als  ob  solche  Sichten  nui- 
dann  wirken  könnten,  wenn  sie 
einen  Bück  auf  einen  aufser- 
halb  derPriedhofsgrenzen  liegen- 
den .\ussichtspunkt  umrahmen. 
Im  Gegenteil!  .Mir  scheint  vor 
allem  das  Ziel  der  Ruhe  und  Ab- 
geschlossenheit des  an  kahlem 
Abhang  gelegenen  Friedhofes 
in  solchen  Szenerien  das  .Motiv 
der  landschaftlichen  Gestaltung 
sein    zu    müssen,     fier  Anblick 


Verschiedenes. 


Willy  Langes  Gartenkunstprinzipien  und  sein  neues 
Buch.  Seit  etlichen  Jahren  hat  sich  in  ilor  Fachpresse  Willy 
Lange  einen  Namen  erworben  durch  seine  liebevollen 
und  lebenswahren  Natnrschilderungen;  und  wenn  aucli 
die  Neuerungen,  die  er  für  den  (rarten  daraus  folgeite.  nicht 
allgemeinen  Beifall  finden  konnten,  so  kommt  ihm  doch 
zweifellos  das  Verdienst  zu,  in  unserer  Zeit  der  Heimat- 
beweguni;-  die  Heimat  und  ihre  Reize  erneut  für  den  Park  ent- 
deckt zu  haben.  Der  Vereinigung  seiner  Studien  und  Er- 
fahrungen konnten  deshalb  die  Fachgenossen  mit  Erwartung 
entgegensehen.  In  einem  Bande  von  gediegener  Pracht  der 
Ausstattung  liegen  sie  jetzt  vor. 

Was  wir  von  Lange  nicht  <  rwarteten.  ist  ein  eigentliches 
(iartenburli.    das    ebensnwobl    die    re"elmidVi2'e  Gestaltuno;   bi  - 


KVNSTGEWERBWAVS 
GARTENANLAGE 


AYER.LANDESAVSSTELLVNG 
NÜRNBERG  1906. 


IX,  1 


DIE;  G AKTENKUNST 


15 


greift,  wie  es  über  [ir.-iktische  und  technische  Fragen  Auskunft 
erteilt.  Man  hat  darauf  leider  nicht  verzichtet,  doch  scheidet 
naturgemäfs  das  alles,  so  sachlich  und  nützlich  es  sein  mag, 
für  die  Beurteilung  vom  fachlichen  Standpunkte  völlig  aus. 

Langes  Forderung  der  Naturwahrheit  im  Garten  ist  aus 
seinen  frühereu  ^'eröffentlichungen  wohlbekannt,  doch  will  uns 
bedünken,  dal's  in  diesen  minder  lehrsamen  Arbeiten  grofse 
Gesichtspunkte  besser  zur  Gellung  gelangten.  Wir  haben 
Lange  geschätzt  als  eine  Art  von  Dichternatur,  von  der  wir 
wertvolle  Anregungen  gew  ärtigten  für  unsere  oft  allzu  nüch- 
ternen und  schulmassigen  Anlagen.  Das  Schicksal  hat  ilin 
zum  bildenden  Künstler  bestellt,  und  im  schulmässigen  Lehr- 
gange verhärten  sich  zu  grob-stofflichen  Vorschriften  die  Ideale. 

Wenn    im   angestrebten,   bodenständigen  Heimatgarten  die 


Kunstgriffe,  die  mit  bildender  Kunst  rein  gar  nichts  zu  tun 
haben;  an  sich  freilich  manchmal  eine  vorzügliche  Beobachtung 
in  den  vielfach  zu  Unrecht  übersehenen  Einzelheiten  bekunden. 
.\ber  Langes  naturwissenschaftliche  Ansclianung  vermag  da- 
durch an  künstlerischem  Adel  nicht  zu  gewinnen. 

Das  scheint  er  stlbst  zu  fühlen,  und  so  sucht  er  nach 
weiteren  Mitteln  der  Steigerung,  um  seinen  Szenerien  Inhalt 
zu  geben,  pflanzt  tote  Bäume  und  errichtet  allerlei  Menschen- 
werk von  vorgetäuschtem  Zweck  und  Alter,  schafft  damit 
selbst  ganze  „Garten"-Partien  und  merkt  niclit,  wie  weit  er 
sich  beispielsweise  in  seinem  „Dorfweiher"  von  allem  entfernt 
hat,  was  Kunst  und  was  Natur  heilst. 

Selbst  die  ganze  Sentimentalität  des  achtzehnten  .Jahr- 
hunderts   glaubt   er   in   seinem  Naturgarten   zu  Rate  ziehen  zu 


Gesamtansicht  des  Buchner'schen  Gartens 
vor  dem  Kunstgewerbehaus  auf  der  Bayrischen  Jubiläuras-Landesausstellung  190(1 


in  Nürnberg. 


fremden  Pflanzen,  welche  zum  Teil  längst  Heiniatrecht  er- 
hielten im  deutschen  Parke,  geduldet  werden  sollen  durcli 
physiognomische  Angleichung  zu  ähnlichen  Erscheinungen  der 
heimatlichen  Flora,  so  ist  das  als  vorzüglicher  Ausweg  und 
als  Anerkennung  ihrer  Schönheit  zu  loben.  Soll  dieses  Mittel 
aber  gleichzeitig  als  erste  und  anscheinend  wichtigste  Stufe 
dienen  zur  „Steigerung  der  Natur  zur  Idee  hinauf",  zum  Nach- 
weis der  Kunst  in  der  landschaftsgärtnerischen  Tätigkeit,  dann 
wird  das  künstlerische  Niveau  zu  nahezu  mechanisclier  Han- 
tierung herabgedrückt,  zumal  säuberlich  bearbeitete  Tabellen 
dafür  bereitgestellt  sind. 

Als  weiteres  Mittel  der  Kunst  ist  die  Verwertung  bunt- 
laubiger Pflanzen  zu  einheitlichen  Farbeneffekten  empfohlen 
unter  Innehaltung  der  natürlichen  Vegetationsmotive.  Ein 
andermal  wird  als  Steigerung  der  Natur  die  erhöhte  Aus- 
nutzung des  Raumes  durch  reiche  Verwendung  von  Lianen  an- 
geboten und  schliesslich  sogar  die  Darstellung  besonderer 
Bilder  zur  Anreizung   der  dichterischen  Phantasie.  —  Das  sind 


sollen.  Nach  seinen  besonderen  Angaben  kombiniirte  Szenerien 
hält  er  für  geeignet,  durch  sie  eine  wohltätige  Gymnastik  des 
(iemütes  zu  exerzieren  und  sucht  die  Wirkungen  sicherzustellen 
durch  Einfügung  allegorischer,  märchenhafter  und  mytholo- 
gischer Gestalten  sowie  durch  inschriftliche  Hinweise.  — 
Hirschfeld  redivivusl 

—  —  Wir  wollen  trauern,  dafs  wir  unseren  Willy  Lange 
nicht  mehr  haben,  der  uns  von  seinem  schönen  Dietharz  aus 
erzählte  \  on  Wasserfällen  und  Bauerngärten  und  versonnenen 
Plätzchen,  der  da  anregte  und  ermunterte,  „wer  Augen  hat 
zu  sehen".  Sein  Naturgarten  von  damals  war  ein  Ideal,  ein 
kunstfrenides  freilich,  aber  voll  von  Anregungen,  die  in  den 
Rahmen  des  Bestehenden  vortrefflich  sich  eingliedirten:  was 
er  fürKunst  hielt,  hat  alles  zerstört,  ist  Rückschritt, 

An  sich  betrachtet,  stellt  das  Werk  eine  ungemein  fleifsige 
und  sorgfältige  Arbeit  dar;  aber  die  Panoptikumbildnerei,  die 
Spekulation    auf    seelische    Affekte     und     der    Mangel    künst^ 


16 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


lerischer  Anffassnug  macht  es  dem  gewissenhaften  Fachmanne 
unmöglich,  zur  Verbreitung  irgendwie  beizntragen. 

Krone. 
Der  Garten  vor  dem  Kunstgewerbehaus  auf  der  Bayr. 
Landesausstellung  vorigen  Jahres,  der  von  Mich.  Buchner, 
München,  entworfen  und  ausgeführt  war,  ist  auf  Seite  14  und 
15  in  drei  Ansichten  wiedergegelien,  die  gewifs  jedem,  der  die 
meisterhafte  Anlage  gesehen  hat.  eine  willkomraone  Erinnprung 
sein  werden. 

Einem  Briefe,  den  uns  Herr  Buchner  mit  Bezugnalime  auf 
die  Kritik  geschrieben  hat,  welche  sein  Garten  in  unserer 
Zeitschrift  (Seite  lti2  und  IGT  des  Jahrgang  1906)  gefunden 
hat,  entnehmen  wir  folgende  Stellen: 

„Wie  der  Laie  als  Kunstkritiker  den  Garten  liourteilt,  hat 
die  Gartenkunst  im  vorjährigen  Augnsthefte  gebracht.  Auch 
die  augenscheinlich  aus  fachmännischer  Feder  im  gleichen  Hefte 
herrührende  Besprechung  mufs  ich  im  greisen  und  ganzen  als 
ein  saclüiches  l'rteil  anerkennen.  Es  ist  da  ohne  Rückhalt  ge- 
sagt worden,  was  man  aucli  im  mündlichen  Verkehr  sich 
gegenseitig  sagen  würde,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dafs 
manches  Urteil  milder  ausfällt,  wenn  man  die  mafsgebenden 
Umstände  gekannt  hätte;  so  z.  B.  ist  der  Buxus  rotundifolia 
nicht  zum  Sclilinggewächs  „gequält"  worden,  sondern  tatsächlich 
so  gewachsen,  wie  er  verwendet  wurde.  Die  Unterbrechung 
der  weifsen  Sockellinie  des  Gebäudes  durch  dunkelgrün  war 
notwendig  und  was  ich  mit  dieser  Anordnung  wollte,  hatte 
ich  auch  erreicht,  obschon  die  Anpflanzung  erst  am  2.  Juni 
nach  Fertigstellung  des  Baues  bewirkt  werden  konnte.  Längs 
der  Seitengänge  hätte  ich  vierkantig  geschnittene  Buxus  ge- 
pflanzt an  Stelle  der  Büsche,  wenn  ich  welche  gehabt  hätte: 
Pyramiden-  oder  kugelförmige  hätten  zu  den  Kugellorbeern 
nicht  gepafst.  Die  Nicotiaua-Sanderaegruppe  hat  von  Anfang 
bis  zu  Ende  sich  bewährt.  Abgesehen  davon,  dafs  ich  in  dem 
Garten  auch  Material  aus  meinen  Kulturen  vorsehen  wollte, 
Wülste  ich  nicht,  welche  Pflanze  eine  unauffällige,  bosser  zum 
Ganzen  passende  Farbe  geboten  hätte. 

Die  ganze  Anlage  ist  nicht  unter  Berücksichtigung  eines  be- 
stimmten Stils  entworfen,  sondern  mehr  dem  Gefühl  entsprungen. 
Im  Gedankenaustausch  mit  Herrn  Bauamtmann  Bertsch,  dem  Archi- 
tekt desKunstgewerbegebäudes,  hat  das,  was  meiner  Phantasi  e  vor- 
schwebte, sich  zu  der  der  Architektur  des  Gebäudes  angepafsten 
Anlage  entwickelt;  so  auch  die  Einfriedigung  mit  ihren  lauben- 
artig ausgebildeten  Eingängen :  ebenso  wie  die  Mittelpartie  mit 
der  Prinzregentenbüste  sozusagen  durch  die  Arcliitektur  vor- 
geschrieben war. 

Der  Kirchenausstellung  mufste  ein  passender  Garten  an- 
gegliedert werden,  der  durch  Halblauben  begrenzt  einen  klostcr- 
gartenartigen  Charakter  erhalten  hat.  Mit  Absicht  ist  dieser  Teil 
durch  die  grofsen  La wsonzypressen  nach  aul'sen  zur  Steigerung 
seiner  intimen  Wirkung  abgeschlossen  worden. 

Der  von  den  beiden  Eingangslauben  gebildete  vorhofartige 
Raum  mit  seinem  bescheidenen  Brunnen  und  der  entsprechend 
angeordneten  Bepflanzung  erinnerte  an  oft-  uud  genigcsclienr 
italienische  Motive. 

Mit  Bedenken  habe  ich  während  der  Ausführung  oft  vor 
der  kahlen  weifsen  Wand  der  Kunsthalle  gestanden.  Ein  Ver- 
kleiden mit  Baum-  und  Strauchwerk  war  der  Jahreszeit  wegen 
nicht  mehr  möglich,  eine  architektonische  Lösung  hätte  viel- 
leicht ungünstig  auf  die  anderen  Teile  meiner  Anlage  gewirkt. 
Deshalb  habe  ich  aus  Blattpflanzenmaterial  ein  südländisches 
Vegetationsbild  aufgebaut,  das  sieb  mit  den  vorhandenen 
Föhren,  die  die  Dachflächen  der  Bauten  teilweise  vorteilhaft 
verdeckten,  zu  einem  Ganzen  verband.  Dafs  im  übrigen  die 
durch    den    Garten    zerstreut   stehenden  Föhren    den  Eindruck 


der  regelmäfsigen  Anordnung  durchaus  nicht  störten,  wird  jeder 
aufmerksame  Besucher  gefunden  haben. 

Die  Gartenplastiken,  welche  einen  Teil  meines  Geschäftes 
bilden  und  von  meinem  Sohne  Ludwig  hergestellt  werden, 
kamen   mir   zur  Vervollständigung   der  Anlage  sehr  zustatten." 

Prüfungen  an  der  Kgl.  Gärtnerlehranstalt  zu  Dahlem. 
Am  2().  September  d.  Js.  faml  die  Allgangsprüfung  an  der 
T>ahlemf'r  Kgl.  Gärtnerlehranstalt  unter  dem  Vorsitz  des  Min,- 
Direktors  l'r.  Thiel  statt,  nachdem  die  schriftlichen  Prüfungs- 
arbeiten vorher  ihre  Erledigung  gefunden  hatten.  Es  unterzogen 
sieh  10  Herren  der  Prüfung  in  Giirtenkunst,  4  im  Obstbau, 
1  iui  Pflanzenbau;  alle  15  bestanden  die  Prüfung,  4  mit  Aus- 
zeichnung. —  Im  Anschlufs  daran  faiul  eine  Obergärtnerprüfung 
statt,  der  sich  22  Kandidaten  unterzogen,  die  alle  bestanden- 
davon  2  im  Obstbau,  I  im  Pflanzenbau,  ilie  ülirinen  in  Garten- 
kunst. 

Die  Königl.  Gärtnerlehranstalt  in  Dahlem  bei  Steglitz- 
Berlin  hat  mit  Genehmigung  des  Herrn  Ministers  für  Land- 
wirtschaft, Domänen  und  Forsten  beschlossen,  auch  Damen 
als  Hospitantinnen  uud  Praktikantinnen  zu  ileu  einzelnen  Lehr- 
gängen zuzulassen.  Die  Anstaltsleitung  kommt  mit  diesem 
Beschlüsse  den  seit  längerer  Zeit  zahlreich  an  sie  herangetrete- 
nen Wünschen  entgegen.  Den  eintretenden  Teilnehmerinnen 
ist  Gelegenheit  gegeben,  nach  eigener  Wald  sowohl  den  all- 
gemeinen Lehrgang,  als  auch  die  Lehrgänge  für  Garten- 
kunst, Obstbau  oder  Pf  lanzenbau  zuhören.  Weitere  Aus- 
kunft erteilt  auf  Anfrage  die  Direktion  der  Kgl  Gärtnerlohr- 
anstalt  in  Dahlem  bei  Steglitz. 

Ideenwettbewerb  für  die  Anlage  eines  Stadtparkes  in 
Hamburg-Winterhude.  Die  schon  längere  Zeit  schwebenden 
Verhandlungen  betr.  Schaffung  eines  grofsen  Hamburger  Stadt- 
parkes haben  sich  in  letzter  Zeit  zu  einem  greifbaren  Ergebnis 
insofern  verdichtet,  als  vom  Hamburger  .Senat  bei  der  Bürger- 
schaft die  Zustimmung  zur  Ausschreibung  eines  Ideenwelt- 
bewerbe«  beantragt  ist.  Das  in  Aussicht  genommene  Gelände 
umfafst  rund  140  ha  (also  ungefähr  soviel  als  der  Bremer  Bürger- 
park). Seine  Entfernung  vom  Stadtmittelpunkt  (Rathausmarkt) 
beträgt  fünf  Kilometer.  Es  ist  teilweise  mit  Laub-  und  Nadel- 
wald in  10 — 2njährigem  Alter  bestanden.  Das  Aussohreiben 
wird  sich  an  alle  deutschen  Künstler  (auch  solche  die 
ihren  Sitz  im  Auslande  haben)  wenden.  Aufgabe  des  Wett- 
bewerbes wird  die  Gestaltung  des  Parks  einschliefslich  der 
erforderlichen  Baulichkeiten  und  der  den  Park  begrenzenden 
StraCsen  sein.  An  Baulichkeiten,  von  denen  je  ein  Grundril's  und 
die  Hauptansicht  geliefert  werden  sollen,  werden  in  Aussicht 
genommen,  ein  Hauptrestaurant,  ein  Kaffeehaus,  eine  ländliche 
Wirtschaft,  eine  Milchwirtschaft  und  ein  Aussichtsturm,  zum 
Gesamtkostenbetrag  von  öMO  000  Mk.  Auf  den  Park  (grolse 
.Spielwiesen,  Teichanlagen  u.  dgl  )  können  einschl.  der  Kosten 
für  die  Herstellung  der  ihn  begrenzenden  Strafsen  drei  Millionen 
Mark  aufgewendet  werden.  An  Preisen  gelangen  zur  Ver- 
gebung ein  erster  Preis  (i\lk.  10(1(11))  zwei  zweite  Preise  (je  Mk. 
6  000),  zwei  dritte  Preise  (je  Mk.  4(100).  drei  weitere  Entwürfe 
sollen  für  je  1500  Mk.  angekauft  werden  köiuion.  II. 


Bücherschau. 

Fritz     Euckc.     Der  Hausgarten.      Vetlegt    bei     Eugen 
Diedrichs,  Jena  1007. 

U'nd  wie  es  sich  gestalten   wird,  mein  Freund, 

Und  wie  es  sich  gestalten  wird'? 

In  welcher   Richtung  in   welchem  Sinn? 

Ob  zu  Verdcrbenv  ob  zu  Gewinn? 


IX,   1 


DIE    GARTENKUNST 


17 


Die  Jungen  hüben  es  in  der  ll;inil, 

Die  Jungen  mit  ihrem  TugenJraut, 

Mit  ihrer  Kraft,  mit  ihrer  Glut! 

Und  wenn  sie  furchtlos  festen  Blicks 

Hinaussehen  über  ilir  kleines  Heut' 

Und  über  Parteigezänk  und  Neid  .  .  . 

Dann,  glaub  ich,  gestaltet  sichs  gut,  mein  Freund, 

Dann,  glaub  ich,  gestaltet  sich's  gut! 

Caesar  Flaischlen. 
Genide  vor  zwei  Jahren  hatte  icli  mir  erlaubt,  in  der  alti'u 
„Garteukimst"  gelegentlich  der  Besprechung  des  Schneiderschen 
Buches  id>ev  den  Stand,  über  den  Rückstand  unserer  Kunst 
meine  Ansicht  auszusprechen.  Mit  den  obigen  Worten  Flaisch- 
lens  hatte  ich  damals  geschlossen.  Heute  stelle  ich  sie  als 
Motto  an  die  Spitze,  denn  wahrlich  —  es  gestaltet  sich  gut. 
Der  Wunsch,  endlich  Taten  zu  seilen,  und  nicht  soviel  ^\'orte 
zu  wechseln,  wie  er  danuils  in  dem  „verständnisvollen"  Nach- 
trag der  Redaktion  geäulsert  wurde,  ist  ja  begreiflich,  aber  in 
unserer  Kunst  schwerer  erfüllbar,  als  in  jeder  anderen.  „Das 
Wort  aber  ist  nahenden  Taten  ein  Herold."  —  Encke,  Schneider, 
Lange  wenden  sich,  joder  in  seiner  Weise  mit  eiudringlicheu 
Worten  an  uns.  Die  scharfen  Angriffe  gegen  die  Scholastik 
flauen  ab  und  positive  Gedanken  über  das  „Wie"  aufrichtiger, 
gesunder  Gestaltung  treten  in  den  Vordergrund.  Heute  willichnur 
eine  der  erwähnton  Schriften  zum  Gegenstand  einer  kurzen  Be- 
sprechung wählen.  „Der  Hausgarten"  von  F.  Encke  ist  ein 
Buch,  das  mit  herzlichem  Dank  als  ein  Gewinn  zu  bcgrüfsen  ist. 
Den  Hausgarten  bezeichnet  Encke  im  (Gegensatz  zum  Park 
als  das  dem  Hause  durchaus  untergeordnete  Stück  Land, 
welches  sich  dem  (.'harakter  und  der  Tonart  des  Hauses  anzu- 
passen hätte.  Da  nun  die  Möglichkeiten  künstlerischer  Form 
und  Ausschmückung  eines  Hauses  unendlich  mannigfaltig  sein 
können,  so  ist  auch  die  Gestaltungsweise  des  Hausgartens 
keiner  allgemeinen  Regel  unterworfen.  In  jedem  Einzel- 
fall werden  aber  besondere  Rücksichten  zu  nehmen  sein, 
welche  die  Gestaltungsweise  bald  nach  dieser,  bald  nach  jener 
Richtung  beeinflussen. 

Einige  dieser  bestimmenden,  aber  nie  feststehenden  Fakturen 
nennt  der  Verfasser  (p.  1-ij:  Die  Grölse  des  Grundstücks,  die 
Gestalt  der  Oberfläche,  die  Umgebung  und  Lage  des  Hauses, 
sein  Stil  und  Charakter,  Eingänge,  Fenster,  innere  Rauni- 
verteilung,  alte  Bäume  oder  Baulichkeiten,  die  im  Grundstück 
vorhanden  sind,  schlietslich  die  Geldmittel  und  nicht  zuletzt 
der  dem  Bedürfnis  des  Besitzers  entsprechende  Zweck  des 
Gartens,  —  alles  dies  sind  Dinge,  die  bei  der  Einrichtung  des 
Gartens  mitzusprechen  haben.  Maii  mufs  sie  liören  —  man 
mufs  aber  auch  Dire  Sprache  verstehen.  Das  ist  die  erste  Be- 
dingung, um  ihren  bestimmenden  Einfluss  mit  künstlerischem 
Takt  zu  verstärken  oder  durch  Gegenmittel  zu  dämpfen.  Es 
ist  selbstverständlich,  dafs  in  jedem  einzelnen  Fall  mindestens 
einer,  meist  aber  mehrere  dieser  Faktoren  sich  ändern,  wodurch 
die  dem  Künstler  gestellte  Aufgabe  und  somit  auch  die  Lösung 
derselben  jedesmal  eine  andere  wird.  .Sinnlos  und  ver- 
werflich ist  jede  schematische  Behandlung  des  Gartens,  die 
sich  den  bestimmenden  Einflüssen  jener  Faktoren  verständnislos 
oder  rücksichtslos  entzieht.  Des  Verfassers  weitere  Ausführun- 
gen über  die  mannigfaltigen  Möglichkeiten  künstlerischer  Ge- 
staltung je  nach  der  wechselnden  Konstellation  jener  Faktoren, 
deren  Vorzüge  er  geschickt  auszunutzen  weifs,  deren  störende 
Mitwirkung  er  zu  unterdrücken  versteht,  berechtigen  ihn  zu 
dem  Ausspruch:  „Ich  glaul)e,  hiermit  ist  auch  die  Frage  gegen- 
standslos geworden,  ob  die  Hausgärten  streng  architektonisch 
oder  in  zwangsloser  Anordnung  gestaltet  werden  raüfsten. 
Nicht  Regeln    und  philosophische  Erörterungen    sollen  meines 


l->rachtens  die  Gest.ilt  des  Hausgartens  bestimmen:  seine  Eigen- 
art   soll    vielmehr    durch    die    Bedürfnisse    und    Wünsche    dos 
Bauherrn    festgelegt    werden,    welclie  durch  die   cirtHchen  Ver- 
hältnisse   und    durch    die    Erfahrung    des    zu    Rate    gezogenen 
Gaitenkünstlers    ihre  Beschränkung    erleiden."    —    Freilich   ist 
dadureli    dem  Schematiker  ein  .Anhaltspunkt  entzogen,   an  den 
sich   in  neuerer  Zeit  ein  Dogma  kristalhsieren   wollte.      Es  ist 
dankenswert,    dals  Encke    dies(>  Stütze    zerbriclit  und   sich  auf 
den  freien  künstlerischen  Stamlpunkt  stellt,  jeden   Fin  ze  If  al'l 
als    besondere    Aufgabe    anzusehen,    deren    Lösung    durch 
künstlerisches  Erfassen  der  besonderen  Umstände  und  dem- 
gemäfs  durch    freie  Selbstbeschränkung    zustande  kommt.     So- 
viel   über    den    allgemeinen    Teil,    der    im    Rahmen    des    oben 
(Jesagten  eine  FüUe  sehr  beachtenswerter  Gedanken   birgt,  die 
oft    nur    ihirch    einige     Worte    angedeutet    sind    oder    gar    — 
wie    fast    immer    bei    Schriften,    die    sich    an    das    Empfinden 
wenden    —    zwischen   den  Zeilen    gelesen    sein   wollen.     Ganz 
besonders    ist    das    der    Fall    im    zweiten    Teil    des    folgenden 
Kapitels    über    die    Bepflanzung.     Nachdem    dort    die   Gehölze 
als  plastisches  Baumaterial  mit  Licht-  unii  Schatten-.  Form-  und 
Farbenwirkungeu,  allgemein  besprochen  worden  sind,  gelit  der 
Verfasser    auf    die  Niederflora    ausführlicher    ein   und   schildert 
die    Verwendungsmöglichkeiten    der    Stauden,    der    einjährigen 
Kräuter    und    Schlingpflanzen    im    Hausgarten.      Je    nach    der 
Tonart    des  Gartens    bevorzugt    er   die    regelmäfsigen  Blumen- 
rabatten,   warnt   vor   unvnrsiiditiger  Zusammenstellung,    in  der 
die    eine  Blume  die    andere  in  der  Wirkung  stört,    räumt  dem 
Teppichbeet  nur  in  seltenen  Fällen  Daseinsberechtigung  ein,  — 
ilnnn    wieder    wird  die  Schlingpflanze    als  wiohtiger,   leider   so 
oft  verständnislos  angewandter  Schmuck  behandelt  und  schliels- 
lich  folgt    ein  Abschnitt,    bei  clem  der  Verfasser    sich  offenbar 
auf  Widerspruch    gefal'st     macht.      Er    sagt    ip.  49):    „Mancher 
Leser  wird  vielleicht  einen  Widerspruch  darin  finden,  dals  ich 
für     den     Hausgarten    die     architektonische    Gestaltungsweise 
bevorzuge  und   gleichzeit'g  den  Vegetationsliildchen   das  Wort 
rede,"   —   Man  lese  dort  selbst  weiter  und  urteile  dann  selbst. 
Ich  für  mein  Teil  stimme  darin  Encke  durchaus  bei    und  weil's 
aus    eigener  Erfahrung,    aus  meinem  früheren  Garten  auf  dem 
Laude,  wie  sich  regelmäfsige  Anlage  der  Wege,  Sitzplätze  mit 
Gartenmöbeln   —   kurz  gemütliche  Wohnungsbehaglichkeit  mit 
solchen  „Vegetationsbildchen"  vereinigen  lälst.     Wohlgemerki 
vereinigen    „läfst".      Damit    ist    nicht    gesagt,    dafs    es    überall 
zulässig  ist;  ja  wohl  nur  in  seltenen  Fällen.     Und  es  ist  auch 
nicht  mal  gesagt,    dafs,  wenn    man   die    von  Encke  genannten 
Gewächse  hinpflanzt,  ein  „Vegetationsbildchen"  entsteht.     Dazu 
gehört     viel      Naturstudium     und     zwar     liebevollstes     Natur- 
studium.     Was    als    sogenannte    „jVIpenpartien"     und    „Natur- 
szenerien" in  Vorgärten    geboten    wird,    wo   hohe   Quarzblöcke 
auf   umgegrabenen    Beeten    wie    ein   campo   s.anto    angeordnet 
sind    und    ein  Staudensortiment    einer  Handelsgärtnerei    wohl- 
gesäet    zwischen    gepflanzt   ist,    solche  ekelhafte  Albernheiten, 
die    sich    mancher    „gebildete"    Grofsstädter    heute    noch    von 
seinem  Hofgärtner  hinzaubern  läfst,    und    ich  fürchte  —  sogar 
selbst  Gefallen    daran    findet    —    diese    meint  Encke   natürlich 
nicht.     Seine  anziehenden  Bilder  auf  p.  53,  äi,  .35,  5(1  bewahren 
ihn    vor    solchem,    doch    vielleicht    möglichen   Mifsverständnis, 
Man  denke   sich   nun   an  den  reizvollen  Szenerien,  die  auf  den 
genannten  Seiten  abgebildet  sind,  einen  gradlinigen  horizontalen 
Weg    vorbeiführend    und    einen    rechteckigen,    etwa  3  X  5  m 
grofsen,  sauber  gehaltenen  Kiesplatz  in  den  natürlich  gestalteten, 
höher    gelegenen  Boden    hineingeschnitten.     Mit    seinen  Farn- 
kräutern    und     Moospolstern,     Heidelbeeren,     Glockenblumen. 
Fingerhut  und  Waldmeister:  ja  sogar   mit  seinen  trocknen  ab- 
geblühten    Gräsern     und     Staudenfruchtständen     beginnt     das 


18 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  1 


Waldterrain  gleich  an  der  Grenze  des  Platzes.     Man  hüte  sich, 
viel    daran  herxmizn frisieren    oder  „Ordnung"    zu    machen   und 
dadurch    das  Malerische    zu    stören.     Nun    setze   man   sich   auf 
diesem  Kiesplatz    in    einen    bequemen  Gartenlehnstuhl    an    ein 
Gartontischchen    und    genielse    die    kleine   reiche  Umwelt,    die 
sich  in  jeder  Jahreszeit  anders  schmückt  und  immer  neue  Reize 
entwickelt.     Wenn    die  Situation    dazu  geeignet  ist  vind  wenn 
der  Besitzer    des  Hauses    ein  Blumenfreund    ist  und  an  Moos- 
l)oeren,  Anemonen   und  Farnkräutern    mehr  Freude  hat,  als  an 
zehn    Geranium    „Meteor",    die    auf    geschorenem    Rasen    eine 
Dracaeue  umgeben,   w-arum  soll  er  sich  denn  all  dieser  Freude 
begeben'!     Aufrichtige  Liebe  und  persönliche  Pflege  des  Gartens 
ist  für  diese  Art  Gartengestaltung  allerdings  eine  condicio  sine 
i|ua  non.     Koketterie  und  geheuchelte  Naturliebe  können  diese 
wichtige  Bedingung    nicht    vortäuschen    und  auch  dann  nicht, 
wenn  die  „ordnende  Hand"  des  Gärtners  in   ein  so  zartes  En- 
semble verständnislos  dreinfährt.  —  Wir  kommen  zum  Kapitel 
über  die  Wege.     Auch  hier  finden   wir  keine  Regeln,   sondern 
Betonung    des  Zwecks.     Der    allein   bestimmt  die    Behandlung 
des  Weges,  seine  Führung,  seine  Breite,  seine  Umgebung.    Wie 
in    einer    gut    eingerichteten  Wohnung  jedes  Zimmer  auf  den 
ersten  Blick  seine  Bestimmung  erkennen  läl'st,  so  soll  auch  die 
Eigenart  des  Weges   auf  den  Zweck  hinweisen,   dorn   er  dient. 
In    ganz    ähnlicher  Weise    ist    im    weiteren  Abschnitt    die  Be- 
sprechung   der    Baulichkeiten    im    Garten    durchgofiihrt.      Das 
Alberne  und  Unzweckmäl'sige,  was  sich  auch  auf  diesem  Gebiet 
immer  noch  vielfach  breit  macht,  ja  heute   noch  neu  entsteht, 
wird    mit   gebührender  Schärfe    verurteilt   —    mehr    aber    das 
Wünschenswerte    durch    Wort    und    Bild    betont.      Häuschen, 
liauben.  Brücken,  Bänke    sollten   in  bezug    auf  ihre  Form  und 
Brauchbarkeit  mit  mehr  Sorgfalt  geprüft  werden.     „Man  braucht 
sich    nur    den  Garten    als  Wol\nung    zu  denken,    so  wird   man 
leicht  herausfinden,  was  geeignet  ist,  für  den  Garten  und  was 
nicht."     (P.  90)  sagt  der  Verfasser  und  weiter  (p.  91):  „Je  mehr 
sich    der  Gedanke    durchsetzt,    dafs  Garten   und  Wohnung  zu- 
sammengehören,   desto    selbstverständlicher    wird  es  sein,    den 
Garten  von  Geschmacklosigkeiten    freizuhalten."     Hier  möchte 
ich  doch    vorsichtigerweise    einen  skeptischen  Zusatz   machen: 
l>t    denn    die  Wohnung  schon  frei  von  Geschmacklosigkeiten.' 
Haben  wir  da  schon  einfache  Aufrichtigkeit  ohne  l'rotzentum  .' 
Läl'st  sich  das  Publikum  nicht  täglich  betören  vom  Jahrmarkts- 
kram, der  dem  Wunsche   mehr  zu   scheinen,  als  man  ist,  billig 
seine    Dienste    anbietet?      ^^'enn    unsere   Gesellschaft    in    ihrer 
Gesinnung  sich  nicht  ändert,  wenn  grofstuerisches  Scheinwesen 
—    ach  gar    zu   oft   noch    aufrichtigem  Sein    vorgezogen   wird, 
werden    auch  Haus    und  Garten    nicht    anders    werden.     Denn 
dafs  auch  hier,  wie  in  jeder  Kunst  die  Persönlichkeit  alles  ist, 
läfst  sich  aus  den  nun  folgenden   reizenden  Schilderungen  des 
Pfarrgartens,  des  Hausgärtchens  des  Freundes  und  den  weiteren 
Besprechungen  und  bildlichen  Wiedergaben  bestehender,  meist 
vom  Verfasser    selbst    angelegter  Gärten    deutlich    entnehmen. 
Wer    die  Wärme    der  Darstellungsweise   Enkes,    die  liebevolle 
Vertiefung    in  den  Stoff,    die  Betonung  des    persönlic'.en  Ver- 
wachsenseins von  Mensch,  Haus  und  Garten    hier  niclit  durch- 
fühlt,   der    wird    von  dem  Buche    nicht    mehr    haben,    aJs   von 
Gartenleitfaden,  wo  drin  steht  „wies  gemacht  wird".     Ich  halte 
diese    Schilderungen    für    den    Glanzpunkt    des    Büchleins:    sie 
erinnern  stellenweise  an  die  warme,  naive,  kindlich-frohe  Tonart, 
die  Heinrich  Seidels  Schriften    so    herzerfrisfhond   durchziehen, 
wenn  er  seine  Odysseusgeschichte   erzählt  oder  von  Ijeberecht 
ilülinchen  plaudert.     Ein  „Referat"  kann  man  nicht  geben  von 
einem  Herzensbekenntnis.     So  darf  ich  diesen  Teil  des  Buches 
wohl    nennen    —    seine  Sprache    verrät    ihn.     Enckes    ganzes 
inneres  Trachten  als  Gartenkünstler,  in  erster  Linie  aber  als 
Mensch,  geht  daliin,  die  Beziehung  zwischen  Mensch  und  Natur 
zu  knüpfen    und  zu  vertiefen,    weil    er  selbst  in  der  Liebe  zur 
Natur  und  im  Zusammensein    mit  ilir  so    viel  Glück  gefunden 
hat,  das  er  ,iuch  anderen  zuführen   will. 


Doch  nun  zum  Schlufs.  Dafs  die  Vorgärten  und  die  Garten- 
höfe dem  Verfasser  weniger  „liegen",  weil  sie  ihi-em  Wesen 
nach  die  wünschenswerte  Wohnungsintimität  nicht  so  zum 
Ausdruck  bringen  können,  sieht  man  aus  den  beiden  letzten 
Kapiteln,  die  trotzdem  aber  wichtige  Fingerzeige  für  die  Ge- 
staltuugsmöglichkeiten  dieser  niejir  für  die  Öffentlichkeit  ge- 
prägten Gartenform  enthalten. 

So  sei  denn  Enckes  Buch  allen  denen  warm  empfohlen, 
die  das  Aufblühen  gesunder  Gartenkunst  nicht  von  neuen 
Dogmen  und  technischer  Uoutine  erwarten,  sondern  von  der 
aufrichtigen  Gesinnung,  von  liebevoller  Beziehung  zur  Natur 
und  inniger  Vertiefung  in  die  Geheimnisse  künstlerischen 
Taktgefühls.  W.  von  Engelhardt,  Gartendirektor. 

Willy  Lange:  ,, Gartengestaltung  der  Neuzeit."  Unter 
Mitwirkung  von  Otto  Stahn.  Kiinigl.  Heg.-Baumi'i^.tiT.  \'erlag 
von  F.  J.  Weber,  Leipzig  1907. 

Mit  einer  gewissen  Erwartung  ist  nicht  nur  in  Fachkreisen 
dem  Werk  Langes  entgegengesehen  worden;  liefsen  doch  seine 
gelegentlichen  Veröffentlichungen  in  Tages-  und  Fachblättern, 
seine  Aufserungen  in  Vorträgen  und  im  Unterricht  vermuten, 
dafs  er  zu  einer  selbständigen  Auffassungdes gartenkünstlerischen 
Problems  gelangt  war,  und  man  durfte  gespannt  sein,  wie  er 
sich  mit  der  Darstellung  und  Begründung  dieser  seiner  Auf- 
fassung abfinden  würde. 

Das  nun  vorliegende  Werk  bereitet  wohl  nur  wenigen,  die 
sich  ernstlich  mit  dem  neuzeitlichen  Entwickelungsgang  der 
Gartenkunst  befafst  haben  und  nicht  zu  der  von  manchen  „Moder- 
nen" geforderten  grundsätzlichen  Verwerfung  landschaftlicher 
Gartenkunst  gelangt  sind,  eine  Enttäuschung,  mag  man  auch  in 
Einzelheiten  anderer  Meinung  sein  als  der  Verfasser.  Lange  ist, 
wie  Hoemann  in  seinem  Nürnberger  Vortrag  sagte,  auch  ein 
Moderner,  aber  von  Jenen  trennt  ihn  eine  ganze  Welt- 
anschauung. Trotzdem  läfst  er  ihrer  Auffassung  volle  Ge- 
rechtigkeit widerfahren;  denn  wer  sich  von  dem  Gefühl  des 
Herrenrechtes  nicht  frei  machon  kann,  das  als  Ausfluls  des 
menschlichen  Ordnungssinnes  sich  des  Gartens  in  früherer  Zeit 
bemächtigte  und  die  geometrischen  Kunstgärten  schuf,  mit  ihnen 
geköpften  Bäume,  geschorenen  Heckenwänden  und  in  geometri- 
scher Ordnung  angepflanzten  Pilumen,  dem  mul's  es  unbenommen 
bleiben,  sich  auch  heute  noch  seinen  Garten  ganz  nach  seinem 
Geschmacke  zu  gestalten.  Man  darf  niemandem  etwas  auf- 
drängen wollen,  was  seiner  Persönlichkeit  nicht  gleichgeartet 
ist.  Während  aber  in  ältester  Zeit  der  Mensch  sich  unter  die 
Naturgewalten  beugte,  später  sein  Herrenrecht  über  sie  geltend 
machte,  stellt  ihn  die  neue  Zeit  nicht  unter  und  nicht 
über,  sondern  in  die  Natur. 

Diese  Auffassung,  welche  auch  der  Pflanze  das  gleiche 
Recht  auf  Leben  und  Entfaltung  ihrer  Art  zugesteht,  wie  uns 
selbst,  kommt  im  Garten  zum  Ausdruck,  wenn  man  der  Eigenart 
der  Pflanzen  Rechnung  trägt,  ihr  die  günstigsten  Entwickelungs- 
bedingungen  bietet,  darüber  hinaus  aber  innerhalb  der  er- 
mittelten Gesetze  von  Ui-sache  und  Wirkung  nicht  eine 
Nachahmung  der  Natur,  sondern  eine  künstlerische 
Steigerung  gegenüber  der  Natur  versucht.  Grundbe- 
dingung dazu  ist  die  Liebe  z.ur  Pflanze,  die  liiebe  zu  allem 
Lebendigen;  wer  die  gewonnen  hat,  der  kann  in  seinem  (i:u-ten- 
leben  als  Persönlichkeit  seiner  Zeit  sich  ausleben. 

Diese  Sätze,  welche  das  Leitmotiv  des  Jjangeschen  Buches 
bilden,  sind  mir  aulserordentlich  sympathisch,  wie  jeder,  der 
meine  persönliche  Auff:issung  kennt,  begreiflich  finden  wird. 
.Vuf  einzelne  Kapitel  des  Buches  näher  einzugehen,  dürfte 
hier  wohl  zu  weit  führen,  und  erübrigt  sich  auch,  weil  wohl 
erwartet  werden  kann,  dal's  sich  an  sein  Erscheinen  lebhafte 
Erörterungen  knüpfen  werden,  die  sich  eingehend  mit  den 
verschiedenen  Teilen  des  Stoffes  befassen  werden.  Einiges  sei 
nur  hier  gestreift.  Im  Kapitel  „I'lanung"  finden  wir  sehr  be- 
herzigenswerte Mahnungen  über  das  Zusammenarbeiten  von 
Baumeister.    GartenUünstler    und   Besitzer,    im    Abschnitt    über 


IX,  1 


DIE  GARTENKUNST 


li) 


„Wahl  der  Gartenform"  wiederholte  Hinweise  darauf,  dafs  die 
malerische  \Yirkiing  regelmälsiger  Gartenanlagen  nicht  zum 
wenigsten  auf  dem  reizvollen  Gegensatze  zwischen  der  Strenge 
der  Grundrifsanordnung  und  der  übersprudelnden  Lebensfülle 
des  ri'lanzonwuchses  beruht.  In  dem  vom  Reg. -Baumeister 
Stahn  verfalsten  Kapitel  über  die  „Architekturgarten"  begegnen 
wir  einem  im  Gegensatz  zu  manchen  Wahrnehmungen  der 
letzten  .Jahre  aufserordentlich  wohltuenden  Verständnis  des 
Baukünstlers  für  Gartenfrageu. 

Das  bedeutungsvollste  Kapitel  des  Buches  ist  wohl  das- 
jenige über  den  „Natuigarten"  und  in  ihm  ersclieint  mir  der 
Abschnitt  „die  Pflanzung"  iler  wichtigste.  Hier  entwickelt 
Lange  seine  Tlicorie.  Er  legt  das  Hauptgewicht  nicht  auf  die 
formale  iiulseiliche  .Schclnheit  des  einzelnen  Pflanzeninilivi- 
duums.  sondern  auf  die  Schönheit,  welche  auf  der  Erkenntnis 
innererWechselbeziehungen,  organischer  Not  wendigkeiten  beruht, 
auf  die  „lebendige"  Schönheit.  P>  führt  die  wissenschaft- 
liche Erkenntnis  des  inneren  Zusammenhanges  der  natürlichen 
Pflanzengesellschaften  in  die  Gartenkunst  ein,  er  baut  auf  ihr 
als  Grundlage  des  künstlerischen  Fortschrittes  seine  moderne 
.\\iffassung  der  Gartenkunst  auf.  Die  Pflauzenphysiognomie 
bietet  ihm  das  künstlerische  Wahlgesetz  für  die  Pflanzungen 
im  Natur-(d.  h.  Landschafts- iGarten,  er  will  Harmonie 
zwischen  Standort  und  l'flanzung  herbeigeführt  wissen.  Mau 
konnte  einwenden,  dals  verstandesgemäfse  Wissenschaftlichkeit 
nicht  die  Grundlage  für  künstlerisches  Wirken  und  Können 
l)ilden  dürfe  nach  dem  auch  von  Hoemauu  in  Nürnberg  zitierten 
Wort:  In  der  Kunst  ist  Verstand  gar  nichts,  Verständnis  etwas, 
Gefülil  alles!  Aber  die  Ursachen  müssen  studiert  und  erkannt 
sein,  wenn  man  Wirkungen  hervorbringen  will,  das  ist  Ijei  einem 
lebendigen  Stoffe  wie  die  Pflanzen  unabweislich  —  und  auch  der 
Bildhauer  studiert  die  Anatomie  des  menschlichen  Körpers! 

Von  programmatischer  Bedeutung  ist  ferner  das  Kapitel 
„Das  Leitmotiv".  YiS  wird  sicher  viel  Widersprucli  finden, 
nicht  so  sehr  wegen  des  Leitmotivgedankens  an  sich,  dem  ich 
im  Prinzip  um  so  weniger  widersprechen  kann,  als  er  das 
logische  Ergebnis  der  ganzen  Langeschen  Auffassung  bildet. 
Indessen  kann  ich  mich  mit  der  Dorfanger-Idee  —  ich  habe 
ihre  praktische  Durchführung  in  Dahlem  freilich  noch  nicht  ge- 
sehen —  nicht  befreunden,  ich  meine,  es  sei  ein  etwas  ver- 
unglücktes Beispiel. 

Überhaupt  wird  dasLaugesche  Buch  viel  Widers[)ruch  fimlen, 
die  Kritik  wird  an  die  Tintenfässer  eilen  —  allein  das  kann  ihm 
nicht  schaden.  Soll  ein  solches  Buch  wirken,  so  mufs  es  nicht 
nur  Beachtung,  sondern  auch  Widerspruch  und  Kritik,  scharfe 
Kritik  finden,  nichts  kann  ilim  nachteiliger  sein,  als  die  übliche 
wohlwollende  Besprechung  und  — •  Schweigen.  Heicke. 

Landschaftliche  Gartengestaltung  von  Camillo  Tvarl 
Schnei  der:  Als  ich  vor  genau  li  Jahren  die  „Gartengestaltung 
und  Kunst"  des  gleichen  Verfassers  aus  der  Hand  gelegt  hatte, 
war  ich  mit  mir  selbst  nicht  einig,  wie  eigentlich  das  Werk  und 
sein  (mir  persönlich  nicht  bekannter)  Verfasser  zu  beurteilen 
seien,  da  ich  neben  einem  gut  Teil  trefflicher,  von  künst- 
lerischem Geiste  durchleuchteter  Ausführungen  und  Anregun- 
gen auch  recht  viel  minderwertige  Auslassungen  tendenziöser 
Art  gefunden  hatte;  immerhin  hatte  ich  Freude  an  dem  frischen 
Draufgänger,  und  es  deuchte  mir,  dafs  aus  dem  gärenden  Most 
wohl  noch  ein  klarer  Wein  zu  erhoffen  wäre.  Nun  ist  C.  K. 
Schneider  mit  einer  Fortsetzung  hervorgetreten,  deren  Titel 
„Landschaftliche  Gartengestaltung"  in  der  jetzigen  Zeit  heifsen 
Ringens  um  das  grundlegende  Prinzip  der  Gartenkunst  all- 
gemein das  lebhafteste  Interesse  erwecken  mu(s;  und  um  mein 
Enduiteil  vorweg  zu  geben:  Schneider  hat  meine  Hoffnung 
grofsenteils  erfüllt  und  in  dem  gegenwärtigen  Werke  ganz 
wesentlich  Besseres.  Greifbares  geboten,  und  ich  kann  das 
durchaus  flott  und  anregend  geschriebene  Buch  einem  jeden, 
der  mit  unserer  Kunst  als  Fachmann  oder  Laie  Beziehungen 
liat.  aufs  wärmste  empfehlen,  wenn  ich  aucli.  um  mit  Schneiders 


eigenen  Worten  zu  reden,    „als   einzelner    mehr    oder    weniger 
eine  schmal  begrenzte  individuelle  Auffassung  vertrete." 

Schneiders  ganze  Denk-  und  Schrcnbweise  ist  so,  dals  man 
eigentlich  zu  jeder  seiner  Äui'scrungen  ein  ganz  bestimmtes 
„.la"  oder  „Nein"  liinzusetzeu  und  begründen  müCste,  au  dieser 
Stelle  aber  kann  nur  eine  generelle  Würdigung  gegeben  wer- 
den: Im  1.  Kapitel  erläutert  Schneider  den  Hegriff  „laudschalt- 
licho  Gartengestaltung"  im  Gegensatz  zur  „architektonischen" 
und  unterscheidet  wie  früher  den  (arcliitektonischeni  llaus- 
und  Volksgarten  und  den  (landschaftliclien)  Privat-  und  Volks- 
park; diese  Unterscheidung  ist  im  allgemeinen  wohl  richtig, 
nicht  aber  in  dem  strengen  Sinne,  den  Schneider  in  einem 
späteren  Kapitel  (bei  der  im  übiigen  ausgezeiclmeten  kritischen 
'Würdigung  SckelLs)  dahin  präzisiert:  „Der  , Garten'  in  unserem 
Sinne  kann  nie  landschaftlich  sein",  was  ich  trotz  derer  um 
Schnitze-Naumburg,  Muthesius  etc.  doch  bestreiten  möchte;  ich 
weise  nur  auf  solche  Gärten  hin,  die  direkt  in  eine  vorhandene 
Landschaft  hiueinkomponiert  werden,  für  welclie  Fälle  aller- 
dings Bauer-Magdeburg  die  niedliche  Plu-ase  geprägt  hat:  „So- 
weit die  natürliche  Umgebung  eines  Landhauses  etwa  erhalten 
worden  ist,  hat  man  eben  auf  Gartenbildung  verzichtet";  ich 
weil's  nicht,  ob  und  wie  Schneider  und  Bauer  eine  älmliche 
Aufgabe  schon  gelöst  liaben,  i  c  h  würde  solch  einen  I^all  lieber 
im  Sinne  Willy  Langes  bearbeiten.  —  Es  folgen  dann  einige 
ansprechende  Kapitel  über  „die  Vorbilder  der  Natur  und  ihre 
künstlerische  Bearbeitung",  in  denen  viel  brauchbares  Material 
mit  anerkennenswertem  Fleii'se  aus  der  Natur  und  Literatur 
zusammengetragen  ist.  Sehneider  fordert  —  selbstverständlicli  — 
dafs  „die  Lirnndlage  der  landschaftlichen  Gestaltung  ein  syste- 
matisches Erforschen  der  Natur  bilden  muls",  doch  geht  er 
nicht  so  weit  wie  Lange,  dem  „die  Nachschöpfaiug  der  Pflanzen- 
genossenschaften nach  dem  Vorbilde  der  Heimatnatur  das 
höchste  Ziel  der  Gartenkunst  ist";  ich  meine  nun,  dals  Lange 
die  äul'serste  logische  Konseijuenz  aus  dem  Prinzipe  der  land- 
schaftlichen Garteugestaltung  zieht,  Schneider  aber  allzuviel 
Konzessionen  an  eine  bequemere  Durchführbarkeit  des  Prinzips 
macht,  insbesondere  beim  Privatpark.  —  Nach  einem  sehr 
interessanten  „Rückblick  auf  die  Anfänge  der  landschaftlichen 
Gestaltung"  (wobei  meines  Erachtens  die  neuerlichen  Aus- 
fälle gegen  Gustav  Meyer,  dessen  Einflufs  auf  die  zeitgenössi- 
sche Gartenkunst  Schneider  wohl  nicht  genügend  würdigt, 
besser  weggeblieben  wären)  kommt  ein  Überblick  über  die  Be- 
strebungen der  Gegenw.'irt",  in  dem  viel  zu  viel  Platz  und  Be- 
deutung dem  Kunstbekenntnisse  Bauers  zugemessen  wird;  die 
zugehörigen  englischen  und  französisclieu  Parkstudien  lassen 
Schneider  als  scharfen,  treffenden  Kritiker  erkennen. 

Der  Kern  des  Werkes  ,,die  Hauptformen  öffentlicher,  land- 
schaftlich zu  gestaltender  Anlagen"  (Volkspark,  Friedhof,  Pal- 
mengaiten)  bringt  sehr  viel  lehrreiche  Kritik  und  gleichviel 
beherzigenswerte  Hinweise,  ganz  besonders  gefielen  mir  die 
Abschnitte  über  Gehölze  und  Stauden,  Wasser,  Gesteinanlagen 
und  Blumenschmuck.  Hier  scheint  mir  die  ureigenste  Indi- 
vidualität Schneiders  am  schärfsten  zum  Worte  zu  kommen, 
drum  lesen  .sich  diese  Abhandlungen  am  besten. 

Gleich  darauf  aber  folgt  das  schwächste  Kapitel  ,,der 
Privatpark'',  zwar  wird  dabei  ein  scheinbar  neues  Priirzi[].  „die 
landschaftlich-architektonische  Gestaltungs  weise'',  eingeführt 
worunter  Schneider  „einen  Ausbau  von  Parkanlagen  ohne  Rück- 
sicht auf  Naturwahrheit"  versteht.  Der  Künstler  setzt  sich  an- 
scheinend rücksichtslos  über  die  Forderungen  der  Natur  hin- 
sichtlich des  Auftretens  der  Vegetationstheorien  hinweg  und 
behandelt  die  (iehölze,  Stauden  etc.  rein  ihren  künstlerischen 
Wesenszügen  nach.  Wozu  dann  der  Lärm?  Und  Schneider 
selbst  schreibt  weiter:  „Man  wird  sagen,  wenn  ich  überhaupt 
eine  solche  Landschaftsgestaltung  zulasse  und  für  künstlerisch 
gerechtfertigt  erkläre,  so  hätte  ich  nicht  erst  das  bisher  übliche 
Verfahren  zu  verurteilen  brauchen,  da  ein  in  landschaftlich- 
architektonischem  Sinne  ausgearbeiteter  Park  el)enso  atissehen 


20 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  1 


würde,  wie  die  gewohnten  Anlagen."  Der  einzige  Beweis,  den 
Schneider  für  die  Richtiglveit  seines  Prinzips  beibringt,  ist  der. 
dal's  es  malerisch-schöne  Werke  der  Gartenliunst  gibt,  die  nicht 
auf  völliger  Naturwahrheit  fufsen.  Ich  vermute,  dal's  in  einer 
2.  Auflage  der  „Privatpark"  von  Sclmeider  wesentlich  anders 
wird  behandelt  wenlen  ! 

Sehr  befriedigend  sind  die  Ausführungen  über  „Landes- 
verschönerung  und  Heimatschutz'',  doch  möchte  ich  den  Leit- 
satz, „dafs  es  meistenteils  viel  wichtiger  ist,  dafür  Sorge  zu 
tragen,  dafs  an  Stelle  des  dahinschwindenden  Alten  etwas 
künstlerisch  wertvolles  Neues  trete",  nicht  mitunterschreiben, 
schon  nicht  in  trauter  Erinnerung  an  Alt-Nürnberg,  wo  wir 
alle  uns  köstlich  über  die  „Reste  einer  uns  innerlich  fremden 
Vergangenheit"  gefreut  haben.  Druck  und  Ausstattung  dos 
250  Seiten  starken  Bandes  sind  sehr  gut,  von  den  73  Abbildun- 
gen sind  die  meisten  (auch  die  Gegenbeispiele)  glücklich  ge- 
wählt und  von  anerkennenswerter  technischer  Vollkomuieaheit. 

Werden  auch  demjenigen,  der  die  neuzeitliche  Literatur 
verfolgt  und  unsere  letzten  Vereinsversamiulungeu  aufmerksam 
besucht  hat,  nicht  gerade  neue,  welterschütternde  Offenliarun- 
gon  im  Schueiderschen  Buche  verkündet,  so  sei's  doch  noch- 
mals als  ein  sehr  beachtenswertes  Bekenntnis  eines  energisch 
vorwärts  strebenden  Künstlers  und  Kritikers  rühmend  empfohlen. 

Gertrude  .Jekyll:  „Wald  und  Garten."  Praktische 
und  kritische  Anmerkungen  eines  arbeitenden  Amateurs.  Aus 
dem  Englischen  ütiersetzt  von  Gertrud  von  Sanden.  Verlag  von 
Julius  Baedeker,  Leipzig.     1907. 

Auf  der  Nürnberger  Hauptversammlung  der  D.  G.  f.  G.  iin 
August  d.  .J.  streifte  ich  in  meinem  Vortrage  die  englische 
tiartenkunst  und  sagte  unter  anderem  „der  Engländer  hat  eine 
Wahrhaftige  Liebe  zur  Gartenkunst;  in  Verwendung  der  Blume 
im  Garten,  insbesondere  der  Staude  ist  er  Meister". 

Gleichsam  wie  eine  Bestätigung  für  die  Richtigkeit  dieser 
Ansicht  erscheint  mir  ein  soeben  im  Buchhandel  (Verlag  von 
Jul.  Baedeker,  Leipzig)  erschienenes  Werk  „Wald  und  Gai'ten". 
Die  Verfasserin  ist  Gertrude  Jekyll,  eine  bekannte  englische 
Gartenschriftstellerin,  die  nach  mehr  als  dreifsigjähriger  Praxis 
ihre  Ansichten  über  den  Garten  in  einfach,  schlichter,  er- 
zählender Form  niederlegt.  Übersetzt  ist  das  Buch  von  Gertrud 
V.  Sanden.  .Ja,  eine  walirhaftige,  tiefe  Liebe  zu  Garten  und 
Walil  weht  einem  aus  jeder  Zeile  dieses  Werkes  entgegen. 
Gertrude  Jekyll  ist  die  Besitzerin  eines  in  England  als  vor- 
bildlich geltenden  Gartens.  Durch  diesen  Garten  und  den  an- 
stoCsenden  Wald  führt  uns  die  Verfasserin  zu  jeder  Jahreszeit, 
zu  jeder  .Stunde  des  Tages. 

Ihr  selbst  ist  der  Garten  ein  Ort  der  Rast,  der  Zurück- 
gezogenheit  der  stillen  Beobachtung,  er  ist  ihr  Studierzimmer, 
ihr  Wohnraum  im  Freien.  Diese  Worte  sind  hier  aber  wohl- 
gemerkt nicht  Theorie,  es  sind  hier  goldene  Worte  des  Lebens. 
Möchten  Gartenbesitzer  und  Garteugestalter  von  dieser  Dame 
lernen  und  zwar  zuerst,  wie  man  seinen  Garten,  seine  Pflanzen 
und  Blumen  lieben  kann  und  soll.  Ohne  diese  Liebe  kann 
kein  Garten  jene  Schönheit  erlangen,  welche  Gertrude  Jekylls 
Garten  zu  eigen  ist.  Möchten  recht  viele  erkennen,  wie  un- 
endlich viel  und  mannigfaltiges  Geniefsen  köstlicher  .Schönheit 
Garten  und  Wald  <lem  .Sehenden,  dem  Erkennenden  bieten. 

Des  weiteren  aber  möge  der  Leser  lernen,  wie  man  diese 
Gartonliebe  praktisch  betätigen  kann.  Manch  nützlicher  Wink 
in  anregender  Form  wird  hier  erteilt,  sowohl  nach  der  künst- 
lerischen, als  nach  der  praktischen  Seite  hin.  Als  ich  das 
Buch  las,  da  liels  ich  mich  gerne  von  der  praktischen  Künstler- 
gärtnerin führen,  die  in  schlichte  Worte,  dabei  aber  so  lebenswarui 
und  so  anmutig  ihre  Erfahrungen  und  Auffassungen  mitzuteilen 
verstellt.  Lebhaft  streitet  man  heute  über  die  Art  der  Garten- 
gestaltung, hier  „architektonisch"  dort  „landschaftlich"  ist  das 
Losungswort.  Die  einen  nennen  dies  die  höhere  Entwickelungs- 
stufe,  die  anderen  jenes.  Wie  ist  nun  der  Garten  von  Gertrude 
Jekyll,  welchen  Stil  hat  dieser  als  vorbildlich  bezeichnete  Garten. 


Er  hat  im  landläufigen  Sinne  tibei'haupt  keinen  Stil  und 
doch  hat  er  einen.  Er  hat  den  Stil  seiner  Besitzerin,  er  hat  den 
Stil  Gertrude  .Jekylls,  den  ausgeglicheneu. Stil  ihrer  Persönlichkeit. 
Zweifelsohne  ist  gerade  dieser  persönliche  Stil  der  richtige 

Der  eigentliche  Garten  ist  tektonisch  gegliedert,  wie  es 
kaum  anders  sein  kann,  wenn  man  all  unsere  schönen  Garten- 
stauden sowie  die  ein-  und  zweijährigen  Florblumen  ziehen 
will.  Es  bietet  diese  Gartenform  auch  zweifelsohne  in  erster 
Linie  den  Genufs  der  Gartenarbeit,  des  Säens,  Pflanzens  und 
der  Ernte,  wenn  es  auch  nur  Blumenernte  ist. 

Der  anstoCsende  W'ald  ist  langsam  und  geschickt  in  den 
Garten  übergeleitet,  die  Schönheit  des  Waldes  ist  durch  Ein- 
fügen geeigneter  Blumen  gesteigert,  übrigens  nicht  nach  öko- 
logischen Gesetzen,  sondern  wieder  lediglich  nach  dem  Gefühl 
der  feinsinnigen  Künstlergärtnerin.  (Gelbe  Narzissen  im  Hain, 
Trillium  im  wilden  Garten,  Rhododendron,  wo  Hain  und  Garten 
sich  treffen  etc.  etc.)  Diese  Gestaltungsweise  von  Gertrude 
.Jekyll  erscheint  mir  wieder  ein  überzeugender  einwandfreier 
Beweis  für  die  Berechtigung  der  landschaftlichen  Gestidtungs- 
weise.  Mit  welchen  Zaubermitteln  bannt  Gertrude  Jekyll 
überall  im  Wald  und  Garten  die  Schönheit.  Der  Leser  wird's 
wohl  schon  ersehen  haben.  Zunächst  also  ist  es  ein  fein  aus- 
gebildetes künstlerisches  Gefühl,  welches  die  Schönheit  der 
Pflanzen  im  einzelnen,  sowie  in  der  Zusammenstellung  mit 
anderen  also  in  der  geeigneten  Verwendungsart  klar  erkennen 
läl'st,  es  ist  ferner  eine  umfassende  Sach-  und  Pflanzenkenntnis, 
und  dann  das  Prinzip,  jede  Arbeit  zur  rechten  Zeit  mit  peinlichster 
Sorgfalt,   Gewissenhaftigkeit  und  Gründlichkeit  auszuführen. 

Alles  dies  verbindet  eine  reine  Liebe  zum  Garten  in  einer 
lebensfrohen  Arbeitsfreudigkeit.  Diese  Zaubermittel  sollten  im 
unveräufserlichen  Besitze  jedes  Gartcngestalters  und  jedes 
Gartenbesitzers  sein,  dann  wird  das  Werk  schon  werden.  Beob- 
achte man  z.  1'.,  wie  Gertrude  Jekyll  ihre  Rhododendron 
pflanzt.  Ein  Jahr  vor  der  Pflanzung  besucht  sie  während  der 
Blütezeit  die  besten  Gärtnereien,  beobachtet  sorgfältig  Farbe, 
Art  und  Zeit  der  Blüte  etc.  Dann  aber  stellt  sie  als  Ergebnis 
ihrer  Beobachtung  mit  dem  Endziel  der  malerischen  Wirkung 
ihre  Gruppen  zusammen.  Sie  benötigt  zu  der  einen  Gruppe 
vielleicht  40  Pflanzen,  aber  nicht  etwa  in  40  Sorten,  auch 
nicht  in  einer  Sorte,  nein,  vielleicht  10  von  einer  Sorte,  dann 
2 — 3  mal  fünf  von  je  einer  anderen  Sorte,  ein  paarmal  3  und 
dann  noch  ein  paar  einzelne  Exemplare.  Die  Farbe  ist  dabei 
leuchtend  scharlachrot  über  rosa  in  weil's  übergehend  <jder  in 
einer  anderen  Gruppe,  ein  in  den  besten  Tönen  sorgfältig  aus- 
gesuchtes lila,  welches  über  purpur  nach  und  nach  in  weil's 
ausklingt.  Dabei  steht  die  lila,  purpurne  Gr\ippe  fein  be- 
rechnet im  Schatten,  die  scharlachrote  aber  in  der  prallen 
Sonne.  Also  feinste  Harmonie  in  Farbe,  MassenverteiUing  und 
Form.  Wer  von  uns  geht  mit  ähnlicher  Sorgfalt  zu  Werke?! 
Oder  ein  anderes  Beispiel,  „die  mit  gemischten  Stauilen  be- 
pflanzte Blumenrabatte".  ..Nichts  ist  so  schwierig,  wie  das 
Bepflanzen  einer  solchen  Rabatte  und  die  Aufgabe,  sie  während 
des  ganzen  Sommers  schön  zu  halten.  Gertrude  Jekyll  zeigt 
wiederum  wie's  gemacht  werden  kann  (nie  will  sie  zeigen, 
wie's  gemacht  werden  mufs).  Möchten  recht  viele  hier  lernen, 
wie  die  Farben  zum  vollen  Akkord,  die  Akkorde  zur  reinen 
Harmonie  zu  verbinden  sind.  Trotz  all  dieses  ausgeprägten 
Farbensinnes  fühlt  Gertrude  .lekvU  nie  mit  der  Farbe  allein, 
nein,  immer  mit  der  ganzen,  lebenden  Pflanze.  Doch  genug  der 
Beispiele,  man  lese  selbst,  man  urteile  selbst  und  handle  in 
ähnlicher  Auffassung  wie  diese  Künstlergärtnerin.  Dem  Werke 
aber  möchte  ich  weiteste  Verbreitung  wünschen,  möchten  seine 
Anregungen  recht  matichen  veranlassen,  sich  in  die  wunder- 
reiche (!artenw-elt  liebevoll  zu  vertiefen.  .ledom,  der's  tut, 
wird  der  («arten  eine  <^luelle  reiner,  scbiiner  Freuden  sein  uml 
bleiben. 

Düsseldurf  im    I  )ezcuilii'r   l'.KKl. 

K.  Hoemann. 


Ftlr  die  Redaktion  verantwortlich:  Stadt-Gariendirektor  Heicke.  Frankfurt,  a.  M.   -  Verlag  von  Gebrüder  Borntraoger,  Berlin  SW.  11, 

Dessaaer  Strasse   2».  —  Druck  von  A.  W.  Hayu's  Erben,  Potsdam. 


IX, 


DIE  GARTENKUNST 


21 


Natur  vei'scli  ö  ii  eriiiip;, 

V^oitriff  von    Prof.  P.  Schultze-Naumburg, 

gehalten   auf  der  Jaliresversamnilinig  ilrs   Fiundes  „llfiinatsclnit/,"   in   Miinfheii. 

(Scklul's.) 


Qakoen. 


Überall  zeigt  sich  dieselbe  Erscheinung. 
Jede  neue  Anlage  schändet  neu  das  Bild  der 
uns  traut  gewordenen  Natur,  während  man 
früher  die  Kunst  besafs,  die  Menschengebilde 
harmonisch  in  die  Natur  hineinwachsen  zu 
lassen.  Fast  drängt  sich  uns  ein  \\'nrt  wie 
Romantik  auf.  wenn  wir  ein  Bild  wie  Abb.  12 
sehen.  Li.is  Wort  Romantik  hatte  bei  uns  lange 
Zeit  keinen  sehr  guten  Klang.  \\'ir  sollten 
dabei  aber  doch  nicht  vergessen,  dafs  es 
die  Romantik  war.  die  uns  gewisse  Teile  von 
Schönheitserkenntnis  gab.  die  wir  nicht  zu 
verlieren  brauchen.  Wenn  uns  das  frühe 
Mittelalter  mächtige,  finstere  Zyklopenwei-ki^ 
gab.  die  Gotik  uns  himmelanstrebende  Luinie 
schuf,  die  Renaissance  Städte  und  Rathäusi.-r 
baute,  das  Rokoko  die  Form  des  Palais  schul 
und  die  ^^'ende  des  18.  Jahrhunderts  die 
Grundideen  des  bürgerlichen  Landhauses 
festlegte,  so  hinterliefs  uns  die  Romantik 
das  Verständnis  für  den  geheimen  Zauber 
dieser  überlieferten  Schätze.  Was  unsere 
Zeit  auch  neu  hinzufügen  möge,  wir  brauchen  das  Er- 
worbene nicht  zu  verlieren,  mag  es  Form,  oder  mag  es 
Erkenntnis  sein,  und  noch  niemals  hat  man  die  Schönheit 
unseres  Landes  mit  besserem  Verständnis  angeschaut,  als 
in  der  Romantik.  W'iv  sehen  das  aus  alten  Itarstellungen. 
in    denen    zum    erstenmal    die  Gefühle   festgelegt  wurden. 


Abb.  Kl 


Abb.  \-2. 

mit    denen    empfindende    Menschen    bis    heute    die    Natur 
sahen.     Ich    zeige    ein    Früliwerk    des  Wiener  Altmeisters 
Rudolf   Alt    (Abb.   14).     Das    Werk    war    für  die   damalige 
Zeit  neu,  weil    es  die  Gefühle    aussprach,    mit  denen  man 
damals  die  Vergangenheit    anzuschauen  begann.     Auch  in 
unserer  Zeit  hat  sich  den  Ruinen  ein  breites  Interesse  zu- 
.gewendet,    wir    sind    aber    in     unserm    Ge- 
fühlsleben kaum  übel-  das  hinausgekommen, 
was  uns  jene  Romantiker  sehen  lehrten.     Bei 
der  Allgemeinheit    sind  diese  Gefühle  schon 
vollkommen    verkümmert.     Wenn    wir  heute 
i     wissen    wollen.      wie     wir    Ruinen     sehen 
:    müssen    und    wie  wir  uns  ihnen  gegenüber 
zu   verhalten    haben,    so   können   wir   immer 
noch  nichts  Besseres    tun,    als  uns  an  jene 
einstigen  Pioniere   der  Romantik  zu  wenden 
und  uns    von    ihnen    führen  zulassen.     Sie 
erkannten    mit  feinstem  Takt  die  Rolle,    die 
eine    Ruine    als    Naturverschönerung  spielt, 
und  da   es  sich  gegenüber  einer  Ruine  nicht 
mehr    um    neues    Gestalten    handeln    kann, 
sondern    eigentlich    nur   um    ein    Einstellen 
unseres  Gefühlslebens,  so  wird  auch  unsere 
heutige    Zeit    kaum    eine    bessere    Stellung 
finden  können. 

Abb.     1.5     ist    ein       Fnihwerk     Ludwig 
Richters,    der  auf  diesem  Gebiet  mindestens 


22 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  2 


Abb.   14. 

und  Tiirmchen  und  Erkerchen  bedürfte,  um 
einen  Schlofsbau  weit  ins  Land  hineinscliauen 
zu  lassen,  um  ihn  frei  auf  waldigen  Berges- 
höhen zu  lagern  und  aus  ihm  einen  edelsten 
Höhepunkt  von  Xaturverschönerung  zu  machen. 
Von  seinem  Takt  der  Natur  gegenüber  können 
noch  Generationen  zehren. 


auch     so  Auf  Abb.  16  sieht  man  eine  der  interessantesten  Burgen 
ein  Pfad-  aus  dem    mittleren  Deutschland.     Ich   glaube,  wir    werden 
finder  uns  einig    darüber  sein,    dafs    die    geschlossene  Silhouette 
war.  Sein  der  mächtigen  Baukörper  einen  wundervollen  Kulminations- 
Künstler-  punkt  des  Bergzuges  ergibt,    der  mit  Recht  eine  mächtige 
äuge    er-  Steigerung    der  Naturschönheit    hervorbrachte.     Die  Burg 
kannte,  ist  eine  der  drei  Gleichen  in  Thüringen,  die,  wie  bekannt, 
welche  die    Merkpunkte    der    ganzen    Gegend    ausmachen.      Auch 
Formen  bei  ihr  wiederholt  sich  das  alte  Spiel:    Für  nichts  ist  Geld 
sich    der  zu  haben,  aber  um  eine  schöne  alte  Burg  nochmals  zu  ver- 
Land- schönem,  dafür  wii'd  es  gefunden  (Abb.  17).  Der  Turm  an  sich 
schaff-  ist  noch    gar    nicht   mal  schlecht,    aber    er  steht    nicht  in 
ein-  richtigem  .Mafsstabe    zur  Burg,    die  er  erdrückt  und    klein 
schmieg-  macht  und  deren  Silhouette  er  in  keiner  Weise  verbessert, 
tet],   dafs  Er  ist  zudem   vollkommen    unnötig,    denn  die    unbewohnte 
es    nicht  Burg  dient  keinem  andern  Zweck  mehr,  als  dem  der  Natur- 
Spitzen  Verschönerung,  und  als  Aussichtsturm   kommt  er  kaum  in 
und  Betracht,  da  die  Burg  ohnehin  frei  auf  höchster  Bergspitze 
Zacken  liegt    und    man  von    allen  Fenstern    den    freien  Blick    ins 


Abb.  I.- 


Abb. 16. 

Tal  geniefsf.  (.)fi  man  denselben  Blick  noch 
10  Meter  höher  hat,  kann  für  den  wahren 
Xiiturfreund  docli  wahrhaftig  nicht  in  Fra.ge 
kommen. 

Aber  die  .Aussichtstürme!  Sie  bilden  ein 
böses  Kapitel  im  Buche  unserer  Naturver- 
schönerung, Ich  will  wahrhaftig  nicht  be- 
haupten, ein  Aussichtsturm  sei  in  jedem 
Fall  ein  Übel  und  könne  nicht  schon  sein. 
Ich  zeige  auf  Abb.  18  einen  der  bekann- 
testen und  vielleicht  schönsten  Aussichts- 
türme l.k'utschlands.  den  Fuchsturm  bei 
Jena.  Seine  einfache,  schlichte  Z.vlinder- 
foim  iiafst  vortrefflich  auf  den  langgestreck- 
ten Buckel  des  Ilausbergcs  und  gibt  auch 
sonst  das  Bild  ab,  das  wir  hier  trotz  aller 
Einfachheit  als  eine  gute  architektonische 
Form  erkennen.  Er  ist  vor  kurzem  abgebrannt, 
ist   aber    in  seiner  alten  Form  von    neuem 


IX,  2 


DIE  GARTENKUNST 


23 


Abb.   17.     Gegenbeispiel  zu  Abb.   Ki. 

orstandon.  Aber  wie  selten  ist  heute  so  etwas!  Das 
Tuniniiiki-aiit.  das  heute  überall  auf  unsern  Bergen 
wuchert,  sieht  meist  so  aus  wie  Abb.  19.  Ohne  diese 
beinahe  krankhaft  zu  nennenden  Formen  scheint  unserni 
Spiefsbiirger  und  gar  manch  einem,  der  kein  Spiefsbürger 
sein  sollte,  ein  Aussichtsturm  nichts  Rechtes  zu  sein.  Und 
doch  müfste  das  natürliche  Empfinden  ihnen  sagen,  dafs 
nirgendsmehr,  als  auf  diesen  exponierten  Bergspitzen,  ge- 
schlossene Ruhe  und  mächtige  Gedrungenheit  erste  An- 
forderung ist.     Als  zweite,  ja  kaum  minderwertigere  For- 


derung müfste  hinzutreten,  dafs  der  richtige 
Mafsstab  für  das  ganze  Bauwerk  gewählt  wird, 
lue  Sünden,  die  gerade  hierbei,  auch  von  sonst 
bedeutenden  Künstlern,  bei  Türmen  und  Berg- 
(lenkniiilern  begangen  werden,  sind  gar  nicht 
aufzuzählen.  Es  ist  doch  sehr  leichl  einzu- 
sehen, dafs,  je  grofser  das 'Bauwerk  auf  dem 
Berge  ist,  um  so  kleiner  der  Berg  erscheinen 
mufs.  Die  Mächtigkeit  des  Eindrucks  hängt 
durchaus  nicht  mit  der  absoluten  Grofsc  des 
Bauwerks  zusammen,  sondern  im  (iegenteil 
scheint  ein  Wachsen  der  Gröfse  des  Baues 
übel'  dieses  Mafs  hinaus  dem  Gesamteindruck 
eine  gewisse  Kleinlichkeit  aufzudrücken. ■')  Mie- 
ses nirgends  Mafshaltenkönnen  ist  Ja  ein 
allgemeines  Kennzeichen  unserer  Zeil,  nicht 
nur  im  allgemeinen,  sondern  auch  der  ge- 
samten    Architektur     im     besonderen.        l.Hich 


Abb.  IS. 

bleiben  wir  hier  beim  Aussichtsturm.  Bei  der  Bestimmung 
seiner  Gröfse  genügt  es  ja  vollkommen,  wenn  er  hoch 
genug  ist,  um  über  die  ersten  Hindernisse  des  Vorder- 
grundes hinwegblicken  zu  können.  Bei  höheren  Bergen, 
denen  dei'  Hochwald  mangelt,  genügt  es  zumeist,  den 
freien  Ausblick  über  Unterholz  und  die  kleinen  Terrain- 
unebenheiten zu  gewinnen.  Als  ein  Beispiel  von  feinem 
Takt  hierfür  zei.ge  ich  auf  Abb.  20  den  kleinen  Aussichts- 
turm auf  der  Hornisgrinde  im  Schwarzwald,  dessen  primi- 
tiver Form  und  sogar  der  Seltsamkeit  seines  Aufstieges 
eine  .2;ewisse  Gröfse,  trotz  absoluter  Kleinheit,  nicht  er- 
mangelt. Liabei  hat  die  hohe  Architektur  noch  keinen 
Finger  gerührt,  sondern  es  ist  eigentlich  alles  schlichtes 
Maurermeisterhandwerk,  wie  es  sich  gehört;  und  wie 
prächtig  sitzt  das  Spitzchen  oben  über  den  mächtigen  Ein- 
öden und  Moortlächen  des  Hochplateaus,  wenn  man  es 
von  den  Nachbarbergen  aus  sieht.  Wie  steigert  es  den 
Eindruck  des  (»den.  Gewaltigen  dieses  Berglandes.  Aber 
wer    weifs    heute    noch     etwas     davon I     In    [»eutschland 


Abb.  19.     Gegenbeispiel  zu  Abb.  18. 


*)  Mau    denke    z.   B.  an    die    Hotelkaserneu    auf   manchen 
Bergen ! 


24 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  2 


Abb.  22. 

herrscht  der  Restaurateurgeschmack.  der  mit  breiten  Buch- 
staben ansclireibt:  „Aussichtsturm  30  Meter  hoch,  gi'ofs- 
artige  Aussicht.  Vornehmes  Restaurant,  der  Neuzeil  ent- 
sprechend ausgestattet!"  Zu  was  für  einfachen  und  doch 
äufserst  stimmungsvollen  P'^ormen  man  früher  für  einfache 
Schutzhütten  auf  den  Bergen  kam,  zeigt  .\bb.  21.  Es  ist 
das  die  Kopie  des  Häuschens  auf  dem  Kickelhahn,  in  das 
Goethe  sein  Xachtlied  anschrieb.  I»er  Hochwald  ist  aller- 
dings weg,  und  an  seiner  Stelle  steht  eine  jener  hohen 
Balkenfabriken,  zu  denen  moderne  Forstwirtschaft  unsern 
Wald  umzuwandeln  beginnt.  Aber  auch  so  liegt  in  dem 
Häuschen  eine  Mahnung,  die  auch  unsere  Zeit  noch  wohl 
vertragen  kann. 

Endlich  in  Abb.  22  noch  ein  versöhnendes  Bild,  das 
einstige  Brockenhaus,  wie  es  noch  am  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts stand.  Auch  in  diesem  Bilde  bekundet  sich  eine 
Grofse  der  Auffassung  und  Wucht  der  architektonischen 
Gestaltung,  dafs  man  vor  ihm  durchaus  bekennen  mufs: 
der  Mensch  vermag  es,  mit  seinen  Bauwerken  sogar  die 
Einsamkeit  und  tJde  von  Bergeshöhen  zu  steigern. 


Kic    l{»'(lciitiiiig    und  Verwertiiii;;-    dei'  ri'i'.si»('ktive    und 
des  freien  Zeiclinens  heim  Entwerfen  von  (iartenanlajien. 

\'oii  A.  Kiefsling. 

(Schlufs.) 

Auf  das  eigentliche  Konstruktionsverfahi'en  einzugehen, 
ist  nicht  Zweck  dieser  Zeilen.  Es  sei  gestattet  noch  die 
zweite  Form  der  Perspektive  an  dieser  Stelle  vergleichend 
heranzuziehen,  die  aus  der  Vogelschau. 

Zu  bestimmten  Zwecken  eine  äufserst  wertvolle  Kon- 
struktion, ist  ihr  Wert  doch  nur  auf  die  anschauliche 
Orientierung  gegründet.  Um  die  malerische  Wirkung  einer 
Garlenanlage  zu  prüfen  oder  auch  nur  zu  zeigen,  sind 
ihre  Bilder  viel  zu  sehr  planähnlich  und  damit  unzulänglich, 
als  dafs  sie  hierfür  Belang  hätten.  Der  Hauptfehler  ist, 
dafs  die  Unien    und  l-'ormen    des  Geländes  mit  Bezug   auf 


die  Wirklichkeit  ungenügend  perspektivisch 
erscheinen.  (Man  vergleiche  Abb.  5.  S.  26.) 
Scharf  zeigt  sich  hier  das  Vers;igen 
der  Vogelperspelvtive  (III)  gegen  die  Wie- 
dergabe „H"'  bei  natürlichem  Horizont 
(Gesichtshöhe  über  dem  Boden:  l.!";  über 
0,5  Geländehöhe).  Die  Vogelperspektive 
kann  auch  die  möglichen  Ijberschneidungen 
naturgemäfs  nicht  fassen,  sn  liegt  denn 
der  Weg  bei  „IH"  völlig  übersichtlich  und 
die  Senkung  von  1,50  m  nach  A  hin  wird 
nur  ganz  schwach  angedeutet. 

Zeit  ist  Geld:  Die  alten  Perspektiven 
waren  sehr  kostspielig,  indessen  ist  es 
anders  geworden,  die  neueren  Mittel  ge- 
statten eine  bequeme  und  schnelleEntwicke- 
lung.  Auf  den  einzelnen  Punkt  in  einer 
Ansicht  kommen  jetzt  durchschnittlich  bei 
einiger  Übung  2—3  Min.  Das  neueste 
Ableseverfahren  mittelst  Strahlenlineals 
ermöglicht  ohne  Zirkel  und  zeitraubende 
Hilfskonsti'uktionen  genaue  Arbeiten  selbst  bei  einem  Mafs- 
stabe  von   1  :  500  in  kurzer  Zeit. 

r>amit  hat  die  Peispektive  als  technisches  Hilfsmitfol 
Anspruch  darauf,  berücksichtigt  zu  werden,  selbst  wo  es 
sich  um  freie,  nicht  architektonische  Pormen  handelt. 

„Ja,  wenn  die  zeitraubende  Auszeiclinung  nicht  wäre." 
wird  mancher  entgegnen!  Die  Kohle  erledigt  diese  Be- 
denken. Mit  wenigen  breiten  Zügen  steht  die  dunkle 
Masse  eines  Baumes  in  der  Ansicht:  noch  etwas  Abtönung 
und  die  Kronen  lösen  sich  voneinander.  Zur  Selbstkontrolle 
in  den  Hauptpunkten  des  I'lans  genügt  solch  derbe  Be- 
handlung vollkommen.  Es  hiefs  diese  Tätigkeit  zu  weit 
treiben,    wenn    man    die  I^flanzungen  jetzt   schon   auf  ihre 


Abb.  20. 


IX. 


Dlt;   GAHTENKUJSST 


Feinheiten  prüfen  wnllte,  darin  wird  man  sich  auf 
bestimmte  Falle  und  für  die  Offentlichlieit  beschränken 
liönnen. 

Ich  glaube  nicht  den  Vurwurf  der  grauen  Theorie 
hervorzurufen,  wenn  ferner  hier  gesagt  wird,  es  sei  sicher 
nutzbringend,  wenn  allgemeiner  als  bisher  der  Entwerfende 
sich  selbst  in  rohen  ..nichtkonstruierten"  Skizzen  seine 
Ideen  fesselt,  oder  solche  vom  Chef  orhült.  Nicht  nui-, 
dafs  der  Plan  dann  nach  wirklich  „festen"  Gesichtspunkten 
entsteht  (was  ganz  sicher  von  Nutzen  ist):  man  will  doch 
Natiu-bilder  schaffen,  wie  der  Maler  sein  \\'erk.  luu'ch 
die  naclifolgende  Konstrukti(Ui  wird  das  perspektivische 
[)enken  zensiert  —  und  geschärft!  Abb.  4  (Seite  13)  und 
ihi-  Plan  zeigen,  wie  die  gmfse  Tiefe  des  Teiches  (im 
Grundrifs)  in  der  Ansicht  gegen  die  Breite  des  Vorder- 
grundes völlig  ablallt;  davon  kann  der  Unge- 
übte keine  Ahnung  haben.  Ahnliches  s.  Abb.  6 
(Seite  27). 

E]in  interessanter  Fall  einer  infolge  fehlen- 
der Vor|irüfung  verunglückten  Anlage  existiert 
in  einem  Stadtwald:  ein  Bachlauf  mit  Wasser- 
fällen und  daran  Felsbauten.  Vom  zunächsl- 
gelegenen  Platze  ist  trotz  Überhöhung  nui' 
ein  winziges  Wasserfleckchen  sichtbar,  oli- 
gleich  man  sich  in  kaum  10  m  Abstand  be- 
findet. C)er  Bach  liegt  zu  sehi'  in  den  Erdwellcn 
der  L'fer  gedeckt.  \'on  anderen  Punkten  aus 
hat  man  zwischen  sich  und  Bach  die  grofse 
Teichfläche,  nur  eine  kurze  Strecke  der  Mün- 
dung ist  sichtbar  jedoch  so  klein,  dafs  sie 
ohne  Wirkung  bleibt.  Am  schlimmsten  kommt 
der  „Blick"  weg.  wenn  man  ihn  vom  Restaiu'a- 
tionsplatz  geniefsen  will,  vor  welchem  er  lieui. 
Das  Ganze  ersclieint  spielerisch,  da  100  in 
.Abstand  für  seine  Abmessungen  viel  zu  grofs 
sind,  da  hätten  viel  gewaltigere  Massen 
und  Flächen  angewendet  werden  müssen 
oder  die  Anlage  mufste  verlegt  werden  von  vorherein.  Wenn 
es  sich  um  Verwendung  so  vieler  Tausende  handelt, 
rentiert  sich  die  Perspektive;  die  Fehler,  welchen  man  in 
früherer  Zeit  ausgesetzt  war.  können  jetzt  billig  vermieden 
werden. 

Was  die  bildliche  Ausarbeitung  selbst  l)etrifft.  so  ist 
es  mit  .\usnahme  besonders  hervortretender  wirkungs- 
voller Einzelpflanzen  unnötiges  Bemühen,  die  einzelnen 
Gewächse  am  Gruppenrande  i)einlichst  durchzuarbeiten. 
Am  glücklichsten  arbeitet  die  Ansicht  in  der  Prägung  der 
grofsen  Massen  mit  ihrer  Kulissen-  und  charakteristischen 
Silhouettenwirkung.  Hierzu  kommt  noch  die  Schatten-  und 
Ferntönung.  L>afs  dunkleren  Gehölzen  den  helleren  gegen- 
über eine  entsprechende  Abstimmung'  zuteil  wird,  braucht 
nicht  besonders  erwähnt  zu  werden  (s.  Abb.  4.  Seite  13|. 
Auf  diese  \\'eise  entsteht  das  Bild  rein  maschinen- 
mäfsig. 

Der  beabsichtigte  Eindruck  der  Landschaft  ist  bekannt. 
der  Bepflanzungsplan  gibt  den  technischen  Anhalt.  Ist 
man  nun  über  das  Charakterbild  der  Pflanzen  in  den 
Hauptabschnitten    ihres    Lebens     unterrichtet,     so    gehört 


gowifs  keine  hoho  Künstlerschaft  zu  ihrer  Wiedergabe. 
Gute  Unterstützung  gewähren  sorgfältige  Katalogdar- 
stellungen, photographischc  Ansichtskarten  (nur  nach  der 
Natur).  Photographien  selbst  und  vor  allem  eigene  Zeich- 
nungen von  Pflanzencharakteren.  Es  hält  nicht  schwei'. 
diese  Vorbilder  in  .u-owünschtcr  Gröfse  der  Ansicht  ein- 
zuverleiben. 

.Malerisrho  Heli'uchtung.  pilloreske  Formen  sind  wegen 
der  Gefahr  der  Selbsttäuschung  unzulässige  Darstellungs- 
luittel.  mit  ihnen  wird  schlechte  (irupjjierung  nicht  ver- 
bessert; die  Kritik  wird  bei  schlichter  Wiedergabe  am  un- 
befangensten sein.  Es  sei  nur  .in  die  überraschende 
Wirkung  erinnert,  welche  ein  paar  abenteuerlich  geformte 
Kiefern  auf  einem  nichtssagenden  Sandhügel  bei  düsterer 
Aliendljcleuehtung  hervorrufen.     Sind    sohdie    Häiinie  nicht 


Al,b.   Ji, 

von  vornherein  in  der  Anlage,  oder  werden  sie  nicht  dort- 
hin gesetzt,  so  ist  es  eine  grobe  Unwahrscheinlichkeit,  in 
der  dargestellten  Ansicht  der  Natur  derartige  Vorschriften 
machen  zu  wollen.  Es  fällt  der  letzterem  ja  gar  nicht 
ein,  sich  an  unsere  Behauptungen  zu  halten  und  im  wohl- 
gepflegten, geschlossenen  Parkbestande  so  etwas  hervor- 
zuzaubern. Dort  entwickelt  sich  nicht  die  romantische 
sturmzerzauste  Kiefer.  Die  Anordnung  der  Aniage  gibt 
Zeugnis  von  der  künstlerischen  Begabung  des  Fachmannes, 
obige  malerische  Mittel  hat  nur  der  Maler  in  der  Hand, 
für  uns  kommen  normale  Charakterformen  in  schlichter 
Beletichtiing  in  Betracht. 

L»er  Gartenkünstler  mufs  im  nüchternen  Tageslicht 
reizvolle  Bilder  zu  schaffen  wissen  —  auf  effektvolle  Be- 
leuchtung ist  kein  \'erlafs.  Sie  macht  sich  auf  der 
Zeichnung  ganz  gut.  in  der  Wirklichkeit  läfst  sie  uns  im 
Stich.  Das  bezeugen  nicht  nur  Gartenanlagen,  sondern 
oft  recht  drastisch  Denkmäler  und  Bauten. 

Wertvoller  ist  es,  die  Darstellung  in  gröfseren  Ab- 
messungen zu  halten,  weil  diese  eine  natürlichere  Wirkung 
gewährleisten.      .'Ansichten    unter    20  X  30  cm    sind    fast 


26 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  2 


wertlos  für  die  Beurteilung,  denn  die  schwere  Krone  eines 
Laubbaumes  z.  B.  erscheint  dort  höchstens  in  der  Gröfse 
einer  Spanne.  Dabei  wird  dann  das  halbe  Bild  von  ihr 
allein  verdeckt.  Das  günstigste  Format  ist  3Ü  X  50  cm. 
wenn  man  es  nicht  gut  gröfser  wählen  kann,  sonst  40  X  60  cm. 
Die  noch  gröfseren  Blätter  werden  leicht  zu  unhandlich, 
doch  ist  ihre  Wirkuug  kraftvoller  und  natürlicher  als  die 
kleineren. 

Wieviel  Umrahmung  erhält  der  Kernpunkt'.'  Es  ist 
nicht  gut.  zu  einem  ..Blick"  das  nur  irgend  Erreichbare  zu 
vereinen.  Die  vernteintliche  Zeitersparnis  bei  der  Zu- 
sammenschachtelung  nach  Art  eines  Panorumas  ist  zu 
gering,  um  es  zu  rechtfertigen,  solchergestalt  den  einzelnen 
Motiven  ihren  Reiz  zu  nehmen.  Geniefst  man  von  einem  Platz 
einen  Rundblick  oder  mehrere  Durchblicke,  dann  kann  man 
von  diesem  selben  Standpunkte  aus  eine  Teilung  vornehmen, 
welche  auf  folgendem  fufst: 

Bei  der  Betrachtung  eines  Gegenstandes  wird  dem 
Auge  dessen  Umgebung  nur  innerhalb  eines  Strahlenkegels 
von  ca.  30"  Öffnung  deutlich   sichtbar.     Benutzt    man    die 


A 


fs,  ^.^.  ÜU. 


JJ. 


^/>,/<V.^,A. 


Abb.  .'). 


Beweglichkeit  des  Auges,  so  ergibt  sich  der  Winkel  von 
ca.  60°.  Letzterer  ist  also  das  normale  Grundmafs.  nach 
welchem  man  die  seitlichen  Grenzen  im  Plan  für  die 
.Vnsicht  festlegt.  Nimmt  mau  zum  Kernpunkt  hin  die 
Winkelhalbierende  vom  Standpunkt  aus  an.  so  begrenzen 
rechts  und  links  von  dieser  die  freien  Schenkel  die  zum 
Bilde  gehörige  Landschaft.  Bei  ganz  weiten  Blicken  kommen 
30"  zur  Verwendung. 

Kurz  gefafst  gliedert  sich  der  obenstehenden  Dis- 
position an: 

L  bei  Festlegung  des  Horizonts  ist  die  jeweilige  Gelände- 
höhe (0.5  usw.)  zu  berücksichtigen,  also 
0.5  -i-  1,5  -=  2,0  m,  oder  32.0  +  1,5  =  35,5: 

2.  jede    Ansicht    erhält    nur    „einen"    Kernpunkt,    vom 
Panorama'sieht  man  möglichst  ab; 

3.  der  Standpunkt  gewährleistet    den  günstigsten  Blick 
auf  den  Kernpunkt: 

4.  es    wird    nur    konstruiert,    auch    bei   Pflanzenformen 
(Höhe.  Breite): 

5.  Annahme  eines  Lturchschnittsalters  der  .Anlage, 

6.  die  Pflanzencharaktere  werden    in   die    konstruierten 
Mafse  nach  Vorbildern  eingefügt; 

7.  die  Ausarbeitung  befafst  sich  nur  mit  grofsen  Charakter- 
zügen: 

8.  das  Format  der  Ansicht  nimmt   man  möglichst  grofs 
an,  bei  schmalen  „Blicken"  empfiehlt  sich  Hochformat. 

Bei  derartig  konstruierten  .Ansichten  herrscht  nüchterne 
Berechnung,  zielbewufst  und  sicher  erhält  man  das  ge- 
suchte Bild.  Die  Phantasie  kommt  allein  bei  der  Abstimmung 
der  Landschaft  zu  Wort,  doch  läfst  sie  sich  nach  Obigem 
leicht  zügeln.  Etwas  anderes  ist  es  mit  der  Schärfe  der 
Naturbeobachtung  —  auf  geistloses  mattes  Kopieren  der 
Vorlagen  darf  es  nicht  hinauslaufen.  Fernbehandlung  und 
Vordergrundausführung  lassen  sich  nicht  erzwingen,  wenn 
man  nur  mit  leichteren  Tönen  hier,  mit  schweren  dort 
arbeitet.  .Man  läuft  Gefahr,  eine  dunstige  Ferne  zu  er- 
halten, während  der  Plan  nur  30  m  Abstand  der  fernsten 
Gehölzmassen  angibt.  In  solcher  Tiefe  erscheint  kein 
Baum  duftig,  sondern  markig,  scharf  ausgesprochen,  und 
doch  wirken  die  nälierliegenden  Sträucher  usw.  noch  aus- 
drucksvoller. Es  kommt  also  darauf  an.  dafs  die  Tiefen 
in  der  Landschaft  sich  durch  geschickte  Behandlung  sach- 
gemäfs  voneinander  lösen.  Das  verlangt  ein  geschärftes 
Auge  und  gut  geschultes  perspektivisches  Empfinden.  Lias- 
selbe  ist  niitwendig,  um  den  Verlauf  von  konstruierten 
Linien  ohne  weiteres  als  möglich  ansprechen  zu  können, 
weil  trotz  aller  Sorgfalt  auch  hier  Fehler  vorkommen  können. 
Hieraus  ergibt  sich  der  Wert  des  Freihandzeichnens  vim 
selbst,  denn  luu'  dieses  ermöglicht  eine  verstandesmäfsige 
\'eikörperung  der^uns  umgebenden  Gegenstände  im  Bilde. 
Die  Photographie  ist  in  dieser  Hinsicht  geradezu  Gifi  für 
den  Anfänger,  da  sie  das  Wesentliche  vom  Belanglosen 
nicht  trennt  —  si(?  wirkt  nur  verwirrend  durch  ihre  Fülle, 
und  in  dieser  erstickt  die  Beobachtung  des  Ungeschulten! 
Selbst  in  mehreren  Hundert  .Metern  erblickt  er  noch  Blätt- 
chen usw.  Erst  ein  raffinierter  Zeichner  ist  imstande,  sie 
mit  Vorteil  zu  benutzen.  Es  ist  daher  dringend  nötig,  sich 
die  Prinzipien    des  freien  Zeichnens  anzueignen,  um  nicht 


IX,  2 


DIE  GARTENKUNST 


27 


JLvzUA^'') 


Ju   '/l/tt9»^^f^  *.  .-»  /^*.   .fl^ÄMt*  j^B,  ,:^c/.^ 


.   .  Abb.  (i.    - , 

in  geistloser  Weise  aus  Blättern  Pflanzen  zusammen- 
zukleben. Umgekehrt  ist  es  richtig:  erst  den  Umrifs,  dann 
gröl'sere  und  zuletzt  kleinere  Einzelheiten.  Liiese  Taktik 
kommt  auch  den  Entwürfen  zugute:  an  Einzelheiten  ohne 
grol'se  Aufteilung  erlahmt  die  Arbeit.  Dem  geübten  Zeichner 
fällt  klares  Urteil,  geschickte  und  geschmackvolle  Auf- 
fassung fast  von  selbst  zu. 

Es  ist  nun  ein  weitverbreiteter  Aberglaube,  dafs  nur 
wenige  Gottbegnadete  zeichnen  können.  Das  ist  durchaus 
unrichtig,  besonders,  da  wirkliches  richtiges  Zeichnen  und 
dilettantische  Spielerei  und  Stümperei  durcheinander- 
geworfen werden.  Hauptsache  ist  aber,  dafs  gezeichnet 
wird,  das  „Wie"  spielt  keine  Rolle.  Dieses  Vorurteil  hat 
die  Folge,  dafs  recht  gut  veranlagte  Zeichner,  welche  un- 
geduldig oder  übertrieben  ehrlich  gegen  sich  sind,  in  der 
Meinung,  „es  nie  lernen  zu  können",  ihre  schöne  Gabe 
vernachlässigen.  Der  Schlufs  ist,  dafs  sie  tatsächlich  nicht 
zeichnen  können.  Keine  ernste  Tätigkeit  erlernt  der  Neu- 
ling vollkommen  in  wenigen  Versuchen,  wenn  er  nicht 
Ausdauer  besitzt. 

Pur  eine  Abhandlung  über  die  Grundsätze  eines  mit 
Verstand  ausgeübten  Zeichnens  ist  hier  nicht  der  Ort,  aus 
einem  einfachen  Beispiel  geht  jedoch  hervor,  dafs.  wer  nur 
will,  auch  zeichnen  lernt,  falls  er  nicht  geistig  minder- 
wertig ist.    Zum  Zeichnen  gehört  Augenmafs  —  das  besitzt 


jeder  — ;  ein  Kind  greift  nach  dem  grofseren  Stück,  wenn 
es  darf!     Damit  ist  die  Grundbedingung  gegeben. 

Auch  der  Künstler  mufs  sich  im  „Sehen"  schulen 
genau  wie  der  Soldat  erst  „gehen"  lernt.  Die  wenigsten 
„sehen",  was  sie  erblicken,  das  ist  das  gröfste  Hindernis. 
Wir  haben  sehr  viel  mehr  gutveranlagte  Zeichner,  als  man 
kennt,  die  Gabe  schlummert  nuri  Gerade  in  unserem 
Fache  wird  die  Beobachtungsgabe  durch  die  Sortenkenntnis 
bedeutend  geschult,  es  mufs  ja  alles  scharf  „beobachtet", 
nicht  nur  erblickt  werden.  Wir  könnten  also  über  eine 
noch  weit  gröfsere  Zahl  von  guten  Zeichnern  verfügen  als 
bisher.  Glücklicherweise  macht  sich  in  den  letzten  .Jahren 
ein  Umschwung  in  dieser  Richtung  bemerkbar  —  das  Fach 
kann  nur  Segen  davon  haben. 

Es  müfste  feste  Bedingung  bei  Prüfungen.  Preis- 
ausschreiben und  in  der  Praxis  sein,  dem  Plan  gewissen- 
haft konstruierte,  schlicht  ausgeführte  Ansichten  beizufügen 
als  Beweis  für  das,  was  der  Plan  besagt  —  Wandorna- 
mente  würden  dann  bald  völlig  verschwinden.  Die  ge- 
schickte Atisübung  der  Technik  ist  es  nicht,  welche  dank- 
bare Bilder  liefert,  sondern  die  Kunst  des  Fachmannes,  zu 
gleicher  Zeit  malerisch  einheitlich  zu  wirken.  Diese  Kunst 
baut  sich  auf  der  Ausübung  des  Zeichnens  und  der  Perspek- 
tive auf. 

„In  der  Prüfung  und  Verbesserung  des  Entwurfs  be- 
ruht der  volle  Wert  der  Perspektive!" 


(iedaiikeu  iilier  Krie(lliot'si!;«',staltiiii^'  im  allgeineiueii  iiud 
mit  Bezug  auf  den  Hamelner  Wettbewerb. 

Von  R.  Hoemann,  üüsseldoif. 

Auf  meine  kritischi'n  Betrachtungen  betreffend  den 
Fi'iedhofswettbewerb  Hameln  erhofl'te  ich  eine  recht  aus- 
giebige Besprechung  des  Gegenstandes.  Leider  hat  nur 
Herr  Gartendirektor  Trip  eine  Entgegnung  gebracht. 

I>iese  Entgegnung  scheint  mir  jedoch  keine  Wider- 
legung meiner  Kritik  zu  sein,  vielmehr  in  gewissem  Sinne 
sogar  ein  Zugeständnis,  denn  es  erhellt  aus  derselben, 
dafs  der  kritisierte  Entwurf  ohne  ziemlich  erhebliche 
.\nderungen  für  die  Praxis  noch  nicht  brauchbar  ist. 

Gemeinsam  mit  Herrn  EUrektor  Trip  bin  ich  der 
Meinung,  dafs  bei  einer  Reform  der  Friedhofsgestaltung 
vor  allem  gegen  die  jetzt  übliche  Art  der  Massenbelegung 
Front  gemacht  werden  mufs.  Freilich  bedienen  wir  uns 
zur  Erreichung  dieses  gemeinsamen  Zieles  teilweise  ver- 
schiedener Mittel, 

Im  vorliegenden  Falle  macht  sich  Herr  Direktor  Trip 
insofern  seine  Aufgabe  verhältnismäfsig  leicht,  als  er  das  wirt- 
schaftliche Moment  recht  sehr  in  den  Hintergrund  stellt.  In 
Verfolgung  seiner  Besserungsvorschläge,  die  zum  grofsen 
Teil  darin  bestehen,  möglichst  viele  Kaufgräber  einzurichten, 
versucht  er  dann  den  Nachweis  zu  führen,  dafs  nach 
seiner  iMethode  trotz  hoher  Ausfülirungs kosten  und 
trotz  schwacher  Ausnutzung  des  Terrains  am  Ende 
einer  gewissen  Periode  (hier  37  Jahre)  eine  Rentabilität 
zu  erzielen  sein  wurde.     Zunächst  halte  ich  es  für  einen 


28 


DIE  GABTENKÜNST 


IX, 


Fehler,  dafs  das  wirtschaftliche  Moment  so  sehr  in  den 
Hintergrund  gestellt  wird  (in  der  rauhen  Wirklichkeit 
steht  es  meist  mehr  als  uns  lieb  im  vordersten  Vorder- 
grund). Ich  werfe  hierbei  die  Frage  auf.  ist  nicht  die- 
jenige Lösung  der  hier  gestellten  Aufgabe  unter  sonst 
gleichen  Verhältnissen  die  weitaus  bessere,  welche  unter 
Wahrung  des  wirtschaftlichen  Momentes  die  erkannten 
Mifsstände  beseitigt':' 

Doch  nun  zu  unserem  Spezialfall.  Das  Programm 
fordert,  dal's  das  Verhältnis  der  Gräberklassen  zu  einander 
sich  nach  den  bei  Städten  gleicher  Gröfse  gemachten  Er- 
fahrungen zu  richten  habe.  Mir  ist  keine  Stadt  bekannt, 
bei  welcher  das  Verhältnis  zwischen  Kauf-  und  Reihen- 
gräliern  1  :  1  ist.  Meines  Wissens  ist  die  Zahl  der  Reihen- 
gräber überall  erheblich,  meist  das  vielfache  griifser  ist 
als  die  der  Kaufgräber  (authentisches,  statistisches  Material 
hierül>er  wäre  sehr  wünschenswert).  Wenn  dem  aber  so 
ist,  dann  verstöfst  der  Plan  des  Herrn  Direktor  Trip  in 
diesem  Punkt  gegen  das  Programm.  Und  wenn  dem  leisen 
Druck,  den  Herr  Direktor  Trip  ausüben  will,  die  von  ihm 
angestrebte  Verhältniszahl  zu  erreichen,  nun  nieht  in  dem 
gehotften  Umfange  Folge  gegeben  wird'  !  Da  sich  be- 
stehende Bräuche  höchst  selten  rasch  umstofsen  lassen 
(also  hier  etwa  in  30  Jahren)  ist  es  kaum  wahrscheinlich, 
dafs  diesem  E)rucke  in  so  radikaler  Weise  nachgegeben  wird. 
Selbst  wenn  die  Bevölkerung  Hamelns  (w-as  höchst  unwahr- 
scheinlich ist)  sich  ganz  der  Autfassung  des  Herrn  Trip 
anschliefsen  würde,  würden  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse 
der  ärmeren  Bevölkerung  die  Erfüllung  dieses  Wunsches 
meist  unmöglich  machen.  Die  ärmere  Bm-ölkerung  ist 
numerisch  aber  bei  weitem  die  stärkste. 

Und  was  haben  wir  hieraus  zu  folgern'.'!  Die  Ren- 
taliilitätsberechnung,  die  auf  dem  Erh'is  aus  den  Kauf- 
gräbern basiert  und  zwar  aus  einem  Erlös  bei  einem  Ver- 
hältnis von  1  :  1  zwischen  Kauf-  und  Reihengräbern, 
stimmt  nicht  oder  doch  nur  sehr  bedingungsweise.  Da- 
mit wäre  also  der  versuchte  Nachweis  der  Rentabilität 
nicht  erbracht.  Zu  einem  ähnlichen  Rechenergebnis  käme 
man,  wenn  die  Zahl  der  Kaufgräber  infolge  einer  Dis- 
positionsänderung erheblich  vermindert  würde,  was  sicher 
der  Fall  ist,  wenn  man  dem  bisherigen  Bedürfnisse  auch 
nur  annähernd  Rechnung  trägt. 

Und  nun  zu  einem  anderen  Punkt.  Herr  Trip  will 
der  Eintönigkeit  der  Massenquartiere  dadurch  b(>gegnen, 
dafs  er  möglichst  viele  gut  umpflanzte  Kaufgräber  ein- 
richtet. Für  die  AUerärmsten  aber,  die  den  Luxus  des 
Eigengrabes  sich  nicht  leisten  können,  bleibt  dann  immer 
wieder  das  Massen(|uartior  iilirig  und  er  wird  sein  Los 
noch  liitterer  empfinden. 

Cordes  und  Bauer  lösen  diese  Frage  anders  uml 
ich  nähere  mich  ihrer  Auffassung,  l'nd  nun  bitte  ich 
zum  Schlul's  noch  einmal  zusammenhängend  rekapitulieren 
zu  dürfen,  wie  die  moderne  Lösung  einer  Friedhofsgestal- 
tung nach  meiner  Auffassung  zu  erfolgen  hätte,  einer 
Auffassung,  zu  der  ich  nach  gewissenhafter  Beobachtung 
und  eingehendem  Studium  der  bestehenden  Friedhofanlagen 
gelangte. 

Ich  frage  zunächst: 


Was  haben  uns  die  Friedhofneuanlagen  der  letzten 
20  Jahre  gelehrt'? 

In  praktischer  Hinsicht  erkannte  man  vor  allem  die 
Notwendigkeit  einer  durchaus  klaren,  üliersichtlichen 
G  r  u  n  d  r  i  s  s  d  i  s  p  0  s  i  t  i  0  n . 

Vom  Eingang  oder  der  Priedhofkapelle  aus  mul's  jedes 
Grabfeld  leicht  und  bequem  zu  erreichen  sein.  Eine  kurze 
Beschreibung  dos  Friedhüfwärters  mul's  auch  dem  Fi-emdeu 
eine  sichere  Auffindung  des  Grabfeldes  und  des  Einzelgral)es 
ermöglichen,  ebenso  notwendig  ist  leichte  Erreichbarkeit 
der  Quartiere  für  die  Leichenwagen,  Welche  Gliederung 
ermöglicht  eine  einwandfreie  Lösung  dieser  Aufgaben'' 

Ich  antworte  klar  und  liestimmt  überall,  wo  ihre 
Diuxhführung  nach  Terrainlage  und  den  verfügbaren 
Mitteln  im  Bereiche  der  Möglichkeit  liegt,  „die  tek- 
tonische  Gliederung".  Die  alten  Friedhöfe  zeigen 
meist  eine  solche  Gliederung,  sie  zeigen  dabei  al)er  leider 
sehr  liäufig  eine  grol'se  ermüdende  Eintöni.gkeit.  Man 
versuchte  nun  diese  Einöde  zu  bannen  und  zwar  dadurch, 
dafs  man  den  Friedhof  landschaftlich  gestaltete,  man  ver- 
lor dabei  zunächst  in  vielen  Fällen  die  Übersichtlichkeit 
(Beisp.:  Friedhof  Tannenwäldchen,  Düsseldorf,  entstanden 
als  Resultat  eines  Wettbewerbs).  Einen  Ersatz  der  graden 
Wege  durch  Bogenwege,  eine  parkartige  Bepflanzung  der 
Quartierecken,  das  nannte  man  zumeist  „landschaftlich". 
Zwischen  diesen  Gruppen  lagen  dann  die  Massenquartiei-e 
in  gleicher  Eintönigkeit  wie  früher  in  den  Rechteck- 
quartieren. E)ie  Übersichtlichkeit  ging  also  verloren.  E>ie 
Schönheit  der  Landschaft  oder  des  Parkes  zog  aber  nicht 
dort  ein. 

Jetzt  wird  man  mir  entgegenhalten,  der  Ohlsdorfer 
Friedhof  (Hamburg),  welcher  doch  zum  grölsten  Teil  nach 
landschaftlichen  Prinzipien  angelegt  wurde,  ist  doch  das 
Muster  eines  Friedhofes.  Wieviel  Schönheit,  welch  stiller 
Fi'iede  wohnt  auf  diesem  schönsten  unserer  deutschen 
Friedhöfe.  Ja.  dort  wohnt  die  Schönheit,  dort  herrscht 
ein  weihevoller  Friede,  aber  nicht  wegen  der  Kurven- 
wege, die  dort  übrigens  sehr  einfach  und  schlicht  zweck- 
dienlich laufen,  sondern  trotz  der  Kurvenwege,  Die  Wege 
bedingen  eben  nicht  den  landschaftliehen  ('hara,kter,  sondern 
der  .\ufbau  der  Pflanzungen  und  die  Verteilung  der  Ge- 
hölzmassen, und  in  bezug  hierauf  hat  sich  Herr  Cordes  als 
genialer  Meister  gezeigt. 

Ähnliche  Beoba('htungen  in  positivem  und  negativem 
Sinne  machen  wir  auf  vielen  anderen  Friedhöfen.  Kommt 
man  auf  (irund  dieser  Beoliachtungen  nun  dazu,  für  die 
Grundrifsaufteilung  eine  vorwiegend  geometrische  Auf- 
gliederung zu  wählen,  so  könnte  man  auf  den  Gedanken 
kommen,  nun  auch  häufig,  reich  ausgestattete  Monumental- 
liauteii  zu  verwenden  und  hierdurch  die  Schönheit  des 
Friedhofes  zu  steigern.  Das  kann  unter  Umständen  richtig 
sein,  wenn  ein  schöner  Bau  in  schöner  Umgebung  steht, 
und  sich  der  Umgebung  organisch  um!  harmenisch  ;in- 
gliedert,  wird  er  dies  sicherlich  tun. 

Die  Schönheit  der  Bauten  allein  kann  aliei-  ileni  l""ried- 
hofe  selbst  weder  Ruhe  imch  Frieden  noch  Sclu'inheit 
geben.  Dies  beweisen  in  au.n'enfälligei-weise  die  Münchener 
Friedhöfe,     Was  aber  verleiht   dem   l''rie(lhii|'(^  diese  fried- 


IX, 


UlK   ÜAHTENICUNST 


29 


volle  Schönheit.  Ich  antworte:  das  Überwiegen  der  Natur, 
in  diesem  Falle  der  Ptlanzenvegetation  über  die  Architektur- 
werke  (ich  rechne  hierzu  auch  die  Grabdenkmäler).  Ob 
die  Vegetation  nun  in  regelmässigen  Formen  sich  dem 
Auge  bietet  oder  ob  sie  in  freien  ungezwungenen  Formen 
in  Erscheinung  tritt,  scheint  mir  d,-i.liei  zunächst  neben- 
sächlich. 

In  jeder  dieser  Formen  kann  bei  richtiger  Verwendung 
vollendet  Schönes  gegeben  werden,  jede  dieser  Formen  ist 
also  auch  in  diesem  Falle  sinngemäl's  zu  verwenden,  wie 
auch  in  Hameln  das  Programm  solches  bedingte. 

Nachdem  so  über  die  allgemeine  Disposition  sowohl 
im  Grundrifs  wie  im  .Vufliau  Klarheit  geschaftVn  wurde, 
sei  es  gestattet,  auf  einige  wichtige  Einzelheiten  einzu- 
gehen. Einer  der  wichtigsten  Punkte  ist  da  für  mich  die 
Verteilung  und  der  Ausbau  der  grofsen  Massenquartiere. 
iJie  meisten  Friedhüfe,  auch  solche,  die  man  gemeinhin 
für  gut  hält,  zeigen  da  eine  trostlose  Öde.  Ich  erinnere 
an  die  Massenquartiere  der  grofsen  Friedhöfe  Cölii.  München, 
Düsseldorf  etc.  Gleichviel  ob  die  Grabfelder  in  regel- 
mäfsigen  Formen  umgrenzt  sind  oder  ob  geschwungene 
Wege  unregelmäfsige  Quartierformen  entstehen  lassen. 
Grabstein  an  Grabstein,  Holzkreuz  uml  Eisengitter,  recht 
vieles  in  geschmacklosester  Form  starrt  uns  entgegen, 
nirgends  ein  Huhepunkt  fürs  Auge,  überall  dieselbe  Öde 
und  Leere. 

E»ies  hat  man  auch  sehr  wohl  erkannt,  statt  aber  dem 
Übel  von  Grund  aus  abzuhelfen,  hat  ein  Vertuschungs- 
system Platz  gegriffen,  man  umschliefst  die  lieihengrab- 
quartiere  mit  einem  Pflanzungsgürtel,  hinter  welchem  die 
Trostlosigkeit  aber  stetig  fortdauert.  Haben  die  Angchi'irigen 
jener  Armen  nicht  auch  Anspriicli  d;i.rauf.  durch  die  .Xatur 
erfreut  und  getnistet  zu  werden'! 

\\'ie  anders  in  Hamburg!  Die  Grabstätte  des  Armen 
ist  dort  ebenso  idyllisch,  ebenso  liebevoll  behandelt,  wie 
die  Ruhestatt  des  Reichen.  Wenn  zwischen  den  Grab- 
reihen schmale  Pflanzungen  mit  Bäumen  von  mancherlei 
Art  die  Gräber  anmutig  umrahmen,  gleichsam  liebevoll 
beschützen,  wenn  so  stimmungsvolle,  malerisch  ausser- 
ordentlich schöne  Totenhaine  entstehen,  so  haben  wir  für 
die  Behandlung  dieser  Quartiere  eine  Lösung,  die  einwand- 
frei ist. 

Wenn  hier  auch  nur  ein  einfaches  Holzkroirz  das 
Gral)  ziert,  ja  wenn  das  Grab  selbst  vergessen  und  pfiege- 
los  liegt  und  Efeu  und  Sinngrün  den  Hügel  wild  um- 
wuchern. Hier  wohnt  trotzdem  Ruhe  und  Frieden,  Poesie 
und  Schönheit.  Lüose  Methode  wollen  wir  deshalb  für 
unsorn  Friedhof  auch  übernehmen.  Vielleicht  wird  man 
hier  einwerfen,  die  Methode  erfordert  viel  Platz.  Jawohl, 
das  ist  wahr,  aber  das  Erreichte  ist  des  Opfers  wert. 
Übrigens  könnte  man  ähnliche  Wirkung  erzielen,  wenn 
man  statt  der  reihenförmigen  Pflanzflächen  einzelne  Grab- 
stätten unbelegt  liel's  und  auf  denselben  einzelne  Bäume 
nach  einheitlichen  Gesichtspunkten  pflanzte,  diese  Pflan- 
zungen durch  Nachpflanzungen  auf  ungepflegten  Gräbern 
ergänzte.  So  denke  ich  mir  über  jenen  Kindergräbern- 
cinen  lichten  Birkenhain  oder  den  zierlichen  .\cer  dasy- 
carjium     mit    den     zugehörigen     Beipflanzen,     auf    jenem 


Quartier  (Erwachsene)  grünt  ein  Eichenhain,  darunter 
Weilsdorn.  Schlehe,  Efeu  umi  Gaisblatt,  so  könnten  ver- 
schiedene der  ()rtlirhkeit  jedesmal  angopal'ste  Vegetations- 
bildcr  abwechseln.  l.Jas  ist  übrigens  landschaftliche 
Pflanzweiso  trotz  umschliel'sender  gradliniger  Wege,  trotz 
der  einfassenden   Hecken. 

Nachdem  wir  so  eine  L''sung  für  die  Behandlung  der 
Keihengräber  gefunden  haben,  erübrigt  es  die  Behandlun;. 
der  verschiedenen  Arten  von  Kaufgräbern  ins  .Vuge  zu 
fassen.  Wir  kennen  in  den  gröl'seren  Städten  Familien- 
gräber, Kaufgrälier  1.  uml  11.  Klasse  (Einz(-lgräbor).  Es 
lie,gt  nahe,  daJ's  nuui  diesen  lirabstellm,  welche  meist 
recht  gilt  bezahlt  werden,  bevorzugte  l'läl7.e  anweist.  Trotz- 
dem man  überall  in  dies(^m  Sinne  vorging,  finden  wir  auch 
bei  Annrdnung  der  Kaufgräber  in  bezug  auf  ästetische 
Wirkung  recht  grobe  Verfehlungen,  So  sehen  wir  auf 
di^n  Kaufgräbern  oft  kostbare  Denkmäler  errichtet,  oft  mit 
edlem  Geschmack  erbaut,  oft  auch  mit  protzenhafter  Ge- 
schmacklosigkeit erstellt.  Alle  FormiMi  und  Stilarten  sind 
\ertreteii.     Wie  aber  ist  <lie  Wirkung? 

Nur  dann  ist  sie  gut  und  vornehm,  wenn  die  um- 
geljende  Vegetation  den  Grundton  aligibt,  auf  dem  sich 
das  einzelne  Denkmal  stimmungsvoll  abhebt.  Man  beob- 
achte und  vergleiche,  um  die  Richtigkeit  zu  erkennen,  den 
mit  kostbaren,  teils  hervorragend  schönen  Denkmälern  be- 
standenen Teil  des  Düsseldorfer  Hauptfriedhofs  (auf  der 
höchsten  Höhe  des  Geländes  hintm-  der  Kapelle)  und  da- 
neben beobachte  m;in  die  vornehmen  Einzolgruppen  in- 
mitten eines  Fichtenhaines  auf  dem  Hamburger  Zentral- 
friedhof. Dort  eine  Häufung  reicher  Denkmäler,  davon 
keines  auf  das  andere  rücksichtigt,  wo  eines  die  Wirkung 
des  anderen  totschlägt,  hier  aber  die  friedliche  Ruhe  der 
Einzelgruft  in  stiller  Waldeinsamkeit.  Jedes  Denkmal, 
auch  das  schlichteste,  kommt  in  seiner  Eigenart  zur  Gel- 
tung. Der  Leidtragende  ist  allein  und  ungestört  bei  seinen 
Toten.  Auch  hier  hat  der  Hamburger  Meister  das  richtige 
getroffen. 

Luis  Familiengrab  sei  deshalb  durch  regelmäl'sige 
oder  landschaftliche  Pflanzung  je  nach  den  iirtlichen  Ver- 
hältnissen ganz  umrahmt,  es  sei  von  abgeschlossener, 
intimer  Wirkung,  niemals  beeinträchtigt  durch  ein  vielleicht 
prunkvolleres  Nachbargrab.  Gern  würde  man  eine  gleiche 
Behandlung  auch  den  Einzelkaufgräbern  zukommen  lassen, 
wenn  die  Raumausnutzung  solches  gestattete.  Jedenfalls 
aber  sollte  es  durchgeführt  werden,  dafs  jedes  Kaufgrab 
für  sein  Denkmal  eines  grünen,  geschlossenen  Hinter- 
grundes nicht  entbehrt. 

Noch  eins  lehrt  uns  die  Beobachtung  der  Kaufgräber 
auf  fast  allen  Friedhöfen.  Die  Gräber  liegen  zumeist  an 
den  Verkehrswegen.  Das  kann  unter  Umständen,  be- 
sonders bei  graden  Wegen  schön  sein,  aber  einen  Nach- 
teil hat  eine  solche  Anordnung,  und  zwar  einen  grofsen 
Nachteil.  Der  Mensch  zeigt  seinen  tiefsten  Kummer  nicht 
gerne  den  fremden  Menschen,  am  Grabe  des  Toten  möchte 
man  mit  seinen  Gefühlen  gerne  unbelauscht,  gerne  ganz 
allein  sein.  Liegt  das  Grab  aber  an  den  Hauptverkehrs- 
wegen, so  ist  dies  sidten    der  Fall.     Der  Vorübergehende 


30 


DIE  GARTENKUNST 


IX, 


stört  den  Leidtragenden  uml  auch  der  Störende  empfindet 
iinangenelim,   dal's  er  der  Störenfried  ist. 

Die  Abgesclilossenfieit    der  Grabstätten    aller  Klassen 
kann  strenge  und  ülterall  durchgeführt  werden,  das  zeigen 

Von  keinem  der  Haupt- 


mehrere  der  eingegangenen  Pliine 


FRlLMOFZUHfinaN 


'm 


riKimim 


HflIN  DL$  FRi[0[N5, 


Konkurrenz-Entwurf  für  den  Friedhof  zu  Hameln  von   R.  Hoemanu-Diisselilorf 


Wege,  diu  tleu  Verkehr  leiten,  seilte  ii'geiul  ein  Grabdenkma 
sichtbar  sein.  Überall  könnten  wir  von  grünender,  blü- 
hender Natur,  sei  es  in  regelmäl'siger  (iestaltung,  sei  es 
in  freier,  ungezwungener  Anwendung  umgeben  sein.  So 
bieten  diese  derartig  gestalteten  Wege  dem  Leidtragondrn 
einen  hofTnungsfreudig  summenden  Spaziergang,  nirgends 
ein  Zeichen  des  Todes,  überall  freudiges,  fröhliches  Leben 
der  umgebenden   Vegetation. 

.\uf  diesen  Prinzi|)ii'n  aufbauend,  versuchte  ich  eine 
Lösung  für  den  llamelner  Frii'dhof  zu  linden  und  ich  folire 
gerne  der  Aufforderung  der  Ri'dakiion  unserer  Zi'ilschi'ift, 
denselben  zu  verötfentlichen. 

Nach    dem    vorher   Gesagten    bedarf    es   kaum   eines 


greisen   Erläuterungsberichtes,    doch    seien    in    bezug   auf 
die  Beptlanzung  einige  knappe  Erläuterungen  gegeben. 

E»er  Hauptzugang    zur   Kapelle    zeigt   seitlich   dunkle 
Tannenpflanzung,  während  die   auf  dem   eingeschlossenen 
Rasenstück    emporstrebenden    Bäume    als  Rirken    gedacht 
sind.     Die  Hainptfanzung   vor  dem  Ivapellen- 
platz    ist    aus    düsteren  Blutbuchen  gebildet. 
Die  beiden  mit  Laubengängon  durchquer- 
ten   Rechtecke    (Schaubild)    sind    als    flieder- 
umschlossene   Rosengärten    gedacht,    den  In- 
habern   der   dort    liegenden    Kaufgräber    ist 
die   Rosenpflanzung  des  Grabes  nach  einheit- 
lichen   Gesichtspunkten     vorzuschreiben    (ein 
Versuch). 

Der  grofse,  ellipsenförmige  Fahrweg  ist 
malerisch  landschaftlich  umpflanzt,  in  der 
Tiefe  mit  Laubholz  beginnend,  auf  der  Höhe 
in  Nadelholz  ausklingend. 

Die  den  oberen  Teil  durchquerenden 
Rundwege  sind  einheitlich  bepflanzt  (der  eine 
mit  Flieder  und  Goldregen,  der  andere  mit 
Kirschäpfeln  etc.).  Auch  die  Heckenpflan- 
zungen sind  sehr  verschieden:  Buche,  Linde, 
Eibe.  Cypresse,  Thuja  etc.  etc. 

Pyramideneichen  stehen  vor  der  Carpinus- 
hecke  der  beiden  mittleren  Diagonahvege, 
eine  Thuja  Lobbi-Allee  führt  nach  dem  Kre- 
matorium (Schaubild)  etc.  Ich  führe  diese 
Pflanzungen  an,  weil  auch  darin  mein  Ent- 
wurf von  dem  üblichen  erheblich  abweicht. 
r)ieso  Pflanzungen  sind  nicht  nur  vom  künst- 
lerischen Gesichtspunkte  aus,  wie  angegeben, 
angeordnet,  vielmehr  haben  sie  auch  einen 
wesentlich  |:iraktischen  Zweck.  Die  scharf 
charakteristische  Bepflanzung  prägt  sich  dem 
Gedächtnis  der  Besucher  sehr  markant  ein, 
man  wird  sagen:  an  dem  Fliederweg,  an 
dem  Rotdornweg,  an  der  Lindenhecke,  an 
der    Thujaallee  etc. 

Mithin  trägt  auch  diese  Bepflanzungs- 
art  sehr  zur  raschen  und  sicheren  Orientie- 
rung bei.  Alles  übrige  erhellt  wohl  aus  dem 
ein,2:ehenden   Studium  des  Pianos. 

So  will  ich  denn  meine  Erörterung  über 
den  Hamelner  Friedhofwettbewerb  schliefsen, 
die  nur  den  einen  Zweck  hatte,  einen  Beitrag  zu  liefern 
in  dem  Streben,  das  Schöne  und  das  Zweckmäl'sige  zu 
erkeinien,  zu  verliinden  und  diesem  Vcreinigune;  zu  ver- 
wirklichen. 


Naciikliiiire  zur  Ihtiiieliier  Kriediiorskoiikiureiiz. 


Zur  Kritik  der  Hamelner  Priedhofskonkurrenzent- 
würfe  durch  Hoemann.  Die  Streitfrage  betreffend  die 
IJainclner  Friedhoiskonkurren/.  niitigt  mich  zu  einer  Bemerkung, 
die  m.  Iv  nicht  unausgesprochen  bleiben  kann,  wenn  anders 
diese  Streitfrage    sacnlich  fruchtbringend    erörtert  werUea  soll. 


IX, 


DIE   UAKTENKUNST 


31 


Es  ist  etwas  Ungewöhnliches,  wenn  ein  Bewerber  trotz 
seiner  Niederlage  die  jn-ümiierten  Pläne  einer  Kritik  unterzieht, 
wie  Herr  Hoemann  ps  getan  hat.  Es  ist  ein  Wagnis,  weil  da- 
mit verständlicherweise  Gefahren  für  die  Person  des  Kritikers 
verbunden  sind.  Um  so  dankenswerter  ist  es,  wenn  diese  Ge- 
fahr um  der  Sache  willen  nicht  gescheut  wird.  —  Die  „Be- 
sorgnis um  die  Interessen  der  Stadtgemeide  Hameln 
und  unseres  gartenkünstlerischen  Nachwuchses"  — 
wie  Herr  Gartendirektor  Trip  sich  mit  leisem  Sarkasmus  in 
seiner  Antwort  ausdrückt  — ,  diese  „Besorgnis"  ist  nicht  ganz 
unbegründet.  Die  Veröffentlichung  prämiierter  Pläne  bringt 
für  einen  recht  grofsen  Teil  der  Leser  eine  Gefahr  mit  sich: 
Die  Prämiierung  an  sich  identifiziert  sich  bei  vielen 
mit  bedingungsloser  künstlerischer  Wertschätzung 
während  in  Wirklichkeit  nur  der  Geschmack  und  das  Urteil  des 
betreffenden  Preisgerichts  dadurch  zum  Ausdruck  gelangt,  über 
dessen  künstlerische  Fähigkeiten  selten  etwas  bekannt  ist. 
Diese  Gefahr  liegt  bei  anderen  veröffentlichten  Plänen  nicht 
vor,  weil  sie  ohne  Begleitung  einer  Prämie  nicht  so  leicht  als 
mustergültig  aufgenommen  werden.  Eine  Serie  mehrerer  Kon- 
kurrenzpläne ist  für  den  Leser  weit  wertvoller,  als  ein  einzelner 
Plan,  wenn  er  auch  den  ersten  Preis  erhalten  hat.  Ein  solcher 
Einzelplan  bleibt  meist  unkritisiert,  weil  aufser  dei\  Bewerbern 
kaum  jemand  mit  der  Aufgabe  sicli  gründlich  beschäftigt  hat  und 
die  Nichtprämiierten  aus  obigen  Gründen  in  der  Hegel  schweigen. 
Daher  finde  ich  es  erfreulich,  wenn  Hoemann  —  dessen  Kritik 
ich  auf  Grund  persönlicher  Besichtigung  der  Planausstellung 
im  wesentlichen  beistimme  —  seine  Bedenken  gegen  die  Aus- 
führbarkeit und  die  vorgeschlagene  Ausgestaltung  unverhohle  n 
äufsert;  nicht  etwa  um  den  Ruhm  der  Preisgekrönten  zu 
schmälern,  sondern  lediglich,  um  der  von  ihm  als  richtiger  er- 
kannten, seiner  Ansicht  nach  praktisch  wertvolleren  Lösung 
der  gestellten  Aufgabe  Geltung  zu  verschaffen  und  die  Ent- 
würfe von  Bauer-Magdeburg  u.  a.  höher  zu  werten,  als  das 
Preisgericht  es  getan  hat.  Daraus  ergibt  sich  denu  auch  von 
selbst  die  „Besorgnis  für  die  Stadtgemeide  Hameln",  die  dank- 
bar sein  sollte  für  die  Hinweise,  die  vom  Preisgericht  schein- 
bar nicht  berücksichtigt  worden  sind.  —  Auf  die  Pläne  selbst 
will  ich  hier  nicht  näher  eingehen,  möchte  aber,  um  Mifsver- 
ständnissen  vorzubeugen,  hinzufügen,  dal's  ich  nicht  etwa 
wegen  der  erwähnten  Gefahr  gegen  Veröffentlichung  prämiierter 


'■■? 


Scluiubihl  zum  Konkiirrenzentwurt  l'iU    den  Hamelner  Friedhof  von  U.  Hoemani! 


Schaubild  zum  Koukurrenzeutwurf  für  den  Hauieluer 
Friedhof  v.  R.  Hoemann. 

Pläne  mich  ausspreche,  wohl  aber  ernste  sachliche  Kritiken 
der       Mitb'ewerber       als       wünschenswerte      Begleit- 
erscheinung derselben    ansehe, 
weil,    wie    gesagt,    meist  nur  die 
Mitbewerber    sich    in    die    Sache 
vertieft     haben      und     daher     ihr 
l'rteil  —  wenn  auch  nicht  für  die 
Prämiierung  mafsgebend,  so  doch 
für  den  Leser  sachlich  interessan- 
ter ist,  als  das   des  Preisgerichts. 
Soviel    nur    als    Randbemer- 
kung zu  der  durch  die  Hoemann- 
selie    Kritik   aufgeworfenen  inter- 
essanten    Streitfrage:       Wie    ist 
die  Hamelnsche  Friedhofsaufgabe 
praktisch  und  künstlerisch  zu  lösen  7 
W.  von  Engelhardt, 
Gartendirektor. 

n. 

Landschaftliehe  Friedhöfe. 

Die  letzte  Nummer  des  vorigen 
Jahrgangs  der  „Gartenkunst" 
brachte  die  Entwürfe  für  den 
Hamelner      Friedhof,       begleitet 


32 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  2 


von  kritischen  BetraL-htungen  des  Heirn  Hoemann-Diisseldorf. 
Mit  dem  sachlichen  Inhalt  der  Ausführungen  kann  man  sich 
wohl  einverstanden  erklären,  da  Herr  Hoemann  seine  Auffassung 
präzise  und  klar  begründet.  Als  Nichtbeteiligter  am  Wettbewerb 
hätte  ich  jedoch  gewünscht,  es  wären  die  Personen  der  Ver- 
fasser aus  dem  Spiel  geblieben  und  der  Kritikus  liätte  es 
unterlassen,  Schlüsse-  auf  deren  „Qualifikation-  zu  ziehen- 
zumal  doch  die  Schuld  nicht  die  Preisemptänger,  sondern 
die  Preis  Verteiler  trifft.  Die  Angriffe  hätten  sich  also 
billigervveise  dahin  richten  sollen,  sonst  wird  man  an  den  Mann 
erinnert,  der  den  Sack  schlägt. 

Doch  wegen  des  Ergebnisses  der  Preisverteilung  zu 
liadern,  war  nicht  meine  Absicht.  Ich  wollte  vielmehr  ;in  den 
Wettbewerb  die  Frage  knüpfen:  Haben  die  sogenannten 
landschaftlichen  Friedhöfe  wirklich  einen  so  hervor- 
ragend künstlerischen  Wert,  sind  sie  der  Ideal- 
zustand des  neuzeitlichen  Friedhofes,  dafs  wir  mit 
allen  Mitteln  auf  ihre  Verwirklichung  hinstreben 
sollen? 

Die  sogenannten  ,landschaftlirhen"  Friedhöfe  sind  eine  Er- 
rimgenschaft  der  neuesten  Zeit.  Die  Anzahl  der  bestehenden 
fertigen  Anlagen  ist  noch  gering.  Sie  haben  jedoch  genügt, 
um  daran  zu  studieren,  was  zu  erhalten  ist  und  was  ver- 
worfen werden  muss.  Es  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  die 
abgebildeten  Pläne  auf  diesem  Gebiet  wieder  einen  Schritt 
vorwärts  bedeuten.  Wie  sah  z.  B.  ein  solcher  Entwurf  vor 
einem  oder  zwei  Jahrzehnten  aus?  —  Er  unterschied  sich  nur 
sehr  wenig  von  einem  Plan  für  eine  Parkanlage.  Hier  wie  da 
war  das  Hauptaugenmerk  auf  Schaffung  möglichst  tiefer, 
gehölzumrahmter  Rasenbahnen  gerichtet.  Bei  den  Friedhofs- 
plänen waren  diese  freien  Flächen  zur  Aufnahme  der  Reihen- 
gräber bestimmt.  Also  gerade  die  Quartiere,  die  in  erster 
Linie  dem  Auge  entzogen  werden  sollten,  traten  am  meisten 
in  die  Erscheinung.  Alle  Vorschläge,  den  Blick  über  solche 
Grabfelder  durch  einheitliche  Blumenbepflanzung  u.  dgl.  m. 
erträglich  zu  machen,  sind  wohl  nur  auf  dem  Papier  stehen 
geblieben.  Mit  Recht  und  bitterer  Ironie  dürfte  man  beliaupten: 
„Dieser  parkartige  Friedhof  würde  sehr  schön  sein,  wenn  nur 
keine  Gräber  darauf  wären." 

Heute  ist  diese  Idee  als  unbrauchbar  wohl  allgemein  fallen 
gelassen,  und  man  bepflauzt  die  Wegeränder  mit  dichten  Gehölz- 
gmppen  oder  heckenartig.  Hiermit  ist  aber  ein  grosser  Teil 
der  ursprünglichen  Idee  der  landschaftlichen  Gestaltung  zu- 
sammengesunken. Als  Überbleibsel  hat  sich  nur  noch  der  ge- 
schwungene Weg  zu  uns  herüber  zu  retten  gewufst.  Sind 
nun  aber  solche  beiderseits  dicht  zugepflanzten  Kurvenwege 
tatsächlich  so  schön,  dal's  man  ihre  Existenzberechtigung  an- 
erkennen mufs?  —  Ich  möchte  diese  Frage  —  insofern  es  sich 
nicht  um  breite  Fahrstrafsen  handelt  —  ganz  entschieden  ver- 
neinen. Es  sei  hier  nur  auf  die  Wegezüge  des  Hannigschen 
Entwurfes  (weil  es  hier  am  augenfälligsten  hervortritt)  hinge- 
wiesen. Solche  langen,  schmalen  Wege,  die  weder  nach  links 
oder  rechts,  und  infolge  ihrer  Krümmungen  auch  nicht  nach 
vorn  oder  hinten  einen  Oricntieruogs-  oder  Ausblick  gestatten, 
gehen  zu  müssen,  kann  nur  als  etwas  Lästiges,  Unbequemes 
empfunden  werden. 

Daran  ändern  auch  die  sonst  sehr  gefälligen  Kurven  nichts; 
denn  in  Wirklichkeit  tritt  die  Schünheitslinie  gar  nirht  in  Er- 
scheinung, weil  kein  Standpunkt  vorhanden  ist,  von  dem  sie 
in  ihrem  Verlauf  übersehen  werden  kann.  Das  Beengende 
solcher  zugepflanzter,  jeden  Ausblick  versperrender  Wege  habe 
ich  sowohl  auf  dem  Berliner  Friedhof  in  l'riedriclisi'elde  als 
auch  hier  in  Stettin  auf  unserem  Hauptfriedliuf  unangciieliiu 
empfunden.  Da  nun  in  rein  praktischer  Hinsicht  die  gekrümmten 


Wege  keine  Vorteile,  wohl  aber  Nachteile  im  Gefolge  haben, 
so  sollte  man  auch  hiermit  aufräumen.  Eine  Berechtigung 
haben  sie  nur  da,  wo  stark  bergiges  Gelände  ihre  Anlage  er- 
fordert. 

Die  Hineintragung  rein  landscliaftlicher  Motive  in  die 
Friedhofsanlagen  scheint  mir  nur  in  der  auf  dem  Tripschen 
Entwurf  ersichtlichen  Form  zulässig  als  gehölzumschlossene 
Wiesenfläche,  an  deren  Rändern  oder  in  Gehölznischen  vor- 
nehme Erbbegräbnisse  mit  monumentalen  Aufbauten,  Tempeln, 
Mausoleen  und  dgl.  verteilt  sind.  Da  hierduixli  aber  die  Aus- 
nutzbarkeit des  Geländes  wesentlich  leidet,  so  ist  die  Aus- 
führung nur  bedingungsweise  möglich.  Gestattet  doch  der 
Tripsche  Entwurf  nach  Hoemann  nur  18 o^,^  der  Gesamtfläche 
für  Grabstellen  zu  benutzen,  während  der  doppelte  Prozentsatz 
etwa  das  Jlininium  sein  sollte. 

Der  mit  dem  ersten  Preis  ausgezeichnete  Entwurf  zeigt 
nur  ganz  wenige  rein  landschaftlich  liehandelte  Partien.  Er 
zeichnet  sicii  sonst  durch  Klarheit  ans.  Würde  er  wohl  in 
schönheitlicher  Beziehung  Einbufse  erlitten  haben,  wenn  die 
Verfasser  die  krummen  Wege  zugunsten  gerader  eingeschränkt 
hätten?  —  Ich  glaube  nicht. 

Alle  liier  abgebildeten  Pläne  gleichm  sirli  in  einem  Punkt: 
sie  zeigen  alle  da,  wo  es  darauf  ankam,  grofse  Effekte 
herauszuarbeiten,  regelmäfsige  architektonische  Be- 
handlung, das  ist  stets  so  gewesen.  Auch  die  hier  zitierten 
Kowellekschen  Entwürfe  machen  hiervon  keine  Ausnahme. 
Unser  .Stettiner  Hauptfriedhof  weist  in  seinen  landschaftlich  be- 
handelten Partien  ohne  Zweifel  viele  Treffer  auf,  seinen  Höhe- 
punkt erreicht  er  aber  in  der  grofsen  rogelmäl'sig  gehaltenen 
Partie  vor  der  Hauptkapelle,  die  Le  Nötreschen  Geist  atmet. 
Meine  Auffassung  geht  deshalb  dahin,  d.-ifs  wir  bei  unseren 
neuzeitlichen  Friedhöfen,  den  Friedhöfen  der  Zukunft,  uns 
immer  mehr  frei  machen  sollten  von  den  hinein- 
gebrachten, sogenannten  landschaftlichen  Ideen  und 
dal's  wir  noch  mehr,  wie  schon  geschehen,  zu  der  regel- 
mäfsigen  architektonischen  Beha,  ndlung  zurück- 
kehren. Wenn  man  dafür  denselben  Raum  opfert,  wie  für  die 
landschaftlichen  Anlagen,  so  läfst  sich  Hervorragendes  schaffen. 
Was  sich  mit  den  geraden  Wegen  anfangen  läfst,  zeigen 
die  Bauerschen  Skizzen.  Der  zugehöiige  Plan  hält  sich  voll- 
ständig frei  von  landschaftlichen  Szenerien  und  Kurven- 
wegen und  trotzdem  wird  diese  Arbeit  nicht  allein  von  Hoemann 
als  am  „höchsten  stehend"  bezeichnet.  Viele  der  Bauerschen 
Anregungen,  wie  z,  B,  die  Einteilung  der  grofsen  Reihen- 
quartiere in  kleinere  Kanuuern,  um  ihnen  die  schauerliche  Öde 
und  Leere  zu  nehmen,  sowie  die  fein  durchdachte  Behandlung 
der  Wegekreuzungen,  werden  von  dauerndem  Wert  sein.  Sie 
haben  aufserdem  wohl  den  Vorzug  der  Neuheit. 

Ich  möchte  meine  Ausführungen  nicht  schliel'seu,  ohne  auf 
die  lnkonse(juenz  hingewiesen  zu  haben,  die  darin  liegt,  dal's 
man  jetzt,  wo  man  der  geraden  Linie  in  unseren  Gärten 
wieder  mehr  Geltung  zu  verschaffen  bestrebt  ist,  dieselbe  aus 
drii  l'r  iedhofsanlagen  zu  bannen  sucht.  Nirgends  alier 
scheint  mir  der  krumme  Weg  weniger  berechtigt  zu  sein,  als 
auf  dem  Friedhof,  wo  doch  alles,  von  den  vornehmen  Grab- 
moninnenten  und  Erbbegräbnissen  bis  zu  den  schlichten  Keilien- 
gräbern,  auf  die  gerade  Linie  hinweist. 

().   Schu  Ize.   Stettin. 

III. 

Noch  einmal  Friedhöfe.  ISeim  i^ricillmlswctlbew nb  in 
Hameln  bringt  Trip  in  seinem  Erläuterimgsbericht  zu  dem  mit 
dem  zweiten  Preise   prämiierten  Projekt    eine  Reihe  von  Leit- 


IX, 


DIE   GARTENKUNST 


33 


Sätzen,*)  die  hier  unten  angeführt  sind  und  mich  zu  einigen 
Betrachtungen  veranhisseu.  Abgesehen  soll  dabei  werden  da- 
von, ob  es  überhaupt  opportun  ist,  derart  grundlegende  An- 
schauungen, denn  das  sollen  sie  zweifellos  sein,  in  einem 
Erläuterungsberichte  niederzulegen  in  der  Absicht,  gewifser- 
malsen  so  den  Preisrichtern  eine  Direktive  für  die  Bewertung 
der  Entwürfe,  mindestens  aber  des  Entwurfes  selbst,  zu  geben. 
Die  Tatsache,  dafs  derartige  Leitsätze,  wie  es  auch  der  Ver- 
fasser wohl  wollte,  über  den  engen  Kreis  der  Preisrichter 
ihren  Weg  finden  hinaus  in  die  Fachpresse  und  schliel'slich  zu 
allen,  die  sich  mit  der  Frage  der  modernen  Friedhöfe  be- 
schäftigen, berechtigt  uns.  an  sie  den  Mafsstab  öffentlicher 
Kritik  anzulegen. 

Trip  sagt:  1.  Die  schönheitliche,  versöhnende  Wirkung  des 
Friedhofes  ist  weder  durch  eine  rein  architektonische,  noch 
rein  parkniäfsige  Anlage  zu  erreichen.  —  Das  ist  doch,  sollte 
man  meinen,  Ansichtssache!  Oder  sollte  es  einem  berufenen 
Künstler  nicht  möglich  sein,  auf  die  eine  oder  andere  Weise 
diese  fragl.  Wirkung  in  einem  Falle  vollkommen  zu  erreichen? 

Hierher  gelnirt  w-eiter  No.  .^  seiner  Leitsätze,  welcher  be- 
sagt: Ijine  klare,  übersichtliche  Einteilung  und  die  Einfügung 
von  Architektur  in  Ge.stalt  einer  Kapelle,  Leichenhalle  und 
anderer  Zweckbauten  weisen  auf  die  Anwendung  architekto- 
nischer Kunstformen  auf  die  Friedhofsgestaltung  als  folge- 
richtig und  zweckmäfsig  hin. 

Ferner  (i.  Der  Zweck  des  neuzeitlichen  Friedhofes  in  schön- 
heitlicher  Richtung  weist  aber  noch  mehr  auf  die  ausge- 
dehnteste Anwendung  des  natürlichen  Kunstprinzips  in  bezug 
auf  Pflanzung  und  Flächeneinteilung  hin,  jedoch  ist  zweck- 
entsprechend,   mehr    eine  waldartige,    :ds    eine    parkartige  tie- 

*)  1.  Die  schönhoitliche  versöhnende  Wirkung  des  Fried- 
hofs ist  weder  durch  eine  rein  arcliitektonische.  noch  rein  park- 
niäfsige Anlage  zu  erreichen. 

2.  Der  Friedhof  muls  Friedliof  bleiben.  Parkmäfsiges  oder 
architektonisches  Kunstprinzip  hat  sich  bei  der  Anlage  vor 
allem  der  Bestimmung  des  Objekts  unterzuordnen. 

3.  Ästhetische  und  wirtscliaftliche  Gesichtspunkte  sind  bei 
der  Gestaltung  sorgfältig  gegeneinander  abzuwägen;  sie  er- 
geben das  Mals  des  Erreichbaren  im  .Sinne  schiinheitlicher  und 
ethischer  Absichten.  Demgemäfs  ist  aus  wirtschaftliclicn  Rück- 
sichten auf  Gräberflächen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  nicht 
zu  verzichten,  aber  das  tiesichtsfeld  über  diese  Flächen  ist  durch 
Bepflazung  nii'iglichst  einzuschränken. 

.5.  Eine  klare,  übersichtliche  Einteilung  und  die  Einfügung 
von  Architektur  in  Gestalt  einer  Kapelle,  Leichenhalle  und 
anderen  Zweckbauten  weisen  auf  die  Anwendung  architekto- 
nischer Kunstformen  auf  die  Friedhofsgestaltung  als  folge- 
richtig und  zweckmäfsig  hin. 

(i.  Der  Zweck  des  neuzeitlichen  Friedhofs  in  schönheitlicher 
Richtung  weist  aber  noch  mehr  auf  die  ausgedehnteste  An- 
wendung des  natürlichen  Kunstprinzips  in  bezug  auf  Pflanzung 
und  Flächeneinteilung  hin,  jedoch  ist  zweckentsprechend 
mehr  eine  waldartige,  als  eine  parkartige  Gestaltung  anzu- 
streben. 

7.  Auch  die  Eigenart  der  Grabdenkmäler,  je  nachdem  das 
Architektonische  oder  das  rein  Malerische  in  ihrer  Ivompositiou 
vorwiegt,  weist  auf  architektonische  sowohl,  als  auf  landschaft- 
liche Gruppierung  hin. 

8.  Weiterhin  wird  der  verschiedenartige  Geschmack,  die 
gesellschaftliche  Stellung  und  das  Vermögen  der  Leidtragenden 
von  mafsgebender  Bedeutung  für  die  Gruppierung,  Einteilung 
und  Bewertung  der  Grabstellen  sein, 

i).  Für  die  Bepflanzung  in  der  Nähe  von  Grabfeldern  wird 
auch  die  Denkmalserhaltung  und  die  Möglichkeit  dauernder 
Grabpflege  avif  ilie  Bepflanzung    mitbestimmend    sein    müssen. 

10.  Das  Mals  für  parkartige  Perspektiven  mit  Rasenflächen 
erhalten  wir  durch  das  Abwägen  zwischen  ästhetisch  Wünschens- 
wertem und  wirtschaftlich  Erreichbaiem.  Solche  l'artieu  werden 
sich  immer  nach  MaCsgahe  des  geschlossenen  waldartigen 
Charakters  im  Rahmen  von  mehr  oder  weniger  engen  Wald- 
wiesen einfügen  lassen  müssen. 


staltung  anzustreben.  Abgesehen  davon,  dafs  es  für  nuch 
persi'inlich  immer  einen  etwas  unangenehmen  J5cigeschmack 
h.at,  von  Kunstprinzipien  zu  sprechen,  meine  ich  docli,  dieser 
fünfte  Leitsatz  ist  zu  unterschreiben,  wenn  noch  das  Wörtchen 
„vorzugsweise"  eingefügt  wird  vor  „Anwendung  architekto- 
nischer Kun.stfornien-;  denn  es  ist  nun  einmal  Tatsache,  dafs, 
wenn  nicht  ein  so  verhältnismäfsig  kompliziertes  und  kost- 
spieliges Kartierungssystem  angewendet  wird,  wie  in  Oldsdcn-f, 
die  meisten  unserer  landscha.flJichen  Friedliofsaidagen  an  der 
Schwierigkeit  leiden,  sich  sofort  auf  dem  Friedhofe  zu  orientieren, 
bzw.  ein  nach  Grabfeld,  Reihe  und  Nummer  bezeichnetes  Grab 
auch  wirklich  ohne  Hilfe  aufzufinden.  Diesem  Übel.stand  läl'st 
sich  in  der  Tat  nur  begegnen  durch  eine  vorzugsweise  architek- 
tonische Grundrifslösung. 

Somit  kann  ich  den  sechsten  Leitsatz  nur  mit  Kiiisclu-änkung 
gelten  lassen  und  glaube,  darin  mehr  eine  Konzession  Trips 
an  die  Allgemeinheit  der  Fachkreise  zu  erblicken. 

Leitsatz  2  besagt:  Der  Friedhof  muCs  F'riedhof  bleiben. 
Parkmäfsiges  oder  architektonisches  ICunstprinzip  hat  sich  bei 
der  Anlage  vor  allem  der  Bestimmung  des  Objektes  unterzu- 
ordnen. —  Das  Wesen  eines  sachlichen  Zwecken  dienenden 
Kunstwerkes  verlangt,  dafs  es  diese  Zweckbestimmung  rein 
und  restlos  zum  Ausdruck  bringt.  So  ist  Trips  Leitsatz  in 
diesem  Falle  wohl  mehr  als  eine  Mahnung  an  die  Adresse  der 
Preisrichter  aufzufassen,  denn  sonst  wäre  er  überflüssig,  weil 
selbstverständlich. 

3.  Ästhetische  und  wirtschaftliche  Gesichtspunkte  sind  bei 
der  Gestaltung  sorgfältig  gegeneinander  abzuwägen;  sie  er- 
geben das  Mafs  des  Erreichbaren  im  Sinne  schönheitlicher  und 
ethischer  Absichten.  Deshalb  ist  aus  wirtschaftlichen  Rück- 
sichten avd'  Gräberflächen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  nicht 
zu  verzichten,  aber  das  Gesichtsfeld  über  diese  Flächen  ist 
durch  Bepl'lanzung  möglichst  einzuschränken. 

10,  Das  Mafs  für  parkartige  Perspektiven  mit  Rasenflächen 
erhalten  wir  durch  das  Abwägen  zwischen  ästhetisch  Wünschens- 
wertem und  wirtschaftlich  Erreichbarem.  Solche  Partien  werden 
sich  immer  nach  Mafsgabe  des  gescldossenen,  waldartigen 
Charakters  im  Rahmen  von  mehr  oder  weniger  engen  Wald- 
wiesen einfügen  lassen  müssen,  —  Es  handelt  sich  hier  also 
um  im  wesentlichen  subjektives  Ermessen  des  Projektierenden. 
Darüber,  was  nun  wirklich  aus  wirtschaftlichen  Rücksichten 
wünschenswert  ist,  scheinen  die  Meinungen  gegenwärtig  doch 
noch  sehr  auseinanderzugehen.  Jedenfalls  sind  wir,  scheint  es, 
noch  weit  davon  entfernt,  eine  gewisse  Norm*)  hierfür  gefunden 
zu  haben. 

7.  Auch  die  Eigenart  der  Grabdenkmäler,  je  nachdem  das 
architektonische  oder  rein  malerische  in  ihrer  Komposition 
vorliegt,  weist  auf  architektonische  sowohl,  als  auf  landschaft- 
liche Gruppierung  hin.  —  Das  mag  richtig  sein,  aber  nimmt 
nicht  hier  Trip  etwas  voraus,  worauf  ihm  als  Projektierenden 
ein  Einflufs  überhaupt  nicht  zusteht?  Oder  ist  es  richtig,  in 
einem  Friedhofsprojekte  gewisse  Teile  zu  gestalten  mit  Rück- 
sicht auf  die  Eigenart  eines  Deukmales,  was  speziell  an  diesen 
Punkt  einmal  hinkommen  soll!  Doch  wohl  nur  mit  äufserster 
Einschränkung! 

8.  AVeiterhin  wird  der  verschiedenartige  Geschmack,  die 
gesellschaftliche  Stellung  und  das  Vermögen  der  Leidtragenden 
von  mafsgebender  Bedeutung  für  die  Gruppierung,  Einteilung 
und  Bewertung  der  Grabstellen  sein,  —  Das  ist  doch  ganz 
verfehlt!  Man  kann  beim  Entwürfe  eines  Friedhofes  wohl  all- 
gemeine Rücksicht  nehmen  auf  die  Bevölkerungsklassen,  die 
auf  die  Benutzung  des  Friedhot  es  angewiesen  sind,  aber  damit 


*)  Mufs  es  denn  für  alles  eine  Norm  geben'?     Heicke. 


34 


DTE    GARTENKUNST 


IX, 


ist  doch  alles  erledigt.  Dem  verschiedenartigen  Geschmacke 
der  Leidtragenden  Rechnung  zu  tragen,  ist  doch  wohl  im 
Rahmen  eines  Konkurrenzprojektes  schwer  möglich  und  m.  E. 
nicht  angebracht. 

!).  Für  die  Bepflanzung  in  der  Nähe  von  Grahfeldern  wird 
auch  die  Denkmalserhaltung  und  die  Mcigliclikeit  dauernder 
Grabpflege  auf  die  Pflanzung  mitbestimmend   sein  müssen.    — 


Von  der   Vulkstüralichcii   Gartenbau-.VusstcUung  zu  llaimovoi 


Dieser  Leitsatz  geht  im  ersten    zu    weit    und    ist    im    zweiten 
selbstverständlich. 

Ist  nun  damit    alles  gesagt    oder    hätte  Trip    niclit    besser 
getan,  auf  die  Leitsätze  überhaupt  zu  verzichten '• 

Was  den  Entwurf  Trips  für  Hameln  anlangt,  so  spielt  doch 
bei  allen  derartigen  Wettbewerben  der  Wunsch  der  Aus- 
schreibenden, ein  für  ihre  speziellen  Ver- 
hältnisse als  vollkommen  zu  bezeiclinendes 
Projekt  zu  erlangen,  die  Hauptrolle,  andern- 
falls würden  diese  doch  wohl  einen  Ideen 
Wettbewerb  ausgeschrieben  haben.  Was  unter 
der  Hand  der  Ausführenden  schlielslich  aus 
den  bestgemeinten  Anregungen  und  „Ideen" 
in  der  Praxis  oft  wird,  ist  ja  genugsam  be- 
kannt. 

Auf  dem  (iebiete  der  Architektur  pflegt 
die  preisgekrönte  Arbeit  ausgeführt  zu 
werden,  mindestens  aber  sichert  man  in  den 
meisten  Fällen  sicli  die  Mitwirkung  des  Ver- 
fassers der  preisgekrönten  Arbeit.  Sollte 
das  für  imsern  Beruf  nicht  auch  wünscliens- 
wert,  ja  sogar  erreichbar  sein?  Oder  soll 
man  das  einfach  preisgeben  und  siih  darauf 
beschränken,  bewufst  nur  Anregungen  und 
Ideen  bieten  zu  wollen?  (cf.  Trip,  G.-K.- 
IM    IX,   1  I 

Hans  Pietzner,  Breslau. 


Volkstiiiiiliclie  Aiissfpllini^  für  Blumen-  und  (lartcnpflege, 
Septcnibcr  19(M»  in  Hannover. 

Zur  Feier  der  zehnmaligen  Wiederkehr  der  Veranstaltung 
der  Blumenpflege  durch  Schulkinder,  für  die  der  Provinzial- 
gartenbauverein  jährlich  .">000  Pflanzen  zur  Verfügung  stellt 
und  ungefähr  ein  Fünftel  der  nach  einigen  Monaten  zur 
Prämiierung  eingereichten  Exemplare  mit 
^Medaillen,  nützlichen  Gegenständen,  Büchern 
über  Gnrtenbau  und  Diplomen  prämiiert,  fand 
im  Anschlufs  an  die  Prämiierung  eine  volks- 
tinnliche  Ausstellung  für  Blumen  und  Gar- 
tenpflege statt,  bei  welcher  der  Ausstellungs- 
leitung das  Ziel  vorschwebte,  einen  Uber- 
bick  zu  gewinnen  und  darzubieten  über  die 
volkstümlichen  Bestrebungen  im  Gebiete  des 
Gartenbaues  und  verwandter  Betätigung. 
Sie  war,  trotzdem  sie  ganz  neue  Ziele  ver- 
folgt, und  als  erster  Versuch  auf  diesem 
(icliiete  anzusehen  ist,  durchaus  befriedi- 
gend, wenn  auch  der  Besuch  durch  die 
von  Anfang  bis  zu  Ende  herrschende  regne- 
rische Witterung  sehr  zu  leiden  hatte.  An 
die  ISIumenpflege  durch  Schulkinder  der 
Stadt  Hannover,  die  den  Schwerpunkt  der 
ganzen  Veranstaltung  bildete  und  bereichert 
wurde  durch  die  Ausstellung  der  prämiier- 
ten Pflanzen  fast  sämtlicher  anderer  Lokal- 
vereine der  Provinz  Hannover,  welche 
gleiche  V^eranstaltungen  alljährlich  pflegen, 
schlössen  sich  die  folgenden  Abteilungen 
an,  welche  mit  Unterstützung  der  hiesigen 
Aijuarien-  und  Terrarienvereine,  des  Vogel- 
schutz- und  Bienenzuchtvereins  und  durch  die  hiesige  Lehrer- 
schaft ins  Leben  gerufen  waren,  an:  Zunächst  in  einer  ge- 
-schlossen  Veranda  des  Gartenetablissements  Bella  Vista  die 
Pflanzen  der  häuslichen  Pflege,  dann  in  einem  gleichen 
Räume  die  Erzeugnisse  der  Lauben-  und  Hausgärteu,  welche 
einen     ersten     Versuch     darstellen,     auch     deren    Pfleger    für 


der   \'olkstümliclicii  (iiiiirnliau  .Xusstcilun"    zu    llaiwiijver. 


IX, 


DIE  [GARTENKUNST 


:i5 


Alis  der  Volkstümlichen  Gartenbau-Ausstellung  zu  Hannover. 

die  BeteiligUiig  an  der  Ausstellung  heranzuzielien,  Daim  Kamen 
im  Freien  sowohl  wie  zum  Teil  unter  Bedachung  die  Auswahl- 
gruppen für  den  Pflanzenbedarf  des  Gartenfreundes,  die 
von  den  Handelsgärtnern  gestellt  wurden,  desgleichen  die 
Aufzuchtgrnppen,  welche  die  verschiedenen 
Stadien  der  Anzucht  der  Topfpflanzen  dar- 
stellten. 

Eine  eigene  Vorgartenstrasse  zeigte  von 
hannoverscheu  Landschaflsgärtnern  ausge- 
führte einfache  Vorgärten.  In  der  Abteilung 
Obstbau  wurden  neben  den  verschiedenen 
Produkten  der  Baumschulen  und  Mitteln  und 
Geräten  zur  Bekämpfung  der  Obstschädlinge 
einfache  volk.stümliche  Obstgärten  vorge- 
führt. 

Die  Aufgabe  „unter  Blumen"  zeigte  in 
einem  besonderen  Zelte  eine  Zusammen- 
stellung von  .abgeschnittenen  Blumen  leicht 
zu  erziehender  Stauden,  einjähriger  und 
solcher  Pflanzen,  welche  durch  den  Blumen- 
fi'eund  leicht  zu  kultivieren  und  aus  Samen 
zu  ziehen  sind. 

Die  hiesige  Lehrerschaft  hatte  sich  der 
Mühe  unterzogen,  einen  botanischen  Muster- 
schulgarten auszustellen,  dessen  Inhalt  zur 
Belehrung  der  Jugend  über  die  nützlichen 
und  schädlichen,  sowie  allgemein  für  den 
Unterricht  wichtigen  und  interessanten  Pflan- 
zen dienen  soll.     Der  Obst-  und  Gartenbau - 


verein  Harburg  brachte  eine  naturwahr  zusammengestellte 
l'ilzlandschaft,  in  welcher  die  nützlichen  und  schädlichen  Pilze 
getrennt  nach  ihren  natürlichen  Vorkommen  und  Wachstum, 
sowie  in  ihrer  natürlichen   Umgebung  zusammengestellt  waren. 

Ein  eigener  grosser  Saal  umfasste  die  reiche  .\usstellung 
der  Aquarien-  und  Terrarionliebhaberei,  welcher  seitens  de"- 
Lehrerschaft  eine  reichhaltige,  didaktische  Abteilung  von  Lehr- 
mitteln aller  Art  angegliedert  war,  welche  in  das  naturwissen- 
schaftliche Gebiet  im  weitesten  Sinne  eingreifen. 

Staudenabteilungen,  teils  farbenweise  geordnet,  teils  nach 
ihrem  pflanzengenossenschaftlichen  Vorkommen  zusammen- 
gestellt, ein  grösseres  Wasserbassin  mit  heimischen  Wasser- 
und  Sumpfpflanzen  von  der  Stadtgärtnerei  und  eine  lehrreiche 
Sonderausstellung  des  Vogelschutzvereins,  sowie  eine  sehr 
vollständige  und  lehrhafte  Darstellung  der  Bienenzucht  ver- 
vollständigten das  Ganze. 

Aus  dem  Baumschulenbetrieb  wurden  Koniferen  für  die 
\'or-  und  Hausgärten  in  gegen  Rauch  und  Rufs  unempfindlichen 
Arten,  Gehölze  zu  gleichem  Zwecke  mit  Unterabteilungen  für 
die  verschiedenen  Zeiten  der  Blüte,  schattenertragende  Bäume 
und  Sträucher  u.  a.  m.  im   Wettbewerb  vorgeführt. 

Entsprechend  der  Tendenz,  eine  volkstümliche  Garten-  und 
Blumenpllege  auf  allen  Gebieten  einzuführen,  war  seitens 
der  Stadtgärtnerei  auch  ein  kleiner  Friedhot  unter  dem  Schatten 
hoher  hainartig  stehender  Bäume  ausgeführt  worden,  um  dem 
Publikum  klar  zu  machen,  wie  die  traurige  Öde  und  Schablonen- 
haftigkeit  unserer  landläufigen  Friedhöfe  mit  der  regelmäfsigen 
Anordnung  der  Reihengräber  durch  entsprechende  garten- 
künstlerische Behandlung  abgeschwächt  werden  kann  und  wie 
wenig  Aufwand  schliesshch  dazu  gehört,  ein  einfaches  schli('hte.s, 
aber  stimmungsvolles  Grab  in  würdiger  landschaftlicher  Um- 
gebung herzustellen.  Die  beigefügten  Abbildungen  stellen 
einzelne  Gruppen  aus  diesem  kleinen  Friedhof  dar;  sie 
lassen  vor  allem  das  Bestreben  erkennen,  zwischen  der 
Umgebung  und  der  Ausstattung  des  Grabes  eine  sinngemäfse 
harmonische,  jedem  Beschauer  fühlbare  Verbindung  herzustellen. 
Neben  ganz  einfachen,  mit  einem  Holzkreuz  in  Form  von 
„Marterln"  versehenen  Grabstellen  in  der  stimmungsvollen 
Umgebung    von  Knieholzkiefern,  Wacholder,    Brombeere,  und 


Aus  der  Volkstümlichen  Garteubau-Ausstellung  zu  Hannover. 


36 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  2 


Heide,  sind  die  Muster  etwas  reicher  ausgestatteter  bürger- 
licher Grabstellen  vorgeführt  worden,  welche  alle  das  Bestrebeo 
zeigen,  in  einfacher  landschaftlicher  oder  auch  architektonisch 
gestalteter  pflanzlicher  Uragebun-  stinimungsvoU  und  ver- 
söhnend zu  wirken. 

Es  besteht  die  Absicht,  diese  allgemein  als  muster- 
gültig anerkannten  Versuche  in  erweiterter  Form  und  grösserem 
Rahmen  in  nicht  zu  ferner  Zeit  zu  wiederholen.  Sollte  diese 
Absicht  zur  Tat  werden,  so  werden  wir  rechtzeitig  darüber 
berichten,  da  wir  hoffen,  dass  sie  in  den  Kreisen  unserer  Ge- 
sellschaft Anklang  und  Unterstützung  durch  reiche  Beteiligung 
finden  werden.  irip. 


Verschiedenes. 

Vorgarten  und  Strafsenbepflanzung.  Die  Vorgarten- 
frage ist  noch  nicht  gelöst,  sagte  Gartendirektor  Encke  in 
einem  Vortrag  über  dieses  Thema.  Gibt  es  überhaupt  eine 
Vor^artenfrage?  Um  dies  zu  beantworten,  luufs  man  sich  erst 
darüber  klar  sein,  welchem  Zwecke  der  Vorgarten  dienen  soll 
Gehört  derselbe  zum  Haus  oder  zur  Strafse?  Offenbar  zu 
beiden  denn  er  dient  zur  Verschönerung  des  Hauses  und  der 
StraCse.  Wenn  icli  den  Vorgarten  als  Hausgarten  betrachte, 
dann  mufs  ich,  wie  Camillo  Schneider,  eine  recht  hohe  Mauer 
darum  setzen,  damit  nur  ja  keiner  hineinsieht;  aber  dann  ist 
es  eben  kein  Vorgarten  mehr.  Man  stelle  sich  nur  vor,  stun- 
denlang zwischen  hohen  Mauern  dahinwandeln  zu  müssen 
selbst  wenn  stellenweise  Schlinggewächse  und  Bäume  über- 
hängen. Für  das  Strafsenbild  ist  aber  nicht  der  einzelne, 
sondern  die  Gesamtheit  der  Vorgärten  von  Einflufs.  Das 
sclilechte  Aussehen  unserer  heutigen  Vorgartenstrafsen  ist 
Hauptschuld  des  Städtebauers  und  der  Arcliitekten,  für 
Rechnung  der  letzteren  gehen  auch  die  wunderbaren  Ein- 
friedigungen. Die  Fehler  von  gärtnerischer  Seite  werden  na- 
türlich nicht  in  Abrede  gestellt,  aber  die  Fehler,  die  im  ein- 
zelnen Vorgarten  gemacht  sind,  treten  für  das  Strafsenbild 
nicht  so  sehr  in  die  Erscheinung. 

Auch  für  den  Vorgarten  möchte  ich  die  landschaftliehe, 
oder  sagen  wir  natürliche,  Anordnung  empfelüen.  Die  Gliede- 
rung des  Hauses,  die  Stralsenfront  mufs  zwar  für  die  Anlage 
des  Vorgartens  bestimmend  sein.  Aber  nach  den  heutigen,  be- 
stehenden Verhältnissen  ist  meines  Erachtens  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  die  natürliche  Anordnung  möglich. 

Bei  der  schlechten  Behandlung,  die  den  Vorgärten  zuteil 
wird,  ist  der  regelmäfsige  sicher  auch  im  Nachteil.  Wenn  wir 
die  zwecklosen  Wege  herauslassen,  dann  kommen  wir  der 
Sache  .schon  wesentlich  näher  und  auch  der  regelmäfsige  Vor- 
garten wird  meist  der  Wege  entbehren  können,  weil  sie  eben 
keinen  Zweck  haben. 

Für  das  Slrafsenbild  ist  der  Baum  der  Hauptfaktor.  Breite, 
gut  bepflanzte  Vorgärten  würden  eine  AUeepfhinzung  entbeiir- 
lich  machen. 

Der  Vorschlag  Enckes,  den  Vorgarten  vom  Hause  zu 
trennen  und  zwischen  Fahrdamm  und  Schrittweg  zu  legen,  ist 
mir  ungemein  sympathisch.  Durch  einem  solchen  5 — 8  unil 
mehr  Meter  breiten  Anlagestreifen  würden  sich  al)wechselungs- 
reiche  Strafsenbilder  schaffen  lassen,  natürlich  unter  Berück- 
sichtigung der  einzelnen  Bauwerke.  Dazu  käme  nocli  die  An- 
nehmlichkeit, in  VorgartenstraCsen  Verkaufsläden  mit  Scliau- 
fenstern  einrichten  zu  können,  einigermal'seu  Schutz  gegen 
Strafscnstaub  und  gröfsere  Sicherheit  für  den  Fufsgänger  zu 
bieten.      Die    Strafsen    würden    etwa    folgende    Einteilung    er- 


halten: (i  m  Schrittweg,  S  m  Anlage,  3  m  Rad-,  12  m  Fahr-, 
4  m  Reitweg,  S  m  Anlage  und  (i  m  Sehrittweg,  dazu  offene 
Bebauung. 

Bei  Alleepflanzung  ist  die  Mittelallee  vorzuziehen.  An 
einer  der  Kölnei'  Hauptstrafsen  ist  folgendes  Profil  angewandt: 
lieiderseits  Fahrdämme  und  schmale  Schrittwege,  als  Mittel- 
allee 4  m  Reitweg,  Baum,  0  m  Promenade,  Baum,  3  m 
Radweg.  Diese  Einteilung  hat  den  Vorteil,  dafs  die  soweit 
zurückstehenden  Bäume  nicht  mit  den  Oberleitungen  der  elek- 
trischen Balinen  in  Konflikt  kommen. 

Die  Fehler,  die  früher  bei  der  Bepflanzung  von  Strafsen 
durch  Auswahl  zu  grofser  Baumarten  auf  schmalen  Bürger- 
steigen gemacht  worden  sind,  rächen  sich  nur  zu  bald.  Be- 
sonders hier  in  Bonn  sind  sehr  viele  solcher  Strafsen.  Cm  den 
Bewohnern  dieser  Strafsen  Luft  und  Licht  zu  verschaffen,  ist 
man  genötigt,  die  Bäume  alle  2—3  Jahre  zusammen  zu  schnei- 
den. Den  Eindruck,  den  solche  verschnittenen  Alleen,  beson- 
ders während  des  Winterhalbjahres,  macheu,  brauche  ich  nicht 
zu  schildern.  Leider  sind  wir  mit  tauglichen,  kleinen  und 
mittelstarken  Alleebäumen  nicht  sehr  gesegnet.  Eine  Aussprache 
über  die  Verwendbarkeit  solcher  Bäume  in  Strafsen  würde 
gewil's  sehr  nützlich  sein. 

DieWirkung,  die  der  einzelne  Baum  (z.B.  Dorf  linde)  im  Strafsen- 
bild liervorzubringen  imstande  ist,  wird  noch  nicht  genügend 
gewürdigt,  wenn  auch  die  Schwierigkeit,  einen  Einzelbaum  mit 
Geschick  in  unseren  heutigen  Strafsen  unterzubringen,  niclit 
verkannt  wird;  vor  allen  Dingen  dürfen  solche  Bäume  nicht  zu 
steif  gewachsen  sein.  Die  un regelmäfsige  Anordnung  von 
Bäumen  kann  auch  noch  in  der  Weise  zur  Ausführung  kommen, 
dafs  statt  <ler  geraden  Alleen  die  Bäume  bald  vor,  bald  zurück- 
stehen, liald  in  Gruppen  von  drei  und  mehr  unter  Verwendung- 
verschiedener  Baumarten  zusammengepffanzt  werden,  was  aller- 
dings mehr  o<ler  weniger  auf  die  bereits  empfohlenen  Anlage- 
streifen herauskäme. 

Leider  fehlt  es  bei  der  Strafsenbepflanzung  noch  immer 
an  einem  verständnisvollen  Zusammenarbeiten  mit  den  Strafsen- 
technikern.  Bei  Anlage  von  Kanälen,  Gas-  und  Wasserrohren, 
bei  Legung  der  Kabel  usw.  wird  mit  den  vorhandenen  Bäumen 
mit  einer  solchen  Rücksichtslosigkeit  verfahren,  <lafs  es  von 
Seiten  der  Gartenbeamten  eines  ordentlichen  Kampfes  bedarf, 
um  che  Bäume  vor  dem  Abhauen  der  Wurzeln  zir  schützen. 

Zum  Schlufs  möchte  ich  noch  auf  die  in  amerikanischen 
Städten  angewandte  Art  hinweisen,  die  verschiedenen  grofsen 
Parks  durcli  Anlagestreifen  zu  verbinden. 

G  ü  nther,  Bonn. 
Jubiläums  -  Gartenbauausstellung  in  Bremen.  Die 
Gartenbauausstellung,  welche  von  Ende  April  bis  Ende  Sep- 
tember 1!)0T  in  Bremen  zur  Feier  des  SOjährigen  Bestehens 
des  Gartenbauvereins  für  Bremen  und  Umgi'gend  statt- 
findet, wird  auf  einem  Wiesengelände  des  Bürgerparks  ein- 
gerichtet. Das  Ausstellungsgebiet  ist  von  schönen  Gclu'ilz- 
rändern  umsäumt  und  hat  eine  sonnige  geschützte  Lage;  es  ist 
von  der  Stadt  und  vom  Bahnhofe  leicht  zu  erreichen  und 
liegt  neben  der  Hauptpromenade  am  Hollersee  in  der  Nähe 
des  grossen  Parkhausrestaurants.  Der  llaupteingang  befindet 
sich  an  der  Hollerallec,  der  fhiilstation  der  elektrischen  üalin. 
Das  Ausstellungsgebäude,  welches  bereits  im  Aufbau  begriffen 
ist,  erhält  (une  (Jrundfläehe  von  1200  Quadratmeter  und  schöne 
lichte    Räume  für  die  Ausstellungsobjekte  unter  Dach. 

Sonderausstellungen  werden  I'^nde  April,  Ende  Juni  und 
Ende  September  stattfinden,  die  Freilandausstellung  ist  den 
ganzen  Sommer  geöffnet.  Für  beide  Abteilungen  sind  274  Kon- 
kurrenznummern mit  beträchtlichen  Preisen  vorgesehen.  Vom 
Senat  sind  silberne  und  goldene  Staatsmed.-iillcn   und  ein   lioher 


1\. 


DIE   GARTENKUNST 


:i7 


LagopLui  der  Brrnii-)-  ( iarti-nb:in:iussti'lliing. 

(Ji'lilpri'is  bewilligt;  Fi-eiiude  des  ( iarteiibaues  stil'teten  Ehren- 
preise  in  beträchtlichen  Geldsummen. 

Preisbevverbungen  sind  nur  zulässig  aus  der  l'rovinz 
Hannover,  dem  Grossherzogtum  Oldenburg,  und  den  Städten 
Hamburg,  AVandsbeck  und  Bremen,  es  stehen  aber  ausserdem 
dem  Preisrichterkollegium  bedeutende  Geldmittel  und  Medaillen 
zur  Verfügung  für  hervorragende  Leistungen  solcher  Aus- 
steller, die  aulserhalb  des  genannten  Bezirkes  ihren  Wohnsitz 
haben,  alier  nur  aulser  Konkurrenz  ausstellen  können.  In  der 
Abteilung  Gartenkunst  ist  für  die  beste  Gesamtleistung  die  grofse 
goldene  und  die  grol'se  silberne  tStaatsmedaille  bewilligt  worden. 
Ausstellungen  aufser  Konkurrenz  können  in  dieser  Abteilung 
des  beschränkten  Raumes  wegen  nicht  stattfinden. 

Das  Programm  der  Jubiläumsausstellung  ist  jederzeit  von 
dem  Schriftführer  des  Vereins  Herrn  'M.  W.  Schlenker,  Bremen, 
kostenfrei  zu  beziehen,  auch  ist  die  aus  den  Herren  Garten- 
bauinspektor Heins,  Garteningenieur  Karich  und  Parkdirektor 
Ohrt  bestehende  Ausstellungskonnnission  gern  bereit,  in  allen 
Angelegenheiten  Auskunft  zu  geben. 

Internationaler  Landwirtschaftlicher  Kongrefs,  Wien. 
21. --25.  Mai  1907.  Das  Progranini,  welches  vom  E.xekutiv- 
komitee  des  Kongresses  versandt  ist,  gibt  eine  Übersicht  über 
die  grofs  angelegte  Organisation  dieser  Kongresse,  deren  erster 
1S91  im  Haag  stattfand  und  dem  andere  inzwisclien  in  Brüssel 
1SÜ.3,  Budapest  1S9G,  Lausanne  18<JS,  Paris  1!)()()  und  Rom  1908 
gefolgt  sind.  Der  Kongrefs  in  Wien  wird  sich  in  11  Sektionen 
gliedern,  von  denen  die  Vorhandlungen  der  letzten  Sektion  uns 
besonders  interessieren  dürften,  da  sie  siidi  auf  Obst-,  Geniüse- 
und  Gartenbau  erstrecken  und  in  ihrei'  (i.  Abteilung  den  .städti- 
schen Gartenbau  und  seine  technisi'hen  und  künstlerischen 
Gesichtspunkte    behandeln    sollen.      Als     Keferenti-n    sind    ge- 


wonnen: Kgl.  Gai-teuDaudirektor  Siebort,  Erankfurt  a.  JI..  Stadt- 
garteudirektor  Kuphalt,  liiga,  Gartenbaudirektor  Bertram,  Dres- 
den und  .los.  ,Vug.  Lux,  Schriftsteller,  Herausgeber  cler  Zeit- 
rlirilt  „ll.ihe  Warte",  Wien.  —  [n  der  .i.  Abteilung:  , Bedeu- 
tung i\fV  in  den  letzten  '2't.  Jahren  neu  eingeführten  oder  neu 
gezüchteten  Gelndze  für  die  Gärten  Mitteleuropas  mit  Berück- 
sichtigung der  Erfahrungen  über  die  Akklimatisation  der  Xeu- 
einführungen"  werden  referieren:  Graf  v.  Schwerin,  Wendisch- 
Wilniersdorf  bei  Ludwigsfeldc,  Vorsitzender  der  D.  D.  G.  ; 
Mauiicc  il,.  X'ihn.uin,  l'aris;  Rudolf  Seidel,  Handelsgärtnerei- 
liesitzer,  G rüngräbchi'U ;  Dr.  Heinr.  Mayr,  Professor  an  der 
Universität  Alüncheu:  Hofgartendirekt.or  Graehener,  Karlsruhe 
und  ('.   K.  Schneider.   Wien. 

Gartenkünstlerische  Vorträge  in  der  Kgl.  Lehranstalt 
zu  Dahlem.  In  der  Königlichen  Gärtnerlehranstalt  zu  Dahlem 
Ijei  Steint  z-lleilin  (früher  Wildpark)  werden  vnm  4. — S.  Februar 
I'.IIIT  fiiid'  giirtenkünstlei-ische  Vorträge  mit  Liiditlülilern  ge- 
halten und  zwar  werden  sprechen:  I.  Montag,  dun  4.  ['"ehruar 
d.  Js.  Kgl.  GarteninspektorZahn  über  „Parkanlagen";  2.  Dienstag, 
den  .").  Peliruar  d.  .Is.  Kgl.  Garteniuspektor  Lange  über  ,.  Uie 
Eutwii  kelung  der  Gartengestaltung"  :  3.  Mittwoch,  den  (i.  f'ebniar 
il.  Js.  Kgl.  Gartenins[iektor  Lange  über  „Die  landschaftlich- 
naturkundlichen <  u-undlagen  moderner  tiartengestaltung" : 
4.  Donnerstag,  den  7.  Februar  d.  .Is.  Kgl.  Garteninspektor  Zahn 
über  „Die  Gartenkunst  im  Städtebau";  .j.  Freitag,  den  S.  Februar 
d.  Js.  Dr.  Graebuer  über  „Die  Lebensbedingungen  natürlicher 
Vegetatinnsfurmationen".  Anmeldungen  sind  umgehend  an 
die  Direktion  der  Anstalt  einzureichen.  Das  Honorar  für  die 
fünf  N'cutriige  beträgt  für  Inländer  nebst  Postbestellgeld 
!)  Mark  .">  Pfg.,  und  ist  dieser  Betrag  nach  der  Aufnahme  in 
die  Teilnehmerliste  an  der  Kasse  der  Königli(dien  Giirtnerlehr- 
anst;ilt  zu  Dahlem  bei  Steglitz  einzusenden.  Die  Vorträge  be- 
ginnen jedesmal  nachmittags  .7  Ihr. 

In  Berlin  fiiulet  voiaussichtlich  am  14  März  d.  Jahies  auf 
die  Dauer  von  li  Tagen  eine  Allgemeine  Gartenbau- Aus- 
stellung in  der  Ausstellungshalle  di/s  Zoologischen  (4artens 
statt. 

Endzweck  der  Ausstellung  ist  die  Schaffung  von  Mitteln 
für  eine  Stiftung,  um  die  Krankenhäuser  von  Grols-Berlin 
dauernd  mit  frischen  Blumen  zu  versehen. 

Das  Protektorat  ist  I.  M.  'der  Kaiserin  angetragen  worden. 
Ehrenpräsident  ist  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  von  Bergmann.  Exzellenz. 
Dem  fachmännischen  Arbeitsausschufs  gehören  u.  a.  an  die 
Herren  Kgl.  Hofgartendire^ktor  Fintelmann,  Potsdam,  Garten- 
baudirektor Fintehnann-Beilin.  Kreisobergärtner  Hübner,  Stadt- 
obergärtner Thieme-Wilmersdorf,  unser  Mitglied  E.  Chaste  u.  a. 
Platzmiete  wird  nicht  erhoben. 

Erwünscht  sind  Pläne,  Modelle,  vor  allem  aber  szenische 
Daistellungen  kleine)'  Gärten,  Pflanzendekoration  in  Verbindung 
mit  künstlerischer  Plastik.  Das  grofse  Hauptparterre  wird  in 
einer  bisher  noch  nie  gezeigten  Weise  ausgestaltet  werden 
und  zwar  nur  mit  getriebenen  Winterblumen  in  gewaltiger 
Anzahl.  Nähere  Auskunft  durch  E.  Ghaste.  Berlin  W.,  Wilmers- 
dorf, Augustastr.  ."i."),   tl  I .  Pt. 

Jubiläumsausstellung  Mannheim  1907.  Dem  Programm 
der  Ausstellung  ist  eine  Abteilung  für  Gartenpläne,  Modelle, 
zeichnerische  Darstellungen  von  Gartenzubehör  (Lauben,  Bänkeu. 
Einfriedigungen,  Springbrunnen  u.  dgl.)  eingefügt  worden.  Da 
in  dieser  Abteilung  eine  Übersicht  geboten  werden  soll  über 
das,  was  in  den  letzten  Jahren  an  hervorragenden  iind  be- 
achtenswerten neuen  Anlagen  geschaffen  worden  ist  und  in 
welcher  Weise  sich  dabei  der  Einflul's  der  modernen  Kunst- 
bestrebungen geltend  macht,  so  sollen  nur  solche  garten- 
künstlerische   Arbeiten    zugelassen     werden,     welche     in     den 


38 


DIE  GARTENKUNST 


IX, 


letzten  fünf  Jahren  entstanden  sind.  Die  Beteilii;ung  soll 
jedem  offen  stehen,  der  sich  gartenkiinstlerisch  betätigt.  Die 
Dauer  dieser  Planausstellung  ist  berechnet  auf  die  Zeit 
vom  15.  Mai  bis  gegen  Ende  August.  Sie  wird  untergebracht 
in  einem  angemessen  ausgestatteten  Räume  der  grulsen  Aus- 
stellungsliallen.  Anmeldungen  sind  bis  zum  1.  April  an  die 
Ansstellungsleitung,  Friedrichsplatz  14  in  Mannheim  zu  richten, 
von  der  auch  die  Programme  und  Ausstellungsbedingungen 
zu  beziehen  sind.  Es  wird  ein  Ausschufs  eingesetzt  werden, 
welcher  die  eingelieferten  Ausstellung,sgegenstände  einer  Prüfung 
zu  unterwerfen  hat  und  befugt  ist,  Ungeeignetes  zurückzu- 
weisen (Hängekommission).  Diesem  Ausschufs,  der  auch  zugleich 
als  Jury  fungieren  wird,  stehen  zur  Auszeiclniuug  hervxuTageiider 
künstlerischer  Leistungen  Medaillen  und  Ehrenurkunden  zur  Ver- 
fügung. Sollten  die  Anmeldungen  zu  dieser  l'lanausstellung  zahl- 
reicher einhüllen,  als  in  den  zur  Verfügung  stehenden  Riiumen 
untergebracht  werden  können,  so  ist  in  Aussicht  genommen  im 
Monat  Juli  noch  eine  Sonderausstellung  von  kürzerer,  etwa 
litägiger  Dauer  zu  veranstalten,  die  dann  mit  der  Ausstellung 
der  Pläne  im  Zusammenhang  stehen  soll,  welche  in  dem 
seitens  der  Stadt  Mannheim  beabsichtigten  Friedhnfswettbowerb 
eingereicht   werden. 

Priedhofswettbewerb  Mannheim.  In  dem  bereits  mehrfach 
erwähntL'U  Ausschreiben  eines  Wettbew'erbes  zur  Gewinnung 
von  Entwürfen  für  einen  Zentralfriedhof  in  Mannheim  ist 
nunmehr  die  Frist  bis  zum  1 .  Juni  d.  Js.  festgesetzt.  Das  in 
Frage  kommende  Gelände  liegt  etwa  (i  Kilometer  vom  Mittel- 
punkt der  Stadt  in  nordöstlicher  Richtung,  ist  ca.  3,.")  ha  grol's 
und  besteht,  abgesehen  von  einer  etwa  (i  Meter  hohen  Er- 
hebung, aus  ebenen  Acker-  und  Wiesenflächen.  Das  Programm 
besagt:  Der  Friedhof  soll  parknrtigen  ('harakter  erhalten. 
Indessen  läfst  ein  Zusatz,  wonach  geradlinige  Alleen  nicht 
ausgeschlossen  sein  sollen,  erwarten,  dafs  die  ausschreibende 
Stelle  unter  dem  Begriff  „parkartig"  nicht  notwendig  eine 
Anlage  mit  lauter  krummen  Wegen  nach  Art  eines  „englischen" 
Parkes  verstanden  wissen  will.  Sonst  enthält  das  Programm 
Angaben  über  die  in  Grundrifsandeutung  vorzusehenden  Bau- 
lichkeiten, Verkehrs-  und  Zugangsverhidtnisse,  Grabgrölse  u.  dgl. 
und  schreibt  „Rücksichtnahme  auf  möglichste  Ausnutzung  des 
vorhandenen  Raumes"   vor. 

Das  Preisgericht  wird  unter  dem  Vorsitze  des  Oberbürger- 
meisters Beck  bzw.  seines  Vertreters  sich  zusammensetzen  aus 
den  beiden  Mannheimer  Bauräten  Eisenlohr  und  Perrey,  Garten- 
direktoi  Trip-Hannover,  Friedhofsinspektor  Ibach-Köln,  Kgl. 
Gartenbaudirektor  A.  Fintelmann-Berlin  und  Professor  Behrens, 
Düsseldorf.  Es  sind  drei  Preise  zu  l.öOII,  1000  und  .100  Mk. 
ausgesetzt,  weitere  Entwürfe  können  zu  .")00  Mk.  auf  Voischlag 
der  Jury  angekauft  werden.  Die  eingegangenen  Entwürfe 
werden  gelegentlich  der  Jubiläumsausstellung  öffentlich  aus- 
gesteUt  werden. 

Die  Unterhaltung  der  Wiesbadener  Kuranlagen,  welche 
seither  der  Firma  Gebj-.  .Siesmayer  in  l'raTikfint  :\.  M.  oblag, 
ging  am  1.  Januar  an  die  seit  April  vorigen  Jahres  bestehende 
selbständige  städtische  Gartenverwaltung  über.  Damit  sind 
nun  Wiesbadens  gesamte  Anlagen  in  städtischer  Regie  vmter 
Leitung  des  Garteninspektors  Zeininger  vereinigt.  Der  seit- 
herige Vertreter  der  Firma  Gebr.  Siesmayer,  Oborgärtner 
Traulsen,  und  das  gesamte  Personal  wiirdrn  von  der  Ver- 
waltung übernommen. 

Wettbewerb  Sehöneberg.  In  dem  seitens  der  Stadt 
Schöueberg  au.sgeschriebenen  \\'ettbewerb  zur  Erlangung  von 
Entwürfen  für  einen  Stadtpark  ist  dem  Einliefei'ungstermin 
der  am  29.  Dez.  v.  Js.  ablief,  ziemlich  prompt  die  Prämiierung 
am    19.   d.  Mts.    gefolgt.     Das    Ergebnis    ist     folgendos:     Den 


1.  Preis  (Mk.  3000.—  )  erhielt  Gartenarchitekt  Krüpper-Düssel- 
dorf,  den  11.  Preis  (Mk.  2000,—)  Gartendirektor  Encke 
und  Bauinspektor  Bolte-Cöln,  den  III.  Preis  (Mk.  1000, — ) 
Obergärtner  F.  Ulrich-Berlin.  Zum  Ankauf  wurden  empfohlen 
die  Entwürfe  von  V.  Goebel-Wien  und  P.  Grossmann-Dresden- 
Leipzig.     Im    ganzen    waren    gegen    40  Entwürfe  eingelaufen. 

Entgegen  der  bei  solchen  Anlässru  übliidien  (Gepflogenheit 
scheint  man  in  Schöneberg  von  einer  liffentlicheu  Ausstellung 
der  Wettbewerbsentwürfe  abzusehen ;  wenigstens  hören  wir 
bisher  nur,  dafs  die  prämiierten  Arbeiten  am  20.,  21.  u.  22.  Jan. 
einige  Stunden  der  Besichtigung  zugänglich  waren.  Von  einer 
öffentlichen  Ausstellung  des  ganzen  Materials  verlautet  ilagegen 
nichts. 

Das  entspricht  nii'ht  dem  Programm;  denn  seinem  Wort- 
laute nach  sollten  für  ilcn  Wettbewerb  die  Grundsätze  für  das 
Verfahren  bei  öffentlichen  Wettbewerbungen  auf  dem  Gebiete 
der  Gartenkunst  malsgebend  sein,  die  vom  Verein  Deutscher 
Gartenkünstler  (heuteD.  (4. f. G.)  aufgestellt  worden  sind.  Inihrem 
§  Ki  heilst  es:  Sämtliche  zur  Bewerbung  angenommene  Arbeiten 
sind  mindestens  zwei  Wochen  lang  öffentlich  auszustellen,  in 
der  Regel  gleich  nach  der  Kntscheidung  des  Preisgerichtes. 

Wir  möchten  dazu  liemerken,  dal's  es  für  die  allgemeine 
Beurteilung  des  Wettbewerbsergebnisses  von  Belang  ist,  nicht 
nur  die  prämiierten  Entwürfe  kennen  zu  lernen,  sondern  auch 
die  übrigen,  unter  denen  zweifellos  manche  gute  Arbeit  sich 
befinden  dürfte.  Auch  ist  mau  es  denjenigen,  deren  Arbeiten 
leer  ausgegangen  sind  und  die  also  umsonst  Zeit  und  Können 
geopfert  haben,  schuldig,  durch  gemeinsame  .-Vusstellnng  ihrer 
Arbeiten  mit  denen  der  Sieger  Gelegenheit  zu  Studien  und  zu 
verarleichender  Kritik  zu  geben. 


Bücherschau. 


P.  Schultze-Naumbu  lg,  Kulturarbeiten.  Band  IV: 
Städtebau.  \'erlag  von  (ieorg  1».  W.  OalUvey.  München.  Ein 
neuer  Band  der  Kulturarbeiten  ist  bei  der  Beachtung,  die 
Schultze-Naumburg  durch  seine  auf  Helning  unserer  künst- 
lerischen Kultur  und  gegen  die  Verunstaltung  unserer  Heimat 
gerichteten  Bestrebungen  gefunden  hat,  in  gewissem  (jrade  ein 
literarisches  Ereignis.  Auch  wir  können  das  Erscheinen  dieses 
Buches  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen,  um  so  weniger, 
als  das  behandelte  l^hema  eine  groCse  Reihe  von  Berührungs- 
punkten mit  unserem  Tätigkeitsgebiet  hat. 

Seh.  stellt  sich  nicht  auf  den  Standpunkt,  in  seinem  Buche 
eine  Reihe  von  Vorschlägen  und  Rezepten  zu  geben,  welche 
den  vielen,  allgemein  empfundenen  schweren  Mil'sständen  in 
der  Gestaltung  unserer  Grofsstädte  abhelfen  sollen,  er  gibt 
vielmehr  zu  erwägen  anheim,  ob  denn  überhaupt  die  Grol'sstadt 
so  sehr  erstrebenswert  ist  und  wirklich  das  Ideal  darstellt, 
dem  alle  andern  Städte  nachstreben  sollten.  Auch  bestreitet  er, 
da(s  die  heutige  Zeit  so  ganz  andere  Anforderungen  an  die 
Städte  stelle  und  deshalb  der  moderne  Städtebau  nach  ganz 
anderen  Grundsätzen  sich  entwickeln  müsse  als  früher;  er  be- 
streitet, dafs  mit  der  Lösung  der  Verkehrsfragen,  insbesondere 
der  schnolk'Ti  und  ])rompten  Verbindung  der  weit  draulsen 
liegenden  Wohnviertel  mit  der  City,  ein  wirklicher  Erfolg  be- 
züglich der  Hebung  der  allgemeinen  Woldfahrl  erreicht  sei, 
er  erklärt  sich  nielit  überzeugt  davon,  dafs  die  dauernde  und 
immer  mehr  imi  sicdi  gieil'ende  Trennung  von  Familie  und 
Wii'kungskreis  zum  erhöhten  (Uück  der  Menschheit  beitrüge. 
Zwar    bezwiufelt    er.    dal's   das   Weiterwachsen    unserer  Riesen- 


IX.  2 


DIE  GARTENKUNST 


8!) 


Städte  vorläufig  durch  Gartenstadt-  und  sonstige  Bestrebungen 
aufgehalten  wird,  aber  er  hält  es  für  sehr  wünschenswert  und 
möglich,  dafs  ihm  schlicCslich  Einhalt  getan  werde.  Mas 
schlimmste  ist  ihm  die  Art,  wie  sich  das  Wachstum  der 
Städte  vollzielit.  Als  ein  besonderes  Merkmal  unserer  Zeit 
bezeichnet  er  es,  dal's  nnser  1'un  sich  mehr  im  Bereich  des 
Bewul'sten  abspielt  als  früher.  Das  ist  nicht  so  7ai  verstehen, 
als  ob  die  Alten  hall)e  Schlafwandler  gewesen  seien;  ihr  Arbeiten 
vollzog  sich  nur  mehr  auf  dem  Wege  erfahrungsmäfsiger 
Übung  als  heute,  wo  die  Theorie  meist  eher  da  ist  als  die  Tat. 
Fnd  die  Folge  davon  ist  die  traurige  Einlörmigkeit  in  der 
Entwickelung  unserer  Städte,  der  grol'sen  wie  der  kleinen, 
denn  selbst  die  kleinste  hat  nur  das  eine  Ziel  vnr  Augen, 
miiglichst  der  Grol'sstadt  niichzustreben  und  alles  abzustreifen, 
was  sie  von   jener  unterscheiden  könne. 

Schultze-N.  untersucht  dann  eingehend  die  unseligen  Folgen 
dieser  Grol'sstadtsucht.  er  wägt  die  Vorzüge  des  (Irofsstadt- 
lebens  und  seine  Nachteile  ab  und  kommt  zu  dem  Ergebnis, 
dafs  es  ein  verhängnisvoller  Irrtum  ist,  alle  Städtebaufragen 
immer  wieder  allein  anf  die  tirofsstadt  zu  bezieben,  er  hofft 
vielmehr,  dafs  die  Grolsstadtkranbheit  doch  einmal  überwunden 
werde  und  dafs  dann  die  kleinen  und  kleinsten  Städte  wieder 
zu  grofser  Bedeutung  gelangen,  und  deshalb  läl'st  er  sie 
bei  seiner  Besprechung  der  Hauptgrundsätze  für  die  Aus- 
gestaltung menschlicher  Ansiedelungen  oft  in  den  Vordergrund 
treten. 

Er  weist  nach,  dal's  die  H;irmonie,  mit  drr  das  lüld  einer 
schönen  alten  Stadt  sich  zusammenschliel'st,  nicht  ohne  weiteres 
der  „landschaftlichen  Schöidieit"  zuzuschreiben  sei;  in  Wahrheit 
handelt  es  sich  um  ein  Kunstwerk,  an  dem  freilich  Tausende 
von  Köpfen,  und  weitere  Tausende  von  Händen  tätig  gewesen 
sind.  Untersucht  man  ein  solches  Städtebild,  so  wird  man 
erstaunt  sein,  wie  wenig  eigentlich  die  Schönheit  von  dem 
Werte  der  einzelnen  Bauwerke,  als  einzelne  Kunstwerke  be- 
trachtet, abhängig  ist,  sondern  von  den  wohlabgestimmten  Ver- 
hältnissen, in  denen  die  einzelnen  Bestandteile  des  Bildes  zu- 
einander und  zum  Ganzen  stehen. 

Sch.-N.  bespricht  dann  die  einzelnen  Bestandteile  der  Stadt- 
anlagen, die  Strafsenzüge  und  die  Gestaltung  der  Plätze  als 
Organe  des  grofsen  Verkehrs,  die  kleinen  Verbindungswege 
zwischen  den  grofsen  Verkehrsadern,  die  die  moderne  Reifs- 
brettstädtebaukunst  allerdings  verächtlich  als  unzeitgemäfs 
nicht  mehr  zur  Anwendung  bringt,  ebenso  wie  die  kleinen 
Plätzchen  und  Höfe,  welche  an  solchen  Durchgängen  liegen 
und  sehr  reizvolle  Architekturbilder  bieten.  Er  untersucht  die 
Lage  und  Stellung,  welche  man  früher  den  Monumentalgebäuden 
gegeben,  hebt  ihre  Bedeutung  gegenüber  den  anderen  Bau- 
lichkeiten und  die  Mittel,  sie  in  ihrer  Wirkung  zu  steigern, 
hervor,  wobei  sich  naturgemäfs  viele  Berührungspunkte  mit 
Camillo  Sitte  ergeben.  Er  ergeht  sich  eingehend  übei'  die  ver- 
derbliche Wirkung  der  gedankenlosen  Begradigungen  und 
Fluchtlinienfestsetzungen  für  alte  Stadtanlagen,  die  nacli 
Schema  F  vom  grünen  Tische  uns  gemacht  wurden  und  die 
das  Todesurteil  für  manche  cliaraktervolle,  alte  Stadtanlage  ge- 
worden sind. 

Ein  sehr  interessantes  Kapitel  ist  der  Behandlung  der 
Niveauunterschiede  gewidmet  und  dabei  manches  harte  —  aber 
zutreffende  Urteil  über  die  Verflachungs-  und  Nivellierungs- 
sucht  gefällt,  die  nicht  einmal  vor  den  altehrwürdigen  Mauern 
und  Wällen  der  Städte  Halt  gemacht  und  bei  ihrer  Um- 
wandlung in  anlagengeschmückte  Bingstral'sen  unersetzliche 
Schönheitswerte  und  ungezählte  Millionen  vertroddelt  hat. 
Nürnberg  mit  seinem  wohlerhaltenen  Wall-  und  Mauergürtel 
wird  denen,  die  immer  wieder  die  Überwindung  der  Verkehrs- 


schwieri.<^keiten  in  den  Vordergrund  zu  schieben  suclirn.  als 
klassisches   Beispiel  ents-egengehalten. 

Interessant  ist  ferner  das  Kapitel  „Die  Vorstadt",  wo  der 
Verfasser  nachwei.st,  wie  gerade  die  Bestrebungim,  die  auf  die 
W'oldfahrt  der  Menschen  gerichtet  sind,  oft  genau  das  Gegen- 
teil von  dem  erreichen,  was  sie  anstreben.  So  ist  der  trostlose 
Eindiuck  vieler  Vorstadtstrafsen  eine  Folge  des  schablonen- 
mäl'sig  durchgeführton  Bauwichs,  der  wiederum  ein  Ergebnis 
der  an  sich  ganz  löblichen  Absicht  ist.  etwas  luftiger  und 
geräumiger  zu  bauen,  als  in  der  eigentlichen  Stadt,  Wir 
müssen  Sch.-N.  unbedingt  recht  geben,  wenn  er  nachtlrücklich 
auf  den  trostlosen  öden  Eindruck  hinweist,  den  solche  Stailt- 
teile  machen,  wo  die  Häuser,  anstatt  in  geschlossener  Reihe, 
in  „offener"  Ordnung  mit  regelmäfsigen  Lücken  von  einigen 
Metern  zwischen  je  zwei  Häusern  angeordnet  sind;  diese 
Lücken  geben  den  Blick  auf  die  mangelhaft  ausgebildi^ten 
Seitenfronten  und  Rückseiten  frei  und  lassen,  weil  die  Fläche 
des  Bauplatzes  in  Vordergarten,  Hintergarten  und  den  schmalen 
Streifen  zwischen  den  Häusern  zerrissen  wird,  auch  keine 
brauihharen  (iärteu  entstehen!  Es  kann  nicht  leicht  etwas 
l'nsiimigeres  erfunden  werden,  als  diese  in  allen  neuzeitlichen 
Bauordnungen  wiederkehrenden  Bestimmungen.  Auch  in  den 
sogenannten  Villenstrafsen,  wo  die  Baugrundstücke  auskömm- 
licher bemessen  sind,  so  dafs  Gärten  entstehen  könnten,  macht 
die  chem.itische  Bauordnungshandhabung  dies  wieder  illusorisch. 

Es  kann  nicht  der  Zweck  dieser  Zeilen  sein,  alle  die 
treffenden  Bemerkungen  des  V^erfassers  zu  zitieren  —  wir 
wollen  zur  Lektüre  des  Buches,  das  nicht  etwa  für  den  Nur- 
Städteliauer  geschrieben  ist,  anregen.  Vorgartengestaltung,  Ein- 
friedigungen, Baumpflanzungen  und  vieles  andere  wird  im  Zu- 
saramenhang  mit  den  anderen  Gegenständen  besprochen  und 
mancher  beherzigenswerte  Wink  gegeben. 

Das  letzte  Jvapitel,' welches  sich  mit  den  öffentlichen  An- 
lagen beschäftigt,  fällt  gegen  die  anderen  etwas  ab,  ich 
möchte  es  f.ast  dürftig  nennen  und  es  ist  wohl  auch  verständ- 
lich, dal's  in  ganzen  2.50  Zeilen  nicht  viel  über  dieses  Thema 
gesagt  werden  kann,  selbst  wenn  man  das  Wort  in  so  aus- 
giebiger Weise  durch  das  Bild  unterstützt,  wie  Sch.-N.  es  zu 
tun  pflegt. 

Das  sei  zum  Schlul's  noch  hervorgehoben,  dafs  auch  in 
diesem  Werke  wieder  durch  die  Einschaltung  zahlreicher  Bei- 
spiele und  Gegenbeispiele  die  Wirkung  des  Gesagten  nach- 
haltig vertieft  wird.  Sch.-N.  ist  in  dieser  Methode  Meister 
und  man  mul's  es  geradezu  bewundern,  wie  ihm  für  alles,  was 
er  zu  sagen  hat.  stets  geeignete  und  gut  ausgewählte  Bilder 
zur  Verfügung  stehen.  H. 

Illustrierte  Flora  von  Mitteleuropa,  von  Dr.  Gustav 
Hegi  und  Dr.  Gnst.  Dunzinger.  München,  J.  ¥.  Lehmanns 
Verlag.  —  Von  dieser  auf  70  monatliche  Lieferungen  berechne- 
ten neuen  Flora  ist  das  erste  Heft  erschienen.  Soviel  sich 
danach  beurteilen  läfst.  haben  wir  es  mit  einer  wärmste  Emp- 
fehlung verdienenden  Erscheinung  des  Büchermarktes  zu  tun. 
Für  viele  wird  das  Werk  besonders  wertvoll  durch  die  bei- 
gegebenen ausgezeichneten  Farhentafeln,  deren  280  in  Aussicht 
gestellt  werden.  Das  vorliegende  Heft  enthält  einen  Teil  der 
Farne  und  es  fällt  angenehm  auf,  dal's  den  botanischen  Namen 
recht  gut  gebildete  deutsche  Bezeichnungen  beigefügt  sind,  die 
sich  voraussichtlich  schnell  da  einbürgern  werden,  wo  ein 
gangbarer  deutscher  Name  Bedürfnis  ist,  aber  bisher  fehlt; 
als  Beispiele  seien  angeführt  Buchentarn  für  Aspidium  phego- 
pteris.  Eichenfarn  für  Asp.  dryopteris,  Dornfarn  für  Asp.  spinu- 
losum.  Wir  werden  nach  dem  Erscheinen  weiterer  Lieferungen 
auf  das  Werk  zurückkommen.  H. 


40 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  2 


Flugblätter  für  künstlerische  Kultur.  Im  Verlag  von 
Strecker  u.  Sohröder,  Stuttgart,  erscheinen  seit  einiger  Zeit 
unter  diesem  Titel  Hefte  in  zwangloser  Reihenfolge,  in  denen 
von  bernfenen  Autoritäten  die  wichtigsten  Fragen,  welche 
sich  bei  der  unaufhaltsam  im  Gange  befindlichen  Umwälzung 
auf  allen  Gebieten  modernen  Kunst;  und  Kulturlebens  auf  die 
Tagesordnung  drängen,  in  fesselnder  und  jedem  Gebildeten 
verständlicher  Form  besprochen  werden.  Von  den  Heften, 
welche  uns  vorliegen,  behandelt  das  eine  das  Thema  „Neue 
Theaterkultur-"  und  in  der  Bearbeitung  teilen  sich  Reg -Bau- 
meister Moritz,  Dr.  Herbert  Friedrich  und  Dr.  Felix  Poppen- 
berg. Ein  anderes,  welches  den  bekannten  Nürnberger  Kunst- 
kritiker Prof.  Dr.  Ree  zum  Verfasser  hat,  erörtert  das  Thema; 
„Habe  ich  den  rechten  Geschmack.'"  In  geistreicher  Weise 
geht  der  Autor  dem  Satze  de  gustibus  non  est  dispiitandnm 
zu  Leibe  und  weist  nach,  dafs  die  Verschiedenartigkeit  der 
Urteile  einem  Kunstgegenstaud  gegenüber  weniger  dadurch  be- 
dingt ist,  dafs  der  eine  mehr,  der  andere  weniger  Geschmack 
hat,  als  vielmehr  durch  die  Verschiedenartigkeit  unseres  Natu- 
rells, unserer  Sinne,  unseres  Gemütes  und  vielleicht  auch 
unserer  Weltanschauung.  Hier  zu  streiten,  wäre  mülsig,  so 
mflCsig  wie  der  Streit,  ob  die  Eiche  ein  schönerer  Baum  sei 
als  die  Linde,  oder  ob  die  Buche  vor  beiden  deft  Vorzug  ver- 
diene. .Wo  es  sich  um  wirkliche  Kunstwerke  handelt,  da  mufs 
man  jedes  Urteil  gelten  lassen,  nicht  als  kritisches  Welturteil, 
denn  dazu  fehlt  uns  der  Mafsstab,  sondern  als  Bekenntnis,  das 
in  persönlicher  Sj'inpathie  seinen  Grund  und  seine  Grenze  hat. 
Daneben  wird  man  freilich  immer  bestrebt  sein,  die  anderen 
für  seine  Anschauungen  zu  gewinnen  und,  soweit  man  sich 
seiner  Einseitigkeit  bewulst  ist,  aus  dieser  herauszutreten  und 
der  künstlerischen  Eigenart  der  anderen  gerecht  zu  werden. 
Das  Christuswort:  „In  meines  Vaters  Hause  sind  viele  Woh- 
nungen" gilt  auch  in  der  Kunst.  —  Ein  drittes  Heft  handelt 
vom  Kulturgefühl  und  kommt  zu  dem  Schlufs,  dafs  wir  den 
Genufs  harmonischer  Lebensführung  nur  allein  durch  Auf- 
richtigkeit und  Gradheit  unserer  Forderungen  vuid  Wege 
wiedergewinnen  können.  Besonders  interessant  ist  das  Heft, 
welches  „Kultur  der  Feste"  betitelt  ist,  und  wenn  wir  dem 
Autor  in  seinen  Betrachtungen  folgen,  so  werden  wir  schnell 
und  sicher  überzeugt,  dafs  es  auf  keinem  Gebiet  unserer 
modernen  Kultur  mehr  der  Reform  bedarf,  als  in  der  Art.  wie 
wir  unsere  Feste  feiern.  —  Der  Verlag  hat  dem  Unternehmen 
eine  gediegene  Ausstattung  gegeben.  Textabbildungen  und 
Tafeln  unterstützen  die  Ausführungen  der  Autoren.  .Daneben 
darf  auf  den  billigen  Preis  hingewiesen  werden :  Das  einzelne 
Heft  kostet  80  Pfg.,  bei  Bestellung  von  12  Heften  (die  einen 
Band  bilden)  stellt  sich  der  Preis  auf  60  Pfg.  Allen  denen, 
die  sicli  für  künstlerische  Fragen  interessieren,  können  die 
„Flugblätter"  warm  empfohlen  werden.  H. 

Journal   of  the  Royal  Horticultural-Society,   London. 

—  Das  .lahrbuch  der  Londoner  Royal  Horticultural-Society  für 
1900  ist  erschienen.  Es  bildet  wieder  einen  stattlichen  Band, 
der  eine  ganze  Reihe  interessanter  Aufsätze  und  Mitteilungen 
enthält.  Wir  erwähnen:  „.lapanische  Pflanzen  und  Gärten" 
von  R.  Farrer;  „Japanischer  Gartenbau"'  von  N.  Hagashi; 
von  demselben  Verfasser:  „Chrysanthemum-Kultur  in  Japan". 
Ein  reich  illustrierter  Aufsatz  beschreibt  den  Garten  der  Ge- 
sellschaft zu  Visley.    Von  Interesse  ist  eine  Zusammenstellung 


von  Gehölzen  zu  Anpflanzungen  in  Städten  von  R.  L  Castle. 
—  jVus  dem  vorjährigen  Jahrbuch  werden  wir  in  dem  näch- 
sten Hefte  dieser  Zeitschrift  einen  gartenkünstlerisch  inter- 
essanten Aufsatz  in  Übersetzung  von  ( '.  K.  Schneider- Wien 
bringen.  H. 

Die  Schule  des  Gärtners.  Herausgegeben  vom  „Bund 
der  Gärtner"  tiohlis-Dresdcn.  Wir  machen  diejenigen  unter 
den  Mitgliedern  der  D.  G.  f.  G.,  welche  Gartenkunst,  Garten- 
bau oder  Kunstgärtnerei  in  ihren  verschiedenen  Zweigen  be- 
rufsniäfsig  betreiben  und  unter  ihrem  Hilfspersonale  junge 
Gärtner  und  Gärtnerlelulingv  beschäftigen,  auf  diese  neue, 
monatlich  zweimal  erscheinende  Zeitschrift  aufmerksam,  die 
vierteljährlich  durch  die  Post  bezogen  nur  Mk.  0.75  kostet. 
Das  Blatt  wendet  sich  an  diese  jungen  Gärtner  und  diejenigen, 
welche  es  werden  wollen,  und  will  ihnen  Anregung  und  Be- 
lehrung bringen  Wie  die  uns  vorliegenden  Probenummern 
erkennen  lassen,  ist  der  Inlialt  recht  geschickt  in  Form  und 
Ausdrucksweise  dem  \'erständnis  der  Kreise,  auf  die  das  Blatt 
berei'hnet  ist,  an.gepalst. 


Personal  nach  richten. 


Berckling,  Stadtobergärtner  in  Nürnberg,  ist  die  kürzlich 
ausgeschriebene  Garteninspektorstelle  in  Halle  a.  S.  übertragen 
worden.  —  Perring,  W.,  Inspektor  des  kgl.  botau.  Gartens  zu 
Berlin-Dahlem  feierte  am  L.lanuar  d.  J.  sein  ^.öjähriges  Dienst- 
jubiläum. -  -  Moncorps.  Rob  ,  Kgl.  Garteninspektor,  Gärtnerei- 
besitzer zu  Hohenschonliausen  bei  Berlin  ist  am  .5.  Dezember 
vorigen  Jahres  gestorben.  —  Buchner.  Aug..  Kgl.  Ökonomie- 
rat und  Heiler,  Jac,  Stadtgärtendirektor  und  Kgl.  Ökonomie- 
rat in  Münclien.  Iiaben  die  Prinzregent  Luitpoldmedaille  in 
Silber  erhalten.  —  Peicker,  W.,  Räuden  O.-S.,  ist  anläl'slich 
seines  70.  Geburtstages  vom  Herzog  von  Ratibor  zum  Hof- 
gartendirektor ernannt  worden.  —  Wychgram,  J.,  bisher  in 
Eutin,  ist  die  .Stadtgärtnerstelle  in  Jena  übertragen  worden. 
—  Hoffmann,  R.,  in  Weifsensee  ist  der  Titel  Kgl.  Garten- 
baudirektor verliehen.  —  Elpel,  Garteninspektor  in  Nürnberg, 
ist  nach  fast  'i.jjähriger  Tätigkeit  im  städtischen  Dienste  der 
Titel  Stadtgartendirektor  verlielien  worden.  -  Buchner,  M., 
München,  ist  von  der  „Grofsen  französ.  Gartenbau.gesellschal't" 
in  Paris  zum  „Membre  honoraire"  ernannt  worden.  —  Dr  Pfltzer, 
E..  Geh.  Hofrat,  Professor  der  Botanik  in  Heidelberg,  ist  aui 
3.  Dezember  v.  J.  gestorben.  Pf.,  der  Vizepräsident  der  Deut- 
schen Dendrol.  GeseUscliaft  war.  ist  duicli  seine  erfolgreichen 
Anbau-  und  Kulturversiichc  immergrüner  Gehölze  und  Bam- 
busseen, die  er  in  den  Anlagen  des  Heidelberger  Schlosses 
betrieb,  in  gärtnerisclieu  Fachkreisen  bekannt  geworden.  — 
Undeutsch,  G.,  .Stadtgärlner  in  Flauen  erliielt  den  Titel  Stadt- 
garteninspektor. • —  Bertram,  Rieh.,  elienda.  ist  zum  Stadt- 
öbergärtner  ernannt  worden.  —  Halleroorden,  H.,  bisher 
Stadtgärtner  in  Osnalu'ück,  liat  sich  als  Garteiuirchitekt  in 
Cliarlottenl)urg  niiMlergelassen.  —  Schlerff.  A..  Obergarten- 
direktor im  Dienste  des  .Sultans,  ein  Frankfurter  von  Geburt, 
ist  7:i  Jahre  alt  gestorben. 


Ftir  liif  Redaktion  vprantwortlirli :  Stadt-Gartt'nrliroktor  Heicke,  Frankfurt  a.  M.  —  Vorlag  von  Gebrüdnr  Homtrapger,  Berlin  SW    n. 

DpSBaanr  StrasBC  2P.  —  Dyuuk  von  A.  W.  Hayn'ti  Ki-heu,  Pot.sdam. 


IX.  3 


DIE  GARTliNKUISST 


41 


••i/'l'X» 


i^4i^M^rjttl34i;fc^i^NßföKiM. 


'r,'f,::f  Wy, -  ',7  nfr  ^in^imi:^;--  •).7.':.7:iiS.'J7/l^T.'-*.7''^>"Cu''5«r.7^* W''  \]^>  'S''.''''.'' " 


Zeit-  und  Streitfragen. 


Die  Rcforin  der  (Jarteukimsf  uimI  die  Tradition. 

\'on  Ludwig  F.  Fuchs. 

Es  ist  eigeiitlicli  merkwürdig,  dal.i  es  immer  nochi 
Leute  gibt,  die  glauben,  dalJ  ein  Umschwung  auf  irgemi- 
welchem  Gebiete  möglich  sei,  ohne  dalj  Kämpfe,  oft  heftige 
Kämpfe,  daraus  entstehen.  Wer  immer  den  goldenen 
Mittelweg  vorschlägt,  wer  zu  Frieden  und  Ausgleich 
mahnt,  dessen  .Aufrichtigkeit  und  wahres  Interesse  sollte 
beargwöhnt  werden,  vielleicht  auch  seine  Zuständigkeit  in 
der  Sache. 

Solche  Kampfe  toben  heute  auf  allen  Gebieten  des 
Lebens.  Das  politische  in  fortschreitender  Kräftigung  be- 
griffene Xationalbewuütsein  sucht  die  entsprechenden  Aus- 
drucksmittel der  neuerrungenen  Kräfte.  Ein  solches  Aus- 
drucksmittel, und  zwar  eines  der  wichtigsten  und  charakte- 
ristischsten, ist  vor  allem  auch  die  Kunst  in  ihrem  vollen 
Umfang,  die  Kunst  als  die  rhythmische  LebensäuLlerung 
der  Kultur,  und  der  Kampf  um  dieselbe,  wie  sie  unserer 
neuen  Zeit  entspricht,  hat  nichts  Entweihendes,  sondern 
ist  weihevoll  und  vor  allem  gesund.  Ich  glaube  nicht  fehl- 
zugehen, wenn  ich  annehme,  datl  diese  Erkenntnis  den 
Leiter  dieser  Zeitschrift  bewogen  hat,  einem  Kämpfer  die 
Feder  in  die  Hand  zu  geben. 

Meine  Absicht  ist.  zu  zeigen,  daij  alle  Gebiete  der 
bildenden  Kunst  in  solchen  Krisen  stehen,  wie  die  ist,  in 
welche  die  Gartenkunst  vor  ein  paar  Jahren  eingetreten 
ist,  ja  eintreten  mutlte,  zu  zeigen,  daß  vielfach  schon  ein 
Anlauf  genommen  wird  zu  einem  Aufschwünge  im  höheren 
Sinne.  Ich  verstehe  unter  „höherem  Sinne"  die  Betonung 
der  rhythmischen  Gestaltung.  Wir  werden  sehen,  dal.)  die 
Kraft  zu  diesem  letzten,  bedeutungsvollsten  Schritt  gewonnen 
wird  im  Anschluß  an  die  Tradition,  das  will  heilien  an  die 
Kunstübung  derjenigen  Zeit,  die  dem  Verfalle  des  natio- 
nalen BewulJtseins  voraufgegangen  ist. 

Am  markantesten  zeigt  sich  diese  Erscheinung  in  der 
Malerei.     Nach  einer  Periode    heftigsten  Haders,    die   jede 
Saison  ein  anderes  Schlagwort  als  Parole  ausgab,   ist  eine 
solche  ernstester  Arbeit    und    tiefster  Vei'innerlichung    ge- 
folgt.     Keine    Verinnerllchung    des     E'arzustellenden.    des 
r--  Sujets,    denn  das  wäre  ein  Rückschritt    gewesen,    sondern 
cn  eine    Yerinnerlichung.    Vergeistigung    der    formalen     und 
_,  koloristischen    Ausdi-ucksweise.     Man     begriff:     Kunst    ist 
Csj  Rhythmus,  in  diesem  Falle  Rhythmus    der   Form    und    der 
n-   Farbe.     Woher    kam    nun    dieser    plötzliche    Umschwung, 


dieses  Licht,  das  den  rechten  Weg  gewiesen  hat?  Nach 
all  dem  Sturm  und  Drang,  nach  dem  Tohuwabohu  von 
Kunstrichtungen  und  Kunstansichten  fand  mau  einen  sicheren 
Halt  an  den  alten  Meistern.  An  jenen,  die  wie  eherne 
Felsen  herausragen  über  das  Hasten  und  Treiben  zu  ihren 
Füssen  durch  alle  Zeit,  l'nd  zwar  waren  es  nicht  allein 
die  Meister  der  weiter  zurückliegenden  Jahi-lmnderle 
sondern  vor  allen  auch  diejenigen  des  18.  und  des  auf- 
gehenden 19.  Säkulums,  denen  man  sein  Studium  zuwandte. 
Wer  dies  nicht  glaubt  vergleiche  die  Erscheinung  der  retro- 
spektiven Ausstellungen,  er  prüfe  dieJahrhundertsausstellung. 
die  im  vorigen  Sommer  in  Berlin  so  groLles  .Aufsehen  er- 
regte, und  er  wird  sich  eines  anderen  besinnen.  Hat  man 
doch,  seit  uns  diese  Erkenntnis  überkam,  viele  ältere  Maler 
erst  würdigen  gelernt  und  hat  entdeckt,  dal.'i  diese  einsamen 
Menschen  ihrer  Zeit  voraus  waren. 

In  der  Bildhauerkunst  liegt  die  Parallele  deshalb  nicht 
so  nahe,  da  die  bis  jetzt  unerreichte  Plastik  der  Helenen 
und  der  Renaissance  bis  auf  weiteres  als  Autorität  zu 
gelten  hat.  d,  h,  auch  sie  sucht  den  Anschlul.l  an  die  Tra- 
dition. Ebenfalls  AnschluL)  an  die  Helenen  verlangen 
energische  .Stimmen,  die  in  allerletzter  Zeit  laut  werden, 
und  die  eine  stilistische  Reform  der  Schaubühne  und  des 
Tanzes  fordern. 

Wer  hat  noch  vor  15  Jahren  der  Volkskunst  anders  denn 
als  Sammler  gegenüber  gestanden'?  Heute  haben  wir  die 
stilistische  Wahrhaftigkeit  der  bodenständigen  Volkskunst 
erkannt,  die  zu  pflegen,  zu  erhalten  und,  da  wo  sie 
durch  Unverstand  und  die  Surrogatwii'tschaft  unserer 
modernen  Zivilisatiiui  zertreten  wurde,  wieder  aufzurichten 
unsere  ernsteste  Pflicht  ist.  Überall  sogar  schon  auf 
Dörfern  existieren  Museen  oder  sind  solche  im  Entstehen 
begriffen,  die  sich  die  Pflege  der  Volkskunst  zur  Aufgabe 
machen.  Vortreffliche  Publikationen  existieren  über  dieses 
Thema.  All  dies  geschieht,  um  dem  Landvolk  zu  zeigen, 
wo  es  anzuknüpfen  hat  zur  Wiedererlangung  einer  eigenen, 
selbständigen  Kultur,  die  es  braucht  als  Prophylaxe  gegen 
die  verzweifelte  Erscheinung  der  Landflucht. 

Ein  Kunstgebiet,  das  direkt  auf  unser  Thema  überleitet, 
ist  die  Architektur.  Sie  ist  die  einzige  Kunst,  die  von 
denen,  die  sie  ausüben,  von  je  bewuBterweise  als  Rhythmus 
behandelt  wurde.  Das  vielgebrauchte  Wort:  Architektur 
ist  versteinerte  Musik,  weist  daraufhin.  Trotzdem  konnte 
es  auch  hier  geschehen,    daß  dieser   Fundamentalsatz  ver- 


i-l 


DIE    GARTENKUNST 


IX,  3 


gessen  wurde,  vielmehr  es  geschieht  noch  jetzt,   und  zwar 
in  unheimlichem  Maßstiibe.  Fast  unsere  sämtlichen  modernen 
städtischen  Bauten  vom  Rathaus  bis  zum  einfachsten  Zins- 
haus sind  beredte  Zeugen.     AU  diese  albernen  Kästen  mit 
dem    aufgepappten  Renaissance-,    Rokoko-  etc.  -Zeug    sind 
Versündigungen  gegen  das  oberste  Gesetz.     Es    ist    daher 
nicht  weiter  erstaunlich,  aber  um  so  erfreulicher,  daLl  hier 
der  Ruf  nach  sachgemäßer  Bodenständigkeit  so  kräftig  er- 
klingt.    Aber  was  heißt  in  diesem  Falle  Bodenständigkeit? 
Ks  heiüt  in  den  meisten  Fällen  nichts  anders  als:  Anknüpfen 
an  diejenige  Blüteperiode  der  Baukunst,  die  unseivm  Emp- 
finden, unseren  Bedürfnissen  am  nächsten  steht.    Man  nennt 
diese    Zeit    —    oberflächlich    genug    —    „Biedermeierzeit". 
Allerdings  ist  zu  bemerken,  dal.l  bedeutende  moderne  Archi- 
tekten sich  mit  viel  Glück  auch  in  Barock,  Renaissance  usw. 
versucht  haben.     An  die  Tradition    anknüpfen    heißt    eben 
nicht    die    letzte    Blütezeit    sklavisch   nachahmen,    sondern 
ergründen,    was  früheren  Werken    das  Eindrucksvolle,    die 
zwingende  Wirkung  verleiht,  kurz  wie  in  ihnen  die  ewigen 
Gesetze    aller  Kunst    gewahrt  sind,    die    uns    in    den    ver- 
schiedensten Stilen   entgegentreten.     Bezüglich    der    ange- 
wandten Künste  wie  Haus-  und  Gartenarchitektur  muß  uns 
dies  Verfahren  da  am  leichtesten  werden,  wo  wir  die  meisten 
persönlichen  Berührungspunkte  finden.     Dies  ist  wohl  fast 
immer  bei    einer    nicht    allzuweit    zurückliegenden  Epoche 
der    Fall.     Unzweifelhaft    sind    die    geometrischen    Gärten, 
die  dem  18.  Säkulum    ihre  Entstehung    verdanken    sowohl 
in    ihrer  Wahrung  der    rhythmischen  Stilistik    der  Anlage 
und  des  Anschlusses  an  die  Architektur,  die  sie  zur  Voraus- 
setzung haben,  als  auch  in  ihrer  bequemen  Bewohnbarkeit 
und  sachgemäßen  Bepflanzbarkeit  für  uns  das  Vorbildlichste, 
was    uns   zur   Verfügung    steht.     Solche    Gärten    sind    be- 
sonders in  Residenzstädten  noch  in  großer  Zahl  vorhanden 
und    haben    zum    Teil    eine    außerordentliche    Berühmtheit 
erlangt.     Sie    wirken    heute    noch    durch    ihre    vornehme 
Ruhe  erhebend  auf  unser  Gemüt  und  haben  nichts  Fremdes 
für  uns.     Ich  dächte  dasselbe  gelte  auch  von  den  einfachen 
Hausgärten,  wie  sie  jedem  von  uns  wohl  in  einigen  Exem- 
plaren   bekannt  sind,  und  wie  sie    uns  Schultze-Naumburg 
in  Hülle  und  Fülle  vorführt.     Ich  dächte,    das    sei    gerade 
das  Erstrebenswerte  bei  einer  Gartenanlage,  was  in  diesen 
oft   außei'ordentlich    primitiven  Gäi'ten    so    wohltuend    und 
rein  zum  Ausdr-uck  kommt.     Wie  gesagt,    für   mich  unter- 
liegt   es    keinem   Zweifel,    auf   welcher    Grundlage    unsere 
Gartenreform  zu  beginnen  hat. 

Bezeichnend  für  das  Gesagte  ist  die  Tatsache,  daß  der 
Niedergang  der  Gartenkunst  zeitlich  zusammenfällt  mit 
dem  der  anderen  Künste,  und  daß  zur  gleichen  Zeit,  in 
der  diese  sich  zu  einem  neuen  Leben  aufraffen,  auch 
Stimmen  laut  werden,  die  gebieterisch,  eine  Reform  der 
Gartonkunst  verlangen.  Das  sollte  den  Verteidigern  der 
englischen  oder  vielleicht  besser  gesagt  natürlichen  Rich- 
tung zu  denken  geben.  Alle  und  zwar  ausnahmslos  alle 
Vorkämpfer  einer  modernen  Gartenkunst  halten  diesen 
„natürlichen"  Stil  für  eine  Entartung  und  weisen  auf  die 
rhythmische  Gestaltung  früherer  Epochen  hin.  Denn  man 
mag  sagen  was  man  will,  der  natürliche  Garten  ist  und 
bleibt  eine  versuchte  Nachahmung  eines  Naturausschnittes. 


Aber  geradesowenig  als  eine  angemalte  Photographie 
eines  solchen  Naturausschnittes  ein  Kunstwerk  ist,  obwohl 
sie  der  Natur  vielleicht  näher  kommt  als  das  Gemälde  des 
vortrefflichsten  Malers,  geradesowenig  ist  die  Nachahmung 
der  Natur  ein  Garten,  Sei  das  Vorbild  auch  noch  so 
idyllisch.  Man  darl  nie  vergessen,  daß  der  Maler  von 
vornherein  gar  nicht  die  Absicht  hat,  uns  dies  oder  jenes 
Stück  Natur  vorzuführen,  sondern  daß  er  irgend  ein  solches 
Stück  als  Mittel  benutzt,  uns  etwas  zu  sagen,  seine  reiche 
K'ünstlerseele  auf  uns  wirken  zu  lassen.  Je  reicher  diese 
Künsflerseele  ist,  desto  intensiver  wii'd  die  Wii'kung  des 
Kunstwerkes  sein.  Genau  so  verhält  es  sich  in  der  Garten- 
kunst. Wir  sollen  die  Natur  nicht  nachahmen,  sondern 
dieselbe  lediglich  benutzen,  ein  Kunstwerk  zu  schaffen, 
das  vermöge  seines  künstlerisch  durchdachten  Aufbaues, 
seiner  angenehmen  stimmuugserweckenden  Benutzbarkeit. 
kurz  durch  seinen  Rhythmus  eine  bestimmte  von  dem 
schaffenden  Künstler  gewollte  Wirkung  auf  jeden  ein- 
drucksfähigen Menschen  ausübt. 

\y\e  reizvoll  steht  ein  Garten,  der  nach  den  Gesetzen, 
die  der  künstlerisch  schaffenden  Menschenhand  vorge- 
schrieben sind,  unter  dem  Zwange  der  dominierenden 
Architektur  entstanden  ist,  in  der  natürlichen  Umgebung. 
Für  einen  solchen  Garten  kommen  ganz  andere  Bedingungen 
und  Möglichkeiten  in  Betracht,  als  wie  für  den  Stadtgarten. 
\\'ährend  letzterer  die  strengste  Abgeschlossenheit  zu 
wahren  hat,  muß  ersterer  bei  aller  Ungestörtheit  den  Genuß 
der  landschaftlichen  Schönheit  von  bevorzugten  Punkten 
aus  ermöglichen.  Außerordentlich  reizvoll  ist  dieser  Kontrast 
zwischen  gesetzmäßiger  Schönheit  und  der  schrankenlosen 
Erhabenheit  der  freien  Natur  in  einem  mir  bekannten  — 
leider  nur  noch  als  Ruine  erhaltenen  —  Garten  in  der 
Umgebung  von  Darmstadt  ausgenutzt.  Der  Garten,  welcher 
ungefähr  im  Jahre  1760  entstanden  ist  und  eine  geometrische 
Anlage  von  großem  Reize  darstellt,  ist  am  Rande  der  Rhein- 
ebene gelegen,  jener  Ebene,  die  Herder  als  eine  „melancho- 
lische Zaubergegend"  bezeichnet.  Von  den  Fenstern  des 
entzückenden  Barockschlößchens  und  von  dem  vorgelagerten 
großen  Rasenparterre  aus,  dem  Lieblingsaufenthalt  der 
früheren  fürstlichen  Besitzer,  schweift  der  Blick  ungehemmt 
über  das  halbmondförmige  Wasserbecken  und  den  Zaun 
hinweg  nach  der  weiten  Ebene,  deren  Abschluß  gebildet 
wii'd  durch  die  majestätische  Scheitellinio  des  Taunus. 
Vom  Wasser  aus  wird  der  Blick  geleitet  von  einer  Allee 
lombardischer  Pappeln,  die  vom  Beschauer  weg  konvergent 
verläuft.  Diese  Konvergenz  ist  es,  die  uns  hier  interessiert. 
Sie  soll  als  willkürlich  herausgegriffenes  Beispiel  beweisen, 
mit  welchen  raffinierten  Mitteln  die  alten  Meistor  unserer 
Kunst  gearbeitet  haben.  ui\d  soll  zeigen,  was  bei  ihnen 
alles  zu  lernen  ist.  Das  Zusammenlaufen  der  beiden  Baum- 
tluchten  erweckt  in  uns  die  optische  Täuschung,  als  liege 
der  Von  den  beiden  letzten  Pappeln  unu'ahmte  Naturaus- 
schnitt bedeutend  weiter  von  uns  weg,  als  dies  in  Wirk- 
lichkeit der  Fall  ist.  Das  Auge  nimmt  eben  an,  dal.1  die 
beiden  ßaumreihen  parallel  laufen  und  die  Konvergenz 
durch  ihre  große  Länge  hervoi'gerufen  werde.  Dies  bewirkt 
abei'.  daß  der  Vordergrund,  die  vollkommen  Hache  Ebene 
an    Interesse    verliert,    während    der    landschaftlich    inter- 


IX,  3 


DIE  GARTENKUNST 


43 


essantere  HinternTund  an  Bedeutung  gewinnt.  Im  Verein 
mit  der  Spiegelung  des  Wassers  entstellt  auf  diese  Weise 
ein  Hild.  das  man  bei  der  zwar  poetischen,  aber  auf  die 
Dauer  doch  bedrückenden  Momifonie  dos  Geländes  nicht 
für  möglich  gehalten  hätte.  Man  muü  mir  das  Gesagte 
schon  auf  guten  Glauben  hinnehmen,  denn  unser  neben- 
stehendes Bild  zeigt  lediglieh 
die  Anlage  dieses  Zaulier- 
kunststückes,  die  Landschaft 
ist  vom  Nebel  bedeckt.  Die 
Photographie  wurde  damals 
nicht  aufgenemmen  um  Oben- 
stehendes zu  demonstrieren. 
Die  Landschaft  selbst  sehen 
wir  durch  den  Aha,  der  als 
Kopfleiste  (S.  41)  verwandt 
wurde  und  der  sich  im  neueng- 
lischen Teile  des  Gartens  be- 
findet. Wir  haben  es  hier  mit 
dem  strikten  Beweis  zu  tun  — 
und  der  Beispiele  könnten 
viele  erwähnt  werden  — ,  dal.! 
man  sich  bei  der  Anlage  des 
Gartens  absichtlich  in  dia- 
metralem Gegensatz  zurNatur 
setzte.  Man  betonte  aufs  be- 
stimmteste, wo  die  Kunst  auf- 
hört, ließ  aber  die  schöne 
natürliche  Umgebung  gerne 
in  sparsamer  Weise  hinein- 
klingen. Daß  man  dieses 
Hineinklingen  sehr  vorsichtig 
behandelte  und  eventuell  so- 
gar künstlich  beeinflußte, 
geht  aus  unserem  Beispiele 
hervor. 

Ich  glaube,  noch  eins 
können  wir  als  Resultatobiger 
Auseinandersetzungen  fest- 
stellen. Die  Frage  ob  der  landschaftliche  oder  der  geo- 
metrische den  Garten  der  Zukunft  vorstellt,  ist  füglich 
gleichgültig.  Es  ist  auch  gleichgültig,  ob  „feinste,  aller- 
feinste  Züge"  der  Natur,  wie  Herr  Gamillo  Karl  Schneider 
in  No.  7  des  Jahrgangs  1906  dieser  Zeitschrift  sagt,  auf  uns 
befruchtend  einw-irken  oder  ganze  Landschaften.  E)ie  Haupt- 
sache ist  eben  das  Resultat.  Entspricht  dasselbe  den  An- 
forderungen, welche  wir  vom  künstlerischen  Standpunkt 
aus  an  ein  Kunstwerk  stellen,  so  ist  der  eingeschlagene 
Weg  richtig:  entspricht  es  nicht,  so  ist  er  eben  falsch. 
Es  wäre  ja  möglich,  daß  jemand  auf  dem  Wege  der  hind- 
schaftlichen  Gartengestaltung  zu  einem  stilistisch  und  ästhe- 
tisch einwandfreien  Ergebnis  käme.  Bis  jetzt  ist  dies 
—  meines  Wissens  wenigstens  —  noch  nicht  geschehen: 
ich  kann  mir  auch  nicht  recht  vorstellen,  wie  das  zu- 
gehen sollte. 

In  der  Beschränkung  zeigt  sich  der  Meister.  E>em 
Maler  und  Bildhauer  werden  durch  seine  Vorbilder  tausend 
Schranken    gezogen,    in    deren    harmonischen    Zusammen- 


schluß die  Betätigung  seiner  künstlerischen  Arbeit  besteht, 
l'nd  ist  nicht  gerade  die  Musik  dui'ch  die  starke  Bo- 
scliränkuiig,  die  in  der  geringen  Anzahl  v(ui  .Mitteln  besteht, 
die  feinstt^  aller  Künste?  Dem  Architekten  ziehen  die 
(iröße  des  Menschen  und  dessen  Platzbedürfnis  ganz  be- 
stimmte Grenzen   iunei'lialli  deren    er  seinen    rhythmischen 

Aulbau  vornimmt.  Ohne  diese 
Gesetzmäßigkeiten, als  welche 
wir  diese  Schranken  Irtztcn 
iMides  zu  verstehen  haben, 
herrscht  Zügellosigkeit  in 
allen  Künsten. 

Dies  gilt  aucli  für  die 
Gartenkunst.  Insbesondere 
das  von  der  Architektur  Ge- 
sagte. Außerdem  wird  von 
l)eiden  verlangt,  daß  sie  das 
Gepräge  tragen  der  künst- 
lerisch schattenden  Men- 
schenhand, d.  h.  der  ge- 
meisterten Natur.  Dieses 
Gepräge  hat  aber  nichts  zu 
tun  mit  dem,  das  durch  die 
tektonischen  Kräfte  unseres 
Erdballs  im  Laufe  von  Jahi- 
millionen  gestaltet  w'urde. 
Gestaltet  wurde  nach  Ge- 
setzen, denen  auch  unser 
kleines  Menschenhirn  seine 
Existenz  verdankt,  und  die 
uns  ewig  unergründbar  sein 
werden. 


Die  (ii'uudzüse  der  Laud- 
schafts^estaltuiif?.*) 

Hinweise,  wie  man  die  natürlichen  .Schönheiten  vini  (ieblischen 

tinil  Waliinnsen  in  Ersclicinung  treten  lassen  kann. 

Von  J.  Forsyth  Johnson. 

(Aus  dem  Englischen    frei  übertrugen    von  U.  Iv.  Schneider.) 
(Hierzu  Fig.  1—3.) 

E  i  n  1  e  i  l  u  n  g. 

Johnson  leitet  seine  I)arlegungen  mit  dem  Hinweis 
auf  ein  Wort  Richard  Wagners  ein,  worin  dieser  sagt,  daß 
die  erste  Bedingung  für  künstlerische  Betätigung  ist,  „sehen 
zu  lernen".  Wer  zu  sehen  versteht,  der  kommt  zu  allen 
Dingen,  und  insbesondere  zur  Natur,  ins  rechte  Ver- 
hältnis. 


*)  Unter  dem  Titel:  „The  Lavvs  of  developing  landscape: 
showing  how  to  make  thickets  and  woodlauds  reveal  their 
natural  beauty"  hat  John.son  im  Journal  of  the  Roy.  Horti- 
eultural  Society,  London,  vol.  XXIX,  p.  593  eiQeu  Beitrag  zum 


■14 


DIE  GAETENKÜNST 


IX,  3 


Johnson  will  nun  In  dem  Artikel  eine  Anleitung  geben  hängt  davon  ab.  dal.i  wir  die  rechte  Pflanze  an  den  rechten 

zum  Verständnis  natürlicher  Schönheiten.     Wir  müssen  die  Platz  setzen. 

lebendigen?  Züge    in    der  Natur,    ihre    lileibenden.    immer  Ehe  wir  das  Werk  beginnen,    müssen  wir  wissen,  wo 

wiederkehrenden     ewigen    Schönheiten     erkennen     lernen.  wir  |itlan/.en  und  bauen,  und  wo  nicht.     Wir   müssen   das 


r-^-i 


WEST 


Groanä 


Fi^-.  1.     lioher  Situationsplan  eines  Geländes.     +   Höhen,  Q  'liefen.     Die  Karrees  stellen   lOinzäiinungen  dar. 


Wir    müssen    die  Wirkungen    von    i-and,  Wasser.  Pflanze.  Terrain   im  grollen  skizzieivn   und   uns  Vdi-  allem  die  Sichl- 

llimmel  erforschen,  um  Landschaften  zu  gestalten.     Ist    es  linien  einprägen. 

doch    das  Ziel    der  Landschaftsgestaltung,    die    pflanzliche  Amerika     besitzt    immense     Flachen     wilden  ■  Landes, 

Schöne    so   recht  in  Erscheinung  treten    zu    lassen.     Alles  dessen  Schönheiten    so  recht    entwickelt  werden    könnten, 


Thema  „Landschaftsgestaltung"  publiziert,  dessen  Wiedergabe  reich  und  die  Ausdrucks  weise  des  Verfassers  ziemlich  weit- 
in der  ,, Gartenkunst"  um  so  mehr  von  Interesse  sein  dürfte,  schweilig  ist.  Ich  war  aber  bemüht,  das  Wesentliche  getreu 
als  damit  in  unserem  Blatte  einmal  ein  Vertreter  der  neuen  zu  übertragen  und  betone,  daU  der  Hauptwert  gerade  in  den 
englischen  Gartenkunst  zu  Worte  kommt,  der  eine  selbständige  sehr  interessanten  Bildl)eigaben  lie.gt.  Für  die  Erlaubnis  zur 
und  charakteristische  Auffassung  vertritt.  Einige  Stellen  mufsten  Übersetzung  und  die  Uberinittelunf;  des  Klischees  sei  dem  Sekre- 
gektirzt  werden,  da  der  Artikel  mit  den  Figuren  sehr  umfang-  tariat  der  Society  vcrbindliclist  gedankt                 Schneider. 


IX,  3 


DIR   GARTENKUNST 


45 


unter  Verbergung  oder  Entfernung  alles  Unschönen.  Auch  sprechend  und  in  Harmonie  mit  dem  Ganzen  bekleiden  will, 
für  Europa  gilt  dies,  selbst  iiir  England,  wo  die  Striche  Alle  unsere  Figuren  zeigen  solche  Beobachtungspunkte, 
wilden  Landes  notwendigerweise  viel  kleiner  sind.  von  denen  aus  radial  die  Sichtlinien  ausstrahlen.  Vor  Beginn 


'ki^k. 


Sca/e    o/~  c/ar-dS. 
200  300 4- 00 


T'/i'e  ///?es  s/?oiv/7  re/ea/  r//e  ^?ai^iyra/  P/c/e/res 
£/pat  t/^e  /3r?c/possesses,  r/fese  ex/^/M 

ParA  /a/7a^6  /br  /!'es/cye/7i/ä//?ro/aer^/. 


/ 


Fig.  2.     Die  Linien  lassen  die  natürlichen    Bilder,    die    die  Landschaft    besitzt,    in  Erscheinung    treten,    sie    zeigen  an,    wo  man 
pflanzen  mnl)  und  wo  niclit,  oder  wo  vorhandene  W.ddungen   zu  lichten  sind,  um  Parkliindereien  für  Wohnsitze  zu  bilden. 


B  e  0  b  a  c  h  t  u  n  g  s  s  t  e  1 1  u  n  g  e  n . 
Man  muß  zuerst  die  Stellungen  auswählen,  welche  den 
reichsten  Szeneriewechsel  darbieten  und  danach  die  Haupt- 
linien festlegen.  Höhen,  Täler,  Gruppen,  je  nach  dem 
natürlichen  Wechsel  des  Geländes.  Hat  man  die  allge- 
meinen Umrisse  sicher  erfal.U.  so  wählt  man  die  Vegetations- 
charaktere,   womit    man    die    Erde    ihren    Eigenarten    ent- 


des  Werkes  ist  es  von  der  gröL5ten  Wichtigkeit,  diese 
Punkte  festzulegen,  wo  auch  immer  irgend  etwas  gesehen 
werden  kann,  seien  es  lange  oder  breite  Landflächen.  Ge- 
hölze, Gewässer  usw..  derart  daß  sie  dazu  dienen  können, 
die  Wege  so  anzulegen,  daß  sie  die  Besucher  nach  den 
rechten  Beobachtungspunkten  leiten.  Die  Figuren  in  Kontur 
und  Profil    zeigen  Bodenerhebungen,    die    diese  Stellungen 


46 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  3 


beherrschen.  Das  Ziel  ist.  unter  Verbergung  alles  Un- 
schönen die  natürlichen  Effekte  zu  erschlleüen  und  Woh- 
nungen. Wege  usw.  mit  landschaftlichem  Leben  zu  umgeben. 

Die  Beobachtungsstellungen,  welche  die  weitesten 
und  atisgedehntesten  Sichten  bieten,  sind  die  zuerst  zu 
berücksichtigenden  und  werden  Hauptpunkte  genannt.  Nicht 
immer  sind  die  höchsten  und  die  tiefsten  Punkte  die  besten 
für  die  Beobachtung.  Im  Hochland  sehen  wir  oft,  daß  die 
Hauptpunkte  etwas  tiefer  liegen,  als  die  höchsten  Punkte, 
denn  eine  ein  wenig  tiefere  Position  wird  manche  andere 
Punkte  und  Merkmale  in  Sicht  biingen  und  doch  die 
Weite  derhöchsten  Fernsichten  nicht  beeinträchtigen. 

In  Fig.  1  sind  einige  hundert  englische  Acker  Landes 
für  die  Beobachtung  angenommen  und  zwecks  Erklärung 
die  hohen  und  tiefen  Punkte  als  Hauptpunkte  festgelegt, 
obwohl  diese,  wie  gesagt,  in  Wiiklidikeit  niclit  die  eigent- 
lichen Hauptsichtpunkte  sind. 

Wechsel  von  Licht  und  Schatten. 

Landschaft  besteht  aus  einer  Serie  von  \\'ellenbe- 
wegungen,  zusammengesetzt  von  unbegrenzten  Lichtern 
und  Schatten.  In  der  Natur  gibt  es  keine  Linien.  \\'ir 
brauchen  solche,  um  sie  zu  erschließen,  nicht  um  Natur 
zu  machen.  Wenn  v.'ir  Szenerien  in  Übereinstimmung  mit 
dem  Charakter  der  natürlichen  Vegetation  jedes  Landes 
gestalteten,  würde  die  Erde  ein  immerwährendes  Entzücken 
für  den  Beobachter  darbieten.  In  Übereinstimmung  mit 
den  Gesetzen  der  Natur  müssen  wir  arbeiten  und  lernen, 
wie  wir  diese  Schönheiten  erschließen,  von  denen  iMenschen- 
geist  nur  eine  schwache  Vorstellung  hat. 

Zuerst  arbeiten  wir  in  grober  Weise,  mit  dem  Verstand 
wie  mit  der  Feder,  die  verschiedenen  Höhen  und  Täler, 
Punkte  und  Sichten  heraus,  die  den  Boden  charakterisieren 
und  unterscheiden. 

AUeLändereien  bergen  eigene  Schönheiten  und  Vorzüge. 
Jedes  Stückchen  Land  besitzt  seine  eigenen  malerischen 
Schönheiten,  und  diese  müssen  wir  sehen  lernen,  das  ist 
das  erste  Gesetz  der  natürlichen  Gestaltung. 

Das  richtige  Verhältnis  ist  wichtig  in  allen  Dingen. 
Ohne  die  rechten  Proportionen  keine  Harmonie.  Um  die 
wahren  Proportionen  erkennen  zu  lernen,  muß  man  die 
Ausdehnung  des  Landes,  seine  hohen  und  tiefen  Punkte, 
die  Entfernungen,  den  Forniationscharakter  usw.  studieren. 

Fig.  1  zeigt  rohes  Land,  mit  Höhen  und  Tiefen  und 
Einzäunungen  in  der  üblichen  Art.  Die  +  zeigen  die 
Höhen  an,  deren  eine  als  Ort  für  das  Wuhnhaus  odei- 
Schloß  ausgewählt  ist. 

Das  Gebäude  bildet  natürlich  einen  Hauptpunkt  für 
die  Beobachtung,  deshalb  müssen  die  von  dort  ausstrahlenden 
Sichten  ausgestaltet  werden.  Man  muß  die  Bilder,  welche 
das  Land  selbst  besitzt  zeigen  und  sie  zur  weiteren  Ent- 
wickelung  studieren. 

In  Fig.  1  sind  die  Hauptpunkte  so  angedeutet,  daß 
die  +  die  Höhen,  die  i^  die  Tiefen  und  u  den  Platz  fürs 
Haus  zeigt. 

Fig.  2  veranschaulicht  nun  die  Ergebnisse,  ilie  u)an 
durch  Festlegung  dieser  Hauptpunkte  nach  Entfernung  der 
Zäune  erzielte,  indem  sie  die  natürlichen  Vorzüge  des  Ge- 


ländes ins  rechte  Licht  treten  läßt.  Jede  Sichtlinie  ent- 
spricht einem  Bild,  und  indem  wir  die  Höhen  bepflanzen 
und  das  Wasser  vergrößern,  beginnt  unendliche  Schönheit 
sich  von  selbst  zu  entwickeln.  Wir  sehen  sieben  Höhen, 
von  denen  aus  die  Sichtlinien  die  natürlichen  Bilder  an- 
deuten und  auf  die  Punkte  weisen,  deren  schweigendes 
Leben  zu  entwickeln  ist.  Das  Wasser  wird  dort  ver- 
breitert, wo  die  meisten  Linien  sich  schneiden,  und  in 
der  Achse  des  Hauses  wird  es  in  einem  kleinen  See  um- 
gewandelt, mit  einer  Insel,  die  so  liegt,  daß  ihre  Grenzen 
vom  Hause  aus  nicht  erkannt  werden  können. 

Ausstrahlung  (Radiation). 

Ausdehnung  nach  allen  Seiten.  Ausstrahlung  gehört 
zur  Natur,  Uhe  Blumen  strahlen  aus  vom  Stamm,  der 
Baum  strahlt  aus  von  seinen  Wurzeln,  die  Hügel  strahlen 
aus  von  den  höheren  Bergen,  die  Schluchten  von  den 
Tälern,  und  die  Täler  vom  Hauptland,  die  Bäche  von  den 
Flüssen,  die  Flüsse  von  den  Strömen  und  die  Ströme  von 
den  Ozeanen.  Licht  strahlt  aus  von  der  Sonne,  und  das 
Menschengeschlecht  sieht,  atmet  und  lebt  durch  Ausstrah- 
lung. Land,  \\'asser  und  Leben  betätigen  ihr  Sein  in  Aus- 
strahlung und  der  Mensch  empfängt  und  vermittelt  Eindrücke 
durch  die  Mächte  der  Ausstrahlung.  Fig.  2  veranschaulirlu 
die  bedeutende  Entwickelungsfähigkeit  auf  den  Strahlungs- 
linien der  Hauptpunkte.  Wenn  wir  den  Plan  ülierschauen. 
werden  wir  wertvolle  Züge  hervm'treten  sehen.  Abstands- 
wahrnehmungen gehören  zur  Ausstrahlung.  Sie  regiert 
die  Richtung  der  Kurven.  EUe  so  oft  in  der  sogenannten 
Landschal'tsgärtnerei  zu  beobachtenden  Auswüchse  sind 
darauf  zurückzuführen,  daß  der  Gestaller  nicht  der  .Strahlung 
seiner  Szenerie  bei  Bildung  der  Kurven  seiner  Landschaft  folgte. 

Fig.  3  veranschaulicht,  wie  eine  einfache  Handlinie 
durch  Entwickelung  ihrer  Charaktere  auf  ihren  Strahlungs- 
linien sich  in  Vielheit  von  Kurven  autlösen  läßt,  die  doch 
eine  harmonische  Einheit  bilden.  Dies  Beispiel  erklärt,  wie 
natürliche  Regeln  kleine  wie  große  Szenerien  beherrschen. 

Landschaft.  Natürliche  Gestaltungsgesetze  als 
Grundlage  für  Schönheit. 

Um  zu  planen,  bauen  und  anzulegen,  derart  daß  man 
Land  und  Gebäude  in  vorteilhaftester  Weise  ausnütze,  gibt 
es  sieben  fundamentale  Gesetze,  deren  jedes  zu  einem  be- 
stimmten Ziele  hinleitet  und  in  sich  selbst  unendliche  Mög- 
lichkeiten birgt,  zur  Entwickelung  von  Schönheit  beizutragen. 

Landschaft  ist  die  Umwaiuiluiig  stillen  Lebens  in 
unaufhörlich  bewegtes. 

Wir  beginnen  unsere  Arbeit  mit  dem  Boden,  finden 
Stellen  zum  Bauen,  zum  Pflanzen,  für  \\'ege.  zum  Aus- 
lichten usw.  Um  mit  dem  llausbati  zu  beginnen,  ist  es 
notwendig  zu  wissen,  wie  man  bauen  soll.  Es  geht  nicht 
an,  einen  Menschen  anzuweisen,  eine  bestimmte  Sorte  von 
Türen,  Fenstern  oder  Bögen  einzusetzen,  wenn  er  nicht 
weiß,  wie  er  das  eine  oder  andere  machen  soll.  \\'ir 
wünsclien  unsere  Wohnungen  in  ])arkähidicher  Umgebung, 
in  der  Stadt  wie  auf  dem  Lande.  Alle  trachten,  wissentlich 
oder  unwissentlich  danach,  ihnen  solche  Umgebung  zu  geben. 

Eine  rechte  Voi'stellung  von  Landschaft  zu  gewinnen, 
ist    der  Entwickelungskeim    für  den   Künstler,    so  wie    die 


IX,  3 


DIE   GARTENKUNST 


47 


Erlernung!;  von  Zeichnen  und  Malen  das  gleiche  für  den 
Maler  bedeutet.  Zu  zeichnen  ist  die  Grundlage  für  Rein 
Werk:  das  Malen  ist  die  Pflanzung  und  Entwickelung  wirk- 
lichen Pflanzenlebens  auf  dem  Grund. 

Landschaftsgestaltung  besteht  darin,  jedem  f)ing  den 
rechten  Platz  zu  geben.  Nichts  ist  wichtiger;  finden  wir 
doch  überall  Leute,  die,  nachdem  sie  ihr  Geld  geopfert 
haben,  zu  spät  wahrnehmen,  dal.!  sie  falsche  Stellen  für 
die  verschiedenen  Objekte  gewählt   haben. 

Je  nach  dem  Beob- 
achtungsstandpunkt sind 
Effekte  besonderer  oder 
allgemeiner  Art.  Die 
folgenden  Pläne,  zeigen 
nicht  nur  die  besten 
Effekte  und  Entwicke- 
hingsgrade  im  Land,  son- 
dern beweisen  oft.  dalJ 
kein  anderer  Punkt  so 
gut  ist.  und  geben  somit 
die  passenden  Stellen 
für  die  verschiedenen 
Wünsche. 

Johnson  spricht 
dann  enthusiastisch  aus. 
unsere  viel  schönere  Na- 
tur selbst  sei  also  das 
beste  Gemälde.  Betrach- 
te, so  etwa  ruft  er  zuletzt 
aus.  durch  eine  ent- 
sprechend große  reine 
Glasfläche  eine  gut  ent- 
wickelte  natu i'li che  Land- 
schaft, voll  von  bewegten 
und  stillen  Leben,  ver- 
gleiche damit  das  beste 
Wandbild,  und  Natur 
wird  alle  Gemälde  über- 
treffen; wie  natürliche 
Schönheit  die  Schönheit 
des  Inneren  von  Men- 
schen geschaffener  Wohnungen  übertritt't.  so  wird  jeder  Blick 
in  die  Natur  mit  der  ihr  eigenen  Schöne,  bedeckt  von  einem 
unendlichen  blauen  Himmelsgewölbe,  vergoldet  vom  Sonnen- 
schein oder  erhellt  von  den  Sternen  der  Nacht  den  Eindruck 
übertreffen,  den  irgend  eine  Wohnstätfe  auf  uns  ausübt. 

Die  sieben  Gestaltungsgesetze  sind  folgende: 

1.  Beobachtung,  Hauptpunkte.  —  2.  Ausstrahlung.  — 
3.  Umrili  (Abstände  und  Maüe).  —  4.  Profile.  —  5.  Szenerie, 
Zentrum  und  Grenzen.  —  6,  Wege.  —  7  Pflanzung  (Himmels- 
linie, mittlerer  Abstand.  Rasenbahnen).  (Forts,  folgt.) 


Pis.  3. 


Wettbewerb  .  Stadtpark  Scliöiieberg". 

Bereits  in  unserem  Februarhefte  haben  wir  das 
Prämiierungsergebnis  dieses  Wettbewerbes  mitgeteilt.  \X\r 
bringen  im  folgenden  eine  kurze  Übersicht  über  die  in  dem 


Preisausschreiben  gestellten  Bedingungen  und  lassen  dann 
die  prämiierten  Entwürfe  folgen.  Zu  den  einzelnen  Entwürfen 
geben  die  auszugsweise  beigefügten  Erläuterungsborichte, 
soweit  erforderlich,  Aufschlüsse  und  Erklärungen.  Die 
Berichte  ungekürzt  zu  bringen,  ist  uns  des  beschränkten 
Raumes  wegen  nicht  möglich. 

Das  Programm  für  den  Wettbewerb  „Stadtjjark  Schöne 
berg"  enthielt  im  wesentlichen  tnlgonde  Bestimmungen: 
In  dem  vom  „schwarzen  Graben"  durchflossenen  „Penn- 
gelände" soll  ein  Stadt- 
park im  Charakter  einer 
natürlichen  Landschaft 
angelegt  werden.  Größe- 
re regelmätlige  Blumen- 
beetanlagen sind  dabei 
ausgeschlossen.  Das 
gärtnerisch  auszugestal- 
tende Fenngelände  er- 
streckt sich  in  einer 
flachen  Talmulde,  die 
sich  in  westlicher  Rich- 
tung zur  Wilmersdorter 
Gemeindegrenze  hin- 
zieht. Es  findet  seine 
Fortsetzung  auf  Wilmers- 
dorfer ]  Gebiet  bis  zum 
Wilmersdorfer  See,  wo 
der  genannte  schwarze 
Graben  entspringt.  Die 
Gemeinde  Wilmersdorf 
hat  sich  entschlossen, 
die  Parkanlage,  unter 
Einschränkung  der  Brei- 
tenabmessungen, bis 
zum  Wilmersdorfer  See 
(einschl.)  fortzusetzen, 
so  daß  eine  zusammen- 
hängende Parkanlage 
von  rund  1800  m  Länge 
entstehen  wird,  von 
denen  rund  630  m  auf 
Schöneberg  entfallen.  Das  Fenngelände  hat  zum  Teil  bis 
auf  Tiefen  von  15  m  moorigen  Untergrund  und  eignet  sich 
nicht  zur  Bebauung.  Nur  der  Nord-  und  Ostrand  des 
Parkgeländes  soll  landhausmäüig  bebaut  werden. 

In  der  übrigen  Umgebung  des  Parks  ist  die  Efrichtung 
von  fünfgeschossigen  Reihenhäusern  zulässig. 

I»er     mittlere     Grundwasserstand     (+    32,.50   m     über 
N.  N,)  ist  maßgebend  für  den  Wasserspiegel  der  in  dem  Stadt 
park  anzulegenden  Teichanlagen. 

Bei  dem  Entwurf  braucht  auf  die  moorige  Beschaffen- 
heit des  Untergrundes  keine  Rücksicht  genommen  zu 
werden,  ebensowenig  auf  die  jetzige  Oberfiächengestaltung. 
Durch  Anschüttung  schwerer  Sand-  und  Lehmmassen  soll 
der  schlammige  Untergrund  in  der  ganzen  Talmulde  seitlich 
herausgedrängt  und  mit  der  oben  aufgebrachten  Boden- 
schicht zu  einem  guten  Pflanzboden  gemischt  werden. 
Eine  größere  Bodenaufschüttung  ist  bereits  vorhanden  und 


Entwickehingslinien    einer  Szenerie  aus  bestimmten  Gi-enzen  in 
freie  Natürlichkeit. 


48- 


DIE  GAETENKUNST 


IX,  3 


wird  in  geeigneter  Weise  bei  der  Anlage  des  Parks  um- 
zugestalten sein. 

Als  Höhenpunkte  für  den  Park  sind  die  Ordinaten  der  iiin 
umgebenden  und  durchschneidenden  Straßen  zu  betrachten. 
In  der  Achse  der  Straße  P  ist  in  der  Breitenausdehnung 
des  Parks  die  Anlage  eines  unterirdischen  Bahnhofs 
geplant,  der  vom  Park  und  von  der  Straße  aus  zugänglich 
gemacht  werden  kann. 

Da  der  Zusammenhang  der  beiden  Parkteile  hierdurch 
empfindlich  gestört  wird,  so  wird  anheimgegeben,  zu  über- 
legen, ob  es  möglich  ist,  die  Einheitlichkeit  der  Parkanlage 
dadurch  besser  zu  wahren,  daß  der  Bahnhof  teilweise  oder 


I. 

Motto:  „Was  Ihr  wollt". 

Verfasser:  Gartenarchitekt  O.  Kniepper-Düsseklorf. 

(I.  Preis.) 
Dem  Programm  gemäß  sind  zwei  große,  geräumige  Teiche 
projektiert.     Dieselben    liegen    in  einem  Längstal,    von  Höhen- 
zügen umrahmt. 

Die  Vegetation  schmiegt  sich  dem  Goliinde  im.  Die  Ge- 
hölze bewalden  die  Höben,  während  Gras  und  Stauden  die 
Niederungen  begrünen. 

Nur  :in  den  steilsten  Abhängen,  besonders  dort,  wo  das 
Wasser  nagt,  können  zur  Erhöhung  des  malerischen  Reizes 
Felsen    angebracht    werden ;    besser    jedocli    Pi'ahlrammungen, 


Lagejjlan  des  Geländes  für  den  proj.  Schöneberger  Stadtpark. 


ganz  mit  flachen  Erdböschungen  und  Pflanzenanlagen  über- 
deckt und  eine  unterirdische,  grottenförmige  Verbindung 
der  beiden  Parkhälften  hergestellt  wird. 

Der  Stadtpark  soll  von  allen  Seiton  frei  zugänglich  sein. 

Erwünscht  ist  die  Herstellung  von  Teichanlagen  bzw. 
Wasserläufen,  die  im  Winter  als  Eisbahn  zu  benutzen  sind. 

Die  Ausführung  einer  Kestauration  oder  dergl.  bleibt 
der  Privatspekulation  auf  dem  angrenzenden  Baugelände 
vorbehalten. 

Größere  Spielplätze  (für  Ball-  und  Laufspiele)  sind  aus- 
geschlossen. Dagegen  ist  auf  die  nichl  störende  Ein- 
gliederung kleinerer  Plätze  für  jüngere  Kinder  Bedacht  zu 
nehmen. 

Für  die  Aufschüttungen  sind  Kosten  nicht  in  Ansatz 
zu  bringen. 

Ijie  Anlagekosten  dürfen  250,000  Mk.  nicht  übersteigen. 

Für  die  Bepflanzung  sind  einheimische  und  Winterhärte 
Pflanzen  in  Aussicht  zu  nehmen. 

Lias  ganze  Parkareal  ausschließlich  der  umgebenden 
Straßen-  und  ßauflächen  umfaßt  rund  67000  i|m. 


Faschinen,  Zyklopenmauerwerk,  die  ebenso  malerisch  wirken 
können.  Man  kann  in  dieser  Hinsicht  viel  von  den  Japanern 
und  ihren  Gärten  lernen. 

In  der  kleineren  Parkhälfte  finden  wir,  vom  Wasser  ent- 
fernt, für  die  Kinder  ungefährlich,  die  Spielplätze. 

Um  ein  unbehindertes  Ein-  und  Ausfahren  der  Schlitt- 
schuhläufer aus  dem  einen  Teich  in  den  anderen  zu  ermög- 
lichen, sind  die  Wasserflächen  durch  zwei  Arme  miteinander 
verbunden.  Zufluss  erhalten  die  Teiche  aus  einem  Bach, 
welcher  von  der  städtischen  Wasserleitung  gespeist  wird. 

Bei  der  Projektierung  der  Wege  ist  Bedacht  darauf  ge- 
nommen worden,  dem  Fußgänger  den  Weg  zu  kürzen  und 
angenehmer  zu  gestalten,  bei  gleichzeitiger  Entlastung  der 
lUirgersteigo. 

Über  die  Pflanzungen  berichten  die  Erläuterungen  des 
Arbeitsplanes.  Als  I5auwerke  kommen  in  Betracht  drei  Jb-ückiMi, 
die  je  nach  den  zur  Verfügung  gestellten  Mitteln  aus  Stein 
oder  Holz  hergestellt  werden  können.  Gleiches  gilt  von  den 
Bedürfnis:instalten  usw. 

Die  Baulichkeiten  dürften  am  hosten  im  Biedermaierstil 
auszuführen  sein;  derselbe  leistet  auf  diesem  Gebiete  viel 
Schönes. 


IX,  3 


DIE  GARTENKUNST 


49 


Ö 


CS 


II. 

Motto:  „Schlicht". 

Verfasser :  Stadtgarten Jirektor 

E  n  ck e  u. Stailtbauinspektor  B  o  1 1  e  - 

Köln. 

(II.  Preis  ) 

Durch  die  Forderung  größerer 
Grundwasserteiche  und  die  Höhen- 
lage der  angrenzenden  Straßen  und 
Baugrundstücke  bei  einem  Höhen- 
unterschied von  etwa  6,6  m  ergibt 
sich  eine  talartige  Vertiefung,  die 
im  Zuge  der  Straße  P  durch  die 
Untergrundbahn  dui'chschnitten 
wird.  Im  westlichen  Teile  ist  die 
vorhandene  Anschüttung  (Lager- 
platz) bis  ca.  40,6  m  höher  geführt 
und  als  Aussichtspunkt  behandelt. 
Die  dadurch  entstehende  Ein- 
engung des  Tales  ergibt  ein  von 
dem  alltäglichen  abweichendes, 
charakteristisches  Bild. 

Die  künstlerische  Bodengestal- 
tung des  Geländes  erfordert  hierzu 
außer  dem  Bodenabtrag  auf  dem 
Terrain  selbst  noch  etwa  30000  cbm 
Boden,  da  sonst  die  durchschnitt- 
liche Höhenlage  des  Parkes  noch 
tiefer  angenommen  und  die 
Böschungen  steiler  gemacht  wer- 
den müßten,  was  beides  nicht  er- 
wünscht erschien,  zumal  durch 
häufigere  Verwendung  von  Felsen 
und  durch  sorgfidtigere  Befestigung 
der  Böschungen  die  Ersparnis  wie- 
der aufgehoben  worden  wäre. 

Es  sind  zwei  durch  die 
StralSe  P  getrennte  Wasserflächen 
vorgesehen,  die  östliche  4800  ipu. 
die  westliche  7800  i|m  groß. 
Letztere  'hat  eine  für  den  Eissport 
unter    den    Brücken    ist    sie    noch  6 


fe 


I 

CS 
LJ 


Die  Untergrundbahn  kann  man  vom  Park  aus  nicht  be- 
treten, falls  die  der  Unterlage  beigegeljene  Entwurfskizze  zur 
Ausführung  kommt.  Es  fehlen 
nämlich  in  derselben  Außenperrons. 
Ich  habe  solche  eingezeichnet  iniil 
durch  Ivanipen,  die  längs  der  Bahn- 
hofswände laufen,  ihr  Betreten  er- 
möglicht. 

Sollte  dieser  Vorschlag  ak- 
zeptiert werden,  so  kann  der 
Bahnhof  gelüftet  und  mit  Fenstern 
versehen  werden.  Anderseits  wird 
der  unglückliche  Hauptausgang 
nacli  der  Straße  P  entlastet. 

Platz  V  ist  auch,  dem  Verkehr 
Rechnung  tragend,  reguliert  wor- 
den. 

Gesamtsumme  des  Kostenan- 
schlages 250000  Mk. 


haben    eine    Scheitelhöhe    über    dem  Wasserspiegel  von  2,6  m. 
Zur  Frisclihaltung    und  Ergänzung    des  Wassers    sind  Wasser- 


^ [:s] 


o 


bß 


o 


erwünschte  große  Länge, 
m    breit.   —    Die  Brücken 


zulaufe    und   ein  Springstrahl  vorgesehen,  die  aus  der  Wasser- 
leitung zu  speisen  sind.     Die  Abführung  kann  durch  Überlauf- 


50 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  8 


Schaubild  zum   We'ttbewei'bsentvvurf  für  den  Schöntherger  Stadtpark. 

Bauinspektor  Bolte-Köln. 


\'(in   t  uirtoudiri'Utor   Eiiekc-   und 


röhre  in  die  Kanalisation  erfolgen.  Auf  dem  westlichen 
Weiher  bieten  mehrere  Inselchen  dem  Wa.ssergeflügel  Unter- 
schlupf; auch  im  östlichen  Teiche  ließe  sich  eine  kleine  Insel 
anbringen.  Von  Enten-  und  Schwanenhäuschen  in  dekorativer 
Ausbildung  wurde  abgesehen. 

Bei  den  Hauptwegen  wurde  ein  Gefälle  von  1  :  10  nicht 
überschritten.  Da,  wo  Treppen  vorgesehen  sind,  ist  auch  für 
bequeme  treppenlose  Verbindungen  getorgt.  Die  Breite  der 
Hauptwege  beträgt  6  m. 

Bei  der  Behandlung  der  Bamberger  Strafie  wurden 
ca.  7  m  breite  Gehölzstreifen  angeordnet,  welche  es  ermög- 
lichen, höheren  Baumwuchs  ungezwungen  mit  Buschwerk 
abwechseln  zu  lassen,  so  daß  das  Trennende  der  StralJe  nach 
Möglichkeit  aufgehoben  wird. 

Die  Untergrundbahn  ist  als  ein  willkommenes,  architek- 
tonisches Motiv  in  der  Parkanlage  angesehen  worden. 

Von  einer  gänzlichen  oder  teilweisen  Einschiittung  des 
Bahnbaues  wird  dringend  abgeraten.  Auch  die  Verbindung 
der  Parkteile  durch  eine  tunnelartige  Unterführung  ersclieint 
nicht  ratsam,  da  derartige  immerhin  schmale  und  schlecht- 
beleuchtete Gänge  schwer  zu  beaufsichtigen  und  rein  zu  halten 
sind.  Übergänge  an  den  beiden  Enden  der  t'berführiing  er- 
scheinen hinreichend  beijuem  und  natürlich. 

An  Stelle  der  in  den  Unterlagen  angenommenen  .Vuskragung 
der  Fußsteige  in  Eisenwerk 
sollten  massive  Bögen  aus 
Beton  treten,  wie  aus  der 
beigegebenen      Ansichts 
Zeichnung  ersichtlich  ist; 
dabei    sind    in    bewußter 
Weise      kleinliche     Zier 
formen,  Gesimse  usw.  ver- 
mieden. 

Diese  Anordnungmaclit 
den  ganzen  Bahnhof  hell, 
gewährt  schöne  Einblicke 
von  den  Bahnsteigen  ii^ 
die  Parkteile  und  es  Lassen 
sich  zwanglos  Abortan- 
lagen, Geräteräume  etc. 
unterbringen. 


■Scliaiibilil   /,uin    Weltbewt^rbsentw 
Von  Gartendirektor  Encke- 


Kin  weiteres  Abortgebäude  kann  an  der  Bamberger  Straße 
bei  Punkt  A  durch  Buschwerk  verdeckt  angeordnet  werden. 

Da  die  Länge  der  Bautluchtlinie  bei  X  mehr  als  40  m 
betlägt,  mithin  eine  zusammenhängende  Bebauung  ausge- 
schlossen ist,  so  wurde  für  den  Eingang  X  der  Bauwich  zwischen 
den  zwei  Eckhäusern  benutzt  und  von  einer  besonderen  Portal- 
bildung abgesehen:  es  wurde  vielmehr  angestrebt,  statt  de.ssen 
einen  einladenden  Laubengang  anzuordnen.  Der  vor  dem 
Eingang  belegene  dreieckige  Platz  ist  als  Vorplatz  zum  Park- 
eingang zu  einem  einfachen,  baumbestandenen  Platz  mit  Ruhe- 
bänken und  Strauchwerkumrahmung  au.sgestaltet  worden. 

Die  Höhenlage  des  Einganges,  gegenüber  dem  nahen 
Teiche  ließ  die  Anordnung  einer  Terrasse  angemessen  erscheinen. 
Hier  ist  der  einzige  Platz,  an  welchem  Blumenschmuck  in 
regelmäßiger  Beetform  verwandt  ist.  Für  die  etwa  notwendig 
werdende  Verlegung  des  Eingangs  nach  dem  Punkt  Y  ist  eine 
Variante  beigefügt.  —  Bei  der  Kreuzung  der  Straße  P  mit 
der  Straße  R  geht  der  Zugang  über  eine  kleine  Anhöhe 
(4-  40,00  m).  die  einen  interessanten  Überblick  über  den  Ver- 
kehr der  hier  zusammenlaufenden  Straßen  gewährt.  Sie  ist 
mit  Pyramidenpappeln  bepflanzt,  die,  von  Westen  aus  gesehen, 
der  Brücke  einen  guten  Abschluß  geben.  —  An  der  Südwest- 
ecke dos  Parkes  befindet  sich  eine  Treppenanlage  mit  Wasser- 
becken   unil    Figurengiu|ipen.     Von    liier    aus    hat    man    einen 

liesonderen  schönen  Bück 
iibereine  kleine,  von  einem 
liach  urchflossene  Wiese 
.luf  den  Teich. 

An  den  steilalif.iilen- 
<\rn  Hängen  des  Platzes 
II,  suwi(>  an  den  gegcn- 
liber  liegenden  Teich- 
ufern, gleichfalls  an  dem 
t  iefeingeschnittenen  Quel- 
lauf,  welcher  der  .Vnhiihe 
1 1  iiitstrünit,  sind  Kalk, 
fcisenschichtungeu  ge- 
plant, ähnlich  wie  sie  im 
Victoriapark  in  Berlin  in 
so  vorzüglicher  Weise  zur 
.\n  Wendung      gekommen 


Ulf  für  den  Schöneberger  Slailtpaik. 
und  Bauinspektor  Bolte-Köln. 


IX,  3 


DHC  GARTKNKUNST 


sind.      Das    Plateau     ist    «liircli     eine     Pergola     iM^kriliit, 
beiderseits  durch  überdeekto  Pavillons  abf^escldossen  \v 

In  beiden  Parkte ilen  ist  je  ein  Spielplatz 
für  kleinere  Kinder  vorgesehen  (K  l  und  K  2), 
Auch  wird  Platz  W  am  Tfer  des  östlichen 
Teiches  gern  von  Kindern  aufgesucht  werden. 
Im  östlichen  Parkteile  soll  die  reichhaltige 
und  im  Herbstbuntgefärbte  Flora  Nordamerikas 
unil  Ostasiens  vorherrschend  sein,  jenseits  des 
Stral.ienüberganges  dagegen  Nadelhölzer  den 
Hauptbestandteil  bilden;  an  dem  Abhang  nach 
dem  größeren  Teiche  zu  gel.t  die  Pflanzung 
in  die  Bruchvegetation  über,  ("her  die  Misch- 
vvaldvegetation,  bei  dir  Kielicn  vorherrschen 
können,  gelangt  man  in  die  Buchenwaldforma- 
tion, wobei  bis  die  Buchen  herangewachsen 
sind,  schnellwüchsige  Bäume  (Ahorn,  Linde) 
das  Skelett  der  Pflanzung  bilden  sollen. 

Ivrautartige  Blumen  haben  nur  unter- 
geordnet beetartig  Verwendung  gefunden.  I'ni 
so  mehr  sollen  ausdauernde  Stauden,  vvelche  zu 
den  verschiedenen  Vegetationsbildern  passen, 
angepflanzt  werden.  In  dem  fremdländisch 
bepflanzten  Teile  mag  ein  buntes  Gemisch 
der  schönblühenden  .Staudenarten  unserer  Gär- 
ten die  Abhänge  zieren.  Am  Bande  des 
Tannenwaldes  mögen  die  einheimischen,  hier- 
hergehörigen Kräuter  bescheiden  sprießen,  wäli- 
rend  an  den  Hängen,  Pflanzungsrändern  und 
Bachufern  des  westlichen  Teiles  die  deutsche 
Stauden  Vegetation  in  reichster  Fülle  wuchern 
soll. 

Gesamtsumme  des  Kostenanschlages  24'JOOO 
Maik. 


welche       Umgebung    immer    und    immer  wieder  entzückt,   muß    hier  in 
rd.  maßvoller  Steigerung  vereint  werden,  besonders  die  malerische 


111. 

Motto:  „Sonnenwende". 

Verfasser:  F.  Ullrich- Berlin. 

(III.  Preis  ) 

Um  das  ganze  Gelände  zn  einer  einheit- 
lich wirkenden  Parkanlage  umzugestalten,  ist 
es  notwendig,  das  Trennende  der  Slraße  P  zu 
beseitigen  durch  Gliederung  des  Ganzen  in 
einen  scheinbar  höher  und  einen  tiefer  gelegenen 
Teil,  wobei  die  Straße  P  terrassenartig  ver- 
mittelnd wirkt. 

Der  Ausführung  dieser  Idee  kommt  zu  gute, 
daß  der  von  den  Straßen  P  und  R,  sowie  der 
Erfurter-  und  Martin  Lutherstraße  umgrenzte 
liätliche  Teil  durch  die  Umbauung  eine  gewisse 
Abgeschlossenheit  erhält.  Größerer  Anschüttun- 
gen bedarfes  nur  an  den  Straßen  P  und  li,  an 
letzterer  nur  so   weit  sie  nicht  bebaut  wird. 

Nach  innen  senkt  sich  das  Gelände  wieder 
zur  alten  Lagehinab.  Für  die  weitere  Ausge- 
staltung des  Geländes  ist  das  Motiv  gegeben. 
In  dem  Flußbett  von  einst  sind  zwei  kleine 
Teiche  von  11256  qm  projektiert,  die  sich  als 
Überreste  aus  früherer  Zeit  darstellen.  Damit 
ist  die  Möglichkeit  gegeben,  fesselnde  Bilder 
zu  schaffen  im  Geiste  jener  kleine  idyllischen  Seen,  an 
die     Mark    so   reich   ist.      Alles,    was    an   ihnen    und 


denen       Wirkung    der    Birke  und    des   Schilfes,  ein  buntes  und  reiches 
n    ihrer       Pflanzenleben      am     Ufer,     auf     dem     Wasser     Seerosen  Imit 


52 


DIE  GARTENKUNST 


r 


IX,  3 


I- 


O: 

a 


00 

a 


ihren  iächim- 
raernden  Blüten. 
VonOrottenbau- 
ten  zur  Unter- 
führung der 
Straße  P,  resp. 
der  Untergrund- 
bahn rate  ich  ab, 
da  sie  mit  dem 
ganzen  Charak- 
ter des  Geländes 
nicht  vereinbar 
sind.  Meine  Ab- 
.sicht  geht  dahin, 

einfach  einen 
Tunnel        unter 
der  Untergrund- 
bahn     durchzu- 
führen.  Wie  auf 
dem     Plan      er- 
sichtlich,   ist  an 
der     Straße     P. 
gegenüber      der 
Treppenanlage, 
ein  Gebäude  im 
Grundriß  projek- 
tiert.    (Das   Ge- 
lände    ist    hier, 
wie    bereits    er- 
wähnt,   in  Stra- 
ßenhöhe   aufge- 
schüttet.) Dieses 
Gebäude  ist   als 
Eingangshalle 
zum  Tunnel  und 
damit  zurl'nter- 
grundbahn     ge- 
dacht.   Von  hier 
aus     führt    eine 

Treppe  von 
ÖL' Stufen  (16  :  25 
cnii  zu  dem  8  m 
tiefer  gelegenen 
Tunnel  hinab, 
an  dessen  ande- 
rem Ende,  nach 

beiden  Seiten 
einer       grossen 
l'reitreppe,  Aus- 
gänge in  den 
tiefer  gelegenen 
westlichen    Teil 
•Icr  Anl.age  füh- 
len.    Auch  hier 
sind,    entsprech- 
end der  Höhen- 
lage, Trep|>en 
Mirgeschen.  L'n- 
i;ffähr    auf     der 
.Mitte   des    Tun- 
nels befinden 
sichdie.Vufgänge 
/.umUntorgrund- 
bahuhof.   Dieser 


IX,  3 


DIE  GARTENKUNST 


53 


ist,  wenn  nicht  von  oben,  d.  li.  von 
der  Straßenniitte,  nur  so  erreichbar. 
.Seitliche  Peirons  sind,  da  immer  nur 
nach  einer  Richtung  benutzbar,  auf- 
geschlossen und  wären  außerdem  ohne 
Tunnel  nicht  gleichzeitig  von  beiden 
Teilen  des  Parkes  erreichbar.  Uie 
Eingangshalle  kann  ausserdem  noch 
verschiedenen  Zwecken  nutzbar  ge- 
macht werden,  z.  B.  als  Verkaufsraum 
für  Milch  und  Erfrischungen.  .Sie 
soll  in  ihrer  Architektur  der  landschaft- 
lichen T'mgebung  zum  Schmuck  dienen 
und  als  architektonischer  Absclilul.!  zur 
Treppenanlago  die  Vorstellung  vom 
höher  gelegenen  jenseitigen  Teil  ver- 
stärken. 

Die  Verbindung  der  Straße  T  mit 
dem  Platze  V  ist  durch  einen  6  m 
breiten  Fußweg  mit  schönen  Blicken 
über  den  See  hergestellt.  Der  Platz  K 
ist  architektonisch  behandelt.  Den 
Unterbau  bildet  eine  nach  dem  Wasser 
zu  offene  Halle,  die  als  Bootshaus  zu 
verwenden  ist.  Kleine  Spielplätze 
sind,  dem  Programm  entsprechend, 
an  mehreren  Stellen  vorgesehen. 

Die  vorhandene  Aufschüttung  ist 
erhöht  und  zu  einem  Promenaden- 
platz mit  Pavillon  und  Ausblicken 
durch  die  ganze  Anlage  umgestaltet. 
Zur  Gartenstraße  S  gelangt  man  mit- 
telst einer  Treppe  und  über  die  Brücke, 
Die  Brücke  kann  vermöge  ihrer  Höhe 
sowohl  im  Kahn  als  auch  beim  Schlitt- 
schuhlaufen   bequem  passiert  werden. 

Eine  Treppenanlage  führt  zu  dem 
tiefer  gelegenen  Teil  der  Anlage  hinab 
und  mündet  auf  einen  terrassenartig 
in  den  Teich  vorspringenden  Platz. 
Gegenüber  liegt  der  Platz  mit  Blick 
nach  der  Anhöhe  mit  dem  Pavillon, 
links  Dlickt  man  nach  der  Brücken- 
partie und  dem  übrigen  Teil  der 
Anlage. 

Den  Tunnel  zur  Eingangshalle 
emporsteigend,  hat  man  vor  sich 
einen  ruhigen,  von  Blumen  durchwirk- 
ten Wiesenplan,  den  Gruppen-  und 
Einzelbäumo  in  natürlicher  Anord- 
nung malerisch  umgeben.  —  Ein  Pro- 
menadenweg führt  zu  einem  großen 
Sitzplatz  im  östlichen  Teile,  an  dem 
der  Ausgang  nach  dem  Platze  R  liegt. 

Eine  Bedürfnisanstalt  befindet 
sich  am  Platze  V,  weitere  können  im 
Tunnelaufgang  geschaffen  werden. 
Ein  Aufbewahrungsort  für  Geräte  ist 
im  Unterbau  des   Pavillons  zu  schaffen. 

Die  Ausfülirungskosten  der  An- 
lage betragen  nach  überschläglicher 
Berechnung  95  271,76  Mk.  ausschliess- 
lich Eingangshalle,  Treppenanlage, 
Bodenanfuhr. 


54 


DIE    GARTENKUNST 


IX,  3 


Schaubikl  zum   Wetlbtwerbsentw  urf  für  der  Scluinfbcrger  Stadtpuil 
von  J.  P.  Grossmann-Leipzig. 


Die  Bepflanzinig  soll  [sich  durchaus  im  Charakter  dir 
märkischen  Landschaft  halten,  wie  sie  jene  J^eenketten  bieten, 
die  ihr  Vorhandensein  auf  ehemalige  Flußläufe  zurückführen 
Überall  ist  eine  reiche  Verwendung  von  Stauden  und  so  weiter 
beabsichtigt,  sowohl  der  heimischen  wildwachsenden,  als  auch 
ihrer  Kulturformen.  Ebenso  fremde,  winterharte  Gehölze,  so- 
weit sie  ähnlichen  Vegetationsgemeinschaften  angehören.  Jede 
Einzelheit  im  voraus  festlegen  zu  wollen,  ist  nicht  möglich. 


■Wien. 


IV. 
Motto:  „200  000". 
Verfasse]':  Gartenarchitekt  tioehe 
(Zum  Ankauf  empfohlen.) 

Aus  der  Hidienlage  der  den  Park  umgebenden  Straßen,  dem 
Wasserspiegel  des  geforderten  Teiches  und  der  Straße  P  mit  dem 
unterirdischen  Hahnhofe  ergibt  sich  die  Bodengestaltung  für 
die  Neuanlage  des  Parkes.  Sie  wird  wie  bisher  ein  langge- 
strecktes Tal  bilden,  dessen  Mitte  tiefer  als  jetzt  ist,  weil  der 
Wasserspiegel  des  Teiches  (gleich  Grundwasserspiegel)  1,50  m 
unter  dem  derzeitigen  Terrain  liegt,  die  Hänge  werden  steiler 
und  höher,  da  sie  sich  bis  zu  den  hoch  angeschütteten  Straßen 
hinaufziehen  müssen. 

Die  Mitte  wird  Licht-  und 
Sjchlraum  bleiben,  die  Ränder 
werden  bepflanzt  mit  beschat- 
tenden Gehölzbeständen,  bald 
dicht,  bald  locker,  Einblicke 
von  Straßen  und  Wegen  nach 
bestimmten  Punkten  gestattend. 
Infolgedessen  sind  die  Wege 
nahe  den  Grenzen  und  mit 
Hedacht  auf  die  Verkehrs-  und 
Steigungsverhältnisse,  die  Be- 
pflanzung  und  die  Sichtlinieu  an- 
geordnet. Sie  durchschneiden 
die  Talmitte  in  jedem  Parkteile 
nur  einmal  zum  Zwecke  dei- 
erforderlich  bequemen  Durch- 
i|uerung  des  Parkes. 

Der    Hauptweg    läuft    fi   m 


Scliaubild  zum   Wettbewerbsentwurf  für  den  SchiJneberger 
Stadtpark  von  •!.  P.  Grossuuinn-Leipzig. 


breit  .ils  ununterbrochener  ümgangsweg,  die  Straße  P 
unter  dem  B:ihnhofe  tunneliereud,  oder  über  sie  hin 
wegführend,  durch  den  ganzen  Park,  mit  Verbindungen 
nach  allen  Straßen. 

Der  Teich  (ca.  14'200  ipii  Fläche)  nimmt  die  Tal- 
mitte zur  Hälfte  ein.  Die  bedeutende  Größe  hat 
außer  schönheitlichen  Vorzügen  die  praktischen  Vor- 
teile einer  besseren  Wassererhaltung,  größere  Aus- 
nutzung für  Eislauf  und  Gondelspoit  nnd  ermöglicht 
die  zur  Mischung  d.,'r  angeschütteten  Sandmengen 
erforderlichen  schweren  Schlamm-  und  Moormassen 
durch  die  Ausscliachtungen  zu  erhalten. 

Die  Wasserversorgung  geschieht  durch  das  Grund- 
wasser und  durch  den  Abfluß  aus  dem  Springbrunnen 
am  Eingange  an  dir  Bambergerstraße  vermittelst  des 
Bachlaufes,  den  Wassersturz  und  event.  auch  durch 
die  zwei  zu  Seiten  der  Straße  P  eingezeichneten 
Springstrahle,  die  zur  architektonischen  Entwiokelung 
dieses  Parkteiles  hinüberleiten ,  die  durch  die  ge- 
plante Bahnhofsanlage  unter  der  Straße  P  bedingt 
wird.  Duich  eine  geschickte  .Vusführung  der  Ufer- 
mauern längs  der  Straße  P,  die  tiefe  biückenbogen- 
aitige  Scheindurchlässe  enthalten  müßten  (wirkliche  Durchlässe 
sind  zu  kostspielig),  wird  man  an  eine  Zusammengehörigkeit 
der  beiden  Teichteile  glauben  und  atdJerdem  wird  durch  die 
architektonische  Übereinstimmung  zwischen  Bahnhofanlage, 
l  firmauerii,  Wasserhorizontale,  Springstrahl  die  Einfügung 
der  Hahnhofsanlage  und  Straßenüberführung  in  die  Parkland- 
schaft gelöst  sein.  Die  Verbindung  der  beiden  Parkteile 
unter  dem  Hahnhofe  hindurch  muß  ebenfalls  eine  architek- 
tonische Form  erhalten.  Der  Nivellementsplan  gibt  die  zu- 
künftige Terraingestaltung,  der  Bepfhmzungsplan  die  ungefähre 
Veiteilung  von  Laub-  und  Nadelholz  in  verschiedenfarbiger 
Tönung  an.  —     

V. 

Motto:  „Grunewiese''. 

Verfasser:  Garteningenicur  J.   P.  Grossman  u- Leipzig. 

(Zum  Ankauf  empfohlen.) 
Wie    das    Motto    „tirunewiese"    besagt,    ist    der  Stadtpark 
zum    größten   Teile    im    Charakter    einer   Wiesen-    oder    .Viien- 
landschaft  gehalten. 

Bestimmend  hierzu  war,  daß  das  Terrain  eine  sumpfige 
Niederung  ist  uml  im  Programm  größere  Wasserflächen  ge- 
fordert werden.  Es  ist  also  das 
Nächstliegende,  dem  Gelände 
die  charakteristischen  Eigen- 
schaften eines  Niederungsge- 
liiudes  zu  belassen  und  sie  neben 
Uücksichtnidime  auf  die  prak- 
tischen und  hygienischen  Erfor- 
dernisse künstlerisch  zu  steigern. 
Auffüllungen  müssen  sich 
darauf  beschränken,  die  An- 
schlüsse an  lue  Straßenhöhen  zu 
vermitteln  und  das  Terrain,  so 
weit  als  niitig,  trocken  zu  legen. 
Dabei  sind  l''elspartien  zu 
vermeiden,  da  diese  hier  nie 
die  ini]iosaute  Wirkung  hervor- 
rufen können,  wie  der  Wasser- 
f:ill  des  Viktoriaparkes  an 
dem   .Vbbansie   des   Kreuzberges 


IX,  3 


DUO   GAKTIONKI   NS'I' 


Mit  Konsequenz  dagegen  sei  eine  Niederungslandschuft  mit 
allen  den  schönen  Kinzelheiten,  welche  ihre  Flora  uns  bieten 
kann,  durchgeführt. 

Besondere  Rücksicht  ist  auf  Verkehrs- 
verbindungen und  Zugänge  zu  dem  Park 
und  dem  Untergrundbahnhof,  starke  ße- 
sonnung  und  Durchlüftung  der  tiefliegen- 
den Wiesenflächen  l)ei  trotzdem  schattigen 
Wegen,  Vermeidung  größerer,  unnötige] 
Erdarbeiten,  insbesondere  Erhaltung  '  der 
bestehenden  Aufschüttung,  Einheitlichkeit 
der  Parkanlage  in  künstlerischer  und  prak- 
tischer Beziehung  trotz  der  den  Park 
durchiiuerenden    Straßenzüge    zu    nelimen. 

Wenn  ich  den  kleinen  abgetrennten 
Teil  in  dem  vollständig  anderen  Charakter 
einer  regelmäßig  geometrisch-architekto- 
nischen Anlage  au.sgestaltet  habe,  so  mag 
das  scheinbar  ein  Widerspruch  sein.  In 
Wirklichkeit  lä(3t  sich  die  Einheitlichkeit  der 
Parkanlage  nur  dadurch  lösen,  daß  beide 
Teile  ganz  verschiedenen  Charakter  erhalten 
und  in  dem  l'ntergiundbahnhof  ihren  ge- 
meinsamen Alischkil.)  finden.  Bei  gleichem 
landschaftlichen t  'harakter  würde  der  Unter- 
grundbalinhi)f  sich  trennend  einschieben, 
und  man  würde  stets  das  unangenehme 
(refühl  haben,  daß  etwas  Störendes  sich 
in   die    Parklandschaft  gedrängt  hat. 

Da  sich  die  Schaffung  einer  Hügellaml- 
schaft  in  dem  kleineren  Teile  der  Örtlichkeit 
wegen  von  selbst  verbietet,  so  bleibt  nur 
die  geometrisch  -  architektonische  üestal- 
tungsweise  übrig.  Durch  Eindecken  de^ 
Untergrundbahnhofs  die  Einheitlichkeit  der 
Parkanlage  lierzustelleii,  wüide  sowohl 
praktisch  wie  künstlerisch  nur  einen  Not- 
behelf bilden. 

Auch  ein  Verdecken  dun-li  Pflanzung 
kann  nicht  empfohlen  werden.  Der  Unter- 
grundbahnhof muß  nach  außen  als  das  in 
Erscheinung  treten,  was  er  seinem  Zwecke 
nach  ist,  und  der  Gartenkünstler  muß  ihn 
zum  Mittelpunkt  des  Parkes  machen. 
Durch  Angliederung  von  Terrassenmauern 
usw.  kann  man  in  den  Park  überleiten. 
Dann  wird  der  Bahnhof  nicht  trennend 
wirken,  .sondern  vereinigend  als  Mittelpunkt 
des  Ganzen. 

Der  Haupteingang  ist  an  dem  Platze 
R  geplant.  Ein  4  ni  breiter  Weg  führt 
direkt  auf  das  Eingangstor  zu,  und  in  seiner 
Mittellage  liegt  die  große  Fontaine  des 
regelmäßigen  Teiches.  Das  Tor  ist  einfach 
gehalten. 

Durch  das  Tor  tritt  man  in  einen 
laubengangartigen  Weg.  Derselbe  ist  nach 
oben  offen  gehalten,  damit  die  Sonne  den- 
selben durchfluten  kann  und  die  rechts  und 
links  angepflanzten  Stauden,  Schlingrosen, 
Klematis     usw.      recht     üppig      gedeihen 

können.  Der  Gang  endet  in  einer  Laube,  von  welcher  rechts 
und  links  Laubengänge  halbkreisförmig  weiter  zum  Parke 
führen.     Über    das    vertiefte  Parterre   hat  man  von  der  Laube 


einen  schönen  Blick  auf  den  Teich  mit  Fontaine.  —  Kastanien- 
alleen   umgeben    den    großen    regelmäßigen  Teich  und    führen 


auf  den  Untergrundbahnhot  zu.  Ihr  Zielpunkt  sind  die  höher 
als  die  Alleen  liegenden  Pavillons,  zu  welchen  Treppenanlagen 
hinaufführen. 


56 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  3 


Um  die  lange,  horizontale  Gerade  des  Bahnhofs  und  der 
darüber  führenden  Straße  P  zu  unterbrechen,  ist  in  der  Mitte 
ein  kleines  Gebäude  (Cafe)  angeordnet,  das  sowohl  als  Warte- 
raum des  Bahnhofs  wie  auch  als  Erfrischungsraum  für  die  Park- 
besucher dienen  kann.  Die  über  dem  Cafe  liegende  Terrasse 
liegt  in  gleicher  Höhe  wie  die  Straße  P  und  ist  mit  ihr  durch 
einen  Säulengang  verbunden. 

An  den  Untergrundbahuhof  schließen  sich  zwei  Erdterrasseu 
mit  den  oben  erwähnten  Pavillons  an  und  bilden  eiuen  sehr 
guten  seitlichen  Abschluß  der  Gesamtanlage.  Man  könnte 
glauben,  das  Ganze  sei  ein  unbedingt  zum  Park  gehöriges 
breitgelagertes  Gebäude. 

Um  ohne  Treppensteigen  den  Besuch  des  Parkes  zu  er- 
möglichen, ist  hinter  den  Terrassen  je  ein  sanft  nach  der 
Straße  ansteigender  Weg  vorgesehen. 

Vor  den  Fenstern  des  Untergrundbahnhofs  ist  nach  der 
Ost-  und  Westseite  eine  Kolonnade  vorgelegt,  deren  Säulen 
oder  Eisenträger  das  darüber  führende  Trottoir  stützen.  Da- 
durch treten  die  naturgemäß  sehr  großen  Fenster  des  Unter- 
grundbahnhofs nicht  zu  sehr  in  Erscheinung.  Gleichzeitig 
wird  ein  Unterstand  für  Parkbesucher  und  ein  Wandelgang 
bei  schlechtem  Wetter  geschaffen.  Eine  unter  dem  Kolonnaden- 
gang bindurchführende  unterirdische  Verbindung  nach  dem 
Untergrundbahnhof  dient  gleichzeitig  als  Verbindung  der  beiden 
Parkliälften. 

Durch  den  unterirdischen  Verbindungsgang  gelangt  man  in 
bequemer  Weise  ohne  Überschreitung  der  Straße  P  in  den 
landschaftlichen  Teil  des  Parkes.  Die  Aufgangstreppen  sind 
ebenfalls  durch  eine  Säulenhalle  überdeckt. 

Überraschend  wird  für  den  Parkbesucher  der  Blick  sein, 
wenn  er  aus  dem  Halbdunkel  des  Verbindungsganges  tritt  und 
die  sonnige,  vom  schwarzen  Graben  durchflossene  Wiesenland- 
schaft mit  den  glitzernden  Wasserflächen  vor  sich  sieht.  Die 
bestehende  Aufschüttung  ist  in  eine  sich  von  Norden  in  das 
Gelände  einschiebende  Anhöhe  umgewandelt  worden  und  mit 
einem  Pavillon  gekrönt. 

Hierdurch  erhält  der  „schwarze  Graben'  eine  Ablenkung 
nach  Süden.     Nachher  wendet  er  sich  wieder  nach  Norden. 

Die  Treppenanlage,  welche  an  der  Straße  S  den  Zugang 
bildet,  setzt  sich   als  Brücke  über   den  schwarzen  Graben  fort. 

Der  große  Teich  ist  an  dem  einzigen  Platze  angelegt,  der 
eine  Ausbreitung  des  Wassers  ohne  größere  Erdarbeiten  er- 
möglicht. Nach  Osten  hin  begrenzt  ihn  der  unbedingt  nötige 
6  m  breite  Verbindungsweg  zwischen  Bambergerstraße  und 
Straße  V.  Nach  Westen  hin  bildet  die  Grenze  die  Bamberger- 
straße. 

Im  Interesse  der  Parkanlage  und  auch  des  Städtebildes 
wäre  es  dringend  erwünscht,  wenn  die  BambergerstralJe  als 
Brücke  über  den  Park  führen  würde.  Icli  habe  hierzu  zwei 
Vorschläge  gemacht,  von  denen  der  eine  eine  große  Brücke 
mit  drei  Bögen  und  zwei  Wegdurchgängen  vorsieht  und 
allerdings  ziemlich  bedeutende  Kosten  verursacht.  Der  andere 
sieht  nur    einen  Bogen  und  zwei  Wegdurchgänge  vor. 

Die  Verbindung  des  Schöneberger  Stadtparks  mit  dem 
Wilmersdorf  er  Park  wird  am  besten  durch  Fortführung  des 
„schwarzen  Grabens"  unter  dieser  Überbrückung  hindurch  bis 
an  den  Wilmersdorfer  See  bewerkstelligt. 

Die  Bepflanzung  muß  im  allgenieinen  in  dem  (Charakter 
einer  Wiesenlandschaft  gehalten  sein.  Einige  kleine  Sumpfstelltn 
am  „schwarzen  Graben",  welche  von  den  Wegen  schwer  zu  er- 
jeichen  sind,  mit  Sumpfpflanzen,  namentlich  Iris,  Caltha  pal., 
Vergißmeinnicht u.dergl.  Größere  einfarbige  Blumenmassen  sollen 
wieder  Ruhe  in  die  bunt  durcheinander  angepflanzten  Blumen 
bringen.    Dem   Charakter    der  Wiesenlandschaft    entsprechend 


Süllen  namentlich  Einzelbäume  angepflanzt  werden.  Pappeln, 
Weiden,  Erlen,  Espen,  Birken,  Eichen,  Nadelholz  in  großen 
Trupps  an  den  hochgelegenen  Stellen.  Den  jetzt  meist  übliclieu 
Mischmasch  von  Ziersträuchern  muß  man  vermeiden. 

Der  Hauptschmuck  soll  in  den  blumigen  Wiesen  liegen, 
auf  welchen  namentlich  Stauden  zu  Anfang  im  größeren  Maß- 
stabe angepflanzt  werden  müssen,  damit  während  der  Zeit,  in 
der  sich  die  Einzelbäume  zu  voller  Schönheit  entwickeln,  der 
Parkbesucher  sich  an  der  Blütenfülle  der  Wiesen  erfreuen  kann. 


Hefraclitiiiijieu  zum  Wettbewerb  Stadtpark  Schönebei-fi-. 

Von  F.  Zahn,  Steglitz. 

Nachdem  bereits  in  der  Pebruarnummer  die  Namen 
der  Verfasser  der  prämiierten  und  angekauften  Entwürfe 
veröffentlicht  sind,  folgen  heute  die  Entwürfe  mit  ihren 
Erläuterung.sberichten  selbst.  Abweichend  von  den  Ge- 
pflogenheiten bei  früheren  Wettbewerben  sind  die  tech- 
nischen Pläne  mit  ihren  Höhenlinien  und  Profilen,  nicht 
die  sogenannten  Hauptblätter  zur  Veröffentlichung  gewählt. 
In  Rücksicht  auf  das  bewegte  Gelände  schienen  sie  dem 
Verfasser  von  größerem  Wert  für  die  Beurteilung  und 
den  Vergleich,  als  der  diese  Hauptsachen  nicht  zeigende 
Grundplan,    der  nur   die  Plächendisposition   erkennen  läßt. 

Der  Gesamteindruck  der  eingegangenen  Entwürfe  ver- 
dient, abge.sehen  von  einigen,  sich  bei  jedem  Wettbewerb 
findenden  unvollkommenen  Arbeiten,  die  Bezeichnung  gut. 
Zweifellos  ist  ein  Aufschwung  zu  verzeichnen,  Aufschwung 
sowohl  in  der  Auffassung  und  Durcharbeitung,  als  auch  in 
der  zeichnerischen  Darstellung.  Wenn  ich  auch  diese 
letztere  Tatsache  mit  großer  Freude  konstatiere,  so  soll 
gerade  sie  der  Ausgangspunkt  einer  kritischen  Beleuchtung 
sein.  Ich  verstehe  es  sehr  wohl,  daß  man  eine  gute 
Idee  auch  in  ein  gutes  Gewand  kleiden  möchte,  daß  man 
auf  eine  mit  allem  Raffinement  malerischer  Fertigkeit  aus- 
gestattete Itarstellung  Gewicht  legt,  um  auch  hierdurch 
die  Arbeit  in  das  rechte  Licht  zu  setzen.  Wenn  ich 
mich  hiergegen  wende  und  fordere,  daß  bei  Wettbewerben 
einfachste,  einfarbige  Darstellung  der  Grundpläne  vorge- 
schrieben werden  möge,  so  sind  verschiedene  Gründe 
hierfür  bestimmend. 

E>aß  ich  noch  Vorschläge  anderer  Art  über  die  Grund- 
sätze für  das  Verfahren  bei  öffentlichen  Wettbewerbungen 
auf  dem  Gebiete  der  Gartenkunst  der  Besprechung  dieses 
Wettbewerbes  voranschicke,  und  diese  nicht  in  einem  be- 
sonderen Artikel  behaiulle,  liegt  daran,  daß  gerade  dieser 
Wettbewerb  zum  Studium  nach  jeder  Richtung  hin  Ge- 
legenheit gegeben  hat  und  zeitlich  zusammenfällt  mit  der 
I)urcharbeilung  und  Verbesserung  der  genannten  (irund- 
sätze.  .\us  diesiT  Tatsache  hera,us  wollen  auch  die 
Beteiligten,  deren  .\rboit  gewisscn'maßen  den  .\usgaiigs- 
punkt  der  kritischen  Bemerkung  bildet,  die  Kritik  \er- 
stehen. 

Nun  die  Grüiule,  welche  micii  bestimmen,  für  ein- 
fachste,  einfarl)igo  I  »arstellung  der  Grundpläne  einzutreten. 

Es  soll  nicht  di(>  Zeichnung,  sondern  die  Idey 
prämiiert  werden.  .Man  darf  wohl  annehmen,  daß  trotz 
der    festen  .Vbsicht    aller    Preisrichter,    sich    größter    Ob- 


TX,  3 


D]E  GARTENKUNST 


57 


jektivität  in  der  Bewertung  der  Idee,  der  Durchführbarkeit 
des  Projektes  usw.  zu  befleißigen,  doch  bei  dem  End- 
urteil auch  die  ganze  Aufmachung  mit  bestimmend  sein 
kann.  Es  ist  ja  auch  ganz  natürlich,  du  ein  in  raffi- 
nierter Zeichentechnik  dargestellter  l"]ntwurf  schon  hier- 
durch besticht,  sich  dem  Auge  und  dem  Geiste  scharfer 
einprägt  und  somit  leichter  auf  ihn  zurückgegriffen  wird, 
als  OS  bei  einem  einfachen,  einfarbigen  Entwurf  der  Fall 
sein  dürfte. 

r»ie  einfache  Darstellung  empfehle  ich  im  Interesse 
der  Bewerber  selbst.  Sie  erfordert  weniger  Zeit:  gestattet, 
die  so  notwendigen  .\bcnd-  und  Nachtstunden  zu  Hilfe 
zu  nehmen,  ohne  in  der  FarbenzusammiMistellung  das 
Auge  beleidigende  Mißgriffe  zu  tun.  n)iese  einfache  Dar- 
stellungsweise, die  in  scharfen  Linien  alle  Einzelheiten 
klar  und  deutlich  vor  Augen  führt,  verdient  auch  schon 
wegen  ihrer  schärferen  Reproduktion  den  Vorzug.  Mit 
welchen  Schwierigkeiten  selbst  ein  in  der  .Aufnahme  von 
Zeichnungen  geübter  Photograph  zu  kämpfen  hat,  habe 
ich  hier  zur  Genüge  erfahren.  Gerade  die  Arbeiten,  die 
durch  ihre  malerische  Wirkung  am  besten  gefallen,  sind 
meistens  für  die  Reproduktion  weniger  gut   geeignet. 

Als  weitere  Forderung,  gegen  die  hier  auch  gefehlt 
ist,  muH  genannt  werden:  Anfertigung  der  Entwürfe  in 
gleichem  .Maßstabe.  Nicht  darf  ein  Teil  der  Zeichnung 
z.  B.  im  Maßstab  1  :  .500,  der  andere  1  :  250  dargestellt 
sein.  Der  letztere  Maßstab  gestattet  eine  ganz  andere 
malerische  Wirkung  in  das  Blatt  hineinzulegen,  gestattet 
die  Einzelheiten  schärfer,  genauer  und  übersichtlicher  dar- 
zustellen, was  einen  Vorteil  denen  gegenüber  bedeutet, 
die  den  gleichen  Maßstab  in  ihrer  Arbeit  innegehalten 
haben.  Die  Verdoppelung  des  Maßstabes  bedingt  ein 
größeres  Blatt,  das  wiederum  durch  seine  Größe  anzieht 
und  auffällt.  Es  erscheint  aus  alledem  die  Forderung: 
gleicher  Maßstab,  gleiches  Format,  berechtigt.  Ich  be- 
merke, daß  in  den  Bedingungen  ein  bestimmter  Maßstab 
für  den  technischen  Plan  nicht  gefordert  war,  so  daß 
vielleicht  hieraus  der  Schluß  gezogen  werden  konnte,  die 
Wahl  desselben  sei  dem  Bewerber  überlassen.  Gleiches 
Format,  das  in  seinen  Längen-  und  Breitenmaßen  genau 
vorgeschrieben  sein  sollte,  fordere  ich  noch  aus  einem 
rein  praktischen  Grunde.  Eias  Aufhängen  der  Pläne,  die 
Verteilung  derselben  wird  dadurch  erleichtert  und  die 
ganze  Planausstellung  übersichtlicher,  ein  Vorteil  für  die 
Preisrichter  einerseits,  für  die  Bewerber  anderseits.  LUe 
letzteren  haljen  den  Nachteil,  wenn  ihre  Arbeit  an  zwei 
verschiedenen  Stellen,  etwa  an  der  Vorder-  und  der 
Rückwand  der  Stellage  hängt,  wenn  die  Zeichnungen  des 
einen  übergreifen  in  das  Gebiet  des  anderen  und  tech- 
nische Zeichnungen  einer  Arbeit  z.  B.  mit  Klammern  an 
den  Hauptplan  des  Nachbarn  befestigt   sind. 

Unangenehm  war  es  auch,  daß  scharfe  Trennungs- 
linien zwischen  den  Arbeiten  der  einzelnen  Bewerber  nicht 
vorhanden  waren,  wodurch  der  Überblick  gestört  und  das 
eingehende  Studium  erschwert  wurde.  Zudem  hingen  die 
technischen  Pläne  häufig  so  hoch,  daß  es  kaum  möglich 
war,  die  Einzelheiten  zu  erkennen. 

Der   meistens    in   kräftiger  F'arbe    gehaltene  Gesamt- 


plan hätte  es  viel  eher  vertragen  können  hoch  zu  hängen ; 
in  Augenhöhe  aber  mußten  sich  die  technischen,  die  Profil- 
und  Horizontalen-Pläne  befinden,  denn  aus  diesen  erst 
ist  bei  so  bewegtem  Gelände  zu  erkennen,  ob  der  Ver- 
fasser es  verstanden  hat,  die  Eigentümlichkeiten  auszu- 
nützen und  zu  gesteigerter  Wirkung  zu  bringen. 

Ich  erwähne  dies,  um  bei  künftigen  Wettbewerben 
diesen  ^langet  an  Übersichtlichkeit  vermieden  zu  sehen 
und  kann  nur  empfehlen,  zur  Erleichterung  der  Übersicht- 
lichkeit auch  die  Größe  des  Formates  der  Pläne  vorzu- 
schreiben. Die  verschiedenen  Blattgrößen,  die  oft  nahezu 
das  Doppelte  der  erforderlichen  Größe  zeigten,  haben  den 
mit  dem  Aufhängen  der  Pläne  Beauftragten  die  Arbeit 
sehr  erschwert  und  es  kann  wohl  behauptet  werden,  daß 
die  Bewerber  zum  Teil  selbst  die  Schuld  tragen  an  der 
geringen  Übersichtlichktiit. 

[»er  Situationsplau  gibt  das  Format  an,  dies  braucht 
nur  innegehalten  zu  werden.  Für  Ansichten  und  Einzel- 
zeichnungen kann  diese  Vorschrift  allerdings  keine  An- 
wendung finden,  doch  werden  sich  diese,  weil  kleineren 
Formates,  leichter  einordnen  lassen. 

Wenden  wir  uns  von  den  Grundplänen  jetzt  den  An- 
sichten zu.  so  ist  zunächst  festzustellen,  daß  diese  in  ver- 
hältnismäßig geringer  Zahl  beigegeben  waren,  was  wohl 
darauf  zurückzuführen  ist,  daß  ihre  Beifügung  nicht  Be- 
dingung,  sondern  den  Einsendern  anheimgestellt  war. 

Sollte  es  nicht  vorteilhaft  sein,  diese  nicht  dem  freien 
Ermessen  zu  überlassen,  sondern  zur  Bedingung  zu  machen? 
Die  Ansichten  besagen  mehr  als  der  Grundplan,  geben 
erst  das  richtige  Bild  der  Einzelteile  der  Anlage.  Die 
Forderung  der  Beigabe  von  .\nsichten  und  Einzelzeich- 
nungen wird  den  Verfasser  zwingen,  nicht  an  der  Fläche 
des  Grundplanes  zu  kleben,  sondern  „räumlich"  zu  denken. 
iJer  Standpunkt,  daß  aus  dem  Grundplan  allein  der  Fach- 
mann das  Bild  der  Anlage  sich  konstruieren  kann,  ist  — 
glücklicherweise  —  überwunden.  Aus  ein  paar  parallelen 
Linien,  die  den  Grundriß  einer  Mauer  zeigen,  aus  einem 
Kreis  oder  Sechseck,  dem  Grundriß  einer  Laube,  eines 
Pavillons,  kann  man  unmöglich  schließen,  wie  der  Ver- 
fasser sich  die  einzelnen  Gartenbauwerke  im  Aufriß,  in 
der  Ansicht  gedacht  hat,  kann  man  nicht  ersehen,  ob  das 
betr.  Bauwerk  hineinpaßt  in  das  Bild,  oder  nicht. 

Es  kann  eingeworfen  werden,  daß  die  mit  malerischen 
Fertigkeiten  weniger  begabten  Bewerber  im  Nachteil  sind, 
weil  sie  diese  Forderung  nicht  erfüllen  können.  Dem  ist 
entgegenzuhalten,  daß  es  unbenommen  ist,  die  Zeichnungen 
von  einem  anderen  Künstler  —  wie  es  auch  hier  vielfach 
geschehen  ist  —  anfertigen  zu  lassen.  Zu  fordern  ist 
jedoch  auch  hier  einfache,  einfarbige  Darstellung  möglichst 
ohne  Stimmungseffekte  (vgl.  Artikel  Kießling  Seite  25  dieses 
Jahrgangs),  aufgenommen  von  den  richtigen  Standpunkten, 
die  denen  der  Wirklichkeit  entsprechen.  Nichts  soll  die  Ansicht 
versprechen,  was  sich  nicht  erfüllt,  nicht  soll  eine  Wirkung 
vorgetäuscht  werden,  die  vielleicht  Jahrzehnte  auf  sich 
warten  läßt.  Selbst  auf  die  Gefahr  hin,  mit  meinen  Forde- 
rungen mich  vielleicht  im  Gegensatz  mit  einer  größeren 
Anzahl  Fachgenossen  zu  setzen,  als  zu  nüchtern,  zu 
praktisch,    zu  wenig    künstlerisch    denkend  angesehen  zu 


58 


DIE  GAETENKUNST 


IX,  3 


werden,  kann  ich  diese  Forderung  für  Wettbewerbe 
nicht  unausgesprochen  lassen.  Die  Gründe  sind  die 
gleichen  wie  die  eingangs  beim  Grundpian  genannten. 
Nicht  betroffen  von  dieser  Forderung  sollen  sein:  Entwürfe. 
Ansichten  im  Geschiiftsleben,  hier  mag  jeder  frei  vom 
Zwang  irgend  welcher  Bestimmungen  tun,  was  ilini  gut 
und  nützlich  scheint. 

Die  gleichmäliigo  BehaiuUung  bei  Wettbewerben  be- 
dingt aber  auch,  wenn  aus  irgend  welchen  Gründen 
Einzelzeichnungen  nicht  notwendig  erscheinen,  daß  ihre 
Beigabe  nicht  dem  Einsender  überlassen  bleibt.  Werden 
sie  trotzdem  beigefügt,  so  müssen  sie  bei  der  Beurteilung 
vollständig  ausscheidi^n,  dürfen  überhaupt  nicht  zum  Aus- 
hang,  den  Preisrichtern   nicht  zur  Vorlage  kommen. 

Soweit  die  allgemeinen  Bemerkungen,  die  von  Wichtig- 
keit sein  können  für  die  Neuaufstellung  der  Wettbewerbs- 
grundsätze. Noch  ist  es  ja  nicht  zu  spät,  die  eine  oder 
andere  Bestimmung  mit  aufzunehmen,  oder  sie,  weil  zum 
Teil  von  geringerer  Wichtigkeit  oder  nur  von  Bedeutung 
für  das  Aufhängen  der  Pläne  als  zu  beachtende  Wünsche 
in  einem  Anhang  anzufügen. 

Nun  zu   den  Entwürfen  selbst. 

Leider  ist  das  Preisrichterprotokoll  nicht  zur  Ver- 
öffentlichung freigegeben.  Ich  bedauere  dies  außerordent- 
lich, und  ich  glaube,  mit  mir  die  gesamte  Fachwelt,  vor  allem 
aber  die  Bewerber,  die  Zeit,  Mühe  und  Kosten  aufgewendet 
haben,  denen  doch  sicher  daran  liegen  muß,  zu  erfahren, 
weshalb  sie  ausgeschaltet,  wesh.alb  sie  nicht  prämiiert 
sind.  Selbst  wenn  jemand  auf  Zuerkennung  eimvs  Preises 
nicht  rechnet,  wenn  er  die  Beteiligung  nur  ansieht  als 
Übung,  als  Prüfstein  seines  Könnens,  selbst  dann,  oder 
vielmehr  gerade  dann  möchte  er  wissen,  was  er  gefehlt. 
was  er  unbeachtet  gelassen  hat,  um  in  Zukunft  für  ähn- 
liche Fälle  seine  besondere  .Aufmerksamkeit  diesen  Punkten 
zuwenden  zu  können. 

Weiter  sehe  ich  in  einem  Protokoll,  das  in  knapper 
Form  eine  Kritik  der  Entwürfe  enthält,  eine  Anerkennung 
für  die  gehabte  Mühe.  Wer  nicht  zu  den  Auserwählten 
gehört,  zum  ersten  Male  auf  dem  Kampfplatz  erschienen 
ist  und  mit  heiligem  Eifer  gearbeitet,  sein  bestes  Können 
hineingelegt  hat,  des.sen  Herz  wird  höher  schlagen,  wird 
ihn  zu  weiterem  tapferen  Vorwärtsschreiten  ermutigen, 
wenn  er  aus  dem  Protokoll  ersieht,  daß  seine  Arbeit  den 
besseren  zuzuzählen  ist. 

Wünschenswert  ist  es  auch,  aus  dem  Protuknll  er- 
sehen zu  können,  worauf  außer  den  im  Programm  ge- 
nannten Bedingungen  das  Preisrichterkollegium  das  Haupt- 
gewicht gelegt  hat,  welche  nicht  bekannt  gegebenen 
Sonderbedingungen  die  Richtschnur  der  Bewertung  ge- 
wesen sind. 

Diese  Sonderbedingungen  herauszuschälen,  sri  im 
folgenden  versucht. 

Die  größte  Schwierigkeit  lag  in  drr  richtigen  Be- 
handlung des  Untergrundbahnhiifes  im   Zuge  der  Straße  P. 

Vis  war  den  Bewerl)ern  anheim  gestellt,  sich  aus  den 
angeführten  Möglichkeiten  der  Lösung,  il'w.  ihnen  am 
meisten  zusagende  auszusuchen.  Von  dieser  Erlaubnis 
ist  dann  auch  ausgiebiger  Gebrauch   gemacht.     Ich    halte 


es  mit  der  gänzlichen  Freilassung  des  architektonisch  aus- 
zugestaltenden Bahnhofes;  ist  dieser  doch  das  einzige, 
kräftige,  architektonische  Motiv  in  der  ganzen  Anlage.  Es 
mußte  hierauf  um  so  mehr  Rücksicht  genommen  werden, 
da  andere  größere  Bauwerke  ausgeschlossen  waren,  da  der 
Bau  eines  Restaurationsgobäudes,  das  vielleicht  die  Basis  des 
Aufbaues  hätte  geben  können,  der  Privatbautätigkoit  in  dem 
angrenzenden  Gebiet  überlassen  war.  In  dem  ganzen  oder 
toihveisen  Einschütten  des  Untergrundbahnhofes  kann  ich 
weder  einen  Vorteil,  noch  eine  besonders  gute  Wirkung  für 
das  Gesamtbild  erlilicken.  Ein  unmittelbarer  Zusammen- 
hang der  beiden  Parkteile  ist  weder  auf  die  eine  noch  die 
andere  Art  zu  erreichen,  eine  Trennung  wird  bestehen, 
ein  Emporsteigen  auf  die  Höhe  der  Straße  P,  ein  Über- 
schreiton des  verkehrsreichen  Fahrweges  wird  stets  er- 
forderlich sein,  denn  die  Verbindung  unterirdisch  durch 
einen  Tunnel,  eine  Grotte  zu  bewerkstelligen,  halte  ich 
für  die  un.glücklichste  Lösung,  selbst  wenn  die  Schwierig- 
keiten des  Baues  bewältigt  würden.  Ohne  Treppen  ist 
auch  hierbei  nicht  auszukommen,  angenehm  ist  das 
Passieren  eines  dunklen,  kellerartigen  Gowöllies,  dem 
Licht  und  Luft  felilt,  auch  nicht,  darum  kann  diese  Lösung 
auf  Verwirklichung  am  wenig.^ten   .Vnspruch  erheben. 

Vau  Stadtpark  im  Charakter  einer  natürlichen  Land- 
schaft war  verlangt.  Diese  Natürlichkeit  wird  aber  ni  E. 
dadurch  erst  recht  zur  Goltun.g  .gebracht,  wenn  man  nicht 
etwa  die  einschneidenden  Werke  der  Menschen  verdeckt, 
den  Glaul.)en  erweckt,  als  seien  sie  nicht  vorhanden,  sondern 
wenn  man  sie  wirklich  zeigt.  Nehmen  wir  an,  die  Park- 
anlage sei  schon  vorhanden,  erst  später  hätte  sich  der 
Bau  der  Bahn  notwendig  gemacht.  Würde  man  in  diesem 
Falle  das  Bauwm-k  mit  Fleiß  verdeckt  haben?  Ich  glaube 
nicht.  Man  hätte  die  nähere  Umgebung  dos  Parkes  mit 
dem  Bauwerk  in  Übereinstimmung  gebracht,  beide  zu 
einem  Gesamtlülde  vereinigt.  Was  ferner  dafür  stimmt, 
den  Bahnhof  frei  zu  zeigen,  gewissermaßen  als  Brücke 
die  Straße  P  durch  das  Tal  hindurchzuführen,  ist  die  da- 
durch gegebene  Möglichkeit,  den  Park  in  seiner  beider- 
seitigen Ausdehnung  den  Passanten  der  Straße  P  vor 
Au.gen  zu  fuhren,  ihnen  Gelegenheit  zu  geben,  trotz  größter 
Eile  einen  Blick  wenigstens  hineinzuwerfen,  sich  am  Bilde 
der  Natur  zu  ergötzen.  Wie  mancher,  dem  berufliclK^ 
Tätigkeit  niciit  Zeit  zum  Lustwandeln  läßt,  wird  sich  mit 
dem  Anschauen  begnügen  müssen,  wird  so  auch  s(^inen 
Genuß  von   der  Anlage  haben. 

Nur  als  Fußweg  war  die  Verbindung  der  Straße  T 
mit  Platz  V  vorzusehen.  Hat  der  .Vnschluß  an  ilie  Straße 
keine  Schwierigkeiten,  so  ist  doch  bei  der  JMnmüntiung 
nach  Platz  V  des  öfteren  gefehlt,  selbst  die  prämiierten 
iMitwürfe  .sind  von  diesem  Fehler  teilweise  nicht  frei, 
während  l'Jitwiirf  Goel)el-Wien  den  zu  berü(d<sichtigend(>n 
Punkt  erkannt  hat.  Es  war  entschieden  am  voi-teilhaftesten, 
durch  eiitsprecluniih'  Gabelung  de.s  Weges  die  Pass.'iliten 
auf  die  beiden  schuial.sten  Stellen  der  Straßenkreuzung 
hinzuführen,  so  dali  auch  i'in  Anschluß  an  die  Sl.ralie  (J 
bei|uem   erreicht    wii'd. 

Nicht  zu  vermeiden  war  es  für  diesen  Verbindungs- 
weg,   daß    er    uns  von    der  Straße  hinab  in  das  Tal   und 


IX,  3 


DIE   GARTENKUNST 


59 


ati  dnr  anderen  Seite  wieder  in  die  Hiilic  fülirt.  r>ie- 
jenigen  Verfasser,  die  auf  Führung  in  annäliernder  Straßen- 
höjio  Gewiclit  gelegt  iiaben  in  dci-  liiliiMiswei'ti'ii  Absiciit, 
den  l^assanten  die  Unliequemliclil<eit  des  Auf  und  Ab  zu 
ersparen,  habon  dadurch  einen  neuen  Wall  geschaH'en, 
eine  neue  Trennungslinie  der  Anlage  eingefügt,  eine  Ver- 
kürzung der  Liingenwirkung  erreicht  Hieran  kann  selbst 
vollständiges  Aufhiihen  des  Gebindes  zwischen  diesem 
Weg,  der  Bamberger  und  der  Straße  R  nichts  bessern. 
Die  Überschneidung  der  dahinter  liegenden  Wasserfläche 
wäre  für  den  Einlilick  von  der  Ecke  der  genannten  Straßen 
aus  eine  zu   große. 

ha  mit  den  Straßen  als  vorhanden  zu  r.'chnen  war, 
mußten  dieselben  auch  Berücksichtigung  linden,  hauiit- 
sächlich  gilt  diese  Forderung  für  die  Siraße  S.  Wenn 
eine  Straße  von  24,0  m  Breite  sich  gegen  die  Anlage 
auf  36,0  m  erweitert,  zu  einer  Gartenstraße  mii  Mittel- 
anlage sich  ausbaut,  dann  kann  wohl  angenommen  werden, 
daß  der  Entwerfer  des  Stadtplanes  diese  Er\veiterung  in 
der  ganz  bestimmten  Absicht  vorgenommen  hat,  von  der 
Straße  überzuleiten  zu  dem  Park,  daher  \erlangt  auch 
die  Straße  eine  Fortsetzung  hinein  in  die  Anlage  oder 
eine  Betonung  der  Achse.  Bei  mehreren  Entv/ürfen  ist 
dies  von  den  Verfassern  erkannt,  aber  nicht  immei'  richtig 
durchgeführt. 

Schafft  man  einen  Abschluß  für  dii.'  Achse  durch  ein 
Bauwerk,  dann  muß  es  auch  so  hoch  liegen,  daß  es  sich 
über  das  Straßenniveau  erhebt,  muß  so  krältig  sein,  daß 
es  der  Straßenbreite  und  der  Länge  gegenüber  zur  Wirkung 
kommt.  Jier  Entwurf  Encke-Bülte  hat  dui-ch  die  I^^rbauung 
der  Pergola  mit  den  seitlichen  [Pavillons  auf  dem  Plateau 
H  diese  Forderung  in  l.iester  Weise  geliist,  ebenso  Goebel- 
Wien,  während  im  Entwurf  Krüpper  durch  die  große  Frei- 
treppenanlage nur  vom  Park,  vom  Wasser  aus  die  Straße  S 
eine  Betonung  erfahren  hat,  von  der  Straße  her  jedoch 
dieser  architektonische  Aufbau  wegen  seiner  tieferen  Lage 
trotz  der  beiden  seitlichen  Pavillons  nicht  genügend  in  die 
Erscheinung  tritt.  Entwurf  Ulrich  führt  die  Straße  w'eiter 
durch  einen  F'ußweg  in  der  Achse  derselben,  baut  einen 
baumbestandenen  Promenadenplatz  auf,  läßt  aber  leider 
den  Platz  unter  Straßenhiihe  liegen,  anstatt  ihn  kräftig 
herauszuheben. 

Als  weitere  zu  erfüllende  F\ii'derung  nenne  ich  die 
richti,ge  Behandlung  des  am  Ausgang  zum  i^latz  K 
liegenden  dreieckigen  Platzes.  Hier  mußte  von  der  Spitze 
ein  direkter  Weg  zum  Eingangsportal  geführt,  oder  ein 
größerer  Platz,  wie  bei  Entwurf  I  und  II  angeordnet 
werden.  Das  Dreieck  als  eine  Fläche  zu  behandeln,  ist 
dagegen  als  ungünstig  zu  bezeichnen,  da  es  die  über  den 
Platz  kommenden  Besucher  des  Parkes  zwingt,  um  das 
Eireieck  herumzugehen,  um  zum   Eingang  zu  gelangen. 

Außer  diesem  und  den  vorstehend  bereits  besprochenen 
Eingängen  (Straße  T,  S,  Platz  V)  bedurfte  besonderer 
Betonung  der  Zugang  von  der  Bamberger  Straße,  Ecke 
der  Straße  R. 

Wer  von  Süden  kommend  die  Bamberger  Straße 
entlang  geht,  wird  unwillkürlich  auf  die  durch  den  Schnitt 
mit  der  Straße  R  gebildete  spitze  Ecke  hingewiesen. 


Hier  mußte  daher  etwas  Besonderes  geboten,  mußte 
der  Blick  in  die  Anlage  nach  Möglichkeit  offen  gehalten 
wiTdeu.  i'berhaupt  er.scheint  es  mir  wünschenswert, 
nicht  durch  allzu  dichte  Grenzpllanzung  die  Anlage  ab- 
zuschließen gegen  die  Straßen,  vielmehr  zahlreiche  Ein- 
blicke besonders  von  dem  Promenadenweg  der  Straße  R 
in  dieselbe  zu  ötln.'n  uml  den  Passanten  die  Bilder  des 
Parkes  zu  bieten. 

Selbst  wenn  beabsichtigt  war,  dem  Park  den  Cha- 
rakter möglichster  Geschlo.ssenheit  zu  geben,  den  fiinfluß 
der  hohen  Reihenhäuser  auszuschalten,  so  war  dies  auch 
bei  lockerer,  Hinldicke  freilassender  Grenzbebnndlung 
möglich,  da  durch  die  tiefe  Lage  an  sich  schon  ein  Ab- 
schluß  bedingt  ist. 

Besondere  Aufmerksamkeit  in  der  Gestaltung  er- 
forderte die  Bamberger  Straße,  die  laut  Programm  als 
r)ammschüttung  durch  das  Parkgelände  geführt  werden 
soll,  infolgedessen  eine  trennende  Wand  darstellt.  AUee- 
ptlanzung  auf  dieser  Strecke  auszuführen,  erscheint  mir 
als  noch  stärker  trennendes  Moment,  daher  sei  der 
Lösung  im  Entwurf  Encke-Bolte  besondere  Beachtung  ge- 
schenkt. Die  7  Meter  breiten  Gehölzstreifen  mit  den  un- 
gezwungen verteilten  Bäumen  und  dem  Buschwerk 
werden,  da  sie  keine  scharfe  Linie  wie  die  Allee  dar- 
stellen ,  da  sie  sich  in  ihrer  Silhouette  der  ül.irigon 
Parkptlanzung  anpassen,  weniger  trennend  wirken.  Es 
erinnert  das  Qmjriirofil  dieses  Dammes  an  amerikanische 
Parkstraßen,  die  auch  den  unregelmäßigen  Baumwuchs  mit 
teilvveiser  Unterpflanzung  zeigen.  Ich  verfehle  nicht,  auch 
an  dieser  Stelle  einer  teilweise  freieren  Behandlung  der 
ßeptlanzung  an  Straßen  das  Wort  zu  reden. 

„Grunewiese"  stellt  sich  über  die  Programmbestimmung 
der  Wallschüttung  und  wartet  auf  mit  einer  Überbrückung, 
mit  einer  Durchführung  des  Sees  nach  Wilmersdorfer 
Gebiet.  Hier  gibt  es  keine  Trennung  mehr,  hier  ist  in 
großzügiger  Weise  die  Frage  gelöst.  Man  vergegen- 
wärtige sich  das  Bild.  Dar  Durchblick  durch  den  Rahmen 
der  hochgespannten  Brücke  über  die  blumigen  Wiesen 
und  die  große  Fläche  des  Sees.  Nur  schade,  daß  es  nur 
Projekt  bleibt,  nicht  \^'irklichkeit  werden  kann,  denn  ge- 
rade hier  lagert  eine  Moorschicht  von  so  gewaltiger 
Mächtigkeit,  daß  die  Fundierungen  der  Pfeiler  nur  unter 
Aufwendung   immenser  Mittel  ausgeführt  werden  können. 

Dies  sind  außer  den  im  Programm  genannten,  die 
wesentlichsten  Punkte,  deren  künstlerische  Lösung  den 
Erfolg  lirachte.  Über  die  von  den  einzelnen  Verfassern 
getroffenen  Maßnahmen,  über  deren  eigene  Ansicht,  geben 
die  Erläuterungsberichte  genügend  Auskunft,  so  daß  ein 
Eingehen  darauf  sich  erübrigt. 

Außer  den  prämiierten  und  angekauften  Entwürfen 
verdient  der  Entwurf:  „Einheitlich"  Beachtung.  Er  ist  einer 
von  den  glücklicherwoisevielen  gleichwertigen,  von  denen,  die 
sicher  mit  zur  Wahl  gestanden  haben,  aber  bei  engerer  und 
engster  \\'ahl  ihren  mit  größeren  Vorzügen  ausgestatteten 
Brüdern  weichen  mußten.  Ruhe  in  der  Disposition,  in  der 
Pflanzung  zeichnet  ihn  aus.  Es  ist  versucht,  die  beiden  durch 
die  Straße  P  getrennten  Parkteile  in  Beziehungen  zuein- 
andei    zu    bringen    durch    die    Aussicht     auf    den    hoch- 


öO 


DIE  GARTENKUNST 


TX,  3 


gelegenen  Pavillon  im  westlichen  Teil.  Würde  derselbe. 
was  sehr  wohl  durchzuführen  war,  noch  in  die  Achse 
der  Straße  S.  gerückt,  so  wäre  der  Wert  des  Entwurfes 
hierdurch  um  vieles  gehoben. 

Anerkennung  sei  ferner  gezollt  den  Entwürfen:  Wald, 
Wiese,  Wasser  —  Fink  —  Treu  dem  Ideal  —  Birken 
und  Eichen  —  Tallandschaft  —  Penngelände. 

Durch  architektonische  Lösungen  fallen  auf:  Birke  — 
In  magnis  voluisse  sat  est.  Beide  haben  wegen  der 
Großzügigkeit  der  Disposition  Vorzüge,  namentlich  der 
zweite  wegen  des  Aufbaues  auf  die  Straße  S. 

Ich  bedauere,  daß  ich  nicht  als  Ersatz  für  das  nicht 
veröffentlichte  Preisrichterprotokoll,  mit  einigen  kurzen 
Bemerkungen  der  einzelnen  I-]ntwürfe  Vorzüge  und  Fehler 
hervorheben  kann,  doch  war  die  Dauer  der  Ausstellung 
zu  kurz,  gebunden  an  nur  einige  Tagesstunden.  Vielleicht 
ist  es  möglich,  in  der  kommenden  Nummer  dies  nach- 
zuholen, da  der  Magistrat  Schöneberg  die  Entwürfe  noch- 
mals ausstellt  in  der  Zeit    vom   18.   Februar    bis  3.  März. 

Das  Schlußwort  möge  sein  der  Dank  den  Bewerbern 
für  ihre  Arbeil,  der  Stadt  Schöneberg  dafür,  daß  sie  durch 
das  Ausschreiben  sich  als  Förderin  unserer  Kunst  ge- 
zeigt hat. 


Verschiedenes. 

Jubiläumsausstellung  1907  in  Mannheim.  Aas  Mann- 
heim wird  uns  geschrieben :  Nach  einer  grollen  Vergangenheit 
hat  sich  die  Gartenkunst  .Jahrzehnte  lang  in  Bahnen  bewegt, 
die  eigentlich  mit  Kunst  nicht  viel  gemein  hatten.  Wenigstens 
mit  geringen  Ausnahmen!  Erst  der  neuesten  Zeit  sollte  es 
vorbehalten  sein,  wieder  ernsthafte  künstlerische  Bestrebungen 
Miit  dem  Gartenbau  zu  verbinden.  Noch  aber  gärt  alles,  und 
die  Meinungen  platzen  oft  scharf  aufeinander,  zumal  seit  sich 
Maler,  Bildhauer,  Architekten,  Keramiker  und  andere  der 
gärtnerischen  Architektonik  bemächtigt  haben,  um,  nachdem 
sie  das  Haus  mit  allen  seinen  einzelnen  Räumen,  die  Schul- 
stube, die  Kanzlei  und  anderes  nach  künstlerischen  Grund- 
sätzen umgestaltet  haben,  nun  auch  den  G.irten  neu  zu 
stilisieren.  Man  macht  ihnen  zum  Vorwurf,  daß  sie  Bäume 
und  Sträucher  wie  Requisiten  und  Staffagen  behandeln  und 
von  der  Blume  wenig  mehr  als  die  koloristische  Wirkung  zu 
verwerten  wissen.  Deshalb  ist  in  den  Kreisen  der  Garten- 
künstler  von  Beruf  eine  andere  künstlerische  Bewegung  wach 
geworden,  die  in  der  Pflanze  das  individuelle  Moment  betont. 
Diese  höhere  Anschauung  von  der  Gartenkunst  „stellt"  nicht 
schöne  Landschaften,  sie  „koloriert"  auch  nicht  weite  Flächen 
mit  leuchtenden  Blumenbeeten,  sondern  sie  pflanzt  nach 
künstlerischen  Grundsätzen.  Bei  ihr  sind  also  Blumen 
und  Bäume  nicht  künstlerische  Mittel  zur  Dekoration,  bei  ihr 
ist  der  Garten  Selbstzweck,  und  die  künstlerische  Behandlung 
hat  zum  Ziele,  eine  Anlage  harmonisch  zu  gestalten,  zu  ver- 
edeln und  zu  verschönen. 

Bei  aller  Gegensätzlichkeit,  die  zwischen  dem  Gärtner 
vom  Fach  und  dem  dem  Gartenbau  von  Haus  aus  fremd 
gegenüber  stehenden  Künstler  besteht  wäre  es  doch  ungerecht, 
wenn  man  verkennen  wollte,  daß  die  Gartenkunst  von  ihrer 
älteren  .Schwester  zahlreiche  wertvolle  Anregungen  erfahren 
hat.     Teils  bewußt,  teils  unbewußt  nimmt  doch  der  oder  jener 


Gartenarchitekt  Ideen  auf,  die  dem  Atelier  eines  Künstlers  der 
Palette  oder  des  Meißels  entstammen,  und  ebenso  läßt  sich 
umgekehrt  der  Maler  oder  Bildhauer  gern  von  dem  Fachmann 
belehren.  Diese  Wechselwirkung  erzeugt  einen  Wettkampf, 
den  man  allenthalben  beobachten  kann,  gleichviel,  ob  man 
durch  einen  öffentlichen  Park  geht  oder  durch  das  Gitter  in 
einen  Privatgarteu  blickt.  Dieser  Wettkampf  spiegelt  sich  in 
den  Spalten  der  Fachpresse  genau  so  wieder,  wie  bei  den 
mannigfaltigen  Preiskonkurrenzen,  er  erreicht  aber  seinen 
Höhepunkt  erst  auf  einer  Ausstellung. 

Es  war  in  Düsseldorf  im  Jahre  1904  als  zum  ersten  Male 
andere  Künstler  mit  den  Gartenarchitekten  in  die  Schranken 
traten,  dann  folgte  190.Ö  Darrastadt  und  jetzt  wird  im  Sommer 
1907  dieses  Ringen  hier  in  Mannheim  fortgesetzt,  wo  am 
1.  Mai  in  Verbindung  mit  einer  Internationalen  Kunstausstellung 
eine  Grosse  Gartenbauausstellung  eröffnet  wird.  Allem 
Anschein  nach  wird  es  eine  fesselnde  Konkurrenz  absetzen 
die  dadurch  noch  um  so  interessanter  wird,  als  die  ver- 
schiedenen Richtungen  durch  hervorragende  Vertreter  und  sehr 
zahlreich  vertreten  sind. 

Wenn  Mannheim  eine  Gartenbauausstellung  in  Verbindung 
mit  einer  Kunstausstellung  veranstaltet,  so  ist  eine  solche 
Vereinigung  von  zwei  an  sich  verschiedenen  Ausstellungen 
bei  den  engen  Beziehungen  zwischen  Kunst-  und 
Gartenbau  sehr  wohl  berechtigt.  Im  Interesse  der  Garten- 
kunst ist  zu  begrül.ien,  daß  auch  bei  der  Gartenbauausstellung 
selbst  Künstler  anderer  Schaffen.sgebiete  von  der  Ausstellungs- 
leitung zur  Mitwirkung  berufen  und  zum  Wettbewerb  zuge- 
lassen worden  sind.  Unter  ihnen  findet  man:  Behrens, 
Schultze-Naumbu  rg,  Läuger,  Billingusw.  Es  wird  ihnen 
genau  so  wie  den  Fachvertretern  gehen.  Sie  können  wohl  mit 
|)hantasievoller  schöpferischer  Kunst  Ideen  und  Entwürfe  ge- 
stalten und  diese  auch  zu  Wirklichkeitsgebilden  unischaffen, 
aber  sie  können  oder  wollen  nicht  immer  im  voraus  analy- 
sieren, was  sie  sich  gedacht  haben  und  wie  es  wirken  soll. 
Das  fertige  Gebilde  mul!  selbst  zu  den  Beschauern  sprechen 
und  jeden  Kommentar  überflüssig  machen. 

Die  Vorarbeiten  für  die  verschiedenen  Gärten  sind  sclion 
weit  gediehen ;  wenn  man  trotzdem  bei  einem  Durchwandern 
des  Ausstellungsgeländes  noch  nicht  viel  davon  zu  sehen  be- 
kommt, so  liegt  das  an  der  .lahreszeit  und  den\  Fehlen  des 
größten  Teiles  der  Bepflanzung. 

Zunächst  fällt  der  Garten  des  Professor  Läuger,  des  Er- 
bauers der  Ausstellungsgebäude  auf,  der  anscheinend  durch 
ganz  besonders  eigenartige  Ideen  zu  wirken  sucht.  Aus  den 
vielen  Scheinmauern,  die  den  Platz  umschließen  und  durch- 
ziehen, ist  zu  folgern,  daß  er  stark  mit  Architekt\ir  wirken 
will,  während  er  bezüglich  der  Bepflanzung  vorerst  noch  auf 
das  Frühjahr  vertröstet.  In  der  Hauptsache  handelt  es  sich 
um  eine  in  großen,  streng  regelmäßigen  Linien  ausgeführte 
Anlage,  die  wohl  in  einzelne  Gärten  zerfallen,  aber  doch  nach 
einheitlichen  Gesichtspmikten  harmonisch  gestaltet  werden  soll. 
Ein  etwa  für  den  Park  eines  Milliimärs  gedachtes  Luxusbad, 
in  besonders  reicher  Ausstattung  wird  einen  interessanten 
Mittelpunkt  der  ganzen  Gartenaidage  bilden. 

Professor  Schnitze-Naumburg  wird  soino  Auffassung  von 
einem  intimen  Hausgarten  praktisch  vorführen.  M.au  darf  hier 
ein  fein  abgestimmtes  Idyll  erwarten  und  hoffen,  daß  durch 
dieses  Beispiel  alle  die  Bestrebungen  unterstützt  werden,  die 
darauf  abzielen,  dem  Mittelstande  wieder  die  Liebe  zum 
Garten  nahe  zu  bringen.  In  ganz  anderer  Weise  wird  sich 
Professor  Behrens  betätigen,  der  schon  in  Düsseldorf  als 
moderner  Vorkämpfer  auf  gartenkünstlerischem  (iebiete  auf- 
getreten ist.     Er    hat  eine  Gartenanlase   im  Stile  eines  Natur- 


IX,  3 


DIK   GARTENKUNST 


61 


theaters  entworfen.  Man  darf  gespannt  sein,  wie  er  von  der 
Zeit  des  graziösen  Rokoko,  dem  solche  Theater  im  Grünen 
ihre  Entstehung  verdanken,  in  die  nKjderne  Industrieavia  hinüber 
leiten  wird. 

Einen  eigenen  Garten  wird  aiicli  Professor  Billing- 
Karlsrnhfc,  der  Erbauer  der  Kunsthalle,  anlegen,  der  es  eben- 
falls liebt,  besonders  stark  die  Architektur  auf  die  ganze  Ge- 
staltung der  Anlage  wirken  zu  lassen.  Ferner  wäre  nutli 
Professor  Bruno  Schmitz  zu  erwähnen,  der  den  von  ihm  vor 
Jahren  geschaffenen  monumentalen  Friedrichsplatz  künstlerisch 
ergänzen  und  teilweise  umgestalten  wird:  insbesondere  war  es 
die  Yergrrißerung  der  Wasserkünste,  die  eine  teilweise  neue 
Kaumeinteilung    und    Bepflanzung    zur  Notwendigkeit    machte. 

Diesen  Künstlern  steht  eine  Gruppe  von  Gartenarchitekten 
gegenüber,  deren  künstlerische  Begabung  sich  verbindet  mit 
praktisch-gärtnerischer  Erfalirung.  Es  finden  sich  unter 
ihnen  Persönlichkeiten,  die  zu  der  Erwartung  berechtigen,  dall 
Leistungen  vorgeführt  werden,  welche  dem  Beruf,  dem  ilne 
Schöpfer  angehören,  Ehre  machen  werden. 

Gartenbaudirektor  Siesmeyer  -  Frankfurt  a.  M.  hat  siidi 
die  ungemein  schwierige  Aufgabe  gestellt,  einen  vertieft  ge- 
legenen Bauplatz  vor  dem  Biliingschen  KunstaussteUungs- 
gebäude  in  einen  Garten  umzugestalten.  Hie  Kunsthalle 
nämliidi  ist  so  gelegen,  dalJ  sie  ihre  schmucklose  Rückseite 
der  Ausstellung  zukehrt.  Erst  später  soll  ein  Museum  mit  der 
Front  nach  dem  jetzigen  Ausstellungsgelände  gebaut  werden 
und  der  dafür  bestimmte  Bauplatz  ist  Siesmeyer  überlassen 
worden.  Er  ist  durch  eine  zum  Eingang  der  Kunsthalle 
führende  Brücke  in  zwei  Felder  geteilt,  wodurch  die  zu  lösende 
Aufgabe  noch  wesentlich  erschwert  wird. 

Die  Firma  Goos  &  Könemann-Niederwalhif  a.  Rh.  wird 
einen  Staudengarten  ausstellen.  Die  Firma  versucht,  die  von 
ihr  gezogenen  Pflanzen  plastisch  wirken  zu  lassen  und 
stellt  sie  auf  den  Untergrund  einer  weiten  Wiesenfläche. 
Zur  Belebung  des  ganzen  sind  Koniferen  und  Sträuclier 
eingepflanzt,  wodurch  ein  abwechselung.sreiches,  malerisches 
Bild  entstehen  kann.  An  anderer  Stelle  führt  Gartenarchitekt 
Heinrich  Henkel -Darmstadt  einen  Garten  unter  Verwendung- 
japanischer  Motive  aus,  der  die  seltensten  und  kostbarsten 
Wasserpflanzen  enthalten  wird,  deren  Kultur  einen  erfolgreich 
betriebenen  Zweig  der  Henkeischen  Gärtnerei  bildet.  Nebenbei 
errichtet  er  auch  ein  Warmwasserbassin,  so  daß  er  imstande 
sein  wird,  die  auserlesensten  Blumen  Japans  zur  Blüte  zu 
bringen.  Gartenarchitekt  B  rahe-Mannlieim  wii'd  einen  alt- 
romischen  Garten  in  architektonischem  Stile  vorführen  und 
läßt  schon  jetzt  Pergolen,  Brunnenwände,  Wasserbassins  usw. 
errichten. 

Von  besonderem  Interesse  wird  es  ferner  sein,  bei  der 
Gartenanlage  der  Gebrüder  Rothe-Bonn  und  Weii.'ienfels  zu 
beobachten,  wie  durch  das  Zusammenschaffen  von  Architekt, 
Bildhauer  und  Gartenkünstler  ein  Werk  der  Gartenkunst  ent- 
steht. Die  Firm.i  hat  den  Architekten  Krug  aus  Darmstadt 
mit  der  Ausführung  des  architektonischen  Teils  ihres  Gartens 
betraut,  während  Bildhauer  Paul  .Jnckutf  die  Anlage  mit 
Skulpturen  schmückt.  Das  Ganze  wird  einen  Hausgarten  dar- 
stellen, der  in  Verbindung  mit  einem  herrschaftlichen  Wohn- 
sitz vornehmen  Anstriclis  gedacht  ist. 

Auch  Michael  Büchner- München,  welcher  im  vorigen 
Jahre  in  Nürnberg  den  allseitig  sehr  beifällig  beurteilten  Garten 
vor  dem  Gebäude  der  Kunstgewerbeausstellung  entworfen  und 
ausgeführt  hat,  wird  in  ^Mannheim  mit  einer  kleinen  Garten- 
anlage vertreten  sein,  die  durch  plastischen  Schmuck  bereichert 
sein  wird. 

Diese   kuizeu  Daten   beweisen  zur  Genüge,   daß  es  sich  in 


Mannheim  um  eine  Reihe  sehr  eigenartiger,  künstlerischer 
Veranstaltungen  handelt,  denen  auch  jeder  gärtnerische  Fach- 
ni.um  das  größte  Interesse  entgegenbringen  wird. 

Nach  den  ursprünglichen  generellen,  von  Professor  Länger 
gefertigten  Plänen  sollte  das  ganze  Ausstellungsgelände  ein- 
heitlich nach  dessen  Ideen  behandelt  werden.  Es  darf  als  ein 
glücklicher  Zug  der  Ausstellungsleitung  bezeichnet  werden, 
diili  sie  sich  entschloß,  einer  gegebenen  Anregung  zu  folgen 
und  innerhalb  des  im  allgemeinen  beibehaltenen  Rahmens  des 
Ijäugerschen  Entwurfes  die  verschiedenen  G-ärtner,  Garten- 
architekten und  Künstler  zur  selbständigen  Geltung  kommen 
zu  lassen. 

Das  wurde  dadurch  erzielt,  daß  die  Ausstellungsleitnng 
den  einzelnen  Ausstellern  bestimmte  Flächen  zur  Au.sgc- 
staltung  nach  eigenen  Ideen  überlassen  konnte ;  jedem  dieser 
.\ussteller  wurde  so  Gelegenheit  geboten,  ein  bestimmtes  Areal 
nach  seinem  Geschmack  und  seinen  Intentionen  in  vollkommen 
freier  Weise  zu  beaibeiten,  Naturgemäl.i  mußte  da  schon  bei 
der  Aufteilung  des  Geländes  auf  die  künftige  Gesamtwirkung 
Rücksicht  genommen  worden.  Durch  die  Aufteilung  und  die 
dadurch  bedingte  verschiedenartige  Behandlung  der  einzelnen 
Flächen  ergibt  sich  auch,  vielfach  zufällig,  eine  reizvolle  Ab- 
wechselung. So  wirkt  an  sich  die  Augustaanlage  als  ein 
Straßenzug  von  seltener  Großartigkeit;  im  Grundriß  der  Aus- 
stellung wäre  sie  aber  als  ein  breites  langgestrecktes  Band 
erschienen,  das  leicht  seiir  monoton  hätte  werden  können. 
Durch  Vertiefung  der  einen  Hälfte  der  Augustaanlage,  durch 
mehrfache  Teilung  der  übrigen  Fläche,  Plazierung  einiger  Ge- 
wächshäuser und  verschiedener  anderer  Hochbauten  wurde 
aber  die  Eintönigkeit  gründlich  beseitigt.  In  die  Um-  und 
Ausgestaltung  der  einzelnen  Abschnitte  selbst  teilen  sich  ver- 
schiedene gärtnerische  Verbände;  dann  ist  durch  Anlage  von 
Farbengärten,  durch  Rampen  und  Treppen,  Balustraden  und 
Hecken  ein  Übergang  zu  dem  übrigen  Ausstellungsgelände 
geschaffen.  Bei  all  diesen  Maßnahmen  kam  der  Ausstellung 
sehr  zustatten,  daß  die  .Stadtgemeinde  Mannheim  schon  vor 
längerer  Zeit  den  Garteningenieur  Keerl  engagiert  hatte,  der 
von  Düsseldorf  her  in  allen  gärtnerisclien  Kreisen  im  besten 
Andenken  steht.  Die  Ausstellimgsleitung  war  so  in  die  Lage 
gesetzt,  für  die  Leitung  des  gartentechnischen  Teil  der  Aus- 
stellung in  der  Person  Keerls  eine  Kraft  zu  besitzen,  der  ein- 
mal eine  große  Erfahrung  zur  Seite  steht,  und  die  zudem  eine 
besondere  Begabung  für  dieses  Spezialgebiet  schon  mehrfach 
an  den  Tag  gelegt  hat. 

Keerl  wird  übrigens  auch  mit  einer  nach  seinen  eigenen 
Entwürfen  ausgeführten  Anlage  vertreten  sein,  und  zwar  mit 
einer  Schwarzwaldlandschaft,  durch  deren  reizvollen  Aufbau 
gleichzeitig  der  Nebenzweck  verfolgt  wurde,  den  Blick  nach 
der  unschönen  Rückseite  benachbarter  Mietskasernen  tunlichst 
zu  verdecken.  Diese  Schwarzwaldlandschaft  wird  als  eine 
Kombination  von  natürlicher  Plastik  und  gemalter  Kulisse 
gewiß  von  reizvoller  Wirkung  sein. 

Unser  Bericht  würde  unvollständig  sein,  wenn  die  beiden 
Rosarien  unerwähnt  blieben,  welche  rechts  und  links  neben 
dem  Haupteingang  am  Friedrichsplatze  vor  dem  Wasserturm 
angeordnet  sind.  Sie  werden  nach  Entwürfen  von  Professor 
Länger  reich  mit  Hecken  und  Architektur  ausgestattet 
sein.  Die  Bepflanzung  wird  von  Peter  Lambert  in  Trier  und 
F.  Boehm  in  Oberkassel  bei  Bonn  ausgeführt  werden. 

Wenn  mau  auch  um  das  Gesamtbild  der  Ausstellung 
richtig  zu  beurteilen,  erst  die  Vollendung  abwarten  muß,  so 
läßt  sich  doch  schon  heute  voraussehen,  daß  es  sich  hier  um 
eine  Fülle  schöner  Einzelheiten  handelt,  und  es  wird  mit  zu 
den    schönsten  Überraschungen    geliöien.    z\i   beobachten,   wie 


(,2 


DIB  GARTENKUNST 


IX,  3 


all  die   einzelnen  Kunstschöpfungen   zusammenklingen   werden 
in  eine  einzige  harmonische  Gesamtleistung. 

in.  Internationale  Gartenbau-Ausstellung,  Dresden 
1907.  Bereits  in  No.  B  des  .Jahrgangs  1906  der  Gartenkunst  ist 
auf  die  in  Vorbereitung  begriffene  diesjährige  Dresdener  Aus- 
stellung hingewiesen  und  es  wird  dem  Leser  nicht  unerwünscht 
sein,  wenn  jetzt,  nachdem  der  Termin  der  Ausstellung  (4. — 12.  Mai 
d.  J.)  näher  gerückt  ist  und  sich  dasAusstellungsunternehmeu 
in  seinen  Einzelheiten  überschauen  läßt,  nochmals  darülier  be- 
richtet wird. 

Die  Ausstellung  gliedert  sich  dem  ausgegebenen  Programm 
gemäß  in  Abteilungen  für  Palmen,  Warmhauspflanzen,  Frühjahr- 
blüher  usw.  (A),  Orchideen  (B),  Wissenschaftliche  Grundlagen 
des  Gartenbaus  fC),  Bindekunst  (D).  Gartenkunst  und  Garten- 
technik (E),  Wasserpflanzen  (P),  Obstbäume  (G),  Frische  Ge- 
müse (Hl,  Baumschulartikel  (1).  Zwiebeln,  Knollen  usw.  (K|. 

Eine  Gartenbau-Austeilung,  die  nur  acht  Tage  dauern 
kann  und  mit  Hücksicht  auf  ihren  Hauptzweck  —  die  Winter- 
blüher  in  der  größten  Vollkommenheit  zu  zeigen  —  spätestens 
auf  Anfang  Mai  gelegt  werden  muß,  kann  naturgemäß  nicht 
die  Gelegenheit  bieten,  die  Gartenkunst  in  derart  liebevoll 
ausgeführten  Mustern  vorzuführen,  wie  dies  190.'i  in  Darmstadt 
mit  so  großem  Erfolge  geschehen  ist.  Wir  müßen  unweiger- 
lich acht  Tage  nach  Schluß  der  Ausstellung  das  Terrain  selbst 
mit  den  schönsten  Objekten  wieder  geräumt  haben.  Wir 
haben  mit  Bedauern  für  Dresden  darauf  verzichten  müssen, 
die  Darmstädter  Hauptaufgabe  auch  bei  uns  nbenanzustellen. 
nämlich  die  Darstellung  des  zeitgemäß  entwickelten 
Hausgartens.  Uns  fehlt  Raum  und  Zeit  für  diese  Aufgabe, 
ja  wir  müssen  uns  in  der  Hauptsache  für  alle  in  Frage 
kommenden  Wettbewerbsobjekte  auf  die  graphischen  Dar- 
stellungsverfahren beschränken.  Das  Spezialprogramm  für 
Gartenkunst  und  Gartentechnik  enthält  eine  ganze  An- 
zahl recht  interessanter  Aufgaben,  die  zum  Teil  ja  auch  schon 
von  geeigneten  Kräften  in  die  Hand  genommen  worden  sind 
und  es  brauchen  sich  die  Leute  in  unserer  Kunst,  die  etwas 
zu  sagen  haben,  von  der  Beteiligung  nicht  abhalten  zu  lassen. 
Das  Sonderprogramm,  dessen  Versand  auf  Wunsch  jederzeit 
durch  das  Geschäftsamt  Dresden-A.,  Neumarkt  10,  erfolgt,  ist 
wohl  in  den  Händen  aller,  die  es  angeht  und  es  genügen 
einige    Hinweise. 

Interessant  ist  von  den  Aufgaben,  welche  öffentliche  An- 
lagen betreffen,  deren  Ausführung  früher  oder  später  einmal 
kommen  muß,  ein  „Volkspark"  mit  anliegender  Villenkolonie 
auf  dem  Gelände  des  Kamuiergutes  Gorbitz  bei  Dresden. 
Das  stark  bewegte  Terrain  bietet  dem  erfahrenen  Garten- 
künster eine  sehr  dankbare  Aufgabe.  In  dankenswerter  Weise 
sind  außerdem  von  der  städtischen  Gartenverwaltung  eine  An- 
zahl Aufgaben  zur  V^erfügung  gestellt,  die  in  nicht  allzuferner 
Zeit  auszuführende  Platzanlagen  des  Stadtbezirkes  Dresden 
betreffen. 

Für  die  Vorführungen  solcher  Anlagen,  die  vom  Aussteller 
selbst  ausgeführt  sind,  ist  schon  eine  recht  ansehnliche  Z:ihl 
von  Anmeldungen  eingelaufen.  Diese  Ausstellungsgruppe  er- 
möglicht es  dem  ausübenden  Gartenkünstler-  die  Vielseitigkeit 
seines  Könnens  mit  allen  Mitteln  der  Graphik  dem  Publikum 
vor  Augen  zu  führen  und  wird  meines  Erachteus  viel  /u 
wenig  in  der  richtigen   Weise  benützt. 

Die  Gruppe  für  „Gartenarchitekturen"  in  Modellen  und 
Zeichnungen  wird  wahrscheinlich  auch  gut  beschickt  werden. 
Die  Eigenontwürfe  solcher  Art  werden,  wenn  es  sich  verlohnt 
und  die  Autoren  zustimmen,  als  .Sammelwerk  im  Buchliandel 
erscheinen. 

Eine  hoffentlich  recht  reich    beschickte  Gruppe  von  Wett- 


bewerbspunkten umfaßt  die  für  den  Schmuck  der  Gärten 
bestimmten  Kunstgegenstände.  Sie  werden,  soweit  dies 
angängig  i.st,  einer  im  Stil  der  italienischen  Renaissance  aus- 
geführten Gartenaulage  (in  einer  großen  Ausstellungshalle) 
eingefügt.  Jedenfalls  werden  alle  plastischen  Kunstwerke  auf 
dieser  Gartenbau-Ausstellung  in  wirkungsvollem  und  schönem 
Rahmen  zur  Geltung  kommen,  der  ihnen  sonst  auf  den  meisten 
Kunstausstellungen,  die  ohne  die  Mitwirkung  der  Gartenkunst 
auskommen  zu  können  glauben,  in  der  Regel  fehlt. 

Für  ausgeführte  Haus-  und  Vorgärten,  denen  wie  gesagt 
nur  eine  geringe  Entfaltung  gestattet  werden  kann,  stehen 
recht  hübsche  Preise  zur  Verfügung. 

Ein  großer  Raum  wird  der  Gartentechnik  gewährt. 
Alles,  was  der  Gartenkünstler  heute  an  technischen  Hilfsmitteln 
zur  Verfügung  hat,  wird  sehr  gut  ausgestellt  sein. 

Es  versteht  sich  für  Dresden  von  selbst,  daß  auch  der 
Blumenschmuck  der  Häuser  in  geeigneter  Weise  be- 
dacht worden  ist.  Die  Aufgaben  sind  im  Programm  für 
Allgemeine  Bindekunst  enthalten  und  werden  hoffentlich 
einen  starken  Wettbewerb  hervorrufen.  Man  hat  sicherlich  es 
bisher  viel  zu  sehr  versäumt,  dem  Publikum  den  Schmuck- 
wert von  Blumenzwiebeln  und  Frühjahrsstauden  für  Balkons, 
Veranden  usw.  zu  zeigen  und  anzubieten.  Im  Winter  und 
Frühjahr  sehen  selbst  die  Balkone  im  blumenschmuckfreudigen 
Dresden  recht  öde  aus;  und  das  Material  ist  doch  ein  so 
reiches!  Es  muß  dem  Publikum  nur  einmal  in  geeigneter 
Form  vorgeführt  werden.  Mit  Zeitungsartikeln  allein  ist  es 
da  nicht  getan.  Da  müßen  eben  die  Handelsgärtner  heran, 
die  nachher  auch  lieferungsfähig  sind  und  das  Geschäft  machen 
sollen.  Für  sogen.  Blumenschmuck-Innenkunst  enthält 
das  Programm  für  allgemeine  Bindekunst"  sehr  hübsche  Auf- 
gaben und  auch  entsprechende  Preise,  z.  B.  für  eine  hervor- 
ragende Dekoration  großen  Stiles  Mk.  1000  usf.,  die  auch  wohl 
auswärtige  Gartenkünstler  reizen  dürften. 

Diese  Aufgaben  verdienen  die  allergrößte  Beachtung,  denn 
sie  berühren  die  Interessen  aller  Gartenbautreibenden,  die  der 
Künstler  sowohl  als  die  der  Pflanzenproduzenten.  Das  be- 
weist am  besten  der  Aufschwung,  der  in  den  Handel  mit  ge- 
wissen krautartigen  Sachen  gekommen  ist,  seitdem  man  aller 
Orten  die  Bewegung  für  den  Blumenschmuck  der  Häuser  auf- 
genommen hat. 

in  der  Abteilung  0:  Wissenschaftliche  Grundlagen  des 
Gartenbaues  wei'den  in  historischer  Reihenfolge  die  fünf  Haupt- 
perioden des  mitteleuropäischen  Gartenbaus  dargestellt  und  durch 
die  bei  ihnen  vorherrsclienden  Pflanzenarten,  Neueinführungen 
usw.  charakterisiert  werden.  Die  künstlerischen  Wandlungen 
werden  durch  Planniaterial,  welches  die  Ausdrucksweise  der 
verschiedenen  Stilrichtimgen  zeigen  soll,  veranschaulicht. 

Daß  in  Rhododendron  und  Azaleen  die  Ausstellung  das 
besondere  Interesse  aller  Liebhaber  dieser  schönen  Pflanzen 
—  und  wer  gehörte  nicht  dazu.'  —  in  Anspruch  nehmen  wird, 
darf  bei  den  Erfolgen,  die  die  Züchtungsversuche  der  Dresdner 
Kultivateure  aufzuweisen  haben,  als  selbstverständlich  angesehen 
worden.  F.  Ijedien. 

Gesetzgeberische  Mafsnahmen  gegen  dieVerunstaltung 
von  Ortschaften  und  landschaftlich  hervorragenden  Gegen- 
den. .Sritdcm  vor  .lalireu  im  llerrculiause  duicli  den  \'ortrag 
des  Oberbürgermoistei-s  der  Stadt  Bonn  die  Anregung  zu  einem 
Gesetz  gegen  die  Verunstaltung  von  Ortschaften  und  Gegen- 
den durch  die  Auswüchse  der  Reklame  gegeben  wurde,  haben 
sich  die  preußische  Regierung  und  die  Volksvertretungen  nur 
verhiütnismäßig  selten  mit  rein  iisthctischcni  Fragen  beschäftigt. 
In  den  letzten  Wochen  aber  ist  ein  Wandel  darin  eingetreten, 
der    die  Aufmerksamkeit  weiter  Kreise    hervorruft    und  gerade 


IX,  3 


DIE  GARTENKUNST 


63 


uns,  deren  Aufgabe  und  Beruf  es  ist,  für  das  landschaftlich 
Schöne  zu  wirken,  besonders  willkommen  sein  muil  Den  ^'er- 
handhingen  über  die  Rettung  des  Grunewalds  bei  Berlin  als 
Volkspark  (auch  eine  Angelegenheit,  die  jahrelang  geruht  hat) 
folgt  nun  eine  Beratung  über  den  Gesetzentwurf  gegen  die 
Verunstaltung  von  Ortschaften  und  landschaftlich  hervorragen- 
den Gegenden,  die  erfreulicherweise  nicht  wie  üblich  kurz  ab- 
ffefertigt  wurde,  sondern  eine  fruchtbringende  Aussprache  ge- 
zeitigt hat.  Der  Gesetzentwurf  ist  nicht  ohne  weiteres  ange- 
nommen worden,  was  wir  durchaus  nicht  bedauein  können,  da 
der  Entwurf  in  der  von  der  Regierung  vorgelegten  Fassung 
doch  noch  recht  unklar  war.  §  1.  lautet:  Die  Ortspolizei  ist 
befugt,  Bauausführungen  zu  verbieten,  welche  die  Strassen  und 
Plätze  oder  das  Gesamtbild  einer  Ortschaft  oder  in  landschaft- 
lich hervorragenden  Gegenden  das  Landschaftsbild  verunstalten. 

Hierbei  kommt  zum  Ausdruck,  daß  die  Ortpolizei  diejenige 
Stelle  sein  soll,  die  darüber  zu  entscheiden  hat,  was  künst- 
lerisch schön,  was  landschaftlich  schön,  überhaupt  was  ästhe- 
tisch schön  sein  soll.  Bei  allem  schuldigen  Respekt  vor  dieser 
Obrigkeit  dürfen  wir  es  doch  nicht  unausgesprochen  lassen, 
daß  uns  hiermit  nicht  gedient  sein  kann.  Wir  kämen  damit 
vielleicht  aus  dem  Regen  in  die  Traufe.  Dieser  Standpunkt 
ist  auch  von  fast  allen  Rednern  zu  dem  Entwurf  eingenommen 
worden,  wenngleich  auch  der  den  Entwurf  ressoitmäßig  ver- 
tretende Minister  der  öffentlichen  Arbeiten,  Breitenbach,  die 
Bedenken  mit  dem  philosophischen  Trost  zu  beschwichtigen 
suchte,  es  gebe  viel  Mittel  und  Wege,  das  Publikum  vor  Über- 
griffen der  Polizeibehöi'de  zu  schützen.  Dieser  Versuch,  zu  be- 
schwichtigen, konnte  die  Volksvertretung  nicht  überzeugen  und 
so  wurde  dann  unter  ausdrücklicher  freudiger  Anerkennung 
des  Grundgedankens  auf  allen  Seiten  des  Hauses  der  Entwurf 
einer  Kommi.ssion.  aus  21  Mitgliedern  bestehend,  überwiesen. 
Es  ist  durchaus  wünschenswert,  was  auch  alle  Redner  forderten, 
es  muß  irgend  eine  Stelle  geschaffen  werden,  die  aus  Saeh- 
verständigen  und  Interessenten  besteht  und  entscheiden  kann, 
welches  Gebiet  geschützt  werden  soll  —  wir  setzen  hinzu,  und 
mul5  — .  Diese  Forderung  läl3t  unzweifelhaft  erkennen,  eine 
wie  große  Bedeutung  die  Beratung  und  Beschlußfassung  über 
diesen  Entwurf  für  die  Deutsche  Gesellschaft  für  Gartenkunst 
hat.  §  Hu.  der  2.  Absatz  des  §  2  unserer  Satzungen  lauten:  die 
Deutsche  Gesellschaft  für  Gartenkunst  bezweckt:  Förderung  der 
Gartenkunst  im  weitesten  Sinne.  Mittel  zur  Erreichung  dieses 
Zweckes  sind:  Förderung  von  Bestrebungen  auf  verwandten 
Gebieten;  Landesverschönerung,  Waldästhetik,  Erhaltung- 
landschaftlicher  Schönheiten  und  Naturdenkmäler. 

Leider  ist  es  nicht  üblich,  bei  den  Kommissionsberatungen 
der  Abgeordneten  Sachverständige  zuzuziehen,  so  daß  an  dieser 
Stelle  ein  Eintreten  für  unsere  Forderungen  schwer  zu  erreichen 
sein  wird.  Es  wird  also  ein  anderer  Weg  zur  Geltendmachung 
unserer  Ansichten  einzuschlagen  sein.  Dieser  Aufgabe  ist  sich 
der  Vorstand  bewußt  und  es  wird  kein  Mittel  unterlassen 
werden,  für  die  Erreichung  unseres  Zieles  zu  wirken.  Da 
dem  Vorstand  diese  Aufgabe  durch  die  Mitarbeit  recht 
vieler  Mitglieder  bedeutend  erleichtert  wird,  so  erscheint  es 
durchaus  wünschenswert,  daß  diese  Frage  bei  den  Gruppen- 
sitzungen zur  Aussprache  kommt  und  dem  Vorstand  das 
Resultat  möglichst  umgehend  mitgeteilt  wird. 

Arthur   Glogau. 

Darmstädter  Künstlerkolonie.  Die  Darmstädter  Künstler- 
kolonie tritt  in  der  Gestalt  der  großherzoglichen  Lehrateliers 
für  angewandte  Kunst  zu  Darmstadt  in  eine  neue  Phase 
der  Entwickelung  ein;  auf  die  bekannte,  mehr  oder  weniger 
lose  zusammengehaltene  .Schar  freier  Künstler  folgt  eine  neue 
Gründung,  gleichsam  ein  Ausläufer  des  ins  Wanken  geratenen 


."Stammes,  aus  dem  neues  Leben  blühen  soll  und,  wenn  die 
.\nzeichen  nicht  trügen,  auch  blülien  wird. 

Von  den  „.Sieben",  deu  ausgesprochenen  Charakteren  der 
ersten  Kolonie,  ist  nur  noch  Olbrich  geblieben,  denn  auch 
Christiansen  hat  mittlerweile  Darmstadt  verlassen.  .\uch 
die  Nachfolger  der  einzelnen  Künstler  sind  wieder  gegangen, 
so  daß  auch  innerlich  kein  Zusammenhang  mehr  besteht  zwischen 
Gewesenem  und  Werdendem.  Fast  alle  früheren  Mitglieder 
sind  in  mehr  oder  weniger  hervorragende  Lehrstellen  ein- 
gerückt und  befruchten  auf  diese  Weise  das  Kunsthandwerk. 

Es  war  dies  vielleicht  ein  Fingerzeig  für  die  Neugestaltung 
der  Kolonie.  Bei  der  Berufung  der  neuen  Künstler  an  die 
Lehrateliers  hatte  man  nicht  sosehr  das  Augenmerk  auf 
die  Wahl  eigenartiger  Künstlercharaktere  gerichtet,  aber  man 
wählte  Männer,  die  im  Leben  gestanden  und  sich  bewährt 
haben,  die  wissen,  daß  man  von  ihnen  künstlerische  Arbeiten 
und  vorzugsweise  Einwirkung  auf  die  Schüler  erwartet. 


Bücherschau. 

Neue  Aufgaben  in  derBauordnungs-  und  Ansiedelungs- 
frage, Eine  Eingal]e  des  Deutschen  Vereins  für  Wohnungs- 
reform. Göttiugen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht.  Preis  1  Mark. 
Die  neue  Veröffentlichung  des  Deutschen  Vereins  für  Wohnungs- 
reform enthält  auf  engem  Raum  eine  Fülle  von  wichtigen  An- 
regungen für  die  Bauordnungs-  und  Siedelungsfrage. 

Aus  den  Leitsätzen  mögen  die  für  uns  wichtigsten  Punkte 
hier  zur  Wiedergabe  gelangen: 

„1.  Schon  seit  geraumer  Zeit  werden  in  vielen  Gegenden 
Deutschlands  Industrieuuterjehmungen  von  ihren  bisherigen 
Standorten  in  den  grofsen  Städten  und  Industriemittelpunkt«n 
in  die  entferntere  Umgebung  dieser  Orte  oder  auch  in  ganz 
neue  Gegenden  aufs  Land  oder  in  kleine  .Städte  und  ihre 
Nachbarschaft  verlegt;  ebenso  werden  neue  Industrieunter- 
ut?hmungen  vielfach  von  vornherein  an  den  oben  erwähnten  Ört- 
lichkeiten aufserhalb  der  herkömmlichen  Sammelbecken  unserer 
Industrie  gegründet.  Diese  ganze  Bewegung  hat  bereits  jetzt 
einen  grol'sen  Umfang  erreicht  und  ist  anscheinend  ständig  im 
Wachsen.  Sie  wii'd  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  durch  den 
bevorstehenden  Bau  neuer  .Schiffahrtskanäle  in  Preufsen,  die 
zur  Ansiedelung  an  ihren  LTfern  einladen,  einen  besonderen 
neuen  und  starken  Anreiz  erhalten. 

II.  Aufserdem  geht  auch  im  allgemeinen  der  Zug  unseres 
städtischen  Lebens,  wie  er  z.  B.  in  den  sich  immer  mehr  aus- 
breitenden Villen-  und  Landhausanlagen,  den  Kleiuwohnungs- 
und  Kleingartenkolonien,  den  Bestrebungen  für  uaturgemäfse 
Lebensweise  u.  dgl.  m.  zum  Ausdrucke  kommt,  dahin,  für  die 
städtische  Bevölkerung  einen  engeren  Anschlufs  an  das  Land 
und  die  freie  Natur  zu  gewinnen  als  bisher.  Die  aufserordent- 
liche  Entwickelung  der  lokalen  Verkehrs-,  wie  auch  der 
sonstigen  technischen  Hilfsmittel  (Fahr-  und  Motorräder,  Auto- 
mobile, Telephon  u.  dgl.)  ermöglicht  es,  diesen  Bestrebungen 
in  wachsendem  Umfange  Rechnung  zu  tragen. 

III.  Diese  Entwickelung  stellt  naturgemäfs  der  Tätigkeit 
der  Behörden  grolse  und  verantwortungsschwere,  zugleich  aber 
auch  äulserst  lohnende  Aufgaben.  In  den  eben  genannten  Be- 
zirken sind  die  Bodenpreise  noch  niedrig,  oft  noch  rein  land- 
wirtschaftliche; aufserdem  stellen  diese  Bezirke  auch  sonst  in 
bezug  auf  die  für  sie  zu  erwartende  starke  Entwickelung  ge- 
wissermafsen  ein  Neuland  dar,  auf  dem  nicht,  wie  in  unseren 
Städten  so  vielfach,  mit  den  Hindernissen  der  einmal  vorhandenen 
Bebauung  und  den  Widerständen  mächtiger  Interessenten- 
gruppen   zu  kämpfen   ist.     Diese  Bezirke    sind   daher    dazu  be- 


64 


DIE  aARTENKUNST 


IX,  3 


rufen,  die  an  und  für  sich  an  eine  städtische  Siedehin.^'  zu 
stellenden  Ansprüche  in  bozug  auf  Ciesundheit,  Weitriuimigkeit, 
Gartenmäl'sigkeit ,  Anschluls  an  die  Natur,  wirtschaftliche, 
soziale,  ästhetische  und  dgl.  Gesichtspunkte  in  ganz  anderem 
Mafse  zu  verwirklichen,  als  dies  in  so  vielen  unserer  jetzigen 
Städte  möglich  ist." 

Es  werden  sodann  eine  Reihe  wichtiger  ForderLingen  auf- 
gestellt, die  kurz  folgendermafsen  formuliert  werden: 

„Zur  Erfüllung  der  eben  bezeichneten  Aufgaben  und  zur 
gesunden  Entwickelung  der  in  Rede  stehenden  Bezirke  ist  ein 
ganzer  Kreis  von  Mafsnahmen  notwendig:  Reform  der  Bau- 
ordnungen. Bebauungspläne  u.  dgl.,  rechtzeitiger  ausgedehnter 
Grundbesitzerwerb  der  C!emeinden,  der  Kreise,  des  Staates  usw. 
und  eine  zielbewufste  Bodenpolitik  dieser  Körperschaften  über- 
haupt, ferner  Erweiterung  und  Ergänzung  der  gesetzlic-lien 
Grundlagen  für  städtische  und  gewerbliche  Ansiedelungen, 
Schaffung  von  Verkehrsmitteln,  steuerliche  Mafsnahmen,  eine 
stärker  auf  die  wirtschaftliche  und  soziale  Seite  des  städtischen 
und  gewerblichen  Ansiedelungswesens  gerichtete  Hochscliul- 
ausbildung  der  künftigen  Beamten  und  Architekten  u.  dgl.  m." 

„Da  die  Dezeutralisatiousbewegung  bei  uns,  wie  oben  aus- 
geführt, bereits  in  vollem  Flusse  ist,  so  leidet  diese  Reform 
keinen  Aufschub  mehr,  wenn  man  nicht  die  neuen  Siedelungen 
denselben  Mifsständen  preisgeben  will,  wie  sie  in  unseren 
jetzigen  Städten  zu  beklagen  sind.  .  .  .- 

An  die  „Leitsätze"  schliefsen  sich  ein  paar  vortreffliche 
Aufsätze  von  bekannten  Fachleuten  an.  Als  erster  schreibt 
der  verdienstvolle  Generalsekretär  des  Vereins  Dr.  K.  v.  Man- 
goldt  „Ein  Wort  über  die  Entwickelung  gewerblicher  und 
.städtischer  Dezentralisation  in  Deutschland".  Er  erörtert  darin 
die  mancherlei  Umstände,  die  die  Industrie  bestimmen,  die 
Grofsstadt  zu  verlassen  und  sich  lieber  in  kleinen  Städten  oder 
ganz  auf  dem  Lande  niederzulassen  und  fordert  eine  „recht- 
zeitige, kraft-  und  verständnisvolle  Boden-  und  Ansiedelungs- 
politik"für  die  zahlreichen  Orte  undGegenden,  diejetzt  oder  später 
in  den  Bereich  der  modernen  Dezentralisationsbewegung  fallen. 

Einen  Hauptbestandteil  dieser  Politik  luufs  die  schnelle 
und  energische  Reform  der  Bauordnungen  und  Bebauungspläne 
gerade  auch  für  ländliche  Bezirke  bilden. 

In  den  folgenden  Abliandlungeu  wird  diese  Spe/.ialfrage 
von  Eberstadt,  Gretschel,  Stubben  u    a.  eingehend  erörtert. 

Unser  ganz  besonderes  Interesse  verdient  der  Abschnitt  IV: 
Über  Gartenkolonien  als  Bestandteile  der  Ortsanlage. 

In  dem  volksw-irtschaftlichen  Teil  erörtert  zunilch.st 
V.  Mangoldt  die  hohe  Bedeutung  des  Gartenbaues  gerade  für 
unsere  Zeit  des  Industrialismus.  Der  Garten  gibt  dem  Menschen 
die  ständige  Berührung  mit  der  lebendigen  Natur  und  gewährt 
durch  die  Bescliäftigung  im  Freien  ein  lieilsames  Gegen- 
gewicht gegen  die  ungesunde  Fabrikarbeit.  Er  trägt  dazu  bei, 
die  Volksernährung  zu  verbessern  und  gewährt  der  Frau  eine 
willkommene  Beschäftigung,  ohne  sich  dabei  iliren  Kindern  zu 
entziehen.  Ganz  besonders  wichtig  aber  ist  der  Garten  für  das 
allgemeine  Wohlliefinden  und  die  Lebensfreude  der  Bevölkerung 
und  für  die  Erziehung  der  Jugend. 

Aus  diesen  Gründen  möchte  der  Verfasser  allen  denen 
Gelegenheit  zum  Gartenbau  geben,  die  danach  verlangen. 
Das  Ideal  ist  auch  für  ihn  der  Hausgarten,  der  jedoch  inner- 
halb der  bestellenden  Städte  wegen  der  hohen  Hodenpreise  nicht 
immer  geschaffen  werden  kann.  Er  tritt  deshalb  für  die  Er- 
richtung von  Gartenkolonien  ein.  deren  Zweckmäfsigkeit  und 
Rentabilität  durch  zahlreiche  Versuche  in  vielen  Städten 
festgestellt  ist.  In  manchen  war  es  ein  gemeinnütziger  Verein 
oder  eine  Genossenschaft,  in  anderen  die  Gemeinde  selbst,  die 


das  nötige  Land  darbot  und  die  Organisation  in  die  Hand 
nahm.  v.  Mangoldt  erachtet  nun  die  bisher  im  Vordergrund 
stehende  Privatinitiative  für  uhausreichend  und  wünscht,  dafs 
die  Gründung  und  I  nterhaltung  solcher  Gartenkolonien  als 
eine  Angelegenheit  von  grofseiu  öffentlichen  Interesse  aner- 
kannt und  deslialb  von  den  öffentlichen  Faktoren  —  vor  allem 
den  Gemeinden  —  übernommen  werden  soll.  Jede  gröl'sere 
Stadt,  aber  auch  kleinere  im  Wachstum  begriffene  Ortschaften, 
möge  sich  in  erreichbarer  Nähe  für  den  Gartenbau  geeignete 
Flächen  sichern,  und  sie  in  Parzellen  von  ca.  .jüO  m  zerteilen. 
Rechnet  man  pro  Quadratmeter  der  Gärten  eine  Jahrespacht 
von  .")  bis  10  Pfg.,  so  entspricht  das  bei  einem  Zinsful's  von 
4  Prozent  einem  Quadratmeterpreis  von  1,2"!  Mk.  bis  2,50  Mk. 
Die  Anlage  solcher  Kolonien  ist  demnach  in  der  Nähe  der 
meisten  Städte  finanziell  durchführbar  und  sogar  rentabel.  Für 
die  Verwaltung  soll  das  jetzt  übliche  System  des  General- 
pächters nutzbar  gemacht  werden.  Wenn  derselbe  als  Be- 
soldung 1  Pfg.  pro  Quadratmeter  erhielte,  so  würde  das  bei 
200  Gärten  zu  je  .'iOO  Quadratmeter  einen  Gehalt  von  1000  Mk.  er- 
geben. Dazu  kcinnte  er  freie  Nutzniefsung  von  1  — 2  Gärten  erhalten. 

Hier  möchte  ich  einen  ergänzenden  Vorschlag  macheu. 
Nämlich  den.  als  Generalpächter  einen  tüchtigen  (Partner  an- 
zustellen, dem  man  die  Verpflichtung  auferlegen  könnte,  den 
Pächtern  unentgeltlich  mit  Rat  und  Tat  zur  Seite  zu  stehen. 
Gleichzeitig  könnte  er  die  Anzucht  der  jungen  Pflanzen  über- 
nehmen, die  dann  zu  billigem  Preise  au  die  Pächter  weiter- 
gegeben würden. 

Die  Anlage  derartiger  Garteukolonien  würde  den  aufstreben- 
den Städten  ohne  sonderliche  Opfer  grol'se  Freiflächen  sichern, 
die  für  das  WoUbefinden  und  die  Gesundheit  der  Bewohner 
von  gar  nicht  genug  zu  schätzender  Bedeutung  wären. 

Wenn  man  zunächst  für  ein  Viertel  der  16  Millionen 
Deutscher,  die  in  Städten  über  50000  Einwohnern  lebenden, 
derartige  Gartenkolouien  schaffen  wollte,  und  dabei  auf  je 
4  Personen  500  Quadratmeter  rechnete,  so  würde  man  7.50 
Quadratkilometer,  d.  i.  nur  0,14  Prozent  der  Gesamtfläche  des 
Deutschen  Reiches  brauchen.  Mangoldt  schliefst  seine  inter- 
essanten Darlegungen  mit  den  Worten: 

„Natürlich  sind  gegen  diese  Art  der  Rechnung  hundert 
Einwände  geltend  zu  machen,  aber  wir  wollen  uns  doch  über- 
legen, ob  von  diesen  0,14  Prozent  nicht  unter  Umständen  ein- 
mal Schicksal  und  Zukunft  unseres  Vaterlandes  abhängen  krmnen." 

Im  Anschlufs  an  diesen  volkswirtschaftlichen  Teil  erörtert 
ein  Jurist  die  rechtlichen  Möglichkeiten,  derartige  Flächen 
zwangsweiee  von  der  Bebauung  auszuschliefsen  oder  sie  durch 
Enteignung  in  den  Besitz  der  Gemeinde  zu  bringen,  um  sie  dann 
in  der  geschilderten  Weise  dem  Kleingarteiibau  zu  erschliefseu. 

Wie  schon  aus  meiner  kurzen  Inhaltsangabe  hervorgeht, 
enthält  das  kleine  Werk  eine  Fülle  von  Anregungen,  die  fin- 
den Gartenkünstler,  ganz  besonders  für  die  im  staatli<'lien  und 
städtisclien  Dienst  befindlichen  Herren  überaus  wertvoll  sind. 
Das  Studium  des  Buches  sei  deshidb  ;iufs  wärmste  empfohlen. 

II.   Ka  m  p  f  Inic  y  e  r. 

Personal  nach  richten. 


Scharnke,  Gust..  bisher  Obergäilncr  im  Botanischen  Garton 
zu  D.ihlem.  ist  als  technischer  Hilfsarbeiter  bei  der  Giirten- 
vt-rwaltung  des  Kreises  Teltowangestellt  worden.  —  Hoff'mann, 
Hans  Karlsruhe,  ist  die  Stadtgärtnerstellei  n  Pforzheim  über- 
tragen. —  Ziwansky.M.,  Stadtgärtnerin  Hatibor,  ist  am  18.  Ja- 
nuar d.  J.  gestorben.  -  Kielil,  W.,  tiartentechniker,  bisher  in 
Posen,  tritt  in  die  unter  Prof.  Schultze-Naumburgs  Leitung 
stehenden  Saalecker  Werkstätten,  Saaleck  bei  Kiiscn,  ein. 


Für  die  RedaktioD  veraatwortlich :  Stadt-Qartpndirpktor  H 


eicke,  Frankfurt  a.  M.  -  Verlag  von  GebrUder  Borntraeger,  Berlin  SW.  11, 
Dcssauor  Strasse  29.  -   Druck  von  A.  W.  Hayn»  Erben,  Potsdam. 


IX,  4 


DIE   GARTENKUNST 


65 


Die  Szenerie  in  der  (ilartenl<iiusf. 

Von   Kiiiisteewerbeschuklirektor  Otto  Schulze  in  I.lbertelrl. 


NEW  YORK 
COTaNiCaL 


Vielleicht  würde  die  t'berschrit't  eine  Ergänzung  fordern 
in  „Gartenkunst  grolJen  Stils":  doch  glaube  ieh,  dal.l  das 
eine  benachteiligende  Einschränkung  des  Themas  bedeuten 
würde.  nUtLl  ich,  in  der  weiteren  Auslegung  des  Titels, 
nicht  mit  besonderen  t'berraschungen  heranrücken  werde, 
glaube  ich  kaum  besonders  hervorheben  zu  sollen,  denn 
das  Wort  Szenerie  soll  durchaus  nicht  an  die  enge  .Aus- 
legung des  Begriffes  der  bühnenmäüigen  Aufmachung  ge- 
bunden sein.  C)em  Gartenkünstler  selbst  ist  das  Wort 
Szenerie  im  Zusammenhange  mit  der  Verwirklichung  seiner 
rein  künstlerischen  Ideen  auch  gar  nicht  mehr  ungeläufig. 
Unsere  Strömung  bringt  uns  das  täglich  vor  Augen,  Szene  oder 
Szenerie  in  Beziehung  zur  Gartenkunst  kann  ja  auch 
schlechthin  gar  nichts  anderes  umfassen  als  eine  Besonder- 
heit, einen  Ausschnitt,  eine  Konzentration  oder  eine  Ab- 
lenkung, eine  Steigerung  oder  Abschwächung.  eine  Ein- 
leitung iider  .\bschlieüung,  ja  auch  eine  Unterbrechung, 
eine  Einschiebung  über  den  gewöhnlichen  formalen  Gang 
der  Dinge  hinaus.  Aber  trotz  des  scheinbar  „Fremden", 
das  in  \Vidersi)ruch  zum  künstlerischen  Grundgedanken 
einer  gärtnerischen  Aufgabe  zu  kommen  scheint,  haben 
wir  es  hier  mit  einem  in  dem  Wesen  der  Sache  selbst  be- 
gründeten Stimmungsgehalt  des  Schöpferischen  zu  tun, 
der  um  so  naiver  und  voller  ist,  je  mehr  er  aus  dem 
Zufall  und  dem  Unbewußten  heraufsteigt,  je  aufdringlicher 
und  leerer,  wenn  er  als  Note  eines  festgelegten  Regelwerkes 
auftritt.  Es  geht  hier  im  speziellen  Falle  w^ie  im  Gesamt- 
gebiete der  Kunst  überhaupt,  wenn  die  Absicht  alles  ist, 
der  Inhalt  nichts,  wenn  Nebensächliches  Hauptsache  wird 
und  ein  groLier  Grundgedanke  durch  Mätzchen  und  billige 
Witze  seiner  Aufgabe  entkleidet  wird. 

In  Rücksicht  auf  die  aus  der  allgemeinen  Kulturbewegung 
heraus  in  das  gesamte  Gartenkunstgebiet  hineingetragene 
Bewegung  und  Strömung  halte  ich  die  Behandlung  des 
mir  gestellten  Theinas  nicht  für  unzeitgemäll  Auch  wir 
hören  die  Schlagworte  „Zurück  zur  Natur",  „Los  von  der 
Natur",  und  zwar  von  den  Gärtnern  von  Gottes  Gnaden 
das  erstere,  von  den  extrem  neuernden  Gartenkünstlern 
der  Architekturschule  das  letztere.  Beide  Parteien  mögen 
auf  bestimmten  Arbeitsgebieten  in  ihrem  Recht  sein,  und 
brauchen  sich  trotzdem  nichts  zu  vergeben,  wenn  sie  gegen- 
seitige Anleihen  machen.  Es  kommt  auf  so  unendlich  viel 
in  einzelnen  Fällen  an,  dal.i  nicht  immer  ein  gerade  zur 
Hand  liegendes  Rezept  das  richtige  treffen  wird.  Aber  ein 
zu  großes  Regelwerk  ist  ja  w^ohl  überhaupt  immer  der  Tod 
der  Kunst  gewesen,  wie  ja  auch  —  zu  der  Ansicht  sind 
wir  inzwischen  gekommen  —  die  in  den  letzten  dreilJig 
Jahren  schematisierten  Gartenpläne  nur  in  wenigen  Fällen, 
ich  möchte  sagen,  in  einer  gewissen  Zwangslage,  da  über 


CD 


Q^  die  Absicht  ihrer  Urheber  hinausgewachsen    sind,    wo    sie 
^  der    Gartenkünstler    dem    Gartengeometer    aus    der    Hand 

CO 

cc 


nahm,  oder  jene  Verwilderung  eintrat,  die  das  Menschen- 
werk höhnte. 

Man  braucht  in  solchen  Dingen  heute  nicht  mehr  jedes 
Wort  auf  die  Goldwage  zu  legen,  man  hört  auch  von 
Laien  mal  ganz  gern  eine  Meinung,  selbst  wenn  sie  auf 
den  ersten  Blick  hin  absurd  und  unannehmbar  sein  sollte. 
Bestellerwille  hat  schon  manchem  .\usführenden  ein 
Schnippchen  geschlagen;  man  hat  auch  schon  die  Erfahrung 
gemacht,  dal.l  Maulbeerbäume  ganz  gut  bei  uns  gedeihen 
können  und  trotzdem  die  Seidenproduktion  resp.  die  Raupen- 
zucht nicht  aufzukommen  vermag.  Ja,  es  wird  so  manches 
inszeniert,  ohne  dal.'i  der  erwartete  Erfolg  den  gemachten 
Aufwendungen  entspricht.  Für  kein  Wort  ist  das  zu- 
reft'ender;  man  erwartet  Effekte.  Überraschungen,  Wir- 
kungen und  —  das  Erreichte  läLll  uns  kalt  auf  der  Bühne 
wie  im  Leben,  Gerade  bei  allergrößten  Aufwendungen 
kann  man  sicher  sein,  daß  das  Ergebnis  dahinter  zurück- 
bleibt. Und  der  Gradmesser  für  die  Unzulänglichkeit  wird 
um  so  größer,  je  mehr  die  Sache  in  den  E)ienst  der  All- 
gemeinheit gestellt  ist.  Mir  schweben  ungeheure  Bahnhof- 
anlagen vor.  Friedhöfe,  Stadtgärten,  Waldaufmachung  von 
Yerschönerun.gsvereinen,  Zoologische  Gärten,  Kuranlagen 
und  Stadterweiterungen,  deren  Brauchbarkeit  mit  dem 
Mangel  an  Schönheit  zusammenfiel.  Nicht,  daß  die  Ge- 
samtanlage unbrauchbar  gewesen  wäre,  sondern  daß  man 
verabsäumt  hatte,  Steigerungen,  Unterbrechungen,  Pausen 
oder  auch  Konzentration,  Blickpunkte,  das  sind  eben 
Szenerien,  keine  Feerien,  jene  geheimnisvollen  Sammler 
und  .Anreger  in  sich  verlierenden  .Anlagen,  von  vornherein 
zum  Vertreiben  der  Langeweile  an  den  richtigen  Platz  zu 
bringen. 

Aufmerksames  Betrachten  der  sich  jedem  erschließenden 
Naturschönheiten  und  -Absonderlichkeiten  hat  mich  darauf 
gebracht,  mir  nicht  nur  die  Szenerie  der  Landschaft  auf 
ihre  künstlerische  Note  hin  nutzbar  zu  machen,  sondern 
auch  jene  Zufälle  aus  bloßer  Menschenarbeit  heranzuziehen, 
die  mir  dadurch  offenbar  geworden  sind,  malerisch,  d.  h. 
bildmäßig  Naturausschnitte  aus  ihrer  Umgebung  loszidösen. 
Ich  sah  vor  langen  Jahren  einmal  alte,  malerische 
Friedhöfe:  in  lebhafter  Erinnerung  ist  mir  namentlich  der 
sogenannte  .Assistenztriedhof  in  Kopenhagen  geblieben; 
viele  alte  Bäume,  Unterholz,  wenige  Gräber,  oft  zerfallen, 
die  pflegende  Hand  des  Menschen  kaum  noch  erkennbar. 
Damals  kam  mir  das  erste  Mißbehagen  gegen  neue,  par- 
zelliert-kasernierte  Totenfelder  mit  ihrem  Vorkaufsrecht  für 
Erbbegräbnisse,  mit  ihrem  Pomp  über  den  Laden  morscher 
Gebeine.  Und  so  erkannte  ich  unser  Sehnen  nach  dem 
Parkfriedhof,  nach  dem  Gottesacker  der  freien  Aussaat,  nicht 
nach  dem  Furchenacker  der  Mähmaschine  Tod.  Von  da 
ab  habe  ich  die  Szenerie  gesucht,  wie  uns  etwa  Leistikow 
die    Schönheit     der     märkischen    Wälder    und    Seen    oder 


üfl 


DIE  GARTENKUNST 


JX,  4' 


Kampmann  und  Volkmann  die  der  Eifel  erschlossen  haben. 
So  habe  ich  empfinden  gelernt,  daß  es  neben  Wald  schlechthin 
auch  schönen  Wald  gibt:  nicht  den  in  die  Ebene  hinein- 
gesäten Kiefern-  oder  Eichenbestand,  sondern  den  Wald, 
durch  den  die  Brdwellen  ziehen,  hier  und  da  ungeheure 
Findlinge  gegen  die  Stämme  schiebend,  oder  gar  liebliche 
Waldwiesen  und  kleine  Gewässer  in  sich  bergend  wie  ge- 
hütete Kleinodien.  Nicht  die  tausend  und  abertausend 
Stamme  bilden  den  Wald,  sondern  das,  was  unter  deren 
Kronen  sich  breitet.  E)as  Auge  will  zwischen  den  Stämmen 
suchen,  ob  der  Wald  Geheimnisse,  ob  er  Schönheiten  birgt. 
Mir  ist  es  oft  genug,  im  Einerleigrün  eine  Birkengruppe, 
einen  alten  Steinbruch  oder  eine  Kiesgrube  zu  entdecken, 
die  der  Eintönigkeit  eine  Szenerie,  der  Luft  einen  Schall- 
kessel einfügt.  Und  inmitten  strotzender  Wuldriesen  jungen 
Nachwuchs  oder  vom  Windbruch  entwurzelte,  vom  Blitz- 
schlag zerschmetterte  Kolosse.  Alles  das  umfalJt  erst 
WaldesgrölJe  und  Natur.  Mögen  wir  Bilder  der  Heide  oder 
des  Moors,  des  Meeresufers,  des  Ackerlandes  oder  des  Ge- 
birges heranziehen,  es  wird  uns  ähnlich  ergehen,  wie  bei 
der  „Erfassung"  des  \\'aldes.  nicht  der  Sammelbegriff  läLlt 
in  uns  Schönheit  aufkommen,  sondern  die  Unterbrechung, 
die  Einschaltung,  die  Abweichung.  Das  einzelne  Gehöft 
mit  zur  Erde  neigendem  Dach,  die  Bodenerhebung  oder 
•Senkung  mit  Baumbestand,  der  Weiher  mit  Erlengebüsch, 
ein  blühendes  Kartoffelfeld  zwischen  Korn  und  Rüben,  eine 
Talschlucht  usw.,  ein  am  Horizont  ziehendes  Segel  sind 
die  Szenerien,  die  Lusterreger  für  das  Empfinden  der  je- 
weiligen Schönheit  in  diesen  durch  Sammelnamen  gekenn- 
zeichneten Einheiten. 

Wiese,  Garten  und  Park  zählen  auch  dazu,  sie  zählen 
umsomehr  dazu,  je  mehr  sich  Menschenkunst  bemüht, 
durch  Häufen  von  Gleichheiten,  Individuenmassen  jene 
Sammelbegriffe  zu  stärken.  Auch  hier  kann  nur  die  Szenerie 
die  unbedingt  auslösende  Stimmung  schaffen,  und  zwar  in 
i'bereinstimmung  mit  der  Forderung  „Zurück  zur  Natur"'. 
Ich  meine  nun  nicht  die  Gepflogenheit  der  Alten  in  dem 
Einbauen  von  chinesischen  Tempeln,  künstlichen  Grab- 
stellen oder  Ruinen,  noch  die  Billigkeiten  des  Marktes  in 
Zwergen,  Rehen,  Hasen  und  Hunden  aus  Steinzeug,  noch 
die  Schaffung  von  Bergen  und  Seeen  in  einem  Gelände. 
daß  die  Vorbedingungen  dazu  nicht  von  vornherein  erfüllt. 
Ich  bin  mir  auch  darüber  im  klaren,  dal.)  ein  Garten  oder 
ein  Park  von  seiner  landschaftlichen  Umgebung  ausgehen 
mulj,  mi.t  ihrer  Art  in  Zwiesprache  verbleiben  mul.J,  nicht 
in  sie  als  ein  Fremdes  hineingesetzt  werden  darf.  Wo 
man  den  Grundforderungen  nicht  gerecht  wird,  da  retten 
nicht  Wasser-  noch  Steinkünste,  noch  Wieso,  noch  Blume, 
noch  Strauch  oder  Baum  oder  irgend  eine  Zutat  vor  der 
inneren  Leere  dieses  dem  lieben  Herrgott  entrissenen 
Bodens.     Dann  ist  Natur  immer  besser  als  Kultur. 

Es  geht  daraus  schon  hervor,  dali  nicht  dem  gewalt- 
samen, dem  gesuchten  Einfügen  von  Szenerien  das  Wort 
geredet  sein  soll,  das  würde  ja  meinen  Absichten  und  .Aus- 
führungen gerade  entgegen  sein.  Ich  glaube  hierbei.  dalJ 
das  ein  Fachmann  alles  ganz  anders  ausdrücken  würde 
und  mülite,  und  dali  diese  meine  „Fachschriftsti'llerei"  au 
sich  ganz  wertlos  wäre,    wenn  der  Fachmann   in   ihr  nicht 


etwas  zu  finden  vermöchte,  das,  wenn  auch  nicht  direkt 
auf  den  Weg  führt,  so  doch  eine  Spur  zeigt,  die  ihn  nicht 
auf  das  Positive  seiner  Kunst  stößt,  sondern  ihm  ein  leises 
Klingen  einer  neuen  Saite  seiner  Seele  verrät:  Anregung, 
daß  neue  Möglichkeiten  neue  Lösungen  zeitigen. 

Ich  glaube,  daß  nach  dieser  Seite  das  Arbeitsgebiet 
der  Gartenkünstler  erweitert  werden  könnte,  ja  noch  darüber 
hinaus,  wenn  er  versuchen  würde,  seine  Gärten  nicht  als 
eine  Sonderheit  für  sich,  sondern  im  Zusammenhange  mit 
dem  bebauten  Gelände,  der  engeren  Nachbarschaft  von 
Wald  und  Wiese,  Acker  und  Trift,  oder  wieder  mit  Ge- 
bäuden höherer  oder  niederer  Abmessung  und  ihren  Höfen 
oder  Gärten,  schaffen  würde.  Auch  so  können  Szenerien 
in  die  eigene  Schöpfung  mit  hineingezogen  werden,  neue 
L)urchblicke  und  ideelle  Gebietserweiterungen  Perspektiven 
voll  wunderbarer  Bilder  erschließen.  Aber  auch  im  engsten 
Rahmen  vermag  die  Szenerie  nach  mancherlei  Richtung 
hin  die  gartenkünstlerische  Idee  zu  vertiefen.  Unsere 
Brunnenanlagen  und  Teiche.  Uuellen  und  Wasserstürze, 
ja  die  Aufstellung  von  Lauben,  Gartenhäuschen,  Lauben- 
gängen und  einzelnen  Bänken  geschieht  häufig  ohne  inneren 
Zusammenhang  mit  der  nächsten  Umgebung.  Heute  wird 
ein  reiner  Mißbrauch  mit  vielen  dieser  Requisiten  getrieben. 
Ich  erinnere  nur  an  die  Lauben,  die  in  der  Nähe  des 
Hauses  bleiben,  um  ja  von  hier  aus  das  ganze  Grundstück 
überwachen  zu  können,  an  Laubengänge  (Pergolen),  die 
von  Bäumen  und  Strauchwerk  eingeengt  werden,  anstatt 
Terrassen  zu  überspannen  oder  übersonnige  Wegstrecken, 
nüchterne  Mauerfronten  zu  decken,  oder  durch  ihr  Ein- 
schieben in  gewisse  Gartenteile  Perspektiven  zu  ermög- 
lichen. Eine  Quelle,  selbst  wenn  sie  künstlicher  Zuleitung 
entspringt,  muß  durch  die  Aufführung  ihrer  Umgebung 
eine  Quelle  ahnen  lassen.  Sie  braucht  nicht  immer  aus 
unglaublichen  Felsstücken  und  Grotten,  die  oft  geologisch 
geradezu  das  Vorhandensein  von  Wasser  ausschließen, 
hervorzusprudeln.  Wie  schön  wirkt  oft  eine  einfache  Fassung 
der  Quelle  zu  ebener  Erde,  an  einer  Böschung  oder  in 
einer  betonierten  Kiessenkung,  im  Gegensatz  zu  all  den 
banalen  Wasserkünsten  mit  Reihern,  Fischen  und  Fröschen 
oder  gar  Seeungeheuern,  die  mit  unsern  feuchten  Verhält- 
nissen auch  nicht  durch  Wasserspeihrii  in  engeren  Zu- 
sammenhang gebracht  werden  können. 

Mir  scheint,  daß  in  dieser  Richtung  auch  die  Garten- 
architektur oft  falsch  verstanden  worden  Ist,  und  zu 
Unrecht  zu  Spaltungen  unter  den  Gartenkünstlern  geführt 
hat.  Es  liegt  ja  im  Worte  selbst,  daß  der  Garten  als 
solcher  nicht  gebaut,  sondern  angelegt  werden  muß.  und 
daß  sich  die  Architektur  dann  auf  das  erstrecken  muß. 
was  nicht  notwendigerweise  mit  dem  Bauen  an  sich  wieder 
zu  tun,  sondern  überhaupt  mit  dem  sich  zu  befassen  h;il. 
was  Kunst  im  höheren  Sinne  fordert,  ohne  Wachstum  und 
Lebensfälligkeit  der  Gartonanlage  zu  gefährden.  So  sind 
auch  Terrainbewegungen  nur  Erfordernisse  der  Garten- 
architektur. Gartenarcliitektiif  kann  nur  das  umfassen, 
was  der  Gartenkünstler,  oder  sagen  wir  Gartenarchitekt, 
an  eigentlichem  Menschenwerk,  das  ist  Kunst,  in  <li('  von 
ihm  dafür  aufnalimelahig  geinaclite  Natur  hineinstellt.  Sei 
(las  nun  eine  Bank,  ein  Hrunnen,  eine  Vase,  eine  Sonnenuhr, 


\t,  4 


131E  GARTEi^KÜNäf 


67 


(Jhi'.  O,   Herz:   Kiitwurf  zu  einem  Haus-  mul  Obstgarten  (Lageplan) 


eine  Statue,  ein  MaueiTelief,  eine  Raiimuinsciiliel.liing,  eine 
Grenzenerweiterun.ii'  oder  sonst  etwas  Verwandtes,  immer 
wird  es  an  sicli  das  Unwandeli^are  bleiben  im  Wechsel  der 
Jahreszeiten  nnd  iluen  K'ultnren. 

Ich  möchte  auch  in  diesen  E)arlegungen  nicht  falsch 
verstanden  werden,  kann  doch  schon  das  Wort  Szenerie, 
wie  wir  gesehen  haben,  eine  vielfache  Auslegung  finden. 
Auch  ich  wollte  nur  Anregung  und  Klärung  geben  in  der 
Annahme.  dal.'i  das  durch  einschlagige  Fachkenntnis  nicht 
getrübte  Empfinden  tür  Natur-  und  Gartenkunstschönheit 
in  dieser  unaufdi'inglichen  L)arbietung  zur  Befruchtung 
gartenkiinstlerischer  Ideen  beitragen  könne  in  eben  dem 
Sinne,  wie  das  Eingreifen  von  Laien  in  die  Gebiete  der 
angewandten  K'unst  zu  grollen  \^'andlungen  zum  besten 
der  Verfeinerung  von  Geschmack  und  Technik,  ja  zu  ganz 
neuen  Anschauungen  und  neuen  Werten  geführt  hat. 


Entwurf  zu  »'iueui  Haus-  und  Olt.stgarteu. 

(Krliuiteriing  ) 

Iiic  Gesamtfläche  beträgt  einschließlieh  der  Villa 
2300  qm.  [)as  Terrain  ist  vollkommen  oben.  Im  Norden 
ist  dasselbe  von  einer  2  m  hohen  Mauer  begrenzt,  auf 
den  anderen  Seiten  durch  einen  Lattenzaun,  der  nach  der 
Straße  zu  eine  Sockelmauer  und  Steinpfeiler  erhält,  letztere 
mit  Rundziegel  abgedeckt,  die  Lattenfelder  oben  in  kon- 
vexem Bogen   gehalten. 

Im  Vorgarten  einfache  Rasenflächen,  rechts  und  links 
je  eine  Taxusj^yramide,  umpflanzt  mit  leuchtenden  ein- 
farbigen Blumen,  auf  den  Ecken  Kugelbux. 

Im  rückseitigen  Gartenteil  bildet  der  200  qm  grolle 
quadratische  Yorhof,  welcher  UO  cm  tiefer  als  das  Ge- 
lände gelegt  ist.  die  Vermittelung  zwischen  Haus  und  dem 


Obstgarten.  Getrennt  ist  diesm-  Vorhof  vom  übrigen 
Gartenteil  durch  dichte  Laubholzpflanzung  (Flieder)  die 
nach  der  Flatzmitte  zu  mit  Taxushecke  abschließt.  Gruß 
an  Teplitz  ist  zur  Vorpflanzung  vorgesehen. 

In  der  Mitte  des  Platzes  auf  der  Rasenfläche  erhebt 
sich  das  Wasserbecken  mit  Glockenfontaine. 

Nördlich  des  Wasserbeckens  flndet  ein  Gartenhaus 
Aufstellung,  dem  gegenülier  ein  freier  Sitzplatz  ange- 
ordnet ist. 

L>er  Rundbogen,  der  den  Eingang  in  den  Obstgarten 
bildet,  wie  überhaupt  die  ganze  vorgeschriebene  Partie, 
ist  reichlich  mit  Rosen  bepflanzt  gedacht. 

Im  Obstgarten  längs  des  Haupt weges  finden  Hoch- 
stämme mit  Zwischenpflanzung  von  Spindel  und  Pyramiden 
Anwendung,  während  der  südliche  Teil  als  Naschgarten 
mit  Beerenobst  usw.  bepflanzt  wird.  Formobst  findet  an 
den  Plätzen,  die  im  Plane  ersichtlich,  Verwendung.  E)ie 
Brunnenanlage,  in  Haustein  ausgeführt,  soll  neben  ihrem 
jiraktischen  Wert  für  die  wünschenswerte  Abwechselung 
sorgen.  Berz,   Stutt.gart. 


(iiiifiier  oder  Künstler 

Unmaßgebliche  Meinungen  eines  Laien. 
Wer  von  dem  unparteiischen  Standpunkte  des  Laien 
aus  die  Entwickelung  des  deutschen  Gartenbaues  in  den 
letzten  Jahren  beobachtet  hat.  wer  auf  der  einen  Seite  die 
letzten  Gartenbauausstellungen  in  Düsseldorf,  Darmstadt  usw. 
gesehen  und  die  bei  diesen  Gelegenheiten  gehaltenen  Reden 
mit  angehört,  auf  der  anderen  Seite  aber  auch  den  Kunst- 
ausstellungen sein  Augenmerk  geschenkt  hat  (München, 
Dresden,  Köln),  der  wird  sich  wohl  kaum  dem  Eindruck 
haben  entziehen  können,   als  befinde  sich  die  Gartenkunst 


DIE  G ARTEN  KUNST 


IX,  4 


augenblicklich  in  einer  Zeit  der  Krise.  I>ie  kunstgewerb- 
liche Bewegung,  die.  aus  kleinen  Anfängen  heraufgewachsen, 
in  einer  fast  unglaublich  kurzen  Zeit  un.ser  ganzes  Leben 
mächti,g  ergriffen  hat,  und  im  Begriffe  ist.  es  von  Grund 
auf  umzugestalten,  hat  auch  gegen  den  Gartenbau,  wie  er 
noch  vor  .'')  bis  6  Jahren  war.  und  seine  alteingewurzelten 
Prinzipien  Sturm  gelaufen.  lüinstler  haben  Entwürfe  zu 
Gärten  gezeichnet  und  auch  in  die  Wirklichkeit  iibei'setzt. 
Es  gibt  heute  kaum  noch  eine  grnßei'c  Kunstausstellung, 
in  der  nicht  aucli  Gärten  voi-geführt  werden,  und  kaum 
noch  einen  namhaften  Architekten,  der.  wenn  er  den  Auf- 
trag zu  einer  \'illa  oder  ähnlichem  erhält,  sich  nicht  auch 
die  Aufsicht   über  die  Anlage    des  dazu  gehörigen  Garfen- 


C'lu".  ().  Bei/.-Stuttgiirt,   Entwurf  zu  einem  Haus-   und  Obstgarten  (Scbauliild). 

grundstückes  vorbehielte.  iJicser  Invasion  des  Kiinsiler- 
tumes  mußte  sich  der  Gärtner  natiiidich  mit  allei'  nur  ver- 
fügbaren Kraft  entgegenstemmen;  das  wai'  im  (u'unde 
eine  Pflicht  der  Selbsterhaltun,g.  Das  Argument,  das  seine 
Hauptwaffe  bildete,  war  der  Vorwurf  gegen  den  Künstler. 
daß  er  sich  anmaße,  mit  einem  Material  zu  arbeiten,  das 
er  gar  nicht  kenne,  von  dessen  natürlichen  Lebensbe- 
dingungen er  keine  Ahnung  iiabe.  L»er  Künstler,  dessen 
Loben  im  allgemeinen  damit  ausgefüllt  sei,  Architekturen 
zu  bauen,  Möbel  zu  zeichnen  oder  gar  Bilder  zu  malen, 
und  dem  nur  vorübergehend  die  Laune  danach  stände, 
auch  einmal  einen  Garten  zu  entwerfen,  der  kenne  die 
Pflanze  ja  nur  gewissermaßiMi  vom  Sonntagnachmittag. 
I)cr  Gärtner  aber  sei  vertraut  mit  ihr  von  -lugend  auf  und 
lebe  mit  ihr  alle  Tage  auf  du  und  du  wie  mit  einem  alten 
Fi'eund  sein  Leben  lang;  er  allein  wisse,  wie  sie  behandelt 
sein  will  und  was  für  sie  angemessen  ist,  was  nicht,  lü' 
allein  habe  daher  auch  das  Recht,  sie  zu  verarbeiten  zu 
höheren  Werken  der  Kunst.  Auf  der  anderen  Seite  hielt 
der    Künstler    entgegen,    daß    der    Gärtner    allerdings    die 


Technik  besitze,  nicht  aber  die  künstlerische  Veranlagung 
und  Erziehung,  die  erforderlich  sei,  um  Kunstwerke  hervor- 
zubringen, l'nd  es  gelang  ihm,  eine  Reihe  so  krasser,  so 
vernichtender  Beispiele  ästhetischen  l'nverstandes  aus 
Gartenanlagen,  die  von  Gärtnern  geschaffen  worden  waren, 
anzuführen,  dal.)  nicht  wenige  seine  These  für  glatt  be- 
wiesen hielten.  Der  Kampf  tobt  noch  heute.  L'nd  wie 
bei  jedem  Prinzipien-  und  Existenzkampf,  denn  ein  solcher 
ist  er  letzten  Endes,  .streitet  man  sich  vielfach  um  ganz 
nebensächliche  L)inge,  Modefragen,  ob  man  die  Wege  ge- 
rade oder  krumm  machen  solle,  ob  nur  rechtwinklige  oder 
auch  geschweifte  Linien  zulässig  seien  usw.,  treten  in  den 
V(U'dergrund  \\ni\  verdecken  den  großen  Leitsatz,   um  dessen 

Ei'keiintnis  der 

Kampf       überhaupt 
nui-     kämpfeuswert 
is  :      Erlaubt     ist 
alles,    was   einen 
Sinn      hat,     ver- 
beten      nur      die 
Geda  n  ken  I  usig- 
keit.      Selbst      die 
Stimme    der    rück- 
sichtslosen  Leiden- 
schaft,  des  Hasses, 
der     keine    Gründe 
boren  will,   ist    hier 
und  da  vernehmbar. 
Die    Gemüter    sind 
eben  zu  bewegt,  um 
sich      den       freien 
Blick  über  das  ganze 
Schlachtfeld    in   je- 
dem Augenblick  be- 
wahren zu  können. 
Wer    hat    nun 
Recht','    Meiner  An- 
sicht   nach     keiner 
und    beide.     \\'ie   jede  Handwerkskunst    sich    nur    gesund 
entwickeln  kann,   wenn  sie  auf  den  festen  Grund  der  hand- 
werklichen Technik  aufgebaut  und  aus  ihr  herausgewachsen 
ist,  so  ist  es  auch  mit  der  Gartenkunst,  denn  die  Gartenkunst 
ist  eine  Handwerks-  oder  wie  man  heute  es  vornehmer  aus- 
zudrücken   glaubt,    eine    angewandte    Kunst.     Ebenso    wie 
wir  meiner  Meinung    nach    auf    die  Dauer    keine  moderne 
Möbelkunst  erhalten  werden,  wenn  es  nicht  gelingt,  künst- 
lerisch   schaffende   Handwerker    heranzubilden,    so    können 
wir     auch     nur    vom     Gärtner.     ni(dit     xnm     Kiinstli'r,    eini' 
Gartenkunst    der  Zukunft    erludl'en.     Ent wickeluimen    vdII- 
ziehen  sieb    immei-    nur    in  ansteigender  Linie    \iui    unten 
nach    iilien.    das    lehrt    die  Geschichte.     Bewegungen    von 
ol>en   nach   unten    entbehren    der  Basis   und  verfl.ittt'rn  da 
\\ry    iui    Wind,      l'jne    andi're    l-'r.ige    ist     es    alier.    eli    ilei' 
Gärtner  heutzutage  imstande  ist.  etwas  hervorzubringen,  das 
au(di  künstlerischen  Ansprüchen  genügt,    l'nd  da  sage  iidi: 
in   den    meisten  l-"ällen    nein.      Die  Tatsache   allein,   daß  eine 
von  Künstlern  betriebene  Garlonkultur  entstehen  und  liotien 
gewinnen     konnte,    beweist     meines    lü-a(diiens.    daß    der 


Dil-:  (iAirrKNKuNs'i' 


(iö 


riürtner  sich  aiil.'iorst;incle  zeigte,  ilcm  liri  einem  Teil  iler 
Xatinii  liei-vortretenden  Bedili'fnis  nach  ästhetischer  Garten- 
iiultui-  zu  genügen,  und  der  „K'niisuinent",  um  den  wiit- 
sidiarili(dii'n  .\usdi'U('l<  in  dieser  wirlsriial'llirlicii  1  ii'ilidition 
zu  gebrauchen,  siidi  daher  nach  einem  andeieii  umsah, 
der  iiim  das  liefern   konnte,    was  er   wollte.     Her  Künstler 


(>inige  (ledaiiken  iinterbroiton  möchte,  die,  da  ich  seihst 
Laie  bin.  natürlich  nui-  den  \\'erl  von  unmal.igeblichen  An- 
regungen haben   kiiiincii. 

Ich  ni(i(dite  da  zunächst  biMiiei'kcu,  dalJ  i(di  im  lol- 
genden  nur  die  gi'ol.ien  Aufgaben,  wie  städtische  Anlagen, 
städtische   oder  herrschaftliche  l'arks  usw.   im  Auge  habe. 


benutzte    die  Konjunktur    und    sprang    in    die    Lücke.     Kv  Es  ist   meines  Li'achtcns    eine   Lbei-spanniing    des  Bogens. 

allein  kimnte  es  ja  auch,     l'ie  (iarti'ukunst    war  eben  seit  wenn  man  heutzutage  jedem  einfachen   Hüi'ger,  der  hinter 

der  Mitte  des   19.  Jabrhundeits    aus  (iründen.    die  wissen-  seinem  alten,  gemütlichen  Häuschen  ein  ebenso  gemütliches 

si'liatilirU     nnch    nicht    klar    erfoi'scht    sind,     in    eine     Kr-  (iäi'tclu'n    bat,    mit    (Icwalt    eine    neue    Kunst    aufzwingen 


Clu-.  0.   Berz  Stuttqait.  Entwurf  z\i  L'inem  Haus-  und  Obstgarten  (Schnubild). 


schlaffung  geraten,  sie  hatte  den  Zusammenbang  mit  der 
Ti'ndition  verbu'en  und  war  daher  immer  mehr  in  sich 
selbst  zerfallen  und  zerbi'öckelt,  genau  so  wie  alle  anderen 
Zweige  di'r  angewandten  Kunst,  die  Möbelkunst,  tlie  Archi- 
tektur usw.  mehr  oder  weniger  auch.  Deshalb,  wegen  de.s 
im  Vergleich  zu  früheren,  historischen  l^erioden  der  Garten- 
kunst tiefen  Standes  der  Gartenkultur,  ist  ein  b^ingreifen 
von  selten  der  Künstler  augenblicklich  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grad  .gerechtfertigt.  Nur  ist  dabei  zu  beachten, 
dal.i  wir  hiermit  der  Bewegung  vrm  oben  nach  unten  nur 
als  vorüliergehendes  Stadium  und  nur  zu  dem  Zwecke  das 
\\'oit  i-eden,  eine  hoffentlich  recht  klüftige  Bewegung  von 
unten  nach  oben  anzuregen.  Ehe  Künstler  sollen  uns  nur 
helfen,  einen  Stamm  von  künstlerisch  gebildeten  und  emp- 
findenden Gärtnern  heranzuziehen.  Und  damit  knmnii'  i(di 
auf  die  Fragr  der  V<irbildung  di's  Gartcnkünstlei's.  über 
die     i(di     di'U     faidimännisclii'U     Li^-^iM-n      diosi'r     Zeitschrift 


will.  Ler  Mann  will  ja  gar  kein  grobes  Kunstwerk, 
sondern  er  will  nur  nahe  an  seinem  eigenen  Leben  ein 
Stück  Natur  haben,  das  er  hegen  und  ptlegen  und  an 
dessen  Wadi-^tum  und  Gedeihen  er  sich  n;ich  des  Tages 
Last  abends  die  Seele  laben  kann.  Das  Wenige  von  Kunst- 
was  da  vonnöten,  dafür  sorgt  er  schon  selbst,  sofern  ihm 
überhaupt  ein  Sinn  für  das  Schone  gegeben  ist.  Was  er 
braucht,  ist  also  lediglich  ein  tüchtiger  Gärtner,  kein 
(iartcnkünstler.  Etwas  anderes  aber  ist  es  mit  den  großen 
gärtnerischen  Aufgaben,  die  in  unseren  modernen  Grob- 
städten  zu  lösen  sind.  Da  werfen  die  oft  sehr  über 
schätzten  sogenannten  „Verkehrsbedürfnisse"  dem  städt- 
ischen Gartendirektor  nicht  selten  Fetzen  KrJe  von  so 
verzweifelt  ungi-eigneter  Gestalt  zur  gärtnerischen  Aus- 
schmückung hin,  dal.i  es  meines  Brachtens  schon  eines 
sidir  begabtr!n  und  s(dir  umfassend  gebildeten  Mannes  be- 
darf,   um  gegiMiül>ei-    diesen  zum  grol.),>n  Teil    ganz  neuen 


70 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  4 


und  mit  historischen  Analogien  niciit  oiine  weiteres  lös- 
baren Problemen  immer  etwas  Erfreuliches  zu  leisten. 
Man  vergegenwärtige  sich  nur  einmal,  welche  Schwierig- 
keiten die  so  häufige  Form  eines  quadratischen,  rings  von 
Häusern  begrenzten  Platzes,  der  durch  zwc-i  sich  Ivreuzende 
Straßen  in  vier  Dreiecke  zerlegt  wird,  der  gartenkünst- 
lerischen Anlage  entgegenstellt.  Oder  die  schmalen  Ring- 
anlagen, wie  sie  in  zahlreichen  Städten  aus  den  alten  Be- 
festigungen entstanden  sind!  Da  ist  es  also  mit  einer  rein 
gärtnerisch-technischen  Vorbildung  nicht  getan.  L'nd  da 
möchte  ich  mir  nun  den  Vorschlag  erlauben,  ob  niclit 
vielleicht   die  Griinduna:  einer  .Art    von  „Gärtnerakademie" 


W.  Ki. 


-Posen:  Aus  Golenbofei:   1. 


zum  Ziele  führen  könnte,  sei  es  von  selten  des  Staates, 
sei  es  von  selten  eines  privaten  Interessentenvei'eins,  sei 
es  in  Form  des  Ausbaues  einer  bereits  bestehenden  An- 
stalt. Vielleicht  würde  es  sich  empfehlen,  das  zu  gründende 
Institut  an  eine  l'niversilät  oder  Forstakademie  anzugliedern, 
ebenso  wie  man  beispielsw^eise  die  kgl.  Versuchswerkstätten 
für  Kunsthandwerk  in  Stuttgart  an  die  Polyteclinisclie 
Hochschule  angegliedert  hat.  I  uis  würde  wohl  den  Vniv.ug 
haben,  die  freie  akademische  I.uft  in  die  Anstalt  hinein- 
wehen zu  lassen  und  der  fachmännischen  Beschränkung 
und  Beschränktheit  entgegenzuwiikcn.  lumn  was  diese 
Akademie  zu  leisten  hätte,  wäre  gerade  allgi'nu'ine  ästhe- 
tische Erziehung,  nachdem  sich  ihre  Zöglinge  diu  Fach- 
bildung bereits  vorher  auf  anderen  Anstalten  oder  in  der 
Praxis  angeeignet  haben.  Der  Lehrplan  hätte  vor  allem 
die  Geschichte  der  Gartenkunst  zu  enthalten  und  zwar 
nicht  in  trocken  schematischer  Weise,  die  in  dem  Schüler 
ja  nur  den  Eindruck  erwecken  kann,  als  handle  es  sich 
um  einen  alten  Zopf,  sondern  möglichst  praktisch  und 
lebendig  behandelt.  An  bestimmten  Heispielen,  die  dem 
Schüler    durch    i^läne    und    Photographien     vor    .\ugeii    zu 


führen  wären,  wäre  zu  erörtern,  welchen  Faktoren  der 
Künstle)'  sicli  im  einzelnen  Falle  gegenüber  befunden  hat, 
welcher  Landschaft,  welchen  Boden-.  Wasser-  und  klima- 
tischen Verhältnissen,  welcher  voi'liandeneii  .\rcliitektur, 
welchen  gesellschaftlichen  Sitten  und  welchen  speziellen 
Wünschen  seines  Auftraggebers  er  Genüge  tun  sollte  und 
wie  er  sich  nun  damit  abgefunden  hat.  Es  wären  also 
fortgesetzt  .\usblicke  auf  die  Kunst,  die  Sitten  und  die  all- 
gemeine Kultur  der  Zeit  zu  geben,  immer  der  innere  Zu- 
sammenhang der  Gartenkultur  einer  bestimmten  E|)oche 
mit  ihrer  gesamten  Geisteskultur  im  Auge  zu  behalten  und 
auf  dieser  Grundlage  nun  eine  Kritik  aufzubauen,  was 
vom  Alten  auch  in  der  Gegenwart  noch 
lebensfähig  ist.  was  nicht,  indem  als  (Iründe 
für  eine  die  Lebensfähigkeit  verneinende 
Antwort  niii'  Veränderung  der  tatsächlichen 
gegebenen  Umstände  und  Bedürfnisse, 
eine  Umwandlung  der  künstlerischen  oder 
sittlichen  AnschaLitnigen  und  der  sozialen 
Verhältnisse  anerkannt  werden  könnten. 
In  vorgeschrittenerem  Stadium  wären  den 
Schülern  Plane  vorzulegen,  die  sie  selbst 
in  freier  füskussion  kritisch  zu  beleuchten 
hätten.  Exkursionen  zu  den  erhaltenen 
alten  Anlagen  in  Deutschland  und  Slipen- 
dienreisen  für  besonders  Begabte  nach  den 
groben  Mustern  Frankreichs  und  Italiens 
wären  die  notwendige  Ergänzung.  Damit 
ist  es  aber  nicht  genug.  Eine  eingehende 
Beschäftigung  mit  den  anderen  Künsten 
halte  ich  für  ebenso  erforderlich,  nament- 
lich mit  der  Architektur,  mit  der  der 
Gartenkünstler  ja  beständig  zusammen- 
ai'beiten  mub  und  deren  Grundprinzipien 
ihm  daher  völlig  vertraut  sein  sollten,  fias 
Studium  der  Malerei  würde  sich  als  gutes 
Mittel  erweisen,  ein  feineres  Farbengefühl 
auszubilden,  über  das  deijenige,  der  mit  einem  so 
farbigen  Material  arbeitet,  wie  der  Gartenkünsder,  auch 
verfügen  sollte.  Auch  hier  wäre  mit  der  theoietisclien 
Vorlesung  die  praktische  Museumsführung  zu  verbinden. 
Alle  Einzelheiten  dieses  Planes  auseinanderzulegen,  kann 
niclit  die  Aufgabe  dieses  Artikels  sein.  Der  .ganze  Vor- 
schlag ist  ja,  wie  gesagt,  nicht  mehr  als  ein  Gedanke,  der 
Gedanke  eines  Laien,  den  anztinelimcm  mler  zu  vei'werteu 
ich  dem  lierufenen  Urteil  von  Fachleuten  überlassen  mul.i. 
Ich  gebe  zu.  dal.l  es  fraglich  bleilit,  ob  mit  einer  solchen 
.\kademie  alles  erreicht  würde,  was  wünschenswert  ist. 
In  letzter  Linie  hängt  ja  doch  alles  vnn  der  persönliclien 
Beanlagung  ab  und  Talente  kann  man  nichl  anerziehen. 
Deshalb  aber  jede  fa'zieliung  als  iiljertlüssig  zu  bezeichnen, 
wäre  in  der  umgekehrten  Kichtiing  zu  weit  gegangen. 
Man  wird  aiuh  fragen,  welche  materiellen  Vorteile  der 
Zögling,  di'r  fiir  den  Besucli  der  Anstalt  dnclt  jedenfalls 
erhebliche  Giddopler  bi'ingrn  niül.ile,  sicli  davon  ver- 
sprechen düifte.  Natürlieli  wird  imin  di'ii  Hesurh  der 
.Xkadeinii'  /.imä'chst  nicht  nbligatorisch  l'iii'  die  höhere 
Kaiiiere   in   der  Gartenkunst   inarben   dürleii,    jeilocli  glaube 


IX,  4 


Uli-;   UAR'IMON  KUNST 


Kachleuten  vertrolen  werden  und  ich  or- 
lilicke  darin  eine  Bürgschal'l  für  ihre  Richlig- 
l<eit.  Otto  Bei'nhard. 


AV.  Kiehl-Posen :  Aus  Golenhufeh  2. 

ich.  dali  wenn  die  Aljademie  gute  Resultate  erzielt,  eine 
Bevorzugung  ihrer  Schüler  bei  der  Besetzung  leitender 
Stellungen  in  Städten  oder  größeren  Etablissements  sich 
ganz  von  selbst  ergeben  würde.  Schliel.ilich  wird  man 
mir  einwerten.  dalJ  mein  Plan  praktisch  undurchführbar 
sei,  schon  aus  pekuniären  Gründen.  Ich  beuge  mich  darin, 
wie  gesagt,  dem  fachmännischen  Urteil  und  versteife  mich 
in  keiner  Weise  auf  gerade  diesen  Weg,  zum  Ziele  zu  ge- 
langen. Ltie  Hauptsache  ist  ja.  dal.i  man  sich  über  das 
Ziel  einig  ist.  das  erreicht  werden  mul.l  und  überhaupt 
irgend  einen  Weg  dazu  einschlägt  und  mit  Enei-gie  ver- 
folgt —  am  l)esten  natürlich  den  leichtesten 
und  kürzesten. 


(loleiiliofeii  Im'I  Posen.  Ein  Musterdorf. 
\'oii  Kiehl,  Posen. 
Es  ist  zwar  nur  ein  der  Gartenkunst 
„\er\vandtes  Gebiet",  das  ich  mit  der  Schil- 
derung des  Musterdorfes  Golenhofen  betrete, 
doch  hoffe  ich  hiermit  den  Lesern  einen 
interessanten  Einblick  in  die  nach  aufsen 
hin  wenig  bekannte  Wirksamkeit  der  An- 
siedlungskommission  für  Posen  und  West- 
preufsen  zu  verschaffen. 

Golenhofen.  bis  vor  kurzem  noch  polnisch 

Golentschowo    genannt,    liegt    17    Kilometer 

nöi'dlich     von     Posen     an    der    Bahnstrecke 

l'osen-Schneideniühl  in  reizvoller  Wald-  und 

Wiesenlandschaft.     I  »ie  Ansiedlungskommis- 

sion    erwarb     Ende   1001   das  2600  Morgen 

grofse  Gut  im  Wege  der  Zwangsversteigerung. 

Der    Vorbesitzer  war    ein    Herr    von    Bloci- 

szewski.     Das   Gut    ist  zur    Zeit    in    43   Stellen    autgeteilt, 

davon  sind    33    an  Ansiedler.    6    an  Arbeiter  vergeben.   Je 

eine  Stelle    entfällt    auf   die  Schule,    den    Krug,    die  Stell- 

macherei    und  die  Schmiede.     Im  Herbst  1902    wurde    mit 

dem  Bau  der  neuen  Wirtschaften  und  im  Herbst  1904  mit 

der  Besiedelung  begonnen.     Unter  den  Ansiedlern  befinden 

sich  Badenser,  Brandenburger,    Sachsen,  ein  Westfale.  ein 

Schlesier,    Galizier,   Ungarn    und    russische  Rückwanderer. 

Die  Bauten    sind  nicht  sämtlich  von  der  Ansiedlungs- 

kommission    errichtet,    so    hat  der  Ungar  Arwa    sich    sein 

Haus  nach  eigenem,  an  die  ungarischen  Bauernhäuser  an- 


Durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Heraus- 
gebers dieser  Zeitschrift  ist  mir  nach 
Fertigstellung  des  obigen  Aufsatzes  der 
Lehrplan  der  Köngl.  Gärtnerlehranstalt  in 
Dahlem-Steglitz  zugänglich  gemacht  worden. 
Ich  habe  daraus  mit  Freude  ersehen,  dal.i 
ein  nicht  unwesentlicher  Teil  der  oben  ge- 
gebenen Anregungen  von  dieser  ,\nstalt 
bereits  in  die  Tat  umgesetzt  worden  ist, 
wenn  auch  allei'dings  noch  vieles  zu  erhoffen 
bleibt.  Ferner  habe  ich  aus  den  Mit- 
teilungen des  genannten  Herrn  entnommen, 
dal.)  der  Leitsatz  der  obigen  Arbeit:  frei- 
heitliche Weiterentwickelung  der  Garten- 
kunstlehranstalten, seit  Jahren  von  der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst  ver- 
fochten wird.  Es  war  mir  eine  Genugtuung, 
festzustellen,  dal;!  die  Ideen,  zu  denen  ich 
als  Laie  ganz  unabhängig  und  nur  aus  der 
Betrachtung  der  Sache  selbst  gekommen 
bin,  von  einer  angesehenen  Vereinigung  von 


\V.  Kield-Posen;  Aus  Golenhofen  :-!. 


DUO  gautkn'kunjst 


IX,  4 


W.  Kielil-Posen:  Aus  Golenhoi'en  4. 

lehnendun  Hntwurf  errichtet.  Im  allgemeinen  .  übeiiäfst  es 
die  Kommission  den  Ansiedlern,  sich  ihre  Gehöfte  nach 
eigenem  Geschmacli  und  Mitteln  zu  erbauen,  doch  in  Golen- 
hofen  sollte  einmal  ein  E»orf  entstehen,  das  in  jeder  Be- 
ziehung als  Muster  gelten  kann.  Und  in  der  Tat  ist  hier 
ein  Dorf  erstanden,  wie  es  wohl  kein  zweites,  weder  in 
Ost-  noch  Westdeutschland  geben  wird. 

Regierungs-  und  Baurat  Fischer-Posen,  dem  diese 
lohnende  Aufgabe  zufiel,  hat  sie  glänzend  gelöst.  Er  hat 
sich  hiei'bei  nicht  nui-als  praktischer  Baumeister  und  Kenner 
liindwirtschattlicher  Betriebe,  sondern  uuch  als  leinfiililender 
Künstler  gezeigt,  der  es  verstanden  hat, 
mit  verhältnismäfsig  geringen  Mitteln  etwas 
vollendet  Schönes  zu  schaffen.  Wie  ver- 
wachsen mit  der  umgebenden  Landschaft 
liegt  das  Dorf  da.  Zu  beiden  Seiten  eines 
vorhandenen  Feldweges,  den  alte  Pappeln 
beschatten,  zieht  sich  langgestreckt  das 
Dorf  hin  (Abb.  1).  Ziemlich  im  Mittelpunkt 
liegt  der  l.iorfangor,  geziert  von  einem 
hübschen  überdachten  Brunnen.  An  der 
einen  Längsseite  dieses  Platzes  liegt  das 
Schulhaus  mit  daran  angrenzender  Ka- 
pelle (Abb.  2).  Einfach  und  schlicht  wie 
das  Äufsere  ist  in  beiden  Hauten  auch 
das  Innere,  deren  Hauptreiz  in  ihrer 
Parbenfreudigkeit  liegt.  An  den  Wänden 
des  Schulzimmers  schmückt  ein  munterer 
Fries  aus  dem  Leben  des  Kindes,  an  den 
Deckenbalken  (un  reizender  Spatzenfries  den 
Raum.  I  lie  Kapelle  schmücken  ein  einfaches 
Kreuz,  ein  alter  Messingkronleuchter  und 
bunte  Sträufsc,  wie  man  sie  überall  auf 
dem   Lande  findet.      Im    Ober-  und    r>ach- 


geschofs  der  Schule  liegt  die  geräumige 
Lehrerwohnung,  deren  schönster  Raum  die 
gemütliche  iJachlaiibe  bildet.  Gegenüber 
der  Schule  liegt  der  Krug,  das  gröfste  Haus 
des  Dorfes  (Abb.  3).  Ohne  jedes  Ornament, 
und  doch  so  einladend  liegt  es  da  unter 
dem  hohen  roten  Ziegeldach:  schon  von 
ferne  winkt  der  „Krug  im  grünen  Kranze", 
(Irn  dei'  Wirt  hiuausgehängt  hat. 

Jedes  der  Wohnhäuser  (.\bb  4—6),  die 
alle  von  einander  verschieden  in  der  Bauart 
und  d(i(di  so  überaus  fein  zusammen  stimmen, 
verrät  aufsen  und  innen  den  künstlerischen 
Sinn  seines  Erbauers  der  es  ohne  grofso 
Mittel  vershinden  hat,  vor  allem  durch  die 
uiückliche  Verwendung  fein  abgestimmter 
l-'arbentüne,  eine  Beh;iglichkeit  hier  zu  ver- 
breiten, die  eine  stille  Sehnsucht  im  Be- 
schauer weckt  und  dem  Bewohner  ein  Heim 
errichtet,  in  dem  sein  Leben  in  ruhiger  Sefs- 
haftigkeit  und  in  der  Freude  am  eigenen 
Besitz  ruhig  und  glücklich  dahinfliefsen  kann. 
Fast  ein  jedes  Haus  hat  seinen  Spruch, 
teils  ernst  teils  heiter,  wie  die  folgenden  zeigen : 

Liebe  Gott  vor  allen  LUngen, 

So  wird  E>ir  alles  wohlgelingen. 

Der  Kaiser  führt  das  Szepter, 
Ih'V  Hauer  führt  den  Ptlug, 
L'nd  wer  niclit  beide  elii'et. 
Der  ist  wiihl   nicht  klug. 


Eine  Kuh,  die  Gutes  j'rifst. 

Gibt  mite  Milch  und  guten   Mist. 


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W.    Kii'bl   rillen ;    .Vus   Golrnliöteu   ."). 


tX.  4 


l>l  K  i.i  A  IM' KN  KUNST 


73 


Wie  es  früher  unter  polnischer  Wirt- 
schaft hier  aussah,  zeigt  die  Abb.  7.  Ja 
selbst  im  .Vnfanj^  iliescs  .lahres  hausten 
in  diesem  schon  lialb  zusammengebrochenen 
Bau.  der  jetzt  zwar  wieder  ausgebessert  ist, 
polnisclio  Arbeitsleute,  die  sich  allem  An- 
schein nach  nicht  von  der  allen  Herrlich- 
keit trennen   konnten. 

Ein  wichtiges  Stück  Kulturarbeit  liegt 
in  dieser,  bisln.'r  in  lieulschland  einzig  da- 
stehenden L»orfanlage.  dei'en  völlige  Wert- 
schätzung erst  erkannt  werden  kann,  wenn 
sich  ihre  vurbildliidie  Wirkung  ergeben 
haben   wird. 


W.   Kiehl-Fosen:  Aus^(_:oleiilioffn  (i. 

Kr/ilit  die  Henne,  schweigt  der   llalin, 
Ist  das  Haus  gar  übel  dran. 

Hei  keinem  Hause  fehlt  der  Nutz-  und  Ziergarten,  in 
denen  man  all  die  in  der  trüberen  Heimat  liebgewonnenen 
Blumen  und  s(mstigen  Gewächse  findet,  die  sonst  selten 
in  der  Posener  Gegend  zu  sehen  sind, 

t'ber  die  .^rt  und  Weise  einer  Gehöftanlage  und  deren 
Kosten  seien  noch  einige  Bemerkungen  angeführt.  E)as 
Gehöft  i.Vbb.  5)  ist  für  70  .Morgen  Grundstücksgrflfse  be- 
rechnet. Lias  Erdgeschofs  besteht  ini  Wolmhausteil  aus 
"2  Stuben.  Küche  und  Flur,  das  Obergeschofs  aus  3  Stuben 
und  einer  Kammer.  An  die  geräumigo  Küche  ist  der  auf 
dem  Lande  unentbehrliche  Backofen  ange- 
baut. Im  Stall  ist  reichlich  Platz  für  zwei 
Pferde  und  acht  Stück  Rindvieh,  weiter 
sind  vier  grnfse  Schweinebuchten  und  eine 
Jungviehbucht  vorhanden.  E)er  Raum  über 
dem  Stall  Ist  Futterboden.  Die  innere  Aus- 
stattung der  Wohnräume  ist  sehr  einfa(di. 
EMe  Stuben  haben  weifs  verputzte  Wände 
und  Eiecken  und  Eüelenfufsboden.  Eias  Holz- 
werk ist  farbig  gestrichen.  Eiie  Küche  hat 
Fliesenbelag.  E»er  Stall  hat  massive  Beton- 
decke und  Krippen,  die  direkt  durch  Zapf- 
hähne gefüllt  werden  können.  E>as  Gehöft, 
wie  überhaupt  das  ganze  Eiorf  hat  Wasser- 
leitung die  durch  einen  \\'indmotor  .gespeist 
wird.  E>em  Inneren  entsprechend  ist  das 
.Uifsere.  .\uf  einem  verputzten  Backstein- 
sockel erhebt  sich  das  in  E\-ichwerk  aus.ge- 
führte  Wolingebäude  und  der  massive  Stall. 
E>as  Obergeschofs  und  der  Stallanbau  sind 
mit  Brettern  verkleidet,  ebenso  der  Giebel. 
Eiie  Putzfarbe  ist  ein  abgetöntes  Gelb,  das 
Holzwerk  ist  nur  mit  Karbolineum  gestrichen: 
für  das  E'ach  sind  rote  Ziegel  verwendet. 


Die  (Iriiudzii^e  der   Laii(lschartsj;estaltiiii;::. 

llliuvoiso,    wie    man    ilic  ii:iliirliclicii    Scliiirilieilcii 

villi    (icbüsclicii     iiiiil    \\  iibliiiir:i'ii    in    Krsclii'iiinii^ 

trcli'ii  lassen  kann. 

\'ou  J.  Forsyth  Johnson. 

(.\us   dciü   l^nglisi-hen    frei   übertragen    von     0.  K.  Schiie'idui- 

_und_E.  B.  Behiiick.)') 

(Fortsetzung.     Hierzu  Fig.  -1 — S.j 

U  mri  II 
\\"\i;   erfahren    wir    nun    durch    die    .\usslrahlung    die 
Scliönheiten  der  Xatur? 

*)  Da  ich  aus  verschiedenen  Gründen  verhiiideit  gewesen 
wäre,  die  Übersetzung  rechtzeitig  zu  vollenden,  hat  auf  ineine 
Bitti'  mein  I-Veund,  Herr  Obergärtner  E.  B.  J-Jehnick.  Berlin, 
die  (uite  gehabt.  V(inTeil2  ab  die  Hauptarbeit  zu  übernehmen. 
Ich  bleibe    jedorh    allein    für   die  Übersetzung    veruntwurtlich. 

.Schneider. 


W.   Kichl- Posen:  Ans  Golenhofen  7. 


74 


DIE  GARTENKUKST 


IX.   I 


Wir  erblicken  die  Objekte  der  Landschaft  im  Imrili 
und  Profil. 

Die  Gesetze  des  Umrisses  bilden  Masse  und  Abstand. 
Fig.  4   veranschaulicht,    wie    die    auf    den    Beschauer    zu- 


.Strahlungsgesetze  für  M:isse  und  L'rafang. 

Fig.   4.     Drei    natürliche    Gesetze    für    .Szenerieaufbau:    .Masse. 
Abstand  und  .Strahlung. 


laufenden  Linien  der  Masse  und  Perspektive  dem  .\uge 
auf  einmal  den  besten  Überblick  geben.  E'ie  Perspektiv- 
linien beschäftigen  den  Geist  am  hervorragendsten.  Der 
.\bstand  richtet  sich  nach  diesen  lüii-ven.  Von  diesen 
zwei  Grundregeln  müssen  wir  ausgehen  bei  der  Ent- 
wickelung  der  beabsichtigten  landschaftlichen  Charaktere. 
Ihre  Wirkungen  müssen  wir  zuerst  beobachten  und  im 
rechten  Verhältnis  festlegen.  Sie  führen  uns  dahin,  alle 
Charakterzüge  des  Landes  sachgemätJ  in  ihrer  Eigenart  zu 
entwickeln. 

Fig.  4  und  5  veranschaulichen  die  3  Regeln  für  dit; 
Behandlung  der  Umrißlinien.  D\e  Massenlinien  geben  die 
Bildszenerie  fürs  .\uge,  wobei  90"  die  äulierste  Grenze  dar- 
stellen, während  manche  sagen.  daU  wir  nicht  mehr  als 
60"  überblicken  können. 

In  Fig.  5a  sehen  wir  die  Kurvatur  der  Natur  in  straloen- 
mäßiger  Weise  beschnitten.  Fig.  5b  illustriert  die  Art  und 
Weise  wie  man  gemeinhin  ihre  Entwickelung  versucht. 
Fig.  5  c  endlich  zeigt  uns  die  Resultate  einer  Entwickelung 
des  Umrisses  gemäß  natürlichen  Gestaltungsgesetzen. 

Gerade  Linien,  die  den  Blick  festhalten,  machen  das 
Arrangement  unnatürlich.  Sie  gemahnen  an  Begrenzung, 
anstatt  den  Eindruck  von  Unendlichkeit  hervorzurufen.  I)as 
durch  Fig.  5a  und  b  skizzierte  "Verfahren  wird  überall  von 
Leuten  ausgeübt,  die  sich  Landschaftsgärtner  nennen, 
aber  die  Schönheiten  des  Landes  nicht  sehen  können. 
Fig.  8  verdeutlicht,  wie  die  natürlichen  Gesetze  von  UmriLi 
und  Ausstrahlung  ein  breites  Bild  beherrschen,  das  in 
seinen  Grundzügen  von  den  Massenlinien  beherrscht  wird. 
Beim  Ausblick  vom  Zentrum  des  Weges  strahlen  die  Sicht- 
linien in  der  angegebenen  .\rt  aus;  Einzelheiten  werden 
durch  Abstandsentwickelung  von  Ecken  usw.  angezeigt. 


Wir  müssen  uns  die  Wichtigkeit  des  Verständnisses 
der  Konturlinien  so  fest  als  nur  möglich  einprägen. 

Abstand  e. 
Hatten  wir  in  Fig.  5  breite  Sichten  vor  uns.  so  führt 
uns  Fig.  6  zur  AufschlieBung  langer  liurchblicke.  In  a 
sehen  wir  die  gewohnte  Art.  Abstände  zu  arrangieren,  b 
zeigt  die  ebenso  gewöhnliche  falsche  Art  und  Weise,  wie 
wir  sie  schon  bei  4  behandelten,  und  in  Fig.  6c  lernen 
wir  erkennen,  wie  nützlich  die  Gesetze  der  Perspektive  sind, 
wenn  die  Verhältnisse  ihre  .Anwendung  am  rechten  Orte 
gestatten. 

Alle  landscbattlichen  Eindrücke  werden  den  Sinnen 
durch  die  grofcSen  Gesetze  von  Masse  und  Abstand  vermittelt. 
L»amit  ist  jedes  Landschaftsbild  von  einem  der  beiden  be- 
herrscht oder  meist  von  beiden,  indem  aber  das  eine  das 
andere  überwiegt.  Haben  wir  eine  lange  Sicht,  so  herrscht 
das  .\bstandgesetz  und  das  der  Masse  zeigt  die  L»elails. 
umgekehrt  ist  es  bei  einem  breiten  Bild. 


i)  Gewöhnliche  Alt  der  Begrenzung. 


»?OAO  . 


b)  Das  übliche  Ausbuchtungssystem. 


c)  Das  Ergebnis  der  regelrechten  Massenentwickhmg.  Natür- 
liche Gliederung,  Massen  und  Abst;ind  in  solcher  Entwickelung, 
dats  die  unendlichen,  die  Lebendigkeit  der  Landschaft  aus- 
machenden Reize  an  Licht  und  Scliattcn  zur  (ieltung  kuinnien. 

Fig.  5.     Die  Behandlung    breiter  Sichten,    die    praktischen    lie- 
sultate  regelreciiter  Massenentwickelung  veranschaulichend. 


IX.  4 


DIE  GARTENKUNST 


ider  beeinträchtigt 


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Fig.  G.     Entwicklung  langer  Sichten:  Jie  prakti.sclien  Ke.snltutt' 
der  Entwickelung  natürlicher  Fernblicke  veranschaulichend. 


Als  Kontrast  sind  ge- 
rade Linien,  ebener  Boden. 
Wege  usw.  in  Verbindung 
mit  Gebäuden  in  der  Land- 
schaft nützlich. 

Wir  sehen  von  der 
\atur  nur  Teile,  nie  das 
Ganze.  Der  Gemeinplatz: 
„Dinge  erscheinen  gröljer 
als  sie  sind"  ist  unsinnig. 
Das  Größtmögliche  zu  zei- 
gen, ist  Pflicht,  aber  viel 
mutl  natürlich  ungesehen 
bleiben. 

l.Hu'rh  richtiges  Arran- 
gement wird  ein  viel 
gröLierer  Szenenreichtum 
erschlossen,  als  es  durch 
falsches  möglich  ist.  iK'v 
Gestalter  strebt  danach  die 
sich  ihm  bietenden  Vor- 
teile in  wirkungsvollster 
Weise   zum    Ausdruck    zu 


bringen  und  wenn  die  Vorzüge  verdeckt 
werden,  so  ist  das  Arrangement  falsch. 

Lturch  Entwickelung  der  langen  Linie  in  Fig.  6c  an 
Stelle  des  kurzen  Durchblickes  in  Fig.  6  b  eri-eichen  wir 
groLie  Vorzüge  und  vei'raeiden  die  Nachteile  liegrenzter 
Eindrücke. 

Profile. 

Bäume  sind  das  Leben  der  Landschaft.  Wohl  werden 
in  Büchern  die  verschiedenen  Höhen  der  Bäume.  Sträucher 
und  Blütenpflanzen  angegelien.  aber  wenig  ist  darin  gesagt 
über  die  Art  und  Weise,  wie  wir  ihre  Schönheit  ziu-  F]nt- 
fallung  bringen  können. 

Bäume  geben  Wechsel  in  den  Himmelslinien.  Sträucher 
in  mittlerer  Höhe,  Blütenpflanzen  am  Boden.  Die  Pflanzung 
ist  zu  vergleichen  mit  dem  Auftrag  der  Farbe  auf  die 
Leinwand  durch  den  Maler.  Der  Endett'ekt  hier  wie  dort 
ist  allumfassende  Harmonie. 

Gleich  wie  jedes  Haus  eines  Fundamentes  bedarf  und 
dieses  doch  verborgen  bleibt,  wenn  das  Haus  fertig  ist.  so 
mag  wohl  die  winzige  Arenaria  balearica  ein  Stückchen 
Land  Überschleiern  und  Gras  durchaus  den  ganzen  Boden 
verhüllen,  mit  vielen  Tiipfen  von  Rosen,  die  daraus  sich 
hervorheben.  Bäume,  die  über  die  Sträucher  herausragen, 
wie  die  Bergesche,  die  Birke  und  andere  schneiden  über 
dem  .Mittelgrunde  ab.  ('her  ihnen  wieder  entwickeln  Ahorn- 
arten malerische  Kronenszenerien,  und  schlietilicli  türmen 
sich  Ulmen  und  Tulpenbäume  auf  und  ragen  weit  in  den 
Himmel  hinein. 

In  allen  Szenerien  sollte  eine  Art  die  vorherrschende 
sein.  Bilden  in  einer  Szene  die  .\horn  die  hervorstechenden 
Züge,  so  in  einer  anderen  die  Tulpenbäume,  wobei  der 
dunkle  Vordergrund    mit    Tupfen    von    Silberbirken    unter- 


TH£     POz/VT        OP     OOS  E  RvflT  / 


AMC  LES     OF  S,\o,H  T 


^    THE    ^uK  EcriouwD     /s   CiovcKr^EO     ay   r^n   A^t^i-E    op 

TUE        LA^n.  LlHiT    OP  9a4»»v«-rt»H . 


Fig. 


Die  Art  und  Weise    natürliche  Objekte   zu  betrachten.     Vergleiche  Te.^t. 


76 


DTK  ilAHTKN  KUNST 


IX.  4 


brochcn  wird.  Wir  wissen,  dati  jede  Pflanze 
am  rechten  Platze  durch  keine  andere  ersetzt 
werden  kann.  Gut  entwickelte  immergrüne 
Sträucher  sind  von  huher  Wichtigkeit,  sie  ge- 
statten die  größte  Mannigfaltigkeit  auf  kleinem 
Räume.  Die  Rhododendron  wirken  das  ganze 
Jahr  durch  ihre  Belauining  und  sind  zur  Blüte- 
zeit zweifellos  das  schönste  für  den  Mittelgrund. 

Die  Mängel  einer  Szenerie  zu  entdecken, 
ist  zu  ihrer  Gestaltung  notwendig.  Sn  habe 
ich  beispielsweise  in  einer  alten  Waldszenerie 
großer  Nutzbäume  zur  iM-zielung  eines  sclmellen 
Effektes  gegen  3  m  hohe  Siiberbirken  geptlanzt 
nebst  schnellwüchsigen  Schlingnisen.  Sie  er- 
freuten jeden  Beschauer  und  überzogen  wie 
ein  Teppich  zur  Blütezeit  den  Grund  und 
kletterten  bis  in  die  Wipfel  der  Bäume,  l.iie 
Effekte  einer  Rhododendrongruppe  und  einer 
Silberbirkenpflanzung  mit  Schlingern  sind  sehr 
verschiedener  .\rt.  sie  können  aber  auf  Grund 
ihrer  verschiedenen  Höhen  mit  Voi'teil  ver- 
wendet werden. 

In  Amerika  wei-den  die  immergrünen 
Sträucher  sehr  vernachlässigt  and  es  dauert 
einige  Zeit,  ehe  sie  ihre  Wirkung  erreichen, 
aber  dafür  ist  diese  eine  anhaltendere. 

Unter  den  vielen  Teilen  einer  Szenerie  hat 
ein  jeder  wohl  seinen  eigenen  Charakter,  muti 
aber  harmonisch  mit  der  Umgebung  zusammen- 
klingen. 

Wenn  wir  wissen,  was  die  Hauptteiic  der 
Szenerie  ausmachen,  dann  muß  die  Kunst  der 
Natur  zu  Hilfe  kommen,  damit  alles  sich  zu  der 
ihr  eigenen  Schönheit  und  Üppigkeit  entwickele. 
Natur  braucht  zu  lange  Zeit  zur  Entwickelung 
der  Geeignetsten  im  Kampfe  ums  Dasein,  wn- 
gegen  der  Mensch,  wenn  er  die  Geeignetsten 
kennt,  ihre  Entwickelung  fördern  und  so  in 
wenigen  Jahren  alles  zur  vollen  Schönheit 
bringen  kann.  So  werden  Naturgesetze  zu 
Fingerzeigen,  der  Erde  Schönheit  hervorzu- 
zaubern. Beim  .Vrrangement  versuchen  wir, 
nichtalles  gleichzeitig  zu  bieten,  sondern  geben  jederSzenei  lo 
die  richtige  Fülle  und  in  anderen  Szenerien  eine  gute  Man- 
nigfaltigkeit. Lienn  bei  der  Entwickelung  nackten  wüsten 
Landes,  die  oft  viel  Geld  ei'fordert,  um  ihm  Schönheit  zu  ver- 


TH  e       POir^T       OR      SITE.        OP       OB  5  E  RV^-r  I  OAf       IS        O  ETCAM  I  f^MO      BY    THS 
SI2.Ü      Or    THE       OßJBCT      TO    B£     O/SPi-fiYBO  ■ 
LiniT   ofOBSe-Rvorioi^    fo', 

Fi"'.  8.     1  Iiiirifs-Liiiien.     \'er"leielie  dazu  Text. 


Die  Möglichkeit  der  l'i'olilanschauung  is(  begreiizl.  wie 
in  Fig.  7  gezeigt  wird  und  wie  so  ausgezeichnet  Repton 
dargetan  hat,  indi'm  er  feststellt,  didJ  die  Grenzen  nach 
oben  28'A)''  ülier  die  Horizontale  und  nach  unieii  ,'is7._,<'  unlei' 


leihen,  sind  diese  Naturgesetze  die  leitenden  Prinzipien. welche  diese  fallen.  Dies  ist  ein  simpler  Anfaui. 
die  Hand  führen,  um  stilles  Leben  dem  Lande  zurückzugehen, 
um  ihm  jene  grenzenlose  Schönheit  zu  v(;rleihen,  die  nie  das 
Auge,  den  Geschmack  und  das  Gemüt  des  Beschauers  er- 
müdet. Lassen  wir  diese  Naturgesetze  außer  acht,  so 
hilft  alles  Geld  nichts,  die  Szenerien  werden  uns  wider- 
wärtig werden  und  unbeachtet  bleiben,  sowie  ihrei'  Neu- 
heit Reiz  vorüber  ist.  Haben  wir  dagegen  des  Landes 
Schönheit  nach  natürlichen  Prinzipien  entwickelt,  so  daß 
sie  deutlich  ins  Auge  fällt,  dann  wird  sie  in  den  Augen 
des  Beschauers  ständig  wachsen  und  fortgesetzt  neue 
Schönheiten  aus  sich  hervorgehen  lassen. 


für  tausende 
von  Entwickelungsmöglichkeilen.  l'berall  wn  eine  Ptlanze 
oder  ein  Gebäude  sich  über  den  Boden  aiifrielilel.  wird 
das  Profil  dri'  LandsidiafI   erhöht. 

rini'il.l  und  Priilil  sind  in  jedeui  N'.alurliilde  vereint, 
und  in  den  Ixügefugten  l  inril.lplänen  isl  \  iel  Nun  Profil 
zu  sehen.  Fig.  8  zeigt  wie  der  Umriß  dem  Prolil  zu 
Hilfe  kiiiuuil  durch  niedi'igbleibende  Vegetation,  die  all- 
mählich  in   höhei-e   l''iiruien   Übergeht. 

Natur  ist  iinnna-  eine  l']inlieil.  Bäume  venMuen  sich 
zu  <  liiiudlinien.  und  lllunu'U  und  Bäume  und  Sträucher 
zu    allem  diMi    liinndliidrii.    dem    Midelgiiiml     und    den 


IX.    l 


DI  K   UARTENKUNS'l' 


77 


Horizontliiiion  —  mvl  sie  lebun  so  ziisiUiiniLUiveruiiit.  dal.i 
man  nicht  sagen  kann.  \vü  das  eine  beginnt  und  das 
andere  endet.  (FurtsetzuniA'  folgt.) 


Aiisiclitfii   imkI   (m'iImuUcii. 

\'on  Joseph  Aug.  Lux,   Dresdeu-Bkisrwit/.. 

I. 
(iailciiaicliilekliii-. 

Xatiir  ist  l-iohsti.ilf.  Sie  \vii\l  Form  und  l'-rlebiiis  iluich  die 
Kunst.  Schone  Gärten  sind  ein  Ausdruck  des  dicliteiischen 
Erlebnisses  in  der  Natur.  Mit  anderen  MittohiJ  ausgedrückt 
kann  das  Natiirerlebuis  ein  (_iedicbt.  ein  Bild,  ein  Dr.inia 
werden;  mit  Hilfe  ihrer  eigenen  Mittel,  als  Vegetation,  Wassei', 
Erde,  Stein,  wird  sie  Architektur.  Schöne  Gärten  sind  niclit 
nur  schön  durcli  das  Pflanzengrün,  die  Blumen,  Gräser  und 
Bäume,  sie  sind  künstleriscli  schilu  durch  die  Anlage.  Alte  Bäume, 
von  Steinwerk  sorgfältig  eingel'al'st.  wie  ein  Heiligtum  im 
Schrein,  sie  sind  von  dem  menschlichen  Geheimnis  der  Schön- 
heit umgeben  Die  Huldigung  wird  .\rchitektur,  iiuch  wenn 
die  festen  Linien  des  Steinwalls  gelöst  wären  unil  verschweben 
würden,  wie  der  Kinderreigen  Francesco  Albanis  um  den  von 
Genien  bevölkerten  Baum.  Um  Francias  Madonna  bildet  der 
Rosenhag  ein  liebliches  Gehäuse  und  der  Meister  der  rheinischen 
.Schule  erschuf  eine  ähnliche  Gartenarchitektur  um  die  Madonna 
mit  den  Erdbeeren:  aus  Blumen  und  Früchten  erbaut  Mantegna 
eine  herrliche  Kuppel  über  die  Anbetung  und  auch  dann, 
wenn  der  Gartengedanke  als  selbständiges  sich  von  der 
frommen  Mystik  loslöst,  tritt  er  immer  wieder  als  Architektur 
in  die  Erscheinung  und  sucht  ein  neues  Geheimnis  einzu- 
scliliel'sen.  Die  nuttelalterlichen  Wasser-  und  Mauergärten,  im 
engen  Bereich  der  .Stadtmauern  erblüht,  die  strengen  Kloster- 
gärten in  weiCsen  Arkadenhöfen  sind  von  der  architektonischen 
Grundlage  ebensowenig  zu  trennen  wie  die  (^Hielte  der  Arethusa 
in  Syrakus.  Die  ßenaissancegärten  entwickeln  dieses  Prinzip  mit 
dem  stärksten  Bewufstsein.  Nicht  die  Abhängigkeit  des  Gartens 
vom  Hause  allein  macht  es:  Es  ist  vielmehr  das  autokratische 
Walten  des  künstlerischen  Geistes  mit  den  Naturelementen, 
denen  er  die  Form  geben  will.  Der  Gedanke  ist,  dal's  in  keinem 
Teil  des  Gartens  das  Gefüld  der  architektonischen  Einheit 
schwinden  soll.  Treppen,  Balustraden,  Fontänen,  plastische 
Gruppen  geben  eine  immerwährende  Orientierung.  Nicht  nur, 
dal's  Hecken  und  Bäume  geschnitten  als  Wände  und  Architektur- 
formeu  erscheinen,  sie  eniffnen  stets  die  Perspektive  auf 
einen  spezifischen  Architekturteil,  der  niclit  vergessen  läl'st, 
dal's  der  Garten  ein  Kunstgebilde  ist.  Die  Barockzeit  betont 
dasselbe  Prinzip,  sie  stellt  an  die  Laubwände  in  langen  Reihen 
Plastiken  auf,  Musen  und  Heroen,  den  olympischen  Himmel 
doch  ist  die  ganze  barocke  Gartenplastik  im  Grunde  nichts 
anderes  als  skulptierte  Architektur,  Die  Barockkünstler  waren 
Dekorateure,  aber  sie  verloren  dabei  nicht  den  Blick  aufs 
Gtanze.  Die  Plastiken  als  weil'se  Punkte  an  den  grünen  Laub- 
wandungen stellen  als  Stützpunkte  für  das  Auge  die  archi- 
tektonische Zusammenfassung  her.  Lud  wären  es  nur  weifse 
Pfeiler  oder  weil'se  Bänke,  in  einer  bestimmten  Ordnung  auf- 
ge.stellt.  so  würden  sie  eine  ähnliche  zusammenfassende  arclii- 
tektonische  Wirkung  tun.  Konstantin  Somoff  als  feiner  Nach- 
empfinder der  Barockkunst,  hat  dieses  Gefühl  gehabt.  Die 
weil'sen  Bänke  in  seinen  Gartenbildern  erfüllen  neben  den 
Plastiken  eine  architektonische  Funktion.  Eine  Zeit,  die  anders 
empfindet  und  die  nicht  mit  solcher  Ijeiclitigkeit  Dekorations- 
stücke   hervorbringt    wie  die  Barocke,    wird  das  Sachlichkeits- 


moment in  den  \'ordergrund  stellen,  an  Stelle  des  'l'eppich- 
beetes  die  Farbe  dei-  Blumen  in  breiten  Flächen  und  au  Stelle 
der  steinernen  Ornamente  und  Allegori(>n  die  rein  tektonische 
Anlage  setzen.  Die  Entwi(d<elung  entscheidet  heute  für  die 
sachliche  Gestaltung. 

Diese  sachliche  Auffassung  bringt  die  Forderung  mit,  dafs 
ein  plastisches  Werk  in  diesem  Zusammenhang  ein  einwand- 
freies Kunstwerk  sein  muls.  Die  architektonische  Sachlichkeit 
läfst  aber  auch  erkennen,  dal's  für  den  Gartenkünstler  wie  über- 
haupt für  den  Arcliitekten  die  Verpflichtung  nicht  aufhört, 
mit  seinen  sachlichen  Mitteln  dichterisch  zu  verfahren.  Wenn 
Kostbarkeit  gestattet  ist,  ikinn  wird  jedes  Architekturglied 
[H-ächtig  und  bewundernswert  sein  können,  die  steinerne 
<i>uellcneinfassung  mag  dann  ein  Wunderwerk  sein  und  der 
Weg  nach  dem  Tempel  über  herrliche  Mosaiken  führen.  Uiiter 
l'mständen  aber  kann  auf  jede  Mithilfe  verzichtet  werden,  denn 
der  Reichtum  macht  nicht  die  Schönheit  aus;  das  tiefste  l'>r- 
leben  zu   gestalten,  reicht  das  Einfachste  ans. 

II. 
l'ai'k|iolitik. 

Die  Park[iulitik  ist  eine  Angelegenheit  der  tJrol'sstädte;  sie 
entspringt  der  Naturfreude  und  dem  Naturbedürfnisse,  die  dem 
Städter  um  so  stärker  zum  Bewufstsein  kommen,  je  mehr  ei' 
ihrer  entbehren  mufs.  Die  Ausbreitung  der  Grofsstädte,  das 
Verschwinden  der  Hausgärten,  die  rationelle  Ausnützung  der 
Bauflächen  haben  die  Parkpolitik  in  den  Vordergrund  der 
.Stadtinteressen  gerückt  und  zur  Tagesfrage  gemacht.  Alle 
gröfseren  .Städte  geben  annähernd  das  gleiche  Bild.  Drei 
.\rten  von  Park-  und  Gartenkultur  sind  überall  vereinigt. 

Die  erste  Art  bilden  jene  alten  barocken  Gartenschöpfnngen. 
einem  Palast  oder  Schlosse  zugehörig  und  der  Benutzung  des 
Publikums  freigegeben.  Gesundheitlich  und  baukünstlerisch  ge- 
hören sie  gewöhnlich  zu  den  wertvollsten  Gütern  einer  .Stadt, 
deren  Physiognomie  sie  wesentlich  mitbestimmen.  Sie  über- 
liefern einen  .Schatz  vorbildlicher  gartenarchitektonischer  Grund- 
sätze hinsichtlich  der  Anlage  der  Beete,  Treppen,  Wege  und 
der  geschnittenen  Laubwände,  die  geradlinig  auf  einen  zen- 
tralen Punkt  zulaufen,  darin  sich  eine  schöne  .Statue,  ein 
Brunnen,  eine  Gartenplastik  wie  von  einem  Hain  umschlossen 
erhebt. 

Die  zweite  Art  bodenständiger  Gartenkultur  liegt  an  der 
Peripherie  der  Städte  in  den  Vororten,  wo  städtische  und 
ländliche  Kultur  einander  begegnen. 

Als  grüner  Gürtel  mit  einem  ungeheuren  Komplex  an 
Wald-,  Feld-  und  Gartengrund  ziehen  sie  um  die  .Stadt  herum 
'ind  geben,  sofern  sie  zur  Stadt  gehören,  derselben  eine  be- 
sondere .Schönheit,  nicht  nur  als  Naturkranz,  sondern  auch  als 
Hüter  und  Bewahrer  der  älteren  heunatlichen  Baukunst,  die 
nun  freilich  einerseits  durch  städtische  Mietskasernen,  andei'- 
seits  durch  moderne  Cottages  täglicli  mehr  verdrängt  wird. 
Diese  halb  ländlichen  Vororte  enthalten  jene  feinen  Beispiele 
alter  Gartenkunst,  die  auf  einen  beschränkten  Raum  am  Hause 
angewiesen  ist;  sie  überliefern  beachtenswerte  Lö.sungen  hei- 
mischer Vorgärten  und  Hausgärten.  Mit  den  kleinen  Vorgärten 
sehen  die  Bauern-  und  Winzerhäuser  aus  wie  schmucke  Land- 
mädchen, mit  einem  Blumenstrau  fs  vor  die  Brust  gesteckt. 
Ein  hölzerner  Z.aun  geht  vor  der  niederen  Fensterreihe  hin 
und  läfst  einen  schmalen  Ful'sweg  zwischen  den  ebenfalls 
schmalen  Beeten  an  Hauswand  und  Zaun  frei,  nicht  mehr. 
Das  ganze  Vorgärtchen  ist  ans  Haus  gedrückt.  Aber  der 
schmale  .Streifen  birgt  eine  üppige  Blumenwildnis.  Buchs  dient 
gewöhnlich  zur  Einfassung  der  Beete,  am  Zaun  steht  blühender 
Phlox    in    dichten   Ständen,    die    Kapuzinerkresse,    die    Ringel- 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  4 


bliime,  Pelargonien.  Lobelien  und  Petunien  liefern  die  leben- 
digen Farben  an  der  Hausmauer  und  in  den  Beeten,  wo  die 
Eosenbännie  blühen.  Ahorn,  von  der  Schere  gebändigt,  bildet 
eine  grüne  Architektur  als  Hecke  und  Torbogen  über  der 
Zauntür.  Auch  eine  Laulie  kann  man  gelegentlich  vor  dem 
Hause  finden,  und  wenn  nicht  hier,  dann  sicherlich  hinter  dem 
Hause  in  dem  eigentlichen  Hausgarten,  eine  gemütliche  Laube 
von  Wein,  Geilsblatt  oder  Kletterrosen  überwachsen,  ebenso 
wie  den  Laubgang  oder  die  Pergola,  als  Spender  des  Schattens. 
Im  übrigen  ist  es  ein  Blnmengarten  wie  vorne  am  Hause,  mit 
rechteckigen  Beeten  und  bunten  Glaskugeln,  die  ein  leuchten- 
des Farbenspiel  in  die  Blunienpracht  setzen.  Die  iieimatliche 
Flora  liefert  den  Bestand  an  Bauernblumen. 

Einen  gewissen  Gegensatz  zu  den  vornehmen  höfischen 
Gartenschöpfungen  der  Barocke  und  zu  den  volkstümlichen  und  in 
ihrer  Art  nicht  weniger  vortrefflich  gelcisten  alten  Hausgärten. 
den  sogenannnten  Biedermeiergärten,  bildet  die  dritte  Art.  die 
neuen  „städtischen  Park-  und  Gartenanlagen-'. 

Die  Schablone  ist  überall  dieselbe.  Eine  Ver(iuickung 
französischer  und  englischer  Gartenbaugrundsätze ,  die  zu 
keinen  glücklichen  Ergebnissen  geführt  hat.  Von  armseligen 
Dralitgittern  eingehegt,  stellt  ein  Rasenfleck  die  Wiese,  eine 
unruhige  stockige  Zusammenstellung  von  Büschen  gleichsam 
den  Wald  vor.  Franziisische  Teppichbeete  und  krumme  Wege, 
die  gänzlich  aus  der  Richtung  führen,  charakterisieren  die 
Planlosigkeit  der  Anlagen,  die  infolgedessen  auch  vielfach  un- 
gemütlich erscheinen.  Es  ist  sehr  zu  beklagen,  dafs  in  der 
dritten  Kategorie  von  Gartenanlagen  nicht  die  bodenständige 
Tradition  sorgfältiger  berücksichtigt  worden  ist,  damit  sich  das 
Neue  dem  Alten  würdiger  anschliefse.  Bei  liffentlichen  An- 
lagen, bei  denen  es  sich  oftmals  nur  um  die  gärtnerische  Aus- 
bildung eines  kleinen  Fleckes  Erde  inmitten  des  Strafsenge- 
wirres  handelt,  wäre  die  Beachtung  des  alten  Beispieles  be- 
sonders vorteilhaft,  denn  es  lehrt,  dafs  eine  Gartenanlage  um 
so  strenger  architektonisch  durchgeführt  werden  mul's,  je  kleiner 
sie  ist.  Die  Barockgärten  mit  den  geschnittenen  Laubwänden 
geben  ein  schönes  Vorbild.  Der  kleinste  Fleck  mag  grol's  er- 
scheinen, eine  grüne  Einsamkeit  bilden,  die  irgend  ein  Kunst- 
werk wie  ein  Juwel  umfafst  und  mitten  im  Grolsstadtlärm  das 
Gefühl  der  Entrücktheit  gewähren  kann.  Aber  wo  i.st  in 
unseren  öffentlichen  Anlagen  die  Liiubwand  oder  die  ge- 
schnittene Hecke  zu  finden,  wo  das  heimatliche  Garteumotiv, 
die  gemütliche  I..aube:' 

Von  instinktiven  Erkenntnissen  geleitet,  treibt  es  den 
Grofsstädter  in  die  freundlichen  Gartenvororte  hinaus,  wo  sich 
die  alte  Kultur  fortfristet,  und  er  sucht  dort  seinem  Natur- 
und  Schönheitsbedürfnis  Nahrung  zu  geben,  weil  sie  ihm  die 
Stadt  versagt.  Sie  wird  trotz  des  grölseren  Komforts  an- 
scheinend immer  unwohnlicher,  sofern  ästhetische  Eigenschaften 
zur  Wohnlichkeit  gehören.  Die  Bauspekulation,  die  in  den 
Peripherien  die  trostlosen  Mietkasernen  errichtet,  steht  nati'ulicli 
nicht  vor  den  alten  Kulturwerken  still. 

Durch  die  andauernden  Verwüstungen  in  den  nächsten 
Umgebungen  der  .Städte  ist  die  Parkfi-age  aktuell  geworden. 
In  Wien  wird  die  „Schaffung  eines  Wald-  .und  'Wiesengürtcis 
um  Wien"  erwogen,  in  anderen  Städten  wird  sich  die  Park- 
politik mit  ähnlichen  Fragen  zu  beschäftigen  haben.  In  allen 
Fällen  aber  soll  es  sich  vernünftigerweise  nicht  so 
sehr  um  Neuschaffungen  als  vielmehr  um  Erhaltung 
des  bestehenden  Guten,  also  um  eine  Art  Heimatschutz, 
handeln.  In  diesem  Sinne  hat  die  Parkpolitik  so  ziemlich 
in  allen  Städten  eine  wichtige  und  zeitgemäfse  Kulturaufgabe 
zu  erfüllen.  Mit  der  .Schaffung  neuer  Anlagen  sollte  nament- 
lich   in  den    hidbländlichen    und    oftmals    entzückend    schönen 


Vororten  lieber  gewartet  werden,  bis  die  guten,  alten  ]\Iotive 
der  heimatlichen  Tradition,  auf  die  in  diesem  Zusammenhange 
hingezeigt  wurde,  künstlerisch  so  verarbeitet  sind,  dafs  endlich 
wieder  Gärten  entstehen,  die  ebenso  wie  die  alten,  nach  einem 
Worte    von  Bacon  of  Verulam  die  ((»uelle  reinster  Freuden  sind. 


Verschiedenes. 

Nochmals  der  Schöneberger  Wettbewerb.  Die  ein- 
zelnen Entwürfe,  ihre  \'orzüge  und  Fehler  als  Ersatz  für  das 
nicht  veröffentlichte  Preisrichterprotokoll  mit  einigen  kurzen  Be- 
merkungen hervorzuheben,  war  in  der  letzten  Nummer  der 
Zeitschrift  in  Aussicht  gestellt.  Es  wird  nun  bei  der  großen 
Zahl  der  Einsendungen  nicht  möglich  sein,  bei  allen  Arbeiten 
alle  Einzelheiten,  gute  und  weniger  gute,  zu  nennen,  um  das 
Referat  nicht  zu  lang  werden  zu  lassen  und  um  häufige 
Wiederholungen  zu  vermeiden.  Es  sei  zur  Ergänzung  hin- 
gewiesen auf  die  allgemeinen  Forderungen.  Die  Verfasser,  in 
deren  Interesse  diese  kritischen  Bemerkungen  hauptsächlich 
niedergeschrieben  sind,  werden  aus  der  Gesamtheit  derselben 
das  für  sie  außerdem  noch  Zutreffende  entnehmen  können. 

Die  Reihenfolge  soll  nicht  einer  Wertbestimmung  gleich- 
bedeutend sein,  sondern  dieselbe  hat  sich  teilweise  durch  die 
Ähnlichkeit  in  der  Auffassung,  teilweise  durch  den  Platz  im 
Saale  ergeben. 

..Wald.  Wiese.  Wasser."  .\nnehmbare  Arbeit,  ähnelt 
den  Arbeiten  „Dem  Volke"  und  „Treu  dem  Ideale".  Die  zu- 
sammengehaltene Pflanzung  und  die  weitausgedehnten  Wiesen- 
flächen wahren  den  Charakter  der  geforderten  natürlichen 
Landschaft.  Wege  scheinen  in  etwas  reichlichem  Maße  vor- 
handen zu  sein,  doch  wird  durch  die  Lage  derselben  in  ver- 
schiedenen Höhen  dieses  in  Wirklichkeit  nicht  in  die  Er- 
scheinung treten.  Die  Verbindung  der  Straße  T  nach  Platz  V 
wäre  besser  in  weniger  großer  Kurve  geführt.  Auch  mußte 
die  Axe  der  Straße  S  betont  und  von  R  aus  über  den  drei- 
eckigen Platz  ein  direkter  Zugang  geschaffen  werden. 

„Treu  dem  Ideal"  hat  die  Betonung  der  Straßenachse  S 
versehen  und  den  Durchblick  von  der  Straße  P  nach  Westen 
verbaut.  Die  Lösung  des  Platzes  R  ist  gut.  Die  Arbeit  zeigt 
im  übrigen  gute  Disposition  und  das  Streben,  dem  Ideal  — (Park, 
der  nach  dem  Erläuterungsbericht  geschaffen  werden  soll)  — 
möglichst  nahe  zu  kommen. 

„Dem  Volke"  kann  mit  zu  den  besseren  Lösungen  ge- 
zählt werden  wegen  der  ruhigen  Wirkung  in  der  Pflanzung 
und  der  Behandlung  der  Easenbahn  und  der  Wasserflächen. 
Der  l'ntei'grundbahnbof  ist  nur  von  der  Westseite  freigelassen, 
im  Osten  dagegen  vollständig  gedeckt. 

Die  Vorzüge  von  „Schöne  Berge,  schönes  Tal"  be- 
stehen in  einer  kräftigen  Betonung  der  .Achse  Stralie  S  durch 
eine  Hainpflanzung,  und  in  der  Durchführung  aller  auf  das 
(lelände  mündenden  Stral.len  als  Wege  durch  dasselbe,  ohne 
hierdurch  Unruhe  hineinzutragen.  Eine  ruhigere  Linie  hätte 
allerdings  dem   Wasser  gegeben   werden  müssen. 

„Tallandschaft"  steht  über  (;iuer  ganzen  Anzahl  der  Ein- 
sendungen durch  seine  meisterliaft  ausgeführten  Ansichten  und 
die  guten  architektonischen  Lösungen,  zu  denen  der  Eingang 
vom  Platze  R  aus  zu  rechnen  ist.  Doch  kann  die  landschaft- 
liche Gestaltung  weniger  befriedigen,  vor  allem  nicht  die  in 
unmotivierten  Schlangenwindungen  geführten  Wege. 

„Fink"  ist  ebenfalls  in  den  Fehler  zuvieler  Wege  gefallen 
und    legt  die  Wasserfläche  entschieden    zn  klein  an.     Die  ein- 


gezeichnete   Ausnutzung    des   angrenzei 


1  Saugeländes   ent- 


IX,  4 


DIE  GARTENKUNST 


79 


spricht  nicht  den  Anforderungen.  Im  übrigen  beweist  das 
Projekt,  daß  der  \'erf;isser  mit  großer  Lielie  die  Aufgabe  be- 
arbeitet hat. 

„Schönes  'l'al."  Die  architektonische  Lösung  des  östlichen 
Teils,  die  Fortsetzung  der  Achse  über  den  UntCM-griindbahnhof 
hinweg  erinnert  in  der  Haiiptdisposition  an  tJrunewiese,  aller- 
dings ohne  deren  großzügige  Wirkung  zu  erreichen.  Für  die 
Einmündung  des  Kingangs  von  Platz  K  in  die  Anlag..'  hiitte 
eine  dem  Achsenanfbau  mehr  angepaßte  Lösung  gefunden 
werden  müssen.  Etwas  zu  klein  ist  die  Wasserfläche  im  west- 
lichen Teil. 

„B  e  t  u  1  a"  trägt  niclit  Jen  im  I'rogranim  verlangten 
Charakter  einer  natürlichen  Landschaft.  Die  auf  der  An- 
schüttung vorgesehene  Terrasse  mit  der  gh  icnenberankten 
Pergola,  die  mit  Bastei  bezeichneten  massigen  Bauten,  der  in 
natürlichen  Formen  gehaltene  symmetrische  Teich,  die  hohen 
Hecken  als  seitliche  Begrenzung  eines  Teiles  der  Wege  usw. 
erinnern  an  die  Zeit,  in  der  man  sich  von  der  architektonischen 
Gestaltung  auch  in  landschaftlichen  Anlagen  noch  nicht  recht 
loslösen  konnte,  und  wie  es  uns  der  sog.  Salzmannsche  Plan 
von  Sanssouci  zeigt. 

Bei  „Volkswohl  I"  verdient  der  architektcjnisehe  An- 
schluß des  Teiches  an  die  Bambergerstraße  Beaclitung,  doch 
ist  leider  die  große  Fläche  durch  die  l']infügung  einer  Insel 
zerschnitten,  der  projektierte  Pavillon  nicht  in  die  Achse  der 
Straße  S  gerückt. 

„Fortuna"  läßt  die  Betonung  der  StJ-aße  „S"  und  die  für 
den  Zugang  zum  Paik  notwendige  Teilung  des  Platzes  „R" 
ve.imissen.  Die  Alpenanlage  an  der  Bambergerstraße,  der 
kleine  Teich  im  östlichen  Teil  mit  seinen  sehr  zei'rissenen 
Ufern  ( Vierwaldstätter  See)  fällt  aus  dem  landschaftlichen 
Charakter  der  Umgebung  ganz  heraus. 

Die  Beurteilung  von  „Hain"  wird  erscliwert  durch  die 
auf  den  Kopf  gestellte  Zeichnung.  Es  ist  unbegreiflich,  daß 
der  Verfasser  nicht  die  Lage  des  Geländes  im  Situationsplan 
benutzt  hat.  Die  Seeflächen  sind  zerrissen,  die  Anordnung 
auf  Platz  1>  ist  gut,  doch  ist  die  Achsenbetonung  Straße  S 
verfehlt. 

Das  letztere  gilt  auch  von  „Unten  durch":  namentlich 
ist  hier  zu  tadeln,  daß  die  Treppenanlage  gänzlich  aus  der 
Achse  herausgeschoben  ist. 

Bei  „Oase"  ist  der  dichte  Schluß  gegen  die  umgebenden 
Straßen  in  dem  beabsichtigten  Charakter  der  Anl.ige  bedingt. 
Die  Wasserflächen  hätten  eine  größere  Ausdehnung  zeigen 
müssen,  um  der  Programmforderung  zu  genügen. 

„Prosit  Neujahr."  Gut  gelöst  ist  der  lOingang  vom 
Platz  R,  jedoch  bietet  die  Pflanzung  zu  wenig  Schutz,  die 
Durch(]uerung  von  der  Straße  T  nach  Platz  V  unter  Benutzung 
einer  Insel  kann  als  den  Durchblick  hindernd  als  wenig  glück- 
liche Lösung  angesehen  werden.  Genau  so  wie  der  Vei'fa.sser 
„Dem  Volke"  kann  sich  dieser  Autor  nicht  loshisen  von  den 
spitzen  Ecken  der  Wegekreuzungen  und  Eimnündnugen. 

„Birken  und  Eichen."  „Mit  unserem  Entwurf  wollen 
wir  dartun,  daß  die  Forderung  des  Preisausschreibens,  eine 
Parkanlage  im  Charakter  einer  natürlichen  Landschaft  zu  schaffen, 
recht  wohl  erfüllbar  ist,  ohne  immer  wieder  die  sattsam  bekannten 
Bretzelwege  vorzusehen,  die  der  Landschaftsgartenkunst  in 
letzter  Zeit  reichliche  Kritik  eingetragen  haben."  (Aus  dem 
Erläuterungsbericht. ) 

Die  Bretzelwege  sind  vermieden.  Nur  ein  Umgangsweg 
führt  um  die  fast  die  Hälfte  des  Geländes  einnehmende  Wasser- 
fläche, die  in  ihren  Formen  sich  nahezu  den  graden  Linien 
der  Begrenzung  anschließt.  Zweifellos  erfüllt  dieser  Iilntwnrf 
in    bester  Weise    die    Piogrammfordernng :    Wasserflächen    für 


Ei.s-  und  Kiulersport  zu  schaffen.  Diese  große  Wasserfläche, 
die  nur  am  K'ande  auftretende  massige  Pflai\zung  geben  der 
Anlage  einen  .lurchans  ruhigen  und  großzügigen  Charakter. 

Im  „Volkspark"  ist  die  Verliindung  '1'  V  in  Straßen- 
hr.lie  als  Wall  durchgeführt,  hierdurch  dem  großen  Parkteil 
eine  unnötige  Trennungslinie  eingefügt.  Daß  die  Ecke  Bam- 
bergerstraße und  Straße  I!  durch  Pflanzung  dicht  geschlossen 
und  so  jeder  Einblick  in  die  Anlage  verwehrt  ist,  kann  nur 
als  ungünstig  bezeichnet  werden. 

„Fenngelände"  erinnert  teilweise  an  l'hitwnrf  „.Sclilicht  1". 
Der  Verfasser  läßt  die  Architektur  des  BahnhoIVs  zur  Geltung 
kommen  und  schafft  auch  einen  I^aufbrunnen  an  der  Fcke  der 
Bambergerstraße.  Die  sonst  ruhige  Disposition  wird  jedoch 
gestört  durch  einen  unruhigen  liop|iehveu'  fiir  ttie  ^■erbindun,<>■ 
T-V. 

In  „Schlicht  11"  sehen  wir  eine  Anlage  vor  uns,  welidie 
die  Eigenarten  des  Geländes  und  die  Architektur  Unter- 
grundbahnhof —  gut  auszunutzen  versteht  und  an  dei-  Dar- 
stelhingsweise  erkennen  läßt,  daß  ihr  Vcrf.issiu-  auf  tlm  (Je- 
biete  der  Wettbewerbe  zu  Hause  ist. 

„Friede"  hat  sich  den  ISlick  anf  das  Wasser  von  Ein- 
gang li  in  den  östlichen  Teil  durch  ungünstige  Lage  des 
Teiches  verbaut.  Die  Pavillons,  deren  je  einer  im  östlichen 
und  westlichen  Teil  hoch  über  dem  Wasser  errichtet  sind, 
hätten  in  ihrer  Ausgestaltung  etwas  Verschiedenheit  aufweisen 
müssen.  Die  Wegdisposition  ist  ungünstig,  da  ein  ruhig  ver- 
laufender Wog,  der  einen  Spaziergang  durch  die  Anlage  ge- 
stattet, fehlt. 

„In  seiner  Jahre  Blüte  schafft  einer  für  viele" 
konnte  in  der  Bepflanzung  massiger  gehalten  sein.  Störend 
sind  die  vielen  gleichmäßig  sich  wiederholenden  Kurven  des 
Teiches.  Eine  unglückliche  Anordnung  zeigt  im  ö.stlichen 
Teil  der  Wassei-faü,  der  nur  vom  Park  her  zur  Wirkung 
kommt,  dem  vom  Platz  R  Eintretenden  aber  die  Rückseite  zeigt, 

„Nichts  zu  viel"  bringt  viel  zu  viel  Wege,  zerschneidet 
das  Gelände  und  kommt  zu  keiner  ruhigen  Wirkung.  Die 
Achse  der  Straße  „S"  ist  richtig  betont.  Eine  bessere  Zeich- 
nungs-  und  Darstellungsweise  in  weniger  disharmonischen 
Farben  ist  dem  Verfasser  anzuraten. 

Gleichfalls  durch  einen  großen  Wegereichtum  zeichnet 
sich  „Per  aspera  ad  astra"  aus.  Die  Grottenbauten  passen 
nicht  hinein  in  das  Bild  der  märkischen  Landschaft.  Eine 
größere  Beachtung  hätte  den  Dui'chsichten  und  deni  Platz  U 
geschenkt  werden  müssen. 

„Über  Berg  und  Tal"  hat  zu  viel  Wege  und  ist  in  der 
Pflanzung  zu  unruhig  gehalten. 

In  „Landschaft"  wirkt  der  Mittelweg  in  der  Längs- 
nchtung  der  Anl.age  störend:  die  beiden  in  der  Form  gleich- 
mäßigen Teicluinlagen  sind  von  zu  geringer  Fiächenaus- 
dehnung.  Der  Spielplatz  an  der  Ecke  der  Bambergerstraße 
liegt  ungünstig,  weil  durch  die  Baumpflanzung  der  sonst 
wirkungsvolle  Durchblick  verbaut  ist. 

„Etwa".  Durch  dichte  Pflanzung  gegen  jeden  Blick  von 
den  umgebenden  .Straßen  abgeschlossen,  mit  nur  einem  einzigen 
Durchblick  im  Innern  über  die  viel  zu  geringe  Wasserfläche, 
verrät  der  Entwurf  Benutzung  bekannter  .Schablonen.  Über 
das  wenig  Gute  der  Arbeit  können  nicht  einmal  die  beige- 
fügten Ansichten  aus  der  Vogelperspektive  mit  ihrer  auf- 
dringlichen B^arbengebnng  hinwegtäuschen. 

„Borealis".  Unruhe  wäre  ein  besseres  Motto  gewesen. 
Sie  zeigt  sich  in  den  Wegen,  im  Wasser,  in  der  Pflanzung 
und  in  dem  Grottenbau,  welcher  bei  Offcnhaltnng  einiger 
„Fenster"   dem  Untergrundbahnhof  Licht  geben  soll. 

„Nimm    mich    mit".     Richtig    erkannt    ist  die  Betonung 


80 


DIK  GAUTKN KUNST 


IX.  4 


der  Achse  der  Straße  „S".  doch  würde  für  Felsaul'baii  anderes 
Material  am  Platze  gewesen  sein,  als  der  Grnttenstein,  den 
die  beigefügten  Skizzen  nur  zu  deutlich  erkennen  lassen.  Im 
übrigen  ist  die  sauber  ausgeführte  Federzeichnung  das  beste 
an  der  ganzen  Arbeit. 

„Märchenijark".  Soviel  das  Motto  zu  versprechen 
scheint,  so  wenig  erfüllt  die  Arbeit  die  Erwartungen.  Ks  ist 
der  Versuch  gemacht,  großzügig  zu  arbeiten  ilurch  die  durch 
beide  Teile  hindnrchführende  Allee.  Doch  ist  der  versuchte 
architektonische  Aufbau  nicht  ganz  frei  von  I''ehlern.  deren 
größter  in  der  Gestaltung  des  Brechpunktes  der  Achse  im  öst- 
lichen Teil  besteht.  Die  Wasserflächen  sind  vollständig  zer- 
rissen und  zeigen  Uferbildungen,  die  in  der  Natui'  unter  ähn- 
lichen Verhältnissen  niemals  vorkommen. 

„Für  die  Zukunft"  des  Verfassers  auf  gartenkünst- 
lerischem Gebiet  verspricht  dieses  Projekt  nicht  besonders 
viel.  Das  Gelände  ist  durch  Wege  so  stark  zerschnitten,  die- 
selben sind  so  geführt,  daß  nur  der  Kundige  ohne  Wegweiser 
ans  diesem  Labyrinth  herausfinden  dürl'te.  1(1  Ansichten  und 
4  Pastellbilder  vermögen  niclit  darzutun,  was  der  Verfasser 
sich  von  seiner  Anlage  für  die  Zukunft  ilenkt. 

_Conca  doro''  setzt  sich  hinweg  über  Forderungen  der 
Gartenkunst,  schafft  schon  im  Anbeginn  „verwilderte"  Nutiir 
und  durchzieht  den  W.ild  mit  wirr  verschlungenen  Pfaden. 

„Erholung"  zeichnet  sich  durch  eine  äußerst  unruhige 
Pflanzung  aus,  deren  unruhiger  C'harakter  noch  verstärkt  wird 
durch  die  Darstellungsweise.  Der  unter  allen  Tmständen  frei 
zu  haltende  T^inblick  von  der  Bambergerstrnße  ist  durch  Pflan- 
zung dicht  geschlossen  und  hat  sich  hierduich  der  Verfasser 
der  Durchbildung  eines  der  besten  Motive  beraubt.  In  der 
Idee  sowohl  als  auch  in  der  zeichnerischen  Darstellung,  bei  der 
die  aus  krummen  Asten  zusammengesetzten  Buchstaben  der 
Aufschrift  Zeugnis  von  dem  Fleiß  des  Verfassers  .ablegen,  ist 
die  Arbeit  als  die  eines  Anfängers  zu  erkennen. 

„Märkisches  Land"  ist  unsicher  in  der  Disposition 
und  unruhig  in  der  Pflanzung.  Daß  die  Verbindung  T.  V. 
mit  Alleepflanzung  versehen  ist,  trägt  nicht  dazu  bei,  den  not- 
wendigen Eindruck  der  Zusammengehörigkeit  uml  des  Ein- 
heitlichen zu  erhöhen. 

„In  magnis  et  voluisse  sat  est"  ist  als  rein  architek- 
tonische Lösung  wohl  von  Anfang  an  ausgeschlossen  gewesen 
von  der  Anwartschaft  auf  Prämierung,  weil  es  gegen  die 
Programmforderung  einer  l.mdschaftlichen  Anlage  verstößt. 
Des  straffen  Autbaus  auf  die  Straße  P.  ist  bereits  in  letzter 
Nummer  gedacht.  Die  Betonung  der  Achse  Straße  S.  mit  dem 
der  Terrasse  vorgelagerten  architektonischen  Wasserbecken, 
das  in  seinen  Ausmaßen  größer  sein  konnte,  ist,  als  Einzelheit 
betrachtet,  von  gleichem  Wert,  doch  ist  die  Zusammenfassung 
dieser  beiden  Achsenaufbauten  zu  eiueiu  einheitlichen  Ganzen 
nicht  völlig  geglückt. 

Ebenfalls  großzügig  in  der  Disposition  unil  Wirkung  ist 
„Birke",  doch  wird  sie  durch  die  an  der  liambergerstraße 
als  Abschluß  der  Achse  angebaute  Grotte  beeinträchtigt. 
Wenn  hier  nicht  ganz  massig  gearbeitet  wird,  möchte  der 
Grottenaufbau  gegenüber  der  strengen  Linie  der  architek- 
tonischen Anlage  leicht  kleinlich  wirken.  Die  Lösung  dis 
Platzes  R  und  die  Verbindung  von  hier  nach  Straße  W,  die 
vielfach  keine  Berücksichtigung  erfahren  hat,  ist  gut. 

Kann  diesen  beiden  architektonischen  Lösungen  Aner- 
kennung nicht  versagt  werden,  so  fällt  .Dem  Vergnügen 
der  Einvi'ohner"  mit  seinem  ohne  inneren  Zusammenhang 
aneinandergereihten,  an  sich  oft  ganz  ansprechenden  Motiven 
an  ruhiger  Disposition  bedeutend  ab.  Eine  vorzügliche  Lösung 
zeigt  die  Gestaltung  am  Eingang  von  l'latz  K.     Za  h  n  ■  Steglitz. 


Soeiete  Dendrologique  de  France.  Ende  November  li)()."i 
traten  in  Paris  eine  Anzahl  Herren,  die  sich  in  deutschen 
dendrologischen  Kreisen  als  Liebhaber  und  Kenner  eines  grofsen 
Rufes  erfreuen,  zusammen,  um  eino  französische  dendrologische 
Gesellschaft  analog  miserer.  den  Lesern  der  „Gartenkunst" 
wohlbekannten  deutscheu  dendrologischi.-n  Gäsellschaft  zu 
grünilen.  Es  wurde  als  erster  Präsident  der  frühere  Gesandte 
Poubelle  gewählt,  dem  als  Vizepräsidenten  zwei  sehr  be- 
kannte Herreu:  S.  Allard  aus  Angers  und  Maurice  L.  de 
Vilmorin  aus  Paris  zur  Seite  stehen.  Generalsekretär  ist  der 
ausgezeichnete  Koniferenkenaer  K.  Hickel,  Inspekteur  des 
Eaux  et  Forets,  Versailles,  und  als  Schatzmeister  fungiert 
L.  A.  Dode,  Paris,  ein  als  Salikologe  niclit  \mbekanntpr  Rechts- 
gelehrter. 

Diese  (Gesellschaft  verfolgt  die  gleichen  Zwecke  wie  unser 
deutscher  Verein,  dessen  jüngere  Schwester  sie  ist.  Sie  zählt 
bereits  über  100  Mitglieder,  darunter  auch  eine  Anzahl  Aus- 
länder. 

Der  Mitgliedsbeitrag  ist  sehr  gering,  er  beträgt  nur  5  Frs. 
«las  .lahr  im  Minimum. 

Dafür  erhält  jedes  Mitglied  das  vicrteljähi-lich  erscheinende 
Bulletin,  dessen  erste  zwei  Nummern  mir  vorliegen.  Sie  zeigen, 
dal's  die  Soeiete  mit  Eifer  und  Erfolg  bestrebt  ist,  den  Spuren 
ihrer  deutschen  Vorgängerin  zu  folgen,  die  unter  der  eminent 
fördernden  Leitung  Graf  v.  Schwerins  es  bereits  auf  über 
1200  Mitglieder  gebracht  hat.  Woran  sich  übrigens  die  (.Ge- 
sellschaft für  Gartenkunst  ein  Beispiel  nehmen  kann! 

Um  zu  zeigen,  dafs  das  französische  Bulletin  recht  lehr- 
reiche Abhandlungen  enthält,  weise  ich  aus  Nummer  2  vom 
1.").  November  lilOli  auf  die  Artikel  von  Hickel:  „Notes  pour 
servir  ii  la  d^termination  prati(|ue  des  Abietinees"  und  von 
Dode:  „Contributiou  ä  l'etude  du  genre  .luglans"  hin.  beide 
sind  illu.striert. 

Ich  würde  es  für  sehr  wichtig  halten,  dafs  namentlich 
grofse  Stadtgartenverwaltungen  nicht  nur  Mitglieder  der 
deutschen,  sondern  auch  solche  der  französischen  dendro- 
logischen Gesellschaft  werden.  Die  Herren  Leiter  solcher  Ver- 
waltungen könnten  durch  diese  Gesellschaften  sich  neue  und 
seltene  Schätze  verschaffen,  deren  weiterer  Anzucht  ihnen  dann 
gewifs  Baumschulen    und    andere  Orte    zur  Verfügung    stehen. 

Die  letzten  zehn  Jahre  zumal  li.iben  uns  so  viel  Kunde 
von  neuen  scluinen  Sorten  gebracht,  dai's  uns  in  Zukunft  eine 
Unmenge  prächtiger  Einführungen  zur  Verfügung  stehen,  die 
für  die  Landschafts  gärtnerei,  wie  überhaupt  für  gartenkünst- 
lerische Bestrebungen  sehr  wertvoll  sein  werden.  Worauf  ich 
später    noch   eingehend  in  besonderen  Artikeln  hinweisen  will. 

.ledenfalls  wünsche  ich  der  französischen  Gesellschaft  das 
gleiche  freudige  Gedeihen,  wie  unserer  deutschen.  \i\\<\  holte, 
dafs  unsere  Gartengestalter  es  verstehen,  den  rechten  Nutzen 
aus  diesen  Gesellschaften  zu  ziehen,  indem  sie  gleichzeitig  sie 
mit  fördern  helfen  (!amillo  Karl  .Schneider. 

Die  Königliche  Gärtner-Lehranstalt  zu  Dahlem  bei 
Steglitz  (Berlin)  veranstaltet  vou\  8.  bis  13  .\pril  d.  .).  einen 
Gartenbau-Kursus  für  Gartenfreunde  (für  Damen  und 
Herren),  durch  welchen  wie  in  den  A'orjahron  Interessenten 
Gelegenheit  geboten  werden  soll.  Kenntnisse  auf  diesem  (ie- 
biete  zu   erwerben. 

In  dem  Kursus  werden   folgende   Thenuita  behandelt: 
01)stbauTiipflege,  (iemüsebau,(  'hampignonkultur.  l'flanzen- 
kultiir.   lOruährung  der  Pflanzen,  Zweckmäßige  Düngung, 
Pflanzenkr:inklieiten.     Zininieriiflanzen     nnd     ülnnu-n     im 
Hause. 

Anmeldungen  siml  um.i;chend  .-in  die  Direktion  der  .Anstalt 
einzureichen.     D.is     lionorai'    fiii     den     Kursus    beträgt     für   li)- 


IX,  4 


hli:   CA  ItTHNKlINST 


Sl 


länder  nebst  Bestellgeld:  9  Mk.  05  Pi'n' ,  und  ist  dieser  Betrag- 
nach  diesseits  erfolgter  Zusage  der  Aufnahme  in  die  Teilnehmer- 
liste an  die  Kasse  der  Königlichen  Ciärtner-Lehr.instalt  zu 
Dahlem  bei  Steglitz  einzusenden.  I>ie  Direktion. 

Allgemeine  Gartenbauausstellung  Berlin.  l>ie  Allge- 
meine (Jartenbauausstelking  in  der  neuen  Halle  des  Zoologischen 
Gartens,  deren  Reinertrag  einen  Fond  zur  .\usschniiickung  der 
Krankenhäuser  Grol'sberlins  mit  Blumen  und  Pflanzen  bilden 
soll,  wurde  durch  Gartenbaudirektor  Fintcbnann  am  i:-!.  März  d.  J. 
eröffnet.  Sie  wurde  sehr  gut  besucht  und  schon  am  ersten 
Tage  durch  die  Kaiserin  und  l'rinzen  uinl  l'iinzessin  Eitel 
Friedrich  besichtigt. 

Über  die  Ausstellung  geht  uns  folgender  Bericht  zu  :  In  der 
Ausstellungshalle  des  zoologischen  Gartens  zu  Berlin  wurde  am 
i;i.  März  die  „Allgemeine  Gartenbauausstellung"  eröffnet. 
Richtiger  hätte  man  sie  wohl  „Blumenausstellnng"  genannt^ 
denn  neben  den  zeichnerischen  Arbeiten  einiger  (lartenküastler, 
einigen  Modellen,  t;artenbaid;eu  uiil  Lauben.  Gittern  und 
Töpferwaren  spielten  die  Blumen  uml,  um  ilicse  hervorzulieljen. 
die  sogenannten  Dekorationspflanzcu  die  Hauptrolle.  Tnd  sie 
spielten  sie  gut.  Eine  Fülle  der  leuchtendsten  Blüteu  inmitten 
von  Palmen  und  Lorbeeren,  nahmen  die  Blicke  gefangen, 
wahre  Duftwolken  hüllten  uns  ein,  und  war  das  Auge  müde 
vom  vielen  Sehen,  so  luden  uns  stille,  liciinclige,  abgeschlossene 
Blumengärtchen  zum  Rasten  ein. 

AuUerordentliche  Mittel,  groUe  Umsicht  und  viel  ^'er- 
sländni-i  gehören  dazu,  tro'.z  der  Mannigfaltigkeit  uml  Fülle 
des  Jlaterials  alles  so  zur  bestimmten  Stunde  in  fjischer  FJlüte 
bereitet  zu  haben. 

Die  Mitte  der  langen  Halle  nahm  ein  l'himenparterre  ein. 
Im  ^Mittelpunkt  entsprangen  rauschende  Wasseistrahlen  einem 
regelmäliig  geformten  liecken  und  fielen  auf  geschickt  an- 
gebrachte Wasserpflanzen  zunkk.  Um  dies  Bassin  hoben  sich 
vier  prachtvolle  C'allagruppon  von  rotem  Azaleengrnnd  leuchtend 
ab.  An  den  Längsseiten  folgten  Beete  mit  weißen  und  roten 
Rosen  in  edelster  Form.  Azaleen,  Hyazinthen,  Flieder,  Schnee- 
ball, Primeln  und  vielen  anderen,  die  auf  einem  aus  Tannen- 
reis gebildeten  Untergrund  ein  lebhaftes  und  dcjch  harmouisch 
geordnetes  Bild  boten.  Sehr  geschickt  waren  einige  .Skulpturen 
aufgestellt,  ungezwungen,  und  doch  mul.iten  sie  gerade  da 
stehen,  wo  sie  standen.  —  Unter  den  Logen,  an  der  .Vul-ien- 
seite  des  Saales  entlang  waren  die  schon  erwähnten  Blumen- 
gärtchen augeordnet.  Sie  waren  im  allgemeinen  in  einfachen 
F'ormen  gehalten  und  wirkten  gerade  durch  diese  Einfachheit 
und  ihre  feinen  Farben.  Ein  Rosengärtchen  mit  ei.jem  Dorn- 
röschen, das  erste  Gärtchen  gleich  linker  Hand  vom  Eingang, 
das  Gärtchen  des  Gartenarchitekten  Hallervorden,  von  ge- 
schnittenen Hecken  eingeschlossen,  waren  besonders  stim- 
mungsvoll. Im  übrigen  waren  niedrige,  solide,  einfache 
Gitter  als  Abschluß  gewählt,  der  Anstrich  in  warmem  Rot 
und  auch  in  hellen  Tönen  gehalten. 

Der  Laubengang  im  2.  Gärtchen  linker  Haml  war  ent- 
schieden zu  groß  für  dasselbe;  schade  noch  besonders,  daß 
man  ihn  nicht  über  und  über  mit  den  entzückenden  Clematis- 
ranken  überspinnen  konnte,  sondern  sie  nur  luichst  not- 
dürftig mit  Efeu  überrankte. 

Eni  Gärtchen  mit  annähernd  schlangenförmig  gebogenen 
Wegen  wirkte,  trotzdem  es  den  doppelten  Raum  einnahm, 
unruhig  und  eng.  »Sogar  hier  ein  „Gegenbeis[iiel"  für  „fand- 
sch.iftliche  Gartengestaltung  auf  200  qm". 

In  den  sogen.  Logen  fand  man  neben  den  mit  Blumen 
geschmückten  Krankenzimmern  eine  moderne  \\'olinung  mit 
intimem,  kiistlichem  Blumen-  und  Tafelschmuck.  Weiter 
sahen     wir     die    prämierten    Pläne    vom    Schöncberger    Wett- 


bewerb, und  dann  zog  sich  durch  die  Länge  des  Saales  ein 
ganzes  Vermögen  in  Orchideenpflanzen,  vom  bescheidensten 
Kxemplar  bis  zur  vornehmsten  Cattleya.  —  An  der  Längsseite 
des  Saales  hatte  man  durch  die  Bogenfenster  einer  imitierten 
Mauer,  die  in  einfacheu  Linien  Guirlandenschmnck  trug,  noch- 
mals einen  schönen  Überblick.  Wir  streiften  dann  noch  im 
Vorübergehen  eine  „lackierte  Naturholzlaube".  betrachteten  die 
Samndung  von  Tonvvaren  (Töpfe,  Vasen),  von  t'uttern  u.  dgl. 
Nicht  zu  vergessen  mehrere  Modelle  von  Gärten  und  Fels- 
.inlagen.  von  denen  einige  nach  der  Ausstellung  in  den  Besitz 
der  Dahlemer  (iärtnerlehranstalt  übergehen.  Den  Beschluß 
bildeten  Bindekunstvverke  und  eine  Sammlung  von  einzelnen 
Orchideenblütenständen,  Neuzüchtungen,  deren  Stammpfian- 
zungen  für  20,  :iO,  411000  M.  zu  haben  sind. 

Zweierlei  hat  mich  gestört:  Erstens  die  We.ge  im  Blumen- 
parfcerre.  Wozu  waren  sie  da?  Sie  wurden  doch  nicht  be- 
gangen und  ohne  sie  hätte  das  Parterre  ruhiger  gewirkt. 
Zweitens  einige  traurige  Weisen  des  Orchesters.  Die  gelu'iren 
nicht  zu  dem  heiteren  Anblick  der  Blumen.  Durch  die  Musik 
verliei-en  überhauiit  die  Blumen  als  Ausstellungsobjekt:  sie 
sinken  f.ist  zu  einer  Ausschmückung  für  ein  „Promenaden- 
konzert" lier.ib.  Freilich  gibt  es  weite  Kreise,  die  mehr  für 
ein  Promenailenkonzert  als  für  eine  Gartenbauausstellung  übrig 
haben. 

Alles  in  allem:  alle  Achtung  vor  dem  Leiter,  der  es  ver- 
staml,  eine  derartig  ausgedehnte  Räumlichkeit  so  auszugc- 
stdten,  daß  sie  ein  volles,  schiine-i  Ganzes  bildete. 

.\.  Ochwadt. 
Gerichtliche  Klage  gegen  die  Entscheidung  bei  Wett- 
bewerben. Die  Deutsche  Bauzeitung  teilt  in  Xo.  22  vom 
Ili.  März  d.  J.  mit,  daß  die  tiefgehende  Unzufriedenheit,  welche 
iu  den  Kreisen  der  Beteiligten  über  die  ICntsclieidung  in  dem 
von  der  Carnegiestiftung  veranstalteten  Wettbewerb  betr.  Ent- 
würfe für  den  iM-iedenspalast  im  Haag  Platz  gegriffen  hatte, 
durch  die  Nachricht,  dal!  die  Carnegiestiftung  den  Architekten 
C'ordonnier  beauftragt  habe,  einen  neuen  umgeänderten  Ent- 
wurf für  den  Friedenspalast  zu  schaffen,  und  diesem  Architekten 
auch  die  Leitung  der  Ausführung  übertragen  werde,  erheblich 
sich  gesteigert  und  zur  Bildung  eines  Komitees  geführt  habe, 
welches  im  Auftrage  zahlreicher  Beteiligter  auf  dem  Wege 
der  Klage  eine  Nichtigkeitserklärung  der  Wettbevverbs- 
entscheidung  herbeiführen  wolle,  nachdem  ein  gerichtlicher 
Einspruch  gegen  das  Vorhaben  der  Carnegiestiftung  erhoben 
ist.  Hierin  wird  die  Auffassung  vertreten,  daß  die  Bestimmungen 
eines  Wettbewerbsprogrammes  den  Wortlaut  eines  Vertrags 
zwischen  dem  Ausschreibenden  und  den  Teilnehmern  am  Wett- 
bewerb darstellen  und  daß  sich  der  Ausschreibende  einer  Ver- 
tragsverletzung schuldig  mache,  wenn  er  die  Bestinnnungen 
des  Prfigramms  nicht  strikte  einhalte.  Eine  solche  Verletzung 
liege  auch  vor,  wenn  der  Ausschreibende  eine  gegeu  wesent- 
liche Programmbestimmungen  verstoßende  Entscheidung  des 
von  ihm  bestellten  Preisgerichts  anerkennt  und  zur  Ausführung 
bringt.  Im  vorliegenden  Falle  handelt  es  sich  darum,  daß  die 
im  Programm  angewiesene  Bansumme  von  dem  mit  dem  I.  Preise 
ausgezeichneten  Entwürfe  weit  überschritten  wurde  und  andere 
prämiierte  F]ntwürfe  nicht  die  Grenzen  des  in  den  Wettbewerbs- 
unterlagen vorgeschriebenen  Geländes  eingehalten  haben. 

Man  darf  bei  dem  allgemeinen  Interesse,  welches  die  hier 
angeschnittenen  Fragen  für  weite  Kreise  haben,  auf  den  Ver- 
lauf der  Angelegenheit  gespannt  sein.  Das  allgemeine  Recht- 
lichkeitsgefühl und  die  jedem  Menschen  innewohnende  natür- 
liche Auffassung  möchten  es  fast  zweifellos  erscheinen  lassen, 
daß  ein  Einspruch,  wie  er  hier  vorliegt,  erfolgreich  sein  müsse, 
indessen     belehren      uns     die     Ausführungen      eines     Juristen 


82 


ßlE  GARTENKUNST 


IX,  4 


(Landgerichtsrat  Dr.  Boetlike-Berlin),  welchen  die  Deutsche 
Baiizeitung  um  Mitteilung  seiner  Ansicht  ersuclit  hat,  einer 
anderen.  In  seinen  Ausführungen  wird  zunächst  darauf  hin- 
gewiesen, daß  nach  §  661  Abs.  2  des  Bürgerl.  Gesetzbuches 
die  Entsclieidung  der  Preisrichter  für  alle  Teile  verbindlich  sei 
und  eine  Anfechtung  dieser  Elntscheidung  beim  Fehlen  eines 
geordneten  Rechtsmittel zugs  nicht  angängig  sei.  Anders  liegt 
es,  wenn  es  sich  um  Ersatzansprüche  für  einen  Schaden  handele, 
der  sich  als  Folge  einer  unrichtigen  Entscheidung  des  Preis- 
gerichts darstelle.  Sie  könnten  wohl  in  Fällen  mit  Aussicht 
auf  Erfolg  geltend  gemacht  werden,  wo  bei  der  f^ntscheidung 
offensichtliche  VerstölJe  gegen  Programmbestimmungen  vor- 
gekommen sind,  nicht  aber,  wenn  es  sich  darum  handelt, 
welcher  von  mehreren  Entwürfen  der  bessere  ist.  Haftbar 
machen  ließe  sich  nach  §  826  des  BGB.  der  schuldige  Preis- 
richter, aber  auch,  was  den  Geschäiligteii  vielleicht  vorteil- 
hafter ist,  der  Ausschreibende,  in  dessen  Auftrag  der  Preis- 
richter seines  Amtes  gewaltet  hat  (§  27«  des  BGB.),  Allein 
die  meisten  Schadenersatzansprüche  dürften  daran  scheitern, 
daß  der  Nachweis  der  Hube  des  erlittenen  Schadens  so  gut 
wie  ausgeschlossen  ist.  Dadurch  werden  die  Miigliclikeiten. 
welche  die  vorhin  angeführten  Paragraphen  zu  bieten  scheinen. 
wieder  illusorisch  und  man  kommt  zu  dem  Ergebnis,  daß  die 
Entscheidung  des  Preisgerichtes  wenigstens  nach  den  deutschen 
Gesetzesbestimmungen  fast  unangreifbar  ist.  Der  .lurist  erörtert 
dann  noch  die  Möglichkeit,  ob  sich  durch  entsprechende  Er- 
gänzung der  Wettbewerbsgrundsätze,  wie  sie  vom  Verband 
deutscher  Architekten-  und  Ingenieurvereine  w.  a.  aufgestellt 
sind,  wirksame  Abhilfe  schaffen  ließe,  kommt  aber  zu  dem 
Ergebnis,  daß  dadurch  das  ganze  Wettbewerbsverfahren  so 
umständlich  und  kostspielig  gemacht  würde,  daß  die  Neigung 
zur  \'eranstaltung  von  Wettbewerben  und  zur  Übernahme  des 
Preisrichteramtes  sehr  darunter  leiden  würde.  Und  das  kann 
doch  nicht  im  allgemeinen  Interesse  liegen. 

Wilhelmshöher  Allee,  Kassel.  Die  Schloß  Wilhelmshölve 
mit  der  .Stadt  Kassel  verbindende,  4  Kilometer  lange  Wilhelms- 
höher Allee,  und  zwar  zunächst  die  Strecke  vom  Wilhelms- 
höher Platz  bis  zur  Berlepschstraße,  sol!  nach  einem  Beschluß 
der  .Stadtverordneten  im  nächsten  Winter  mit  einem  Kosten- 
aufwande  von  76  000  Mark  (einschließlich  der  Pflasterarbeiten 
auf  dem  Bürgersteig)  neubepflanzt  werden,  Dieser  Beschluß 
hat  vielfach  Bedauern  erregt,  ist  aber  leider  notwendig  geworden, 
weil  die  jetzige,  über  100  .Jahre  alte  Pflanzung  zwar  im  ein- 
zelnen noch  teilweise  sehr  schöne  Bäume  aufweist,  in  der 
Ge.samtwirkung  aber  durch  die  zahlreichen  Lücken  und  Nach- 
pflanzungen ein  nichts  weniger  als  schönes  Bild  darbietet.  Zu- 
mal in  der  letzten  Zeit  sind  verhältnismäßig  viel  Bäume  ab- 
gestorben. Es  rächen  sich  jetzt  die  Sünden  früherer  Zeiten, 
in  denen  infolge  des  Mangels  an  sachverständiger  Aufsicht  bei 
Rohrlegungen  usw.  die  Wurzeln  rücksichtslos  abgehauen  und 
die  Bürgersteige  durchweg  mit  Zementplatten  belegt  wurden, 
ohne  in  der  Nähe  der  Bäume  für  eine  mehr  durchlässige  Be- 
festigung zu  sorgen.  Nach  langen  Verhandlungen  hat  man  sich 
entschlossen,  für  die  Neupflanzung  die  Kriniliri<le(Tiliaeuchlora| 
zu  wählen  wegen  ihres  geichmässigen  Wuchses  luid  des  saftig- 
grünen Blätterschmuckes,  wenngleich  andere  Lindenarten  das 
Laub  teilweise  länger  halten.  Nach  dem  vom  städtischen  Garten- 
insjiektor  Engeln  aufgestellten  Arbeitsjjlan  wird  am  1.  Oktober 
mit  der  Arbeit  begonnen  und  diese  so  gefördert,  dass  bis  zum 
.Sommer  1908  alles  einschliesslich  der  Arbeiten  am  Bürgersteig 
erledigt  ist.  W. 

Kaiser  Friedrich-Park,  Aachen.     Die  Stadtverordneten- 
versanimhing    bewiUigte    für   die   .Anlage  dos  Kaiser    Friedrich- 


parkes   den    Betrag    von    180000  Mk.,    nach   dem  Entwurf  und 
Voranschlag  des  Gartendirektors  Wessberg. 

Jubiläumsausstellung  1907  Mannheim.  Wir  haben  be- 
reits in  unserem  Februarheft  (Seite  37)  mitgeteilt,  daß  in  das 
Ausstellungsprogramm  eine  Sonderausstellung  für  Gartenpläne, 
Modelle,  Entwürfe  zu  Lauben,  Einfriedigungen,  Springbrunnen 
und  sonstige  (^iartenausstellungssachen  eingefügt  worden  ist. 
Die  Dauer  dieser  Sonderausstellung  ist  berechnet  auf  die  Zeit 
vom  15.  Mai  bis  Ende  August.  Anmeldungen  wolle  man 
baldigst  an  die  Ausstellungsleitung  (Mannheim,  Friedrichs- 
platz 1-1)  richten.  Es  stehen  im  ganzen  nur  etwa  370  qm 
Fläche  (Wand  und  Tische)  zur  Verfügung.  Die  in  Aussicht 
genommene  Hängekommission,  der  neben  Gartenkünstlern  von 
Ruf  auch  hervorragende  Architekten  angehören,  entscheidet 
über  die  Zulassung  der  eingelieferten  Gegenstände  und  waltet 
zugleicli  als  Jury. 

Zu  den  von  der  AusstelKingsleitung  ausgesetzten  Preisen 
(Medaillen  und  Ehrenui'kunden)  ist  noch  ein  wertvoller  Pi-eis 
hinzugekommen:  Seine  Königliche  Hoheit  Prinz  Arnult 
von  Bayern  hat  einen  Preis  im  Werte  von  1000  Mk.  ge- 
stiftet, und  zwar  für 

a)  künstlerische  Entwürfe  von  Städteanlagen  unter 
größtmöglichster  Wahrung  und  Verwert ung  land- 
schaftlicher Schönheiten  und 

b)  künstlerische  lOntwürfe  für  Anlagen  von  (iarten- 
städten  oder  Stadtteilen  mit  sehr  hervortretender 
Verwendung  von  öffentlichen  und  privaten  gärt- 
nerischen Anlagen. 

Mit  IJücksicht  auf  diese  Preisstiftvmg  ist  die  .'Xnmehlofrist 
bis  zum  15.  April  verlängert  worden.  II. 

Bücherschau. 

Prof.  Dr.  A.  Wieler,  Untersuchungen  über  die  Ein- 
wirkung schwefeliger  Säure  auf  die  Pflanzen,  Berlin, 
Gebr.  Borntraeger.  l'.KI.'i.  In  einer  sehr  bedeutsamen  und  um- 
fangreiclien  Arbeit  behandelt  Wieler  die  Einwirkung  der 
schwefeligsauren  Gase  auf  die  Pflanzen.  Die  Versuchsresultate 
wurden  teilweise  im  Laboratorium  gewonnen,  zum  Teil  aber 
auch  in  den  Rauchschadengebieten  industriereicher  Städte,  wo- 
durch der  praktische  Wort  dieser  Untersuclningen  eine  sehr 
hohe  Einschätzung  verdient.  Es  ist  unmiiglich,  in  einem  kurzen 
Referat  der  grol'sen  Fülle  des  behandelten  Stoffes  auch  nur 
einigermafsen  gerecht  zu  werden,  und  seien  hier  deshalb  nur 
einige  besonders  wichtige  Ergebnisse  hervorgehoben. 

Die  durch  schwefelige  .Säure  entstehenden  .Schäden  werch^i 
liäufig  erst  einige  Zeit  nach  der  Einwirkung  dos  (iases  be- 
merkbar. E)iese  Tatsache  wird  verständlich  durcli  die  Annahme, 
dafs  die  schwefelige  Säure  in  den  Blattzellen  gespeichert  wird, 
und  in  der  Tat  liefs  sich  auch  im  Innern  der  Blätter  aus 
Rauchschadengebieten  SOj  nachweisen.  Dieser  Nachweis  ge- 
lang sogar  bei  den  Hbittorganen  der  Bäume  aus  den  .\nlagen 
der  technischen  Hochschule  bei  Aachen,  wobei  anzunelimen  ist, 
dafs  die  Säure  hier  aus  dem  Kohlenraucli  der  Luft  herstammte, 
zumal  in  der  Nähe  der  Hochschule  ein  Bahnluif  gelegen  ist. 
Von  Haselliof  f  und  Linilau  wurde  aber  schon  nachgewiesen, 
dafs  der  Raucli  aus  der  Stoinkohlciifeuerung  der  Lokomotiven 
unter  Mitwirkung  besonderer  lokaler  Verliältnisse  sogar  die 
Nadelhölzer  zum  Absterben  bringen  kann. 

Schwefelige  Säure  kommt  normaler  Weise  iu  den  Blatt- 
organen der  llolzgewächse  nicht  vor.  Ihr  .auftreten  mul's  hier 
immer  auf  eine  Aufnahme  aus  einer  die  .Säure  enthaltenden 
Luft   gedeutet    werden.      Die    Blätter    nehmen    umsomehr    von 


IX,  4 


DIE   GARTENKUNST 


83 


diesem  Gase  auf,  je  reicher  die  Luft  daran  ist,  aber  selbst  sehr 
starken  Verdünnungen  vormögen  sie  noch  nachweisbare 
Mengen  zu  entzielien.  Die  Fortführung  der  schwefeligen  Säure 
durch  die  Luft  kann  auf  weite  Entfernungen,  auf  mehrere  Kilo- 
meter, erfolgen,  doch  dürfen  wir  nicht  annehmen,  ilal's  eine 
unendlich  verdünnte  und  deshalb  auch  nur  in  Spuren  aufge- 
nommene Menge  dieses  (iases  sofort  eine  Schädigung  der 
Pflanzenorgane  hervorljringt.  Dem  widerspricht  sclioa  die 
praktische  Erfahrung.  Vielmehr  liel's  sich  von  vornherein  ver- 
muten, dafs  Beschädigungen  erst  bei  einem  bestimmten  Säure- 
gehalte in  Erscheinung  treten.  Die  diesbezüglich  angestellten 
Versuche  haben  dies  bestätigt,  so  wird  1  :  1000(1  vielfach  er- 
tragen, 1  :  "JO  000  schadet  in  sehr  vielen  l'^ällen  nicht  und 
1  :  40000  ist  für  krautige  Pflanzen   im  allgemeinen  unschädlicli. 

Entgegen  der  Auffassung  von  Hasel  hoff  und  Lindau, 
die  alle  Schadenwirkung  des  Rauches  der  Seh wef elsäure  zu- 
schreiben, wird  von  Wieler,  gestützt  aal  seine  Versuche  und 
den  Nachweis  der  schwefeligen  Säure  in  den  verscliiedenen 
Rauchschadengebieten  entnommenen  Blättei'proben,  der  Stand- 
punkt mit  Erfolg  vertreten,  dal's  die  schwefelige  Säure  in  der 
Gasform  als  das  schädigende  Agens    angesehen  werden  müsse. 

Das  Eindringen  der  sauren  Gase  erfolgt  durch  die  Spalt- 
öffnungen. Alle  Momente,  die  auf  eine  Vergrölserung  dieser 
Eingangspforten  einwirken,  müssen  unter  sonst  gleichbleibenden 
Bedingungen  somit  auch  eine  Steigerung  der  Säurewirkung 
hervorbringen.  Die  Stomata  schliefsen  oder  verengen  sich  be- 
kanntlich in  trockener  Luft,  während  sie  sich  in  feuchter  Luft 
öffnen  oder  erweitern  und  damit  läuft  allgemein  parallel  der 
nachteilige  Einflul's  der  schwefeligen  Säure  in  feuchter  Luft. 
Auch  das  Licht  bewirkt  gegenüber  der  Dunkelheit  ein  Offnen 
der  Spaltöffnungen  und  es  erreicht  demgemäCs  die  Schaden- 
wirkuag  ihren  Höhepunkt,  wenn  hohe  Feuchtigkeit  mit  starker 
Belichtung  sich  eint. 

Die  Art  der  durch  ein  saures  Gas  an  den  Blättern  hervor- 
gei'ufenen  Beschädigungen  ist  je  nach  der  Gröfse  des  be- 
wirkten Schadens  verschieden.  Ist  derselbe  grofs,  dann  sterben 
alle  Zellen  ab,  ist  er  kleiner,  dann  treten  kleinere  oder  gröl'sere 
Flecken  auf.  die  entweder  am  Rande  oder  auch  interkostal  er- 
scheinen, manchmal  werden  auch  ganze  Blattabschnitte  abge- 
tötet. Die  Flecken  zeigen  rote,  rotbraune  und  braune  Töne. 
Diese  Rotfärbung  trat  bei  den  Experimenten  nur  dann  hervor, 
wenn  dieselben  iinter  dem  direkten  Einflul's  des  Sonnenlichtes 
zur  Ausführung  kamen,  weshalb  von  dem  Verfasser  diesem 
eine  mittelbare  Bewirkung  des  roten  Farbentones  zuge- 
schrieben wird. 

Für  die  Praxis  sehr  beachtenswert  ist  die  Tatsache,  dal's 
durch  die  Gegenwart  der  schv^'efeligen  Säure  die  Assimilation 
der  Blätter  ungünstig  beeinflufst  wird.  Die  Gröfse  der  Emp- 
findlichkeit der  einzelnen  Pflanzenarten,  wie  auch  der  Indi- 
viduen unterliegt  weiten  Schwankungen.  Als  sehr  empfindlicli 
nach  dieser  Richtung  haben  sich  Buche  und  Fichte  gezeigt. 
Die  Frage,  ob  eine  Pflanze  im  Freien  in  mit  schwefeliger 
Säure  verdünnter  Luft  allmäldich  so  viel  von  dem  schädliclieu 
Gase  zu  speichern  vermag,  dal's  dadurch  ihre  Assimilation 
wesentlich  gehemmt  wird,  darf  a  priori  bejaht  werden.  Die 
Wasserbeweguug  in  der  Pflanze  wird  dagegen  durch  Säure- 
konzentrationen, die  keine  Abtötung  der  Blattsubstanz  veran- 
lassen, nicht  beeinflufst.  Die  Ableitung  der  Assimilate  wird  bei 
Gegenwart  schwefeliger  Säure  verzögert,  namentlich  gilt  das 
für  die  Stärke.  Diese  Verlangsaraung  der  Entstärkung  der 
Blätter  wird  von  dem  Verfasser  auf  eine  Verminderung  der 
Diastaseproduktion  zurückgeführt,  die  eine  Verzögerung  der 
Umwandlung  der  Stärke  in  lösliche  Kohlehydrate  nach 
sich  zieht. 


Der  ganze  Baum  leidet  infolgedessen  an  Nälu-stoffmangel, 
und  dieser  ist  um  so  mehr  ausgeprägt,  je  länger  die  Bäume  der 
Einwirkung  der  Säure  ausgesetzt  sind.  Blätter  werden  nur  noch 
wenige  gebildet,  und  die  lUattflät^hen  sind  klein,  die  Gipfel  der 
Bäume  fangen  an  abzusterben.  Dieser  Absterbeprozefs  wird 
aber  noch  wesentlich  gefördert,  wenn  der  Baum  plötzlich  von 
gröl'seren  Mengen  von  Säure  getroffen  wird,  so  daCs  eine  direkte 
Alltötung  der  Blätter  veranlafst  wird,  besonders  wenn  sich 
dieser  Vorgang  einige  -lalire  liintereinandor  wiederholt. 

Durch  Regen  und  'l'au,  aber  auch  allein  infolge  ihrer 
Schwere»  werden  die  sohwefeligsaureu  Gase  auch  dem  Boden 
z\igeführt.  Der  herrschenden  Ansicht,  dafs  sich  die  schwefeligo 
Säure  im  Boden  sofort  oxj'diere,  tritt  Wieler  entgegen,  denn 
er  konnte  in  den  in  Betracht  kommenden  Böden  stets  SO2  nach- 
weisen. Es  kanu  also  auch  eine  direkte  Schädigung  der  Baum- 
wurzcln  durch  dieses  Gas  bewirkt  werden,  eine  Leitung  der 
Säure  nach  den  oberirdischen  Pflanzenorganen  hält  der  Ver- 
fasser dagegen  für  ausgeschlossen.  Die  in  den  Boden  gelangte 
Schwefelsäure  wird  bei  genügendem  Vorhandensein  von  Basen 
bald  gebunden  und  zum  Teil  ausgewaschen.  Ist  der  Obergrund 
an  Basen  arm  oder  verarmt,  so  l)leibt  die  Schwefelsäure  längere 
Zeit  im  freien  Zustand  und  wird  so  ungünstig  auf  das  Pflanzen- 
leben des  Bodens,  besonders  aber  auch  auf  die  Bakterienwelt 
desselben  einwirken.  Dadurch  werden  die  biologischen  Vor- 
gänge, auf  denen  die  Humuszersetzung  teilweise  beruht,  zum 
grofseu  Teil  suspendiert  und  dadurch  wiederum  die  für  die 
Pflanzen  aufnehmbaren  Stickstoffmengen  vermindert.  Einen 
älmlichen  Effekt  äufsert  die  durch  Auswaschung  bewirkte  Ver- 
armung des  Bodens  an  Kalksalzen.  Eine  Verminderung  der 
Basen  führt  zur  Ansammluna'  ungebundener  Humussäuren,  die 
iln-erseits  wieder  den  Boden  direkt  oder  indirekt  biologisch  und 
pliysikalisch  ungünstig  beeinflussen. 

Für  die  Rauchexpertise  ist  es  von  "Wichtigkeit,  darauf 
hinzuweisen,  dal's  der  analytische  SOs-Gehalt  der  Blätter  für 
den  Grad  der  Schädigung  nicht  verantwortlich  gemacht  werden 
kann,  denn  es  sind  gerade  die  kurzen  und  plötzlichen  Angriffe 
gefahrbringend  und  tötend,  während  langanhaltende  schwache 
Einwirkungen,  die  aber  doch  zu  einer  Erhöhung  der  SOs-Zahl 
in  den  Blättern  führen,  oft  ohne  Schaden  ertragen  werden. 
Von  gröl'serer  Bedeutung  für  die  Expertise  ist  eine  Analyse 
der  Luft  des  Rauchschadengebietes.  Auch  der  Boden  mul's  bei 
der  Beurteilung  der  Schadenwirkung  mit  herangezogen  werden. 
Namentlich  auch  für  Baumpflanzungen  in  Städten  wird 
der  letztangeführte  Punkt  in  Erwägung  zu  ziehen  sein.  Auch 
hält  der  Verfasser  eine  teilweise  Aufforstung  in  den  vernichteten 
Rauchschadengebieten  wieder  für  möglich,  wenn  dabei  eine 
sachgemäL'sp  Bearbeitung  und  Düngung  des  Bodens  ins  Auge 
gefafst  wird.  Molz-Geisenheim. 

H.  Uonwentz,  Schutz  der  natürlichen  Landschaft  vor- 
nehmlich in  Bayern.  Verlag  von  Gebr.  Borntraeger,  Berhn. 
—  Der  unermüdliche  Vorkämpfer  für  die  Erhaltung  der  Eigen- 
art unserer  heimischen  Natur,  Prof.  Oonwentz  in  Danzig,  hat 
seinen  Schriften  eine  neue,  besonders  auf  die  Verhältnisse  des 
Bayernlandes  zugeschnittene,  hinzugefügt.  Er  gibt  darin  zu- 
nächst einen  Überblick  über  die  Maßnahmen,  welche  in  Bayern 
auf  dem  Gebiete  des  Natur-  und  Heimatschutzes  getroffen  sind, 
dabei  bis  zum  .Jahre  1903  zurückgehend.  Es  interessieren 
darunter  besonders  die  erlassenen  Vorschriften  der  Forstbehörden 
zum  Schutze  der  Tier-  und  Pflanzenwelt  in  den  oberbayrischen 
Bergen  (Adler,  Alpenrosen  usw.).  Die  Erlasse  anderer  Ver- 
waltungsabteilungen werden  auf  ihre  Zweckmäßigkeit  hin  ge- 
prüft, die  Tätigkeit  der  Gemeinden,  Vereine  und  Einzelpersonen 
eingehend  erörtert.     Viel  A  nregung  läßt  sich  aus  dem  AVerckchen 


84 


DIE  GARTENKUNST 


IX.  4 


von  jedem  schöpfen,  der  für  die  Erhaltung  chnrakteristischer 
Merkmale  unserer  Heimat  Sinn  und   Verständnis  liat.  H. 

Schriften  aus  dem  Verlag  von  H.  Pudor,  Berlin- 
Steglitz.  Dr.  H.  Pudor,  welcher  den  Lesern  der  Gartenkunst 
aus  seinen  Aufsätzen  im  Jahrgang  19()(j  der  Gartenkunst 
(Ästhetik  des  Waldes,  Bayrische  Jubiläumsausstellung  190(1  in 
Nürnberg  usw.)  bekannt  ist,  gibt  im  eigenen  Verlag  eine  Anzahl 
Werke  und  Zeitschriften  her.aus,  auf  die  wir  an  dieser  Stelle 
aufmerksam  machen  milchten.  Seine  „Erziehung  zum 
Kunstgewerbe"  behandelt  die  geschichtliche  Entwickelung 
vom  Rokoko  bis  zu  Peter  Behrens,  bespricht  die  moderne  Keramik, 
die  Edelmetallarbeiten,  Innenausbau  der  Wohnungen,  die 
Textilkunst  und  anderes,  überall  eine  beachtenswerte,  zum 
Teil  eigenartige  persönliche  Auffassung  vertretend,  die  die 
Lektüre  des  Buches  besonders  reizvoll  und  anregend  macht. 

Die  uns  vorliegenden  Hefte  des  „Ausst  eil ungs Jahr- 
buchs" stellen  eine  Publikation  ganz  neuer  Art  dar,  die  bei 
der  bedeutenden  Rolle,  welche  das  Ausstelhingswesen  in  Kunst 
und  Gewerbe  spielt,  geeignet  ist,  eine  Lücke  in  der  Literatur 
auszufüllen.  Das  Jahrbuch  erscheint  in  zweimon.atlichen  Heften 
ä  1,60  Mk.,  die  Ausstattung  ist  eine  sehr  vornehme  und 
künstlerische.  Seinen  Inhalt  bilden  Darstellungen  und  Be- 
sprechungen von  modernen  Kunstgewerbeerzeugnissen,  Ge- 
mälden zeitgenössischer  Künstler,  beachtenswerten  Architek- 
turen, Mode-  und  Industrieerzeugnissen  usw.  Auf  gute  bild- 
liche Wiedergabe  wird  groLier  Wert  gelegt.  Wir  können  das 
Ausstellungsjahrbuch  allen  Interessenten  bestens  empfehlen.  — 
Ähnlich  in  Form  und  Ausstattung  sind  die  „Dokumente  des 
modernen  Kunstgewerbes"  vom  gleichen  Verfasser,  serienweise 
erscheinende  Hefte  im  Preise  von  3  Mk.  H. 

Aus  der  Zeitschrift:  House  and  Garden.  In  der  Oktober- 
numnier  finden  wir  von  rein  gartenkünstlerischem  Interesse 
nur  einen  kleineren  illustrierten  Beitrag  von  Loring  Under- 
wood:  Garden  accessories,  some  formal  and  rustic  summer- 
houses.  Die  Abbildungen  zeigen  zunächst  zwei  rustike  Garten- 
häüschen  aus  England  und  Amerika  mit  Strohdach  und  Holz- 
aufbau, die  recht  mälsige  Vorbilder  bieten.  Dann  aber  folgt  ein 
Gartenhaus  aus  der  Villa  Borghese  und  der  nicht  minder  be- 
kannte Gartentempel  in  Klein-TVianon  bei  Versailles.  —  In 
E.  Hemraings  Betrachtung:  Garden  worte  in  october,  gibt 
er  eine  Liste  von  Bäumen  mit  hervorragend  scliöner  Herbst- 
färbung und  nennt  dabei  folgende,    die  ja  auch  dem  deutschen 


Gartenkünstler  vertr:iut  sind:  Acer  rubi'um,  A.  s;i.ccharin  um  , 
( '  e  r  a  s  n  s  (Prunus)  S  i  e  b  o 1 d  i ,  C  o  r  n  u  s  f  1  o  r  i  d  a ,  C  e  r  c  i  d  i  - 
phyllum  japonicum,  Crataegus- Arten,  Fraxinus  ameri- 
cana,  Liriodendron  tulipifera.  Nyssa  multiflora, 
(j)uercus  alba,  Quercus  coccinea,  Rhus-Arten,  Sassa- 
fras officinale.  —  Sehr  interessant  ist  ferner  der  Aufsatz 
von  M.  T.  Priestmann:  Rose  Valley,  a  Community  of  dis- 
ciples  ot  Ruskin  and  Morris,  worin  die  von  IJuskin  angebahnten 
Bestrebungen  geschildert  werden. 

Im  Novemberheft  fesseln  imsere  Blicke  sofort  zwei  sehr 
gut  illustrierte  Aufsätze,  die  für  den  Gartenkünstler  wie  Archi- 
tekten gleich  lehrreich  sind,  näudich  W.  Eyres  Schilderung 
von  Fairacres,  the  residence  of  J.  W.  Tepper,  Esij..  Jenkintown, 
Pa.,  einer  modernen  amerikanischen  Schöpfung  mit  streng 
architektonischen  Gartenanlagen,  sowie  P.  K.  Diftchfields 
Beschreibung  von  Broughton  Castle,  einem  alten  englischen 
Adelssitze.  Solche  Artikel  sind  besonders  der  prächtigen  Ab- 
bildungen halber  wei'tvoll.  Ich  wünschte,  unsere  deutsche 
„Gartenkunst"  könnte  bald  in  Hinsicht  ihrer  illustrativen  Aus- 
stattung den  Spuren  von  „House  and  Garden"  oder  des  eng- 
lischen „Studio"  folgen.     (Hoffen  wir  das  Beste!    H.) 

Das  Dezemberheft  bringt  nicht  rein  Gartenkünstlerisches, 
aber  von  gärtnerischem  Interesse  doch  zwei  Sachen:  J.  Boy  er, 
The  Nurserymen  of  Paris  und  zum  Schlufs  die  (1.  Fortsetzung 
von  F.  W.  Kelseys:  The  first  county  park  System  in  America, 
worin  weiter  die  Erfolge  der  <  rartenstadtbestrebungen  ge- 
schildert werden.  C.  K.  S. 


Personalnachrichten. 

Maecker,  Fr.,  Laiidschafts,i;ärtner  in  Friedenau  und  Kube, 
M.,  t  iartendirektor  in  Posen,  erhielten  den  Kronenonleu  IV.  Kl. 
—  Freese,  Georg,  wurde  als  .Stadtgärtner  in  Wilhelmshaven 
angestellt.  —  Dreher,  Fürstl.  Hohenzollernschei'  G;irtendirektor 
in  Kraucheuwies,  ist  gestorben.  —  Glatt,  Kgl.  Hol'gärtner  in 
Charlottenhof,  erhielt  das  Ritterkreuz  IL  Kl.  des  norwegischen 
Ordens  des  heiligen  Olaf.  —  Schuster,  Kgl.  Oberbaumschul- 
gärtner  a.  D.,  früher  20  Jahre  lang  Lehrer  für  Obstbau  an  der 
Kgl.  Landwirtschaftl.  Akademie  zu  Weihenstephan,  ist  87  Jahre 
alt  in  München  gestorben. 


Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Stadt-Cfiirtondirektor  Heicke,  Frankfurt  a.  M.        Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger,  Berlin  SW.  11, 

DesBauer  Strasse  29.  —  Druck  von  A.  W.  Hayn'e  Krben,  Potsdam. 


IX.  5 


DIE   GARTENKUNST 


85 


Von  der  Mannheimer  Giii-t,<.nljauau,s,-5ti.'Ilung:  Der  Garten  des  Prof.  Läut;er  vor  der  Vollendung 


Gartenkunst  und  Städtebau. 


Iiiiieiiftäi'teu. 

Von  Theodor  Goecke,  Berlin. 


LIBRARY 
NEW  YORK 

botanical 

OARDEN. 


Meine  Herren!  Heute  abend  lassen  Sic  schon  zum 
zweiten  Male  in  diesem  Winter  einen  Architekten  zu  Worte 
kommen  und  für  zwei  weitere  Vorträge  haben  Sie  noch 
die  Namen  von  Architekten  in  Ihrem  Programme  ver- 
zeichnet. Deutlicher  kann  wohl  das  Bedürfnis  nicht  zum 
Ausdruck  kommen,  die  Beziehungen,  die  seit  alter  Zeit 
zwischen  der  Kunst  des  Gartenbaus  und  der  Baukunst 
schlechthin  bestanden  hal)en,  wieder  enger  zu  knüpfen, 
nachdem  sie,  ebenso  wie  die  Beziehungen  der  bildenden 
Künste  unter  sich  stark  gelockert  waren,  zum  Schaden 
der  Kunst  ülierhaupt,  weil  sie  eben  in  der  Natur  der 
Sache  begründet  sind. 

Insbesondere  fordern  die  öffentlichen  Garten- 
anlagen  die  gemeinsame  Arbeit  von  Gärtner  und  Architekt. 
Schon  für  die  Bepflanzung  der  Stralien  und  Plätze  mit  Baum- 
reihen, vornehmlich  aber  für  den  Garten  an  der  Straße 
und   zwar  sowohl  für  den  Vorgarten  an  den  Häuserreihen, 


den  Bauwich  bei  offener  Bauweise,  die  beide  der  Öffent- 
lichkeit angehören,  wenn  sie  sich  auch  im  Privatbesitze 
befinden,  als  auch  für  die  seitwärts  oder  mitten  auf  der 
Straße  angelegte  Promenade  umi  den  ringsum  von  Straßen 
umgebenen  Gartenplatz  gilit  der  Architekt  die  Richtlinien, 
Abmessungen  und  Verhältnisse  und  selbst  für  größere 
Gartenanlagen,  den  Friedhof,  oft  noch  den  Maßstab  und 
den  Rahmen  durch  die  Führung  und  Bebauung  der  Rand- 
straßen,  die  Bauweise  der  Umgebung. 

In  den  umwehrten  Städten  des  Mittelalters  war  der 
Hausgarten  wohl  die  einzige  Gartenforra ;  hinter  dem  Hause 
gelegen,  bescheidenen  Umfanges,  beeinflußte  ihn,  ebenso 
wie  den  engen  Burggarten,  die  Architektur,  am  stärksten 
in  dem  von  Hallen  eingeschlossenen  Kreuzgange  des  zu- 
gleich als  Kirchhof  dienenden  Klostergartens.  Freier  konnte 
er  sich,  losgelöst  vom  Hause,  im  Weichbilde  der  Stadt 
entwickeln,  wenn  auch  hier  noch  ein  Gartenhäuschen  oder 


so 


DIE  GARTENKUNST 


IX, 


später  gar  Landhaus  der  Stimmung  einen  architektonischen 
Grundton  gab.  Vor  den  Toren  siedelten  sich  die  meist 
von  den  Zunftgenossenschaften  ausgeschlossenen  Gärtner 
an  in  ländlichen  Häuschen  mit  Vorgarten,  der  bei  weiterer 
Ausdehnung  der  Stadt  in  die  städtischen  Straßen  hinein- 
wuchs und  sich  namentlich  in  Süddeutschland  zur  Zeit  der 
Renaissance  durch  Abgrenzung  gegen  die  Straße  mit  einer 
geschlossenen,  von  Baumkronen  überragten  oder  einer  von 
Pforten,  fensterartigen  Öffnungen,  Gitterwerk  durch- 
brochenen Gartenmauer  zu  den  reizvollen  Formen  des 
Bauwichgartens  bezw.  des  erhöht  gelegten,  im  Hufeisen 
umbauten  Vorhofgartens  umgebildet  hat. 

Als  erste  öffentliche  Grünanlage  dürfen  wir  den  früher 
stets  um  die  Kirche  herum  gelegten  Kirchhof  ansehen, 
soweit  er  nicht  bebaut  oder  anderweit  benutzt,  als  Kirch- 
platz bepflanzt  wurde,  nachdem  die  Begräbnisstätton  in 
Zeiten  verheerender  Seuchen  von  der  Kirche  weg  nach 
außen  hin  verlegt  waren.  Weiter  kam  die  Wallpromenade 
auf,  als  die  Umwehrungen  der  Stadt  zwecklos  geworden, 
so  daß  der  Stadtgraben  vor  der  Mauer  meist  zu  Privat- 
gärten, Schießständen,  Seilerbahnen  aufgeteilt,  verkauft 
oder  verpachtet,  oft  aber  auch  zu  Kirchhöfen  verwendet 
wurde,  die  in  neuerer  Zeit  dann  vielfach  wieder  zu  öffent- 
lichen Anlagen  geworden  sind.  Ähnlich  erging  es  endlich 
den  Schanzen  und  bepflanzten  Abhängen  der  Brustwehren 
neuzeitlicher  Festungsstädte,  als  auch  deren  Verteidigungs- 
gürtel entbehrlich  wurde;  ein  grüner  Ring  trat  an  seine 
Stelle. 

In  allen  diesen  Fällen  aber  ist  die  Entstehung  (ilTent- 
licher  Anlagen  gewissermaßen  nur  einem  glücklichen  Zu- 
falle zu  verdanken,  der  vom  Stadtmenschen  jedoch  mit 
Begier  ergriffen  wurde,  um  seinen  Naturhunger  zu  stillen. 
Und  wenn  heute  eine  Stadterweiterung  noch  so  notwendig 
ist,  sollte  schon  aus  diesem  Grunde  nicht  ein  Strauch  ge- 
opfert, sondern  im  Gegenteil  noch  möglichst  viel  Grünes 
zum  alten  Bestände  hinzugeptlanzt  werden,  wie  der  ver- 
storbene Meister  des  Städtebaues,  Camillo  Sitte  in  seiner 
Abhandlung  „Großstadtgrün",  auf  die  ich  weiterhin  noch 
eingehen  werde,  empfohlen  hat. 

Planmäßig  brachton  Alleestraßen,  Gartenplätze,  Park- 
anlagen erst  die  landesfürstlichen  Städtegründungen  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts  mit  sich,  nach  dem  schon  vorher 
neben  dem  italienischen  Stockwerkhause  der  italienische 
Garten  nach  Deutschland  gekommen  war,  dessen  Anlage, 
wie  auch  schon  vorhin  beim  Vorhofgarten  angedeutet,  die 
Linien  der  Architektur  fortsetzte  und  mit  Hilfe  von  Terrassen, 
Wasserbecken,  Springbrunnen  und  Standbildern  mit  dem 
Hause  zu  einem  Gesamtkunstwerke  zusammenging,  an  sich 
fast  kaum  ein  Garten  mehr  und  doch  den  natürlichen 
Übergang  bildend  vom  schließlich  verschnörkelten,  mittel- 
alterlichen Hausgarton  zur  großzügigen,  französischen 
Gartenanlage,  die  in  den  Lustgärten  der  Landesfürsten 
auf  deutschen  Boden  verpflanzt  wurde.  Sie  biste  dann 
der  sogenannte  ,, englische  Garten"  ab,  der  in  seinem 
lleimatlande  jedoch  keineswegs,  wenigstens  heute  nicht 
mehr,  in  dem  Umfange  architektonischer  Beziehungen  ent- 
behrt, wie  wir  leicht  geneigt  sind  anzunehmen  —  zwischen 
dem  Bauwerke,  dem  Hause  oder  Schlosse  und   dem   weitei-- 


hin  sich  erstreckenden  Parke  vermittelt  fast  stets  ein 
regelmäßig  angelegtos  Stück  gärtnerischer  Kleinkunst. 
Viele  der  landesfürstlichen  Gartenschöpfungen  sind  später, 
mehr  oder  weniger  umgestaltet,  zu  öffentlichen  Anlagen 
geworden,  wovon  heute  noch  die  Bezeichnungen  Lustgarten, 
Hofgarten,   Schloßgarten,   Zeugnis  .ablegen. 

Im  Gegensatze  zur  mittelalterlichen  Stadt,  die  von 
Mauern  umschlossen,  oft  engeräumig  war,  wurden  die 
landesfürstlichen  Städte  offen  und  weiträumig  angelegt, 
reichlich  mit  Hausgärten  durchsetzt,  obwohl  das  Stockwerk- 
haus mit  Mietwohnungen  schon  das  kleine  Einfamilienhaus 
zu  ersetzen  begann.  Beide  hatten  jedoch  im  Vergleiche 
zur  modernen  Stadt  nur  geringen  Umfang.  In  dieser 
herrscht  weit  ins  Land  hinaus  das  Massonraiethaus,  das 
den  Hausgarten  verdrängt  hat.  Um  so  notwendiger  ist 
hier  eine  Unterbrechung  der  Häuserblöcke,  um  wieder  mit 
C.  Sitte  zu  reden,  ,, durch  weitläufige  freie  Lufträume, 
zunächst  aus  Gesundheitsrücksichten,  aber  auch  nicht 
minder  zur  phantastischen  Erhebung  des  Gemüts  durch 
die  Erquickung  an  eingestreuten  Na,turbildern.  Ohne  diese 
Anlehnung  an  die  freie  Natur  wäre  die  Stadt  ein  uner- 
träglicher I^erker " 

In  dieser  Forderung  liegt  eine  neue  Aufgabe  für  den 
Städtebau,  die  bisher  nur  unvollkommen  gelöst  ist.  Denn 
nach  dem  Vorbilde  landesfürstlicher  Lustgärten  entstandene 
städtische  Gartonanlagen  sind  und  köinnen  auch  keine  eigent- 
lichen Volksgärteu  sein,  da  jene  ihrem  Ursprünge  nach 
zu  den  Prunkstücken  des  Selbstherrschertums  gehörten, 
höfischen  Pestzwecken  zu  dienen  hatten.  Pein  säuberlich 
muß  ein  solcher  Garten  aussehen,  wie  eine  festlich  ge- 
schmückte Tafel  —  er  gestattet  keine  Tummelfreiheit  für 
die  Masse  der  Bevölkerung,  zumal,  wenn  er  nicht  aus- 
gedehnt ist.  Gewöhnlich  sucht  ihn  nur  der  beschauliche 
Spaziergänger,  Sonntags  auch  wohl  die  geputzte  Bürger- 
familie auf,  im  übrigen  aber  soll  er  als  Schaustück  der 
Gemeinde  zur  Empfohlung  und   Verschönerung   gereichen. 

Alle  unsere  Prachtstraßen  und  Gartenplätze,  die  wir 
aus  Paris  oder  London  bezogen  haben,  folgen  schließlich 
demselben  Zuge  in  das  Dekorative,  wenn  sie  auch  prak- 
tische Nebenzwecke  zu  erfüllen  haben,  wie  in  Berlin  z.  B. 
die  Mittelpromenade  breiter  Straßenzüge  als  Kinderspiel- 
platz oder  der  mit  Grünanlagen  ausgestattete  frühere 
Marktplatz  als  Erholungsstätte.  Doch  mit  welchen  Opfern'.'! 
Wie  der  bekannte  Nationalökonom  Dr.  Eberstadt  auf 
Grund  statistischer  Unteri.agen  nachgewiesen  hat,  ist 
nirgends  die  Zahl  der  Kiiideruufälle  so  groß  als  in  Berlin, 
wo  die  Straße  allgemein  als  Spielplatz  benutzt  wird,  zumal 
die  meisten  Hauswirte  das  Spielen  der  Kinder  auf  dem 
Haushofo  v(*rbieten  —  aus  begreiflichen  Gründen,  wie  ich 
gleich  hinzufügen  möchte,  infolge  einer  verfehlten  Be- 
l)auiingsart.  Begleiten  gar  Straßenbahnen  die  Mittel- 
prornenado  zu  beiden  Seiten,  so  gehfiren  schon  starke 
Nerven  d.azu,  um  den  Aufenthalt  in  dem  Getöse  zu  er- 
tragen. Und  auf  den  von  Straßen  umraiimten  Ga,i'ten- 
platzen  ist  es,  wie  wir  noch  hören  werden,  nicht  viel 
andiM's.  I'irst  ausgiebige,  größere  .\nlagen  hinten  Ge- 
legenheit zu  S|)icl  und  Spoi-t,  zur  Errichtung  von  Lauben 
und   Verpachluiii;-   von  Gärten.     Kid    und  Chemnitz  nament- 


IX, 


DIE  GARTENKUNST 


87 


lieh  haben  darin  schon  viel  in  ihrem  Starttwalde  geleistet 
—  in  Gri>li-Berlin  müssen  Spielplätze  und  Laubenkolonien 
immer  noch  mit  der  fortschreitenden  Bebauung  den  Stand- 
oi't  wechseln.  Bekannt  sind  ihnen  die  weitläufigen  Volks- 
parke in  England,  deren  zahlreiche  Entstehung  zum  Teil 
di'r  niemals  aufgeteilte  Gemeinbesitz  der  Städte  und  zum 
Teil  das  niemals  erloschene  alte  germanische  Bodenrecht 
ermöglichten  und  auch  noch  heute  ermöglichen.  In  dieser 
glücklichen  Lage  sind  wir  in  Deutschland  nur  in  seltenen 
Fällen;  wir  müssen  uns  mit  viel  wenin'er,  oft  weit  ab- 
gelegenen Grünanlagen  begnügen,  und  doch  wohnen  wir 
weit  gedrängter  beisammen.  L>arum  überwiegt  bei  uns 
das  , .dekorative  Grün",  um  einen  von  Sitte  erfundenen 
Sammelnamen  zu  gebrauchen.  Uns  fehlt  es  dagegen  noch 
sehr  an  dem,  was  Sitte  im  Gegensatz  zum  dekorativen 
das  „sanitäre  Grün"  genannt  hat.  Zu  dieser  wich- 
tigen Unterscheidung  mfige  es  mir  gestattet  sein,  den 
Verfasser  des  ,,Groüstadtgrün"  selber  sprechen  zu  lassen 
Nachdem  er  die  Kostspieligkeit  großstädtischer  Alleen  hervor- 
gehoben hat,  fährt  er  fort: 

..Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  den  sogenannten 
Squares.  Eine  in  Grund  und  Boden  verfehlte  Anlage.  Sie 
verschlingen  in  noch  höherem  Maße  als  die  Alleen  große 
Anlagesummen,  ohne  den  gewünschten  Erfolg  zu  erreichen. 
Der  Fehler  liegt  wieder  in  dem  hergebrachten  Blockrastrum 
der  modern  geometrischen  Lagepläne.  Ist  danach  nur 
erst  ein  Bebauungsbezirk  schön  säuberlich  durch  grad- 
linige parallele  Straßen  schachbrettartig  in  Baublöcke  zer- 
legt und  wünscht  man  irgendwo  einen  öffentlichen  Garten 
oder  Kinderspielplatz,  so  läßt  man  einen  oder  mehrere 
Blöcke  unbebaut,  übergibt  sie  zu  mehr  oder  weniger  an- 
spruchsvoller Ausgestaltung  dem  Stadtgärtner  und  der 
Square  ist  fertig.  E)er  L^mstand,  daß  dieser  Garten  dann 
ringsherum  frei  an  den  Straßen  liegt,  wird  bei  dieser  ein- 
fachen Methode  nicht  beachtet;  gerade  darin  liegen  aber 
die  groben  Fehler  dieser  Anordnung,  denn  von  der  Straße 
wirbelt  der  Wind  allen  Staub,  diese  furchtbarste  Plage 
des  Großstadtlebens,  über  die  Gartenanlage  weg,  die  noch 
obendrein  von  dem  ganzen  Wagengerassel  und  sonstigem 
Lärm  der  Straße  erfüllt  ist,  besonders  wenn,  wie  in  den 
weitaus  meisten  Fällen,  diese  Squares  nur  in  kleinem 
Flächenmaß  angelegt  sind.  Ein  solcher  Stadtgarten  ist 
zur  Erholung  für  alt  und  jung  gänzlich  ungeeignet  und 
wird  wegen  der  schneidenden  Schneewehen  im  Winter 
und  der  sengenden  Sonne  im  Sommer  und  den  darüber 
hinfegenden  Staubwolken  auch  tatsächlich  vom  Volke  nicht 
besucht. 

Das  sanitäre  Grün  gehört  nicht  mitten  in  den  Staub 
und  Lärm  der  Straßen,  sondern  in  das  geschützte  Innere 
großer,  ringsherum  verbauter  Baublöcke.  Nur  in  .größten 
Flächenausmaßen  verträgt  es  das  Freiliegen  an  der  offenen 
Straße,  wie  dies  in  den  Villen-  oder  Cottagevierteln  der 
Fall  ist.  Etiese  vom  Wagenverkehr  wenig  heimgesuchten 
Stadtteile  mit  ihren  ununterbrochen  zusammenschließenden 
Baumpflanzungen  gehören  zweifellos  auch  in  die  Gruppe 
des  sanitären  Grün.  Zu  sagen  ist  über  diese  Anlagen 
wegen  Straßenführung,  Grundteilung  und  dergl.  nichts: 
denn    das    viele  Grün   breitet    selbst  über  verfehlte  Lage- 


planformen den  Mantel  milder  Nachsicht  derart,  daß  weder 
Schönes  noch  Verfehltes  in  die  Erscheinung  tritt;  es  ist 
eigentlich  ganz  gleichgültig,  wie  man  da  vorgeht,  es  kommt 
auf  jederlei  .\rt  immer  dasselbe  heraus. 

Das  ,, dekorative  Grün",  und  zwar  womöglich 
in  reichlicher  Verbindun.g  mit  dekorativem  Wasser,  gehört 
im  strikten  Gegen.satz  zum  sanitären  au.sschließlich  der 
Straße  und  den  Verkehrsplätzen,  deiui  es  hat  nur  den 
Zweck,  gesehen  zu  werden,  gesehen  von  möglichst  vielen 
Menschen,  also  gerade  auf  den  Hauptpunkten  des  Ver- 
kehres. Man  kann  sich  einen  gnißeron  Gegensatz  nicht 
denken.  Beim  dekorativen  Grün  ist  alles  nur  auf  die  ihm 
einzig  m/igliche  phantastische  Wirkung  zu  berechnen:  lieim 
sanitären  Grün  handelt  es  sich  dage.gen  um  die  wirkliche 
Erzielung  greifbarer  Werte  :  Staubfreiheit,  Windschutz, 
allem  Straßenlärm  abgewendete  Ruhe,  schattige  Kühle  im 
Sommer.  \\"as  bei  dem  einen  wertvoll  ist,  wird  bei  dem 
anderen  zur  Nebensache  und  umgekehrt,  daraus  aber  Folgt, 
daß  nur  dei^jonige  Stadtbaukünstler  im  einzelnen  Fall  das 
Richtige  treffen  wird,  der  diese  lieiden  .Arten  des  Stadt- 
grünen in  ihrem  Wesen  erfaßt  hat  und  auseinanderzu- 
halten versteht." 

Noch  weniger  ladiH  zu  längerem  Verweilen,  wie  ich 
mir  beizufügen  erlaube,  das  Reklamegrün  ein,  zu  dem 
das  dekorative  Grün  wohl  auf  Platzanlagen  aufgebauscht 
wird,  die  im  Stile  der  Plakatkunst  aus.gestaltet,  Käufer 
für  Baustellen  anlocken  und  nach  allen  Seiten  offen  ge- 
legt, auf  möglichst  weite  Entfernung  hin  die  Mietswerte 
steigern  sollen. 

Eiamit,  meine  Herren,  sind  wir  bei  der  eigentlichen 
Aufgabe,  die  uns  heute  beschäftigen  soll,  angelangt  — 
zur  Betrachtung  der  neuesten  Form  städtischer  Grün- 
anlagen, des  Gartenhofes,  des  von  der  Bebauung  um- 
gebenen Gartenplatzes  oder  Parkes,  des  gärtnerisch  be- 
handelten Inneren  des  Baublocks,  kurzweg  auch  wohl 
Innengarten  genannt. 

Zuvor  möchte  ich  jedoch  noch  ein  Wiirtchen  über 
den  von  Sitte  grundsätzlich  verworfenen  Square  einschieben. 
^^'enn  wir  eine  vom  Verkehr  umbrandete  Insel  törichter 
Weise  bepflanzen  oder  gar  auf  einem  Verlegenheitsdreiecke 
die  Sünden  des  Bebauungsplans  mit  Grünzeug  zudecken, 
so  entsteht  noch  kein  ,, Square"  im  eigentlichen  und  ur- 
sprünglichen Sinne.  Und  wenn  wir  ein  so  fehlerhaftes 
Ding  noch,  wie  nur  zu  oft  besonders  in  kleinen  Städten 
zu  beobachten,  schlecht  unterhalten,  so  hat  der  Volksmund 
recht,  über  den  Fettfleck  oder  Spucknapf,  den  Papierkorb 
oder  Staubwinkel  zu  spotten.  Der  Square  ist  von  Hause 
aus  ein  stiller  ^^'ohnplatz  mit  einem  gemeinsamen  Garten 
in  der  Mitte  und  mit  Zufahrtstraßen  zu  einer  möglichst 
geschlossenen  Umbauung  rund  herum.  Der  Garten  ist 
eingefriedigt  und  nur  den  Anwohnern  des  Platzes  zu- 
gänglich. Öffentlich  ist  er  also  nur  in  dem  Sinne,  wie 
bei  uns  der  Vorgarten  —  er  gehört  zu  den  ihn  um- 
gebenden Häusern.  Nun  kann  es  ja  nicht  ausbleiben,  daß 
der  Aufenthalt  in  einem  solchen  Garten,  zumal  wenn 
dieser  nur  klein  ist,  recht  ungemütlich  wird,  im  Falle  die 
ihn  umgebenden  Wohnstraßen,  die  aber  öffentliche  Straßen 
sind,  unversehens  lärmenden  Verkehr  erhalten,  wie  es  in 


DIE   GAUTENKUNST 


IX,  f). 


letzter  Zeit  namentlich  in  London  durch  das  Automobil, 
insbesondere  auch  durch  don  Autobus  (Abkürzung  von 
Automobilomnibus)  geschehen  ist,  also  durch  Fahrzeuge, 
die  ihrer  größeren  Geschwindigkeit  wegen  weniger  belebte 
Straßen  aufzusuchen  pllegen.  Dagegen  hat  sich  zwar  die 
Bevölkerung  dieser  Wohnviertel  wie  ein  Mann  aufgelehnt, 
ob  mit  Erfolg,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Immerhin 
liegt  in  dieser  Möglichkeit  die  Schwäche  der  Anlage,  die 
sonst,  wenn  Privatstraßen  statt  der  öttVntlichen  hinein- 
führten, nichts  weiter  als  ein  Wohnhof  sein  würde.  Der- 
artige Wohnhöfe  haben  wir  bekanntlich  in  Berlin  mehrere 
aus  den  siebenziger  und  achtziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  als  durchaus  natürliche  Lösungen  einer 
zweckmäßigen  Ausnutzung  des  Inneren  übrrgrulSer  Bau- 
bliicke  —  in  der  Genthiner  und  Potsdamer  Straße,  Hohmers 
Park  usw.  —  (vgl.  dieserhalb  meine  Abhandlung : 
„Berliner  Wohnblöcke"  in  der  Zeitschrift  ,,Eier  Städtebau", 
Jahrg.  II,  S.  143—145).  Es  sind  mitten  in  der  Groß- 
stadt abseits  vom  Verkehr  und  ihm  doch  nahegelegene 
Wohnplätze,  die  entweder  von  Einfamilienhäusern,  oder 
von  Mietshäusern,  meist  mit  Vorgarten  wie  an  der  Straße 
umbaut  sind.  Es  fehlt  ihnen  nur  —  abgesehen  von  etwas 
„dekorativem  Grün"  in  der  Mitte  —  die  größere  ge- 
meinsame Gartenanlage  des  englischen  Square.  Darin 
liegt  aber  gerade  ein  neuer  G(Mianke,  der  schließlich  /.um 
Innengarten  führt. 

Für  eine  mehr  oder  minder  große  Zahl  von  Häusern 
tritt  dieser  Gedanke  in  London  schon  an  großen  Verkehr- 
straßen derart  in  die  ^Erscheinung,  daß  zum  Schutze  der 
Anwohner  vor  Staub  und  Lärm  die  Bauflucht  etwa  17 
bis  20  m  hinter  die  Straßenflucht  zurückgesetzt  und  vor 
der  Häuserreihe  eine  besondere  5  m  Breite  Vorfahrtstraßo 
(eine  Privatstraße  doch  ohne  Torweg)  angelegt  wird,  die 
ein  7  bib  10  m  breiter  Gartenstreifen,  d.  h.  ein  gemein- 
samer Vorgarten*)  von  der  Hauptstraße  trennt.  Aus  dem- 
selben Grunde  findet  man  z.  B.  auf  öffentlichen  Plätzen, 
Bürgersteig  und  Fahrdamm  durch  gärtnerische  Anlagen 
geschieden  und  in  Landhausvierteln  die  hinter  die  Straßeii- 
flucht  zurückgesetzte  Gartenmauer,  die  dort  keine  Bau- 
polizei   verbietet,  durch  ötfentlicho  Gartenstreifen  gedeckt. 

Dann  tritt  der  gemeinsame  Garten  aber  auch  in  der 
Form  auf,  daß  sämtliche  Hintergärten  einer  Häuserreihe 
zu  einer  Fläche  zusammengezogen  sind,  nach  drei  Seiten 
hin  also  wieder  wie  ein  Square  freiliegen.  Intimer  wirkt 
endlich  die  Zusammenlegung  der  Gärten  zwischen  den 
Rückseiten  zweier  parallel  zueinander  laufenden  Häuser- 
reihen —  so  daß  nur  noch  an  den  Schmalseiten  des  Bau- 
blocks der  Einblick  möglich  ist.  —  also  bei  halbotTencr 
Bauweise.      Man     braucht    nun    bloß    noch    einen    Schritt 


*)  Daß  der  gemeinsame  Vorgarten  auch  in  ästhetischer  Be- 
ziehung zu  empfehlen  ist,  hat  Herr  Garteninspoktor  F.  Zaliii, 
Berlin-Steglitz  schon  in  seiner  Abhandlung  ,, Aufgaben  der 
Gartenkunst"  in  der  Zeitschrift  „Der  Städtebau",  Jahrg.  ii. 
S.  101,  ausgeführt.  Seitdem  ist  vielfach  darüber  gesprochen 
worden.  Nach  Mitteilung  des  Herrn  Arthur  Glogau,  Hannover, 
sollen  in  Essen  a.  Ruhr  gemeinsame  Vorgärten  bereits  ver- 
wirklicht sein. 


weiter  zu  gehen,  den  Block  hufeisenförmig  oder  gar  ganz 
zu  umbauen,  so  ist   die  Innenanlage  fertig. 

Doch  erst  die  Innenanlago  privaten  Charakters,  wie 
wir  sie  schon  im  Klostergarten  kennen  gelernt  haben, 
dessen  Ursprung  auf  das  Atrium  der  alten  Römer  zurück- 
.<;-eht.  in  den  bepflanzten  Innenhöfen  orientalischer  Großen 
wiederklingt,  und  wie  sie  heute  —  allerdings  weniger 
monumental  —  in  ilen  Schöipfungen  der  Baugenossenschaften 
zutage  treten,  die  einem  sozialen  Bedürfnisse  genügend 
neben  Schmuckhöfen  und  Laubenanlagcn  insbesondere 
Spielplätze  für  die  Kinder  zahlreicher  Familien  zu  schaflen 
pflegen.  Die  Mütter  brauchen  dann  nur  einen  Blick  zum 
Fenster  hinaus  zu  werfen,  um  sich  von  dem  Tun  unil 
Treiben  ihrer  Sprößlinge  zu  überzeugen. 

Gute  Beispiele  bieten  hierfür  der  Berliner  Spar-  und 
]->auverein,  sowie  der  Beamtenwohnungsverein  in  Berlin, 
dann  der  Wohnungsverein  in  E)anzig,  mit  gemeinsamer 
Gartenanlage  in  der  Mitte,  um  die  sich  rund  herum 
die  Höfe  der  Randliebauung  (ohne  Seitenflügel  und 
Hinterhäuser)  ziehen,  der  Spar-  und  Bauverein  in  L»ort- 
mund  mit  hufeisenförmiger  Gartenanlage,  ähnlich  wie  bei 
den  Häusern  des  Hamburger  Spar-  und  Bauvereins,  der 
allgemeine  Wohnungsverein  in  Königsberg  i.  Pr.,  der 
weite  Flächen  Hinterlands  durch  private  Zufahrtstraßen 
a.ufgeschlossen  und  die  Bebauung  um  eine  Gartenanlage 
gruppiert  hat  usw.  Besonders  das  letztgenannte  Beispiel 
gibt  zum  Nachdenken  Anlaß,  ob  nicht  auch  in  Berlin  zu 
diesem  Zwecke  die  Privatstraße  wieder  mehr  Förderung 
verdiente,  als  es  die  baupolizeilichen  Bestimmungen  über 
die  Zugänglichkeit  des  Hinterlaiules  gegenwärtig  zulassen. 

Zu  allen  diesen  Schöpfungen  gehören  aber  immer, 
schon  damit  den  Anwohnern  der  Lärm  des  Kinderspiels 
nicht  lästig  fällt,  größere  Freiflächen,  als  sie  der  Privat- 
unternehmer gemeinhin  zu  opfern  vermag,  und  selbst  diese 
Freiflächen  sind  selten  auch  ausgedehnt  genug,  um,  wie 
es  z.  B.  die  Stiftung  zur  Erbauung  billiger  Wohnungen 
in  Leipzig  getan  hat,  mehr  Bewegungsfreiheit  gewährende 
Erholungsstätten  für  Jung  und  Alt  anzulegen  oder  zu 
Pachtgärten  den  Familien  zur  Verfügung  zu  stellen.  In 
Leipzig-Kleinzschocher  beabsichtigt  dieselbe  Stiftung  eine 
Kolonie  zu  schaffen,  die  nach  Abzug  des  Straßenlandes 
rund  153000  qm  Fläche  umfaßt:  hiervon  sollen  nur  rund 
24000  qm  bebaut  werden,  während  rund  129000  qm  für 
Parkanlagen  und  Hausgärton  bestimmt  sind  (Zeitschrift 
„Der  Städtebau",  Jahrg.  III,  S.  28). 

Damit  würde  eine  vollkommene  Inuenanlage  entstehen, 
die  den  anzustrebenden  öffentlichen  als  Vorbild  zu  dienen 
vermöchte.  „Der  dichten  Verbauung  unserer  Städte,  die 
keinen  Fleck  für  Hausgärten,  keinen  Ausblick  auf  ein 
Stückchen  Himmel  freiläßt,  kann  nur  in  dieser  Weise 
Einhalt  geboten  worden"  (C.  Sitte),  Denn  anders  als  in 
England  ist  nun  einmal  unsere  Art  zu  wohnen.  Dort  eine 
weit  auseinander  gezogene  Bebauung  mit  Einfamilien- 
häusern, hier  eine  zusammengedrängte  Bebauung  mit 
h(dien  .Miethäusern.  Die  auf  dieselbe  Einwohnerzahl  ent- 
fallende Grundfläche  muß  sich  hier  also  in  dichterer 
Heihenfolgo  wiederholen,  als  es  dort  nötig  ist.  Trotzdem 
scheidet  z.  B.    der  Bebauungsplan    der  neuen  Gartenstadt 


rx.  5 


DIE  GARTENKUNST 


89 


Letchworth  noch  inmitten  vieler  Baubliiclve  große  Flächen 
aus,  die  durch  besondere  Zuwege  erreichbar,  öffentlichen 
Anlagen  vorbehalten  bleiben  (The  Garden  City  Estate 
Letchworth,  Herts,  Veröffentlichung  der  First  Garden  City 
Limited,  London,  W.  C.  High  Holborn  326aj.  Wenn  man 
nun  bedenkt,  daß  jedem  Einwohner  ein  gewisser  Anteil 
an  öffentlichen  Pliitzen  zukommt,  so  wird  bei  gerechter 
Verteilung  schon  die  Bevölkerung  eines  großen  Baublocks 
einen  Plat5;  aus  öffentlichen  Mitteln  fordern  können. 
Warum  sollte  dieser  dann  keine  Innenanlage  sein,  die 
so  viel  billiger  herzustellen  wäre  als  ein  freier,  von 
öffentlichen  Straßen  umgebener  Platz  7  Also  schon  vom 
Geldstandpunkte  aus  wäre  dies  der  Gemeinde  zu  empfehlen 
und  damit  die  (Öffentlichkeit  der  Innenanlage  zu  he- 
gr  linden. 

Wie  ist  die  Innenanlage  nun  zu  gestalten? 

L)ie  bekannteste  und  vornehmste  ist  die  des  Parc  de 
Monceaux  in  Paris,  der  von  fünfseitiger  Grundform  an 
vier  Seiten  geschlossen  umbaut  und  nur  an  einer,  der 
längsten  Seite  gegen  den  Boulevard  de  Courcelles,  mit 
einem  durchsichtigen  Gitter  geöffnet  ist.  Die  Bebauung 
trennen  10  — 13  tiefe  Hintergärten  mit  niedrigen,  wenig- 
auffallenden  Gittern  von  der  öffentlichen  Parkanlage,  mit 
der  sie  jedoch  durch  Schlupftüren  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung steht.  Die  zum  oder  durch  den  Park  führenden 
Straßen  sind  durch  Tore  zugänglich  Diese  Park- 
wohnungen sind  sehr  gesucht.  Ganz  so  wie  in  Kurorten, 
um  den  Gästen  möglichst  ruhige,  gesunde  Wohnungen  zu 
gewährleisten. 

Nach  diesem  Vorbilde  ist  auf  früherem,  von  der  Ge- 
meinde erworbenem  Festungsgelände  zu  Magdeburg  der 
Königin-Luisegarten  entstanden,  den  jedoch  eine  landhaus- 
artige Bebauung  umgibt.  Von  den  Hausgärten  führen 
auch  hier  Schlupftüren  zur  öffentlichen  Innenanlage,  wofür 
eine  geringe  Anerkennungsgebühr  zu  entrichten  ist 
(Zeitschrift  „E»er  Städtebau",  Jahrgang  1,  S.  26). 
(Schlufs  folgt.) 


Landschaftliche  Gartengestaltung. 


Der  „wilde  Garten"  iu  Eugland. 

Von  H.  Riebe,  z.  Zt.  Aulnav-Chätenay  (Seine). 

,You  See.  sweet  maid,  we  many, 

A  gentler  seien  to  the  wildest  stock. 

And  make  conceive  a  bai-k  of  baser  kind 

By  bud  of  nobler  race:  this  is  an  art 

Which  does  mend  nature,  change  it  rather  but 

,Tho  art  itself  is  natiire." 

(Shakespeare.! 

Ja,  die  Kunst  selbst  ist  Natur,  und  was  Shakespeare 
zu  seiner  Zeit  sagte,  das  gilt  heute  noch.  In  deutschen 
Architektenkreisen  ist  man  fortgesetzt  bemüht,  darauf  hin- 
zuweisen, daß  man  in  England  mit  dem  landschaftlichen 
Gartenstil  gebrochen  habe.  Das  ist  unzutreffend.  Tat- 
sache   ist,    daß  man   sich  heute  mehr  denn  je  in  England 


dem  reinen,  natürlichen  Stil  in  der  Gartengestaltung  zu- 
wendet, trotzdem  es  ihm  auch  dort  an  Gegnern  nicht  fehlt. 
Aber  letzteres  ist  nicht  zum  Schaden  der  Sache,  eine  gewisse 
Opposition  ist  bekanntlich  Lebensbedingung,  wenn  Gutes 
sich  Bahn  brechen  soll.  —  England  ist  ein  Land  der 
Gegensätze,  Im  Gesetzeswesen  und  im  Staat,  im  täglichen 
Leben  und  in  Sitten  und  Gewohnheiten,  wo  die  modernsten 
Errungenschaften  der  .Xeuzeit  primitivsten,  fast  mittel- 
alterlichen Einrichtungen  und  Gebräuchen  gegenüberstehen: 
wo  unermeßlicher  Reichtum  und  Luxus  wohl  denselben 
Stadtteil  mit  geradezu  unmenschlicher  Armut  und  er- 
schreckendem Elend  teilen,  und  wo  sogar  das  Wetter  be- 
einflußt zu  sein  scheint  —  wenn  man  sich  jene  köstlichen, 
englischen  Sommertage  mit  ihrer  Klarheit  und  Frische  ver- 
gegenwärtigt und  sie  denen  des  Winters  gegenüberstellt, 
jenen  traurigen,  schwarzen  Geist  und  Körper  erschlaffenden 
Nebeltagen,  namentlich  in  den  großen  Städten.  Gegensätze 
allerwegen  und  auch  nicht  minder  in  der  Gartenkunst. 
Vielleicht  mancher  Leser  dieser  Zeilen,  der  England  ein- 
mal besuchen  sollte,  mag  beim  ersten  flüchtigen  Einblick 
in  die  Gärten  denken:  „aber  von  dem  natürlichen  Stil  sehe 
ich  nichts,"  wie  es  vielleicht  auch  jenen  deutschen 
Architekten  ergangen  sein  mag,  die  behaupten,  daß  man 
in  England  mit  dem  natürlichen  Stile  gebrochen  habe, 
und  die  wohl  ihr  Hauptaugenmerk  den  Bauten  und  allen-' 
falls  den  diesen  am  nächsten  liegenden  Teilen  des  Gartens 
zugewendet  hatten.  Denn  wenn  ich  vorhin  betonte,  daß 
man  sich  in  England  immer  mehr  dem  landschaftlichen 
Gartenstil  zuwende,  so  wilf  ich  damit  keineswegs  gesagt 
haben,  daß  man  mit  den  in  der  Umgebung  der  Gebäude 
vorhandenen  regelmäßig  gehaltenen  Teilen  des  Gartens 
aufräume,  oder  die  uns  ja  persönlich  oder  aus  Wort  und 
Bild  bekannten  sauber  geschnittenen  Einzäunungen.  Einzel- 
pflanzen oder  sonstigen  Gebilde  abschatte  oder  frei  weiter- 
wachsen ließe.  Dem  ist  nicht  so.  Derartige  ornamentale 
Gebilde  sind  ja  auch  in  der  Umgebung  symmetrisch  ge- 
haltener, größerer  Bauten,  nicht  zu  verwerfen,  oft  sogar 
am  rechten  Platz.  Man  denke  sich  z.  B.  einmal  das  große 
Palraenhaus  zu  Kew  —  bekanntlich  das  größte  Gewächs- 
haus der  Erde  unter  einem  E>ach  —  und  seine  nächste 
Umgebung,  den  „Palm  House  Garden".  Hier  hat  jeder 
Zweig,  jede  Blume  ihren  angewiesenen  Platz  und  das 
Ganze  wirkt  eigenartig,  aber  durchaus  nicht  etwa  unschön. 
Nach  wie  vor  werden  hier  auf  der  nach  dem  See  zu  ge- 
legenen Seite  Blumenparterres  gepflegt,  die  Vasen  mit 
schönblühenden  und  rankenden  Sommerblumen  bepflanzt 
und  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  des  Hauses  werden 
alljährlich  im  August-September  die  wie  Steinmauern 
stehenden  Taxushecken  und  die  mit  den  massigen,  ge- 
rundeten Formen  des  gewaltigen  Baues  harmonierenden, 
zuckerhutartigen  Hollies  (Hex)  auf  das  sorgfältigste  ge- 
formt und  geschnitten.  Wir  brauchen  aber  von  hier  gar 
nicht  weit  zu  gehen,  um  dieselben  Ilexarten,  welche  wir 
eben  in  starren  wie  aus  Erz  gegossenen  Formen  be- 
wunderten, in  freier,  ungezwungener  Natur,  hoch,  leicht  und 
luttig  oder  kürzer  und  gedrungen,  je  nach  ihrer  Art, 
wachsen  zu  sehen.  Immergrün  und  glänzend,  sich  im 
feuchten,  englischen  Klima  recht   wohl  fühlend,  geben  sie 


90 


DIE  GARTENKUNST 


TX,  5 


im  Verein  mit  anderen  Immergrünen  dem  englischen 
Landschaftsgarten  ein  eigenes  Gepräge  und  gereichen  ihm. 
im  Herbst  mit  leuchtend  roten  Beeren  übersäet,  zur  höchsten 
Zierde.  Aber  dies  ist  nur  eine  der  vielen  Reize  des 
englischen  Naturparkes.  In  einem  solchen,  oder  besser 
und  einfacher  gesagt,  im  wilden  Garten  gibt  es  immer- 
selbst  in  den  dunkelsten  Wintermmiaten    etwas  Blühendes 


„wilden  Garten"  während  der  12  Monate  eines  Jahres, 
wobei  gleichzeitig  einige  Bemerkungen  über  die  prak- 
tische Handhabung  und  Weiterentwickelung  des  natür- 
lichen Stiles  eingeschaltet  seien.  Nebenbei  bemerkt,  die 
photographischen  Beispiele,  die  für  die  „Gartenkunst"  in 
den  wilden  Gärten  des  königlich  botanischen  Gartens  zu 
Kew  gefertigt  wurden,    geben    nur    einen   schwachen   Be- 


Aus  den  „Wilden  Gärten"  des  Kgl.  Botan.  Gartens  z.u  Kew.      1.  Christrosen  unter  Uiiumen. 


oder  Grünendes.  Und  damit  komme  ich  nun  zu  dem 
Hauptzwecke   meiner  Zeilen. 

Die  Bezeichnung  „wilder  Garten"  ist  englischen  Ur- 
sprunges. In  der  deutschen  Gartenliteratur  bedient  man 
sich  noch  häufig  der  höher  klingenden  Ausdrücke  wie 
Nalurjjark,  Landschaflsgarten,  verschönerte  Aue  oder  dgl. 
In  England  nennt  man  jeden  Naturpark  allgemein  „wild 
garden"  und  jedermann  versteht,  was  damit  gemeint  ist. 
niemand  wird  sich  etwa  einen  verwilderten  Garten  da- 
runter vorstellen,  sondern  einen  Garten,  in  welchem  alles 
und  insbesondere  Blumen  und  Blattpflanzen  in  ungezwun- 
genster Freiheit  wachsen  und  zwar  in  ihrer  natürlichen 
Umgebung,  denn  nur  in  solcher  fühlen  sie  sich  richtig 
Wühl    und    gelangen  zur  vollen    Geltungl 

Betrachten     wir     uns     nun     einmal     einen     solchen 


griff  von  der  wirklichen  Schönheit  der  natürlichen  Pflanzen- 
gruppen, wie  man  sie  dort  zu  allen  Zeiten  des  Jahres  be- 
wundern kann,  wenn  man  Sinn  für  die  Reize  der  Pflanzen- 
welt besitzt. 

Wir  beginnen  mit  den  Frühlingsblumen:  wenn  sie 
auch  nicht  gerade  die  allerschönsten  sind  (oder  sind  sie 
es  doch?),  so  sind  sie  doch  die  Blumen,  die  uns  die  will- 
kommensten und  liebsten  von  allen  sind.  Auch  ist  es 
gerade  der  Frühling,  der  uns  im  wilden  Garten  Bilder 
hervorzaubert,  die  keine  andere  Jahreszeit  imstande  ist 
nachzumalen.  —  Während  noch  im  Januar  und  Februar 
oft  Bis  und  Schnee  regieren,  kann  man  sciion  an  ge- 
schützten Stullen  oder  bei  günstiger  Gelegenheit  die  Christ- 
rosen (Helleborus  niger)  ihre  Köpfe  durchstecken  und 
ihre    Blüten    entfalten    sehen.     In    milden  Wintern    lilülion 


tx, 


DIE  GARTENKUNST 


91 


sie  sogar  in  reichem  Maüo  wälirend  der  dunklen  Monate 
und  bis  ins  Frühjahr  hinein,  im  Sommer  wirken  sie  dann 
noch  durch  ihre  schöne,  zierliche  Belaubung.  Helleb. 
purpurascens  i.st  ein  schönes  Gegenstück  zur  ersterer;  sie 
stammt  aus  Ungarn,  die  Farbe  ihrer  Blüten  ist  kupferrot- 
bleit'arbig.  Es  gibt  eine  ganze  Reihe  schöner  Helleborus. 
die  prächtigste  unter  ihnen  dürfte  Hell,  colchicus  Reg.  sein ; 


die  stolzeste  Gdldhandlilie  im  ..American  Garden"!  —  Es 
geht  der  Februar  zu  Ende.  Kaum  merklich  gewinnen  die 
Strahlen  der  Sonne  an  Kraft  —  jedoch  es  ist  das  Zeichen 
zum  grol.len  Erwachen  in  der  Natur.  Unter  mächtigen 
alten  Bäumen  beginnt  es  sich  zu  regen,  ebenso  im  Busch 
bis  zu  den  Hügeln  hinauf  und  weit  und  breit  auf  den 
grünen  Rasenflächen.     In  der  Regel  der  erste  Sonntag  im 


Aus  den  ..Wilden  Gärten"  des  Kel.  Botan.  Gartens  zu  Kew:  2.  Rasenabhana  mit  Narzissen. 


ihre  Heimat  ist  der  Kaukasus,  sie  blüht  dunkelrut  von 
Februar  bis  März.  Gar  oft  in  linden  \\'intern  leisten  den 
Christrosen  spiitblühende  Colchicum  noch  Gesellschaft. 
Eine  ganz  prächtige,  winterblühende  Ranunkel  ist  Eranthis 
hiemalis,  die  Winter-Aconit.  Diese  sowohl  wie  Helleborus 
sind  am  besten  unter  großen  Bäumen  und  Sträuchern, 
wenn  es  sein  kann  an  einem  nach  Süden  gelegenen  Ab- 
hänge eines  Hügels  zu  verwenden.  Die  Eranthis  stecken 
dann  oft  ihre  schönen  dunkelgelben  Blumen  durch  den 
Schnee.  Nie  vergesse  ich  den  Anblick  einer  großen 
Eranthiskolonie  in  Kew  Gardens.  Im  Anfang  Januar  vorigen 
Jahres  bekamen  wir,  während  noch  etwas  Schnee  lag. 
einige  Tage  warmes  Wetter.  Sofort  waren  die  Eranthis 
da  und  leuchteten  weithin  über  die  sonst  winterliche 
Landschaft.      Sie    fanden    mehr    Bewunderer    als   hernach 


März  ist  dann  in  England  der  „Crocus  Sundag".  Selbst 
die  großen,  englischen  Tageszeitungen,  die  ja  immer  dem 
Wetter  und  den  Vorgängen  draußen  in  der  Natur  eine 
Spalte  widmen,  verkünden  es.  wie  es  „draußen"  sich  regt. 
Dann  kommen  sie  herausgeströmt  aus  der  Millionenstadt, 
aus  Londons  rauch-  und  nebelgeschwängerter  Luft,  um  es 
mit  eigenen  Augen  zu  sehen,  das  große  Wunder  der  Natur! 
Es  gibt  wohl  kaum  ein  Volk,  bei  dem  Blatt  und  Blume  in 
so  hohem  Ansehen,  ja  geradezu  in  Verehrung  stehen,  wie 
bei  dem  englischen.  Um  das  beurteilen  zu  können  muß 
man  selbst  im  Lande  und  zwar  längere  Zeit  und  wo- 
möglich als  Gärtner  gewesen  sein.  An  einem  einzigen  Tage, 
an  einem  sog.  „Bank  Holidag"  im  Frühling,  wurden  an 
den  Eingängen  zum  Kew  Garden  in  der  Zeit  von  10  Uhr 
morgens    bis    7  Uhr  abends  113  000  Menschen  registriert! 


92 


DIE  GARTENKUNST 


]X,  5 


Ähnlich  ergeht  es  in  den  anderen  zahlreichen  Parks  und 
Gärten  in  und  um  London.  „Hampstead  Heath"  trug  an 
jenem  Tage  den  Sieg  mit  ca.  250000  Besuchern  davon. 
Und  doch  wie  wenig  wird  da  mutwillig  zerstört  oder  ab- 
gerissen im  Gegensatz  zu  anderen  Ländern.  Dabei  herrscht 
die  vollste  Freiheit  —  in  Herzenslust  geht  es  hinweg  über 
die  weiten,  grünen  Rasen,  bis  in  die  entferntesten  Winliel 
der  Landschaft  hinein.     Mit    rührender    Vorsicht    wird    da 


wuchern,  wo  es  ihnen  zusagt,  weiter,  vermehren  sich  von 
Jahr  zu  Jahr  und  erscheinen  so  regelmäLiig  wie  der 
Frühling  selber.  lUis  klingt  sehr  einfach,  ist  aber  im 
Grunde  genommen  nicht  so.  Zuerst  mul5  ihnen  der  Boden, 
wenigstens  einigermaßen,  genügen,  obgleich  sie  durchaus 
keine  großen  Anforderungen  stellen.  Alle  Arten  Scilla, 
Crocus  usw.  gedeihen  in  einer  Erde,  wo  Hasen  gedeiht, 
während  Narzissen,    um    wirklich    schön  und  natürlich  zu 


Aus  den  .,Wililen  Gärten"  des  Kgl.  Botan.  Gartens  zu  Kew:  3.   Anemonen. 


über  Blumen  und  sprießende  Farnwedel  hinweggeschritten, 
um  nichts  zu  zerstören.  Davon  könnte  ich  noch  vieles 
erzählen,  doch  ich  muß  zur  Sache,  zu  den  wilden  Gärten 
zurück.  l)ie  Zwiebel-  und  Knollengewächse  sind  im  Früh- 
jahr gewissermaßen  Alleinherrscher  im  wilden  Garten  und 
zwar  sind  es  allen  voran  die  Schneeglöckchen,  Crocus, 
Scilla  und  Narzissen.  Alle  diese  sind  in  Trupps  oder,  wo 
der  Raum  es  erlaubt,  in  Massen  vorhanden.  In  Kew 
Gardens  erscheinen  sie  im  Frühjahr  zu  Tausenden,  ja 
.Milliünonl  Um  sich  ein  Bild  von  jenen  Flächen  von 
Schneeglöckchen  und  Scilla  unter  knorrigen  Asten  alter 
Bäume,  oder  von  den  Narzissenwiesen  und  Crocushügeln 
machen  zu  können,  muß  man  sie  gesehen  haben!  Alle 
diese  Zwiebeln  werden,  am  besten  im  Herbst,  dem  Rasen 
übergeben    und    im    übrigen    sich    selbst  überlassen.     Sie 


werden,  etwas  mehr  Feuchtigkeit  und  womöglich  einen 
moorartigen  Boden  verlangen.  Durchaus  notwendig  ist  es 
nicht,  wer  jedoch  den  Unterschied  zwischen  Narzissen,  die 
an  derartigen  Plätzen  gewachsen  sind,  und  solchen  auf 
mehr  trockenem  Grunde  gesehcui  hat,  wird  den  Unter- 
schied bemerkt  haben.  Sodann  kiunnit  —  bei  Anlage  eines 
wilden  Gartens  —  die  Kunst  des  Zwiebellegens.  Man  mag 
über  diesen  Ausdruck  lächeln,  doch  es  ist  wirklich  nicht 
so  einfach!  Wenn  man  z.  B.  einen  Arbeiter  anstellt  und 
ihn  beauftragt,  einen  Korb  voll  Crocus  oder  Narzissen  so 
im  Rasen  zu  verteilen,  daß  sie  eine  große,  unregelmäßige, 
also  natürliche  Kolonie  bilden,  so  ist  es,  falls  der  be- 
treffende Mann  nicht  bereits  geübt  in  solcher  Arbeit  ist, 
sicher,  daß  er,  ganz  unwillkürlich,  in  mehr  oder  weniger 
goi'aden   und  paridlolon  Linien   und  gleichmäßig  verteilt  die 


IX    5 


DIE  GARTENKUNST 


93 


Fläche  bepflanzen  wird.  Ein  mir  bekannter  englischer 
Landschaftsgärtner  und  Spezialist  für  wilde  Gärten  machte 
den  drastischen  Vorschlag,  den  Leuten  bei  Anlage  solcher 
Gruppen  genügend  Bier  usw.  zu  trinken  zu  geben  —  sie 
würden  dann  schon  unregelmäßig  pflanzen !  Dergleichen 
Mittel  sind  nun  gerade  nicht  vonnöten.  Am  einfachsten 
nimmt  man  die  zu  steckenden  Zwiebeln  oder  Knollen  und 
streut  sie,  wie  Samen,    über    die  Fläche    aus    und  pflanzt 


österreichischen  Küstengebirge  der  Adria,  unternahm.  Dort 
auf  jenen  sonst  so  öden  Karstwiesen  wuchsen  und  blühten 
um  diese  Jahreszeit  Galanthus,  Viola,  Prlmiila,  Crocus, 
Narzissen  usw.  wild  in  erstaunlichen  Mengen.  Itje  Wiesen 
glichen  groLien,  bunten  Teppichen.  Wenn  man  jedoch 
aufmerksamer  beobachtete,  konnte  man  wahrnehmen,  dalj 
gewisse  Pflanzenarten,  wie  z.  B.  unsere  Crocus  sich  gleich- 
sam in  Farbenkolonien    gesondert    hatten.     Dies    ist    aber 


Aus  den  „Wilden  Gärten"  des  Kgl.  Botan.  Gartens  zu  Kew:  i.  Seidelbast  (Daphne). 


sie,  wie  sie  fallen.  Ferner  ist  auch  der  Parbenwahl  eine 
gewisse  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Auch  diese  Be- 
hauptung mag  im  ersten  Augenblick  befremdlich  erscheinen. 
Man  wird  sich  fragen  müssen,  wie  sich  die  Natur  draußen 
zu  dieser  Frage  stellt.  Zuweilen  ist  man  geneigt,  an- 
zunehmen, daß  im  wilden  Garten  ohne  Unterschied  auf 
Form  und  Farbe  durcheinander  gepflanzt  werden  könne. 
In  einigen  Fällen  ist  dies  auch  zulässig  und  von  groß- 
artiger Wirkung,  in  anderen  wiederum  sollte  man  vor- 
sichtiger sein.  Nehmen  wir  als  Beispiel  unsere  Crocus, 
bei  denen  bekanntlich  die  ausgeprägtesten  Farbenkontraste 
vorkommen  —  vom  reinsten  Weiß  bis  zum  dunkelsten 
Blau  und  leuchtenden  Gelb.  —  Ich  entsinne  mich  eines 
Streifzuges,  den  ich  vor  wenigen  Jahren  im  zeitigsten 
Frühjahr  nahe  Triest  und  x\bazzia    im  „Karst",    dem    süd- 


nicht  wörtlich  zu  nehmen,  denn  einzelne  Ausläufer  der 
anderen  Farbe  waren  in  die  benachbarte  Kolonie  einge- 
drungen, desgleichen  Schlüsselblumen,  Veilchen  usw. 
E»iesem  Umstand  hat  man  in  Kew  Gardens  mit  großem 
Verständnis  und  feinem  Geschmack  Rechnung  getragen 
und  größere  Flächen  solcher  Blumenzwiebeln  demgemäß 
behandelt;  kleinere,  farbenbunte  Trupps  sind  denn  auch, 
wo  passend,  anzutreffen.  Ein  nachahmenswertes  Beispiel 
für  den  studierenden  Landschaftsgärtner  findet  sich  nahe 
dem  Holzmuseum.  Hier  haben  wir  mehrere  kleine,  neben- 
einander liegende  Hügel,  mit  großen  Bäumen  bestanden. 
Auf  jedem  dieser  Hügel  haben  sich  Crocuskolonien  in 
Weiß,  Gelb  und  Blau  angesiedelt,  die  Ausläufer  der 
einzelnen  Gruppen  dringen  naturgemäß  in  die  benachbarte 
Familie    ein,    auf    diese  Weise    ein    harmonisches    Ganzes 


94 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  5 


bildend.  Ein  bezeichnendes  Gegenbeispiel  konnte  man  in 
dem  nicht  weit  voii  Kew  gelegenen  Terrace  Garden  zu 
Richmond  beobachten,  der  veimöge  seiner  bergigen  Lage 
am  malerischen  Themseufer  als  der  sciiönste  Landschafts- 
garten Londons  gilt.  Hier  hatte  man  Crocus  in  bunt 
zusammengewürfelten  Gruppen  im  Rasen  angesiedelt,  was 
entschieden  nicht  den  ruhigen  und  natürlichen  Eindruck 
erzielte,  den  man  in  Kew  gewann,     (ianz  hübsch  und  bunt 


Studien.  Ihr  Anblick  wirkt  in  der  Tat  bezaubernd  und 
ich  habe  sie  in  solchen  Mengen  wachsend  nie  wieder  ge- 
sehen. Icli  schätze  einen  dieser  blauschimmernden 
Teppiche  auf  über  einen  Morgen  im  Umfang.  Jenseits  des 
Weges  erscheinen  sie  dann  noch  in  kleineren  Trupps  und 
einzeln  im  Grase,  wo  sie  sich  bereits  mit  prächtigen,  gold- 
gelben Narzissen  mischen,  die  hier  besonders  üppig  und 
groüblumig   werden,    da    der  Untergrund   ein  mooriger  ist. 


Aus  den  „Wilden  Gärten"  des  Kgl.  Botan.  Gartens  zu  Kew:  5.  Staudengruppo  (Crambe  orientalis,  Spiraea  Aruncus  pp.) 


war  es  ja  auch  und  erfreute  viele  Tausende;  ähnliches 
konnte  man  auch  im  Hydepark  und  anderen  öffentlichen 
Gärten  Londos  beobachten  —  der  Geschmack  des  großen 
Publikums  ist  ja  auch  so  verschieden! 

Galanthus  und  Scilla  sollten  nur  im  Busch  oder  unter 
großen,  alten  Bäumen,  wo  Gras  nicht  gedeihen  oder  nur 
spärlich  wachsen  kann,  gepflanzt  werden.  Im  freien,  üppig 
grünenden  Rasen  würden  sie  nur  ein  kümmerliches  Dasein 
fristen  und  schon  nach  wenigen  Tagen  ganz  verschwinden. 

Die  in  England  so  beliebten  und  auch  wildwachsenden 
„Bluebells"  (Scilla  nutans)  sind  in  großen  Mengen  besonders 
wirkungsvoll.  In  den  wilden  Gärten  nahe  der  „Queens 
Cottage"  zu  Kew  befinden  sich  große  Flächen  dieser  „Hlau- 
glocken"  unter  Hellten  Huchenbeständen.  Zur  Blütezeit 
geben    sie    Künstlern    willkommene   Gelegenheit    zu    Mal- 


Yon  den  unzähligen  Arten  und  Spielarten  der  Narzissen 
sind  für  unsere  Zwecke  besonders  die  einfachen  oder 
Dafi'odils  (N,  Pseudonarcissus)  zu  empfehlen. 

Eine  große  Anzahl  weiterer  FrühlingsbliiluM'.  wie  sie  in 
ihrer  natürlichen  Umgebung  zur  Anwendung  kommen 
sollten,  könnte  ich  nennen,  aber  alle  anzuführen  würde  den 
Rahmen  meiner  heutigen  Arbeit  überschreiten.  Da  wären 
noch  wohlriechende  Liaphne  und  andere  aufzu  zählen,  die 
sich  nahe  dem  Bache  wohl  fühlen.  L(!b('rl>lümchen  und 
Schlüsselblumen,  Anemonen.  Ranunkeln,  selbst  Wiesen- 
schaumkraut und  Sumpfdolteiitlumeii  düi'fen  nicht  fehlen. 
Dem,  der  sichs  leisten  kann,  steht  noch  ein  weites  Feld 
offen,  neben  den  bei  uns  heimischen  oder  bereits  einge- 
wöhnten Pflanzen,  Neulingen  aus  fremden  Ländern  eine 
neuf  Heimstätte  zu  schaffen,     Nanienllich  aus  dem  fernen 


IX,  5 


DIE  GARTENKUNST 


95 


Osten  haben  wir  in  letzton  Jahren  eine  große  Anzahl 
Neueinfiihrungen  zu  verzeichnen,  die,  wenn  richtig  ange- 
wandt, unseren  wilden  Gärten  und  Felspartien  zur  großen 
Zierde  gereichen.  Fast  jeden  Tag  noch  liringt  uns  die 
Post  Neues  und  Wunderbares  namentlich  aus  dem  großen 
„Reich  der  Mitte".  Der  mir  persönlich  befreundete  Mr.  E. 
H.  Wilson,  der  bekannte  und  unermüdliche  Chinareisende, 
der  uns  unter   vielem  anderen  das  Meconopsis  integrifolia 


angehörte,  einen  Ausflug  zum  Botanisieren  nach  dort  z\i 
machen.  Die  prächtigen,  am  Flutiufer  und  an  bergigen 
Hängen  gelegenen  Parks  besitzen  eine  große  Anziehung 
für  Botaniker.  l)enn  vermöge  ihrer  „wilden"  Beschaffen- 
heit und  der  I>iebe  des  Besitzers  am  rein  natürlichen  Stil 
kann  man  hier  im  Umkreise  von  ca,  6  Meilen  (engl.)  an 
5—600  Spezies  der  britischen  Flora  sammeln.  Unter  be- 
währter Führerschaft  des  „Steward"  (Verwalters  dos  Ganzen) 


Aus  den  ,, Wilden  Gärten"  des  Kgl.  Botan.  Gaitens  zu  Kew:  6.  Rhamondia  pyi-enaica  zwischen  Gestein. 


brachte,  ist  eben  jetzt  auf  seiner  3.  Forschungsreise  nach 
China  begriffen.  Den  Resultaten  seinei'  diesmaligen, 
2jährigen  Tour,  die  sich  bis  nach  Tibet  hinauf  erstrecken 
soll,  kann  man  mit  größter  Spannung  entgegensehen. 

W^enn  dann  die  ersten  Frühlingsmonate  mit  ihrer  er- 
frischenden Pracht  vergangen  sind  und  Mai  und  Juni 
mit  ihrem  Blütenreichtum  an  Goldregen,  Rhododendron, 
wilden  Rosen  und  hundert  anderen  blühenden  Bäumen, 
Sträuchern  und  Stauden  uns  noch  frisch  im  Gedächtnis 
stehen,  dann  bietet  unser  wilder  Garten  in  den  Sommer- 
monaten ein  ganz  verändertes  Bild  dar.  Als  das  Ideal 
eines  wilden  Gartens  zur  Sommerszeit  möchte  ich  eine  bei 
Henley  im  Themsetal  gelegene  Besitzung  anführen. 
Während  meines  Aufenthaltes  in  Kew  hatte  ich  das  Ver- 
gnügen, mit  dem  British-Botanyclub,  dem    ich  als  Mitglied 


der  selbst  ein  „Öld  Kewite"  ist,  war  es  uns  möglich,  in 
einem  Tage  die  schönsten  und  wichtigsten  Punkte  der  aus- 
gedehnten Anlagen  zu  erreichen  und  unsere  Botanisier- 
trommeln zu  füllen.  Iias  Brdreich  ist  warm  und  kalkhaltig, 
der  Kalktelsen  tritt  zuweilen  an  den  steilabfiülenden  Flußufern 
zutage.  Hier  und  dort  klimmen  Waldreben  (Clematis)  in 
armdicken  Strängen  bis  zu  den  höchsten  Baumwipfeln 
hinauf.  Zahlreiche  andere  Schlinger  gesellen  sich  zu 
ihnen,  an  den  Zäunen  gewähren  reichblühende  Hecken- 
winden ein  liebliches  Bild.  In  den  feuchteren  Gründen 
wachsen  Orchis  in  Mengen  und  in  mehreren  Spezies.  Auf 
den  Parkwiesen  war  man  bei  der  Heuernte.  Hier  und  da 
waren  unter  Bäumen  oder  am  Gehölzrande  Plätze  abge- 
steckt, wo  der  Sense  Einhalt  geboten  war  —  denn  hier 
standen    „wilde"   Lieblinge    des    Besitzers,    die  man  ange- 


96 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  5 


siedelt  hatte.    Auf  einer  hoch  und  frei  liegenden  Bergwiese, 
von  wo  aus  der  Blick   weit  hinaus  schweifte  ins  bläuliche 
Hügelland  von  Oxtbrdshire,   machten   wir  gar  reiche  Beute 
für    unser    Herbarium.      Sogar    Enzian    und    das    zierliche 
Polygala   vulgaris  fehlten  nicht.     Dazu   hatten  sich  im  an- 
schließenden   Gehölz,    umgeben    von  Brombeergerank,    der 
wilde  Fingerhut,  Königskerze  und  Weidenröschen  heimisch 
gemacht.      An    den    Ufern    des    Teiches    und    der    Bäche 
standen    Vergitimeinnicht    und    Iris    in    großer   Zahl.     U»ie 
letzteren    sind    besonders  für  unsere  Zwecke  geeignet,    da 
es  unter  ihnen  hohe  und  niedrige,  zeitige  Frühjahrsblüher 
und  Sommerblüher  gibt.     Iris  germanica  begnügt  sich  mit 
fast  trockenem  Boden,   andere  wiederum  wollen  im  Sumpfe 
stehen.     Iris  Pseudacorus  mit  den  gelben  Blumen  befriedigt 
ein  frischer  Standort,  ebenso  I.  pumila  und  die  schönsten 
von  allen  die  japanischen  Arten,  I.  Kaempferi.  —  Wie  viele 
neue  Reize  können   einem  an  und  für  sich  schon  schönem 
Parke  zugeführt  werden,  wenn,    wie    es  jetzt  so  häufig  in 
England  geschieht,    die   Ideen,    die    unserm  wilden  Garten 
zugrunde  liegen,  auf  ihn  in  Anwendung  gebracht    werden! 
Es    naht    das    Ende    des   Sommers    und    mit    ihm  der 
Herbst,  der  gröLite  Maler  in  der  Natur.     Ist  schon  der  An- 
blick   irgend    einer    in    allen    Tönen    des    Rot    und    Gelb 
prangenden  Herbstlandschaft  von  großartiger  Wirkung,  um 
wieviel  schöner  ist  dann  noch  ein  im  Xaturstil  gehaltener 
Park,  wo  mit  Kenntnis  und  Vorbedacht  für  die  Herbstein- 
drücke   Bäume    und    Sträucher  entsprechend  gewählt  und 
angewandt  sind  und  wo  die  „wilden"  Blumen  dieser  Jahres- 
zeit dem  Ganzen  eine  passende  Umrahmung  geben.  —  Nahe 
dem  grofjen  indischen  Museum  im  Kew  Garden  befindet  sich 
ein  ansehnlicher  Hügel,  der  dem  Publikum  nicht  zugänglich 
ist,  weil  dort    eine  Storchfamilie  Nest    und  Hcim.stätte  ge- 
funden   hat.     Die  Wege    sind  jedoch  so  geführt,  dali  dem 
Beschauer  von  der  Schönheit  dieses  Fleckchens  Erde  nichts 
entgeht.     Den    Hügel    bekleidet    zum    Teil    groLier,    lichter 
Baumbestand.    Von  der  Höhe  herab  schimmert  der  Tempel 
des  Aeolus  durchs  Gezweige,  in  welchem  wilde  Tauben  in 
groDer  Anzahl  sich  eingenistet  haben.     Besonders  im  Früh- 
jahr und  selbst  im  Winter  darf  dieser  Hügel  als  ein  gutes 
Beispiel- eines  wilden  Gartens  dienen.     Mir  gefiel  er  jedoch 
am  besten  im  Herbst  I  —  Obgleich  man  in  der  Nähe  Londons 
infolge  der  vielen  Nebel,  in  der  Regel   nicht  die  prächtigen 
Herbstfärbungen  erhält,  wie  man  sie  auf  dem  freien  Lande 
beobachtet,     so    waren    dennoch    auch    hier    die    Effekte 
wunderbar  schön.     Besonders  eine  große  Gruppe  Pampas- 
gras im  Vorgrund   dunkler  Zedern   war  von  vollkommener 
Kontrastwirkung.     Etwas  höher  hinauf,  zwischen  Efeu  wild 
und    schön,    hatte    eine  Kolonie    von  Weidenröschen    sich 
ausgebreitet,     die    nun    mit    ihren    wolligen     Samenfäden 
silberweiß    schimmerten.      Und    überall    iju  Grase    und  im 
Laubwerk  unter  den  Bäumen    schimmerte    es  bläulich  von 
Tausenden  von  Herbstzeitlosen  (Colchicum),   von   denen  es 
ebenfalls    eine   ganze  Reihe  schöner  Varietäten  gibt.     Auf 
jener  Seite   des  Hügels,    wo    alte  Buchen    und  Eichen    bis 
dicht  an    den  Weg  traten,    war  für    die  Flora    des  Alpen- 
waldes   ein    ideales    Plätzchen  geschaffen.    Zyklamen    mit 
ihren    lieblichen,    duftenden    Blüten     und    den     zierenden 
Blättern    waren    von    den   verschiedenen  Alpenländern  der 


Erde  hier  angesiedelt.  Desgleichen  zahlreiche  Farne,  die 
unsere  Winter  überdauern  Auch  von  diesen  gibt  es  viele 
und  schöne  Arten  für  den  wilden  Garten,  für  seine  Fels- 
partien und  alten  Gemäuer,  mehr  als  man  in  der  Regel 
anzunehmen  gewöhnt  ist.  Nur  muß  man  in  der  Wahl 
ihrer  Standorte  mit  etwas  Vorsicht  und  Sachkenntnis  zu 
Werke  gehen.  Ks  wäre  ein  verfehltes  Unternehmen,  wollte 
man  versuchen,  eine  der  Sonne  preisgegebene  Mauer  oder 
Felsen  mit  Osmunda  Regalis,  dem  prächtigen  Königsfarn, 
zu  schmücken,  oder  das  liebliche  Engelsüß  (Polypodium 
vulg.)  auf  einem  Moore  anzusiedeln.  Eine  Grundbedingung 
ist  ferner,  Sorge  dafür  zu  tragen  und  so  zu  pflanzen,  daß 
die  Stärkeren  die  Schwächeren  nicht  ersticken. 

Wie  ich  bereits  eingangs  betonte,  bedeuten  selbst  die 
dunkelsten  Wintermonaie,  also  November  bis  .Januar  keine 
vollständige  Ruhepause  für  den  wilden  Garten.     Der  hoch- 
und  weitrankende.Jasminumnudifldrum  entfaltet  im  Dezember 
seine    leuchtend    gelben  Blüten    und  macht    uns    fast    den 
Winter  vergessen;    desgleichen   die   virginianische  Zauber- 
nuß (Hamamelis),  von  denen  es  mehrere  schöne,  im  Winter 
blühende  Arten  gibt.     Eine  Gruppe  solcher,  in  den  Vorder- 
grund  immer    grüner   Sträucher  oder  Koniferen    gepflanzt, 
ist,    schon    aus    der    Ferne   gesehen,    von    überraschender 
Wirkung.     .Mögen    auch    einige    besonders    kalte  Tage  die 
Blüten   wie    tot    erscheinen    lassen,    oder    bei  den  Immer- 
grünen, wie  Rhododendron,  Kirschlorbeer  usw.,  die  Blätter 
zusammenrollen    oder    wie    leblos   herunterhängen  machen 
—  nur  nicht  den  Mut  verlieren.     Sowie  die  Witterung  um- 
schlägt, oder    der    allzu    strenge  Frost    —  der  bekanntlich 
nicht  lange  regiert  —  nachläßt,    richtet    sich    alles  wieder 
auf:   es  sei   denn,    daß  unglücklicherweise  ein  recht  klarer 
Tag    folgt    und    die    Sonne  versuchen    könnte,    wirklichen 
Schaden  zu  tun.     In  solchem  Falle  darf  man  sich  allerdings 
nicht  die  Mühe    verdrießen  lassen,  ein    paar     alte    Matten 
oder  dergleichen  überzuwerfen,  oder  wo  dies  nicht  durch- 
führbar wie    in    größeren  Gärten,  derartige    Sachen    so  zu 
pflanzen,    daß    die  Wintersonne  ihnen  keinen  Schaden  tun 
kann.     In  dieser  Hinsicht  sind  ja  unsere  englischen  Vettern 
iiesonders    von    der    Natur    begünstigt,    da    in    der    Regel 
„drüben"    strengem    Frost    Nebel-   oder   Regentage    folgen. 
Unter  den  Loniceren  sind  ebenfalls  mehrere  bemerkenswerte, 
winterblühende  Arten  zu  verzeichnen,   von   denen  L.  Stan- 
dishii  besonders  schön  und  wohlriechend  ist.     Chimonthus 
fragrans  (-Japan)    mit    eigenartig    gelblichen  Blüten  gehört 
schon    zu    den  selteneren    Sträuchern   dieser  Art,    die    für 
den  Winterflor  des  wilden  Gartens,  an  geschützten  Stellen, 
sich  eignen.     Wer  über  solch'  günstige  Plätze  verfügt  und 
dort  Ribes  specisum     und  CoUetia  cruciata  pflanzen  kann, 
wird  wahrnehmen,  daß  diese    im  Dezember  zu  treiben  be- 
ginnen.   Nachzügler   der   Herbstzeitlosen    blühen  oft  noch 
um  diese  Zeit    an  manchen  Orten,   während  schon  die  be- 
liebte   Christrose    unserer    wilden   Gärten    ihre    Pracht    zu 
entfalten     beginnt,    auch    wohl    unterm    Schnee    begraben 
wird,  um    dort    im   Verborgenen  weiterzublühen,    bis  dann 
im     .Januar      die     Winteraconits      uns     bereits     an     den 
kommenden   Frühling    gemahnen.  —   Hiermit    schließe    ich 
nun    unsern    .lahresrundgang    durch    den    wilden    Garten. 
Einige    kurze    Bemerkungen    mögen  mir  zum  Schluß  noch 


IX,  5 


DIE  GARTENKUNST 


97 


gestattet  sein.  —  Rasenwego  sind  in  England  im  wilden 
Garten  sehr  beliebt.  Sie  sind  niclit  Wege  im  eigentlichen 
Sinne  des  Wortes,  sondern  wegartige,  mit  der  Sense  oder 
Maschine  kurzgehaltene  Pfade  durch  Gras  und  Blumen- 
gründe. Liiese  „Pfade"  sind  oft,  namentlich  in  grolJen, 
öffentlichen  Gärten  von  ansehnlicher  Breite  (bis  zu  6  m) 
und  werden  vom  Publikum  viel  lieber  als  die  Kieswege 
benutzt.  Besonders  entlang  der  farbenprächtigen,  in  Eng- 
land so  beliebten  „Herbaceous  Borders"  sind  sie  sehr  an- 
gebracht und  tragen  dazu  bei.  den  Effekt  solcher  „Stauden- 
einfassungen" zu  erhöhen  und  den  GenulJ  derselben  vom 
weichen  Rasenteppich  aus  zu  vergrößern.  Es  gibt  in  Eng- 
land wohl  kaum  einen  Garten,  und  sei  er  noch  so  klein 
oder  grotl,  in  welchem  nicht  solch  ein  „Herbaceous  Border" 
anzutreffen  wäre.  Wer  jemals  die  wohl  einen  halben 
Kilometer  lange  Staudeneinfassung  zu  beiden  Seiten  der 
Parkfront  des  Schlosses  zu  Hampton  Court  in  voller  Blüte 
gesehen  hat.  wird  diesen  Anblick  nie  vergessen!  Diese 
„Borders"  kann  man  äußerst  vielseitig  und  fast  überall 
anwenden.  Sie  sind  gleichsam  ein  Bindeglied  zwischen 
dem  ornamentalen  und  dem  wilden  Garten.  —  Um  noch- 
mals auf  die  Wege  zurückzukommen,  möchte  ich  noch  be- 
tonen, daß  sie  natürlich  im  wilden  Garten  durchaus  zu- 
lässig sind.  Daß  man  jedoch  auch  in  seinem  Eifer  Natur- 
gärten zu  schaffen,  zu  weit  gehen  kann,  bewies  ein  enthu- 
siastischer Verehrer  des  natürlichen  Stils,  der  es  nicht 
duldete,  daß  im  Herbst  das  Laub  von  den  Wegen  gebracht 
wuide,  damit  dieselben  natürlicher  erscheinen  sollten  1  — 
Größere  Rasenflächen,  wenn  sie  auch  mitten  im  wilden 
Gai'ten,  doch  unmittelbar  vor  Gebäuden  liegen,  kann  man 
ruhig  kurz  halten,  ohne  damit  die  Harmonie  des  Ganzen 
zu  stören.  E>erartige  Beispiele  kann  man  in  England  zur 
Genüge  beoachten.  Geht  doch  während  des  Sommers 
regelmäßig  der  Motorgrasmäher  über  die  enorme  Fläche 
des  „King of  Hannover  Lawn"  vordem  „KewPalace".  während 
in  nächster  Nähe  die  ..wilden"  Teile  des  Gartens  beginnen. 
Ich  betone  nun  nochmals,  daß  man  in  England  keines- 
wegs mit  dem  natürlichen  Stil  gebrochen  hat,  sondern  sich 
immer  mehr  demselben  zuwendet,  jenem  Stile,  der  ohne 
große  Nachhilfe  und  ohne  Romantik  oder  Atike.  die  reine, 
einfache  Landschaft,  den  ..wilden  Garten"  zum  Vorbilde 
hat  und  dem  Fürst  Pückler  mit  seiner  Schöpfung  Muskau 
bei  uns  die  Bahn  brach.  Männer  wie  Walther  Robinson 
in  England  sind  für  jenes  Land,  was  Pückler  für  die 
deutsche  Gartengestaltung  war.  Wem  es  vergönnt  ist, 
englisch  zu  lesen  und  zu  verstehen,  und  wer  Interesse 
am  reinen,  natürlichen  Stil  hat,  der  lese  W.  Robinsons. 
„The  wild  Garden",  es  wird  ihm  viel  Freude  bereiten. 


Zeit-  und  Streitfragen. 


Unsere  Stelliiug-  zur  heiitijieii  (larteukiuistbeweguiig. 

Vortrag,     gehalten     in     der    Sitzung     der     Gruppe     „Sachsen- 
Thüringen"    der    Deiitschen    Gesellschaft     für    Gartenkunst  in 
Leipzig  am  3.  Jlärz  1907,  von   Linne-Erfurt. 

Meine  Herren!    Sie   alle  wissen,    daß  seit  Jahren  ein 
heftiger    Kampf    entbrannt    ist    über    ,, Gartenkunst",    ein 


Kampf,  der  nach  der  Art,  wie  er  im  wesentlichen  geführt 
wurde,  sich  konnzeichnet  als  Kampf  zwischen  Qarton- 
künstlern  und  anderen  Künstlern  —  Malern,  Architekten, 
Bildhauern. 

Die  Namen  Lichtwark,  Muthesius,  Schultze-Naumburg 
sind  Ihnen  allen  bekannt.  Und  ich  hoffe,  dali  auch  die 
Schritten  dieser  Herren  Ihnen  bekannt  .sind,  und  ich  kann 
denen  von  Ihnen,  die  sie  nicht  kennen,  nur  drin,gond 
raten,  sie  recht  eingehend  und  rocht  oft  zu  studieren. 
Diese  Künstler  sind  zuerst  aufgetreten  gegen  die  Garten- 
kunst, wie  sie  nach  ihrer  Anschauung,  nach  den  Werken, 
die  sie  sahen,  war. 

Sie  wissen  auch,  meine  Herren,  zu  welch  lebhaften 
Kontroversen  unter  den  Gartenkünstlcrn  die  Schriften  dieser 
Herren   führten! 

I)a,nn  kam  die  Düsseldorfer  Gartenbauausstellung,  die 
in  dem  Garten  des  Profes.sor  Behrens  die  erste  öffentliche 
praktische  Ausführung  eines  Gartens  durch  einen  Nicht- 
fachmann  brachte  und  der  i^ehrensche  Garten  erregte 
wiederum  einen  lebhaften  Streit  der  Ansichten  unter  den 
Fachkollegen. 

In  viel  stärkerem  Maße  aber  entstand  solch  ein  Wider- 
streit der  Meinungen  über  die  Künstlergärten  in  E)armstadt 
19(J.ä,  über  die  Parbengärten  des  Professor  Olbrich,  den 
Sondergarten  des  Maler  Leipheimer  und  die  Sondergärten 
der  Architekten  Fuchs  und  Koch.  Ihre  Gärten  und 
mehr  noch  die  Ideen,  die  sie  in  ihren  Vorträgen  ge- 
legentlich der  Hauptversammlung  unserer  Gesellschaft  in 
Darmstadt  erläuterten,  wurden  in  unseren  Fachkreisen 
lebhaft    besprochen,    viel    bekämpft  und  wenig  verteidigt. 

Liie  weitere  Folge  der  einzelnen  Kampfesphasen 
In-auhe  ich  Ihnen  nicht  weiter  aufzuführen.  Sie  kennen 
die  Streitschrift  von  t^amillo  Karl  Schneider;  Sie  haben 
gehört  und  gelosen  von  den  Sondergärten  in  Köln,  den 
Gärten  der  Nürnberger  imd  Dresdener  Ausstellung  im 
letzten  Jahre  und  heute  erst  ist  Ihnen  berichtet  worden 
über  die  neuesten  literarischen  Erscheinungen,  nachdem  in 
der  vorigen  Sitzung  über  das  Buch  von  Willy  Lange  und 
Stahn  berichtet  war. 

Der  Kampf  ist  da!  —  er  ist  auf  der  ganzen  Linie, 
in  allen  Lagern  entbrannt  und  es  handelt  sich  für  uns 
nur  darum,  welche  Stellung  in  diesem  Kampf  wir  ein- 
nehmen. 

Meine  Herren!  Ihnen  die  Stellung  zu  kennzeichnen, 
die  wir  nach  meiner  Auffassung  und  nach  den  Er- 
fahrungen, die  ich  in  diesem  Kampf  bisher  gemacht  habe, 
einnehmen  müssen  und  meines  Erachtens  nur  einnehmen 
können,  isc  der  Zweck  meiner  Ausführungen. 

Ich  will  mich  kurz  fassen! 

Ich  halte  die  Vorwürfe,  die  die  Architekten  und  Maler 
gegen  die  Gartenkunst,  wie  sie  seit  Jahrzehnten  fast  über- 
all geübt  wird,  erheben,  im  wesentlichen  für  durchaus 
begründet  —  für  durchaus  berechtigt! 

Sehen  Sie  sich  doch  einmal  um  in  unserem  deutschen 
Vaterlande!  Reisen  Sie  einmal,  wie  ich  es  in  den  letzten 
Jahren  in  jedem  Sommer  ein  paar  Wochen  lang  gemacht 
habe,  von  Stadt  zu  Stadt  und  sehen  sich  die  ,, städtischen", 
die    ,, königlichen",    die    „herzoglichen"  Gärten    an.      Be- 


98 


DIE    GARTENKUNST 


IX,  5 


achten  Sie  dabei  auch  das  mit  Recht  so  verurteilte 
„Vorgartenelend",  die   Gärten  an  und  neben  den  Häusern 

—  und  wenn  Sie  solch  eine  Reise  beendet  haben,  dann 
ziehen  Sie  einmal  ohne  Voreingenommenheit  das  Fazit! 

AVas  haben  Sie  anderes  gesehen,  als  überall  dieselbe 
„Schablonen"-Arbeit  in  den  städtischen  und  anderen 
öffentlichen  Anlagen:  was  haben  Sie  anderes  gesehen,  als 
überall  dieselbe  Stümperei  und  Pfuscherei  in  den  Vorgärten : 
was  anderes,  als  Miniaturbilder  von  Landschaften,  Gebirgen, 
Seeen  in  den  Hausgärten?! 

Ich  habe  mich  in  den  letzten  Jahren  viel,  sehr  viel 
umgesehen  in  deutschen  Städten  —  aber  ich  halie  wenig 

—  sehr  wenig  gesehen  von  Anlagen,  die  von  einem  eigenen 
künstlerischen  Empfinden,  von  einer  Individualität  oder  auch 
nur  von  ein  wenig  liebevollem  Vertiefen  des  ausführenden 
Gärtners  in  seine  Arbeit  etwas  verrieten. 

Wahrlich!  die  Künstler  haben  recht,  wenn  sie  von 
der  fertigen  Schablone  reden,  die  der  Landschaftsgärtner 
heute  für  jeden  Garten,  für  alle  Verhältnisse  bereit  hält, 
und  die  er  jeder  Anlage  aufdrückt,  die  ihm  unter  die 
Finger  kommt. 

Aber  —  .geht  es  mit  der  Gartenkunst  allein  so? 

Ich  habe  auf  meinen  Studienreisen  nicht  nur  die  An- 
lagen und  Gärten  besucht,  sondern  ich  habe  auch  die 
Bauart,  die  Architektur  der  Städte,  der  priva,ten  wie  der 
öffentlichen  Gebäude,  die  Legung  der  Straßenzüge,  die 
Platzgrenzen  und  vieles  andere  mehr  zu  studieren  mich 
bemüht,  und  —  wenn  das  Sprichwort  richtig  ist:  „solaraen 
miseris,  socios  habuisse  malorum"  —  den  Trost  kann  ich 
Ihnen,  meine  Herren  geben:  ,,Mit  der  Stadtbaukunst  und 
mit  der  Architektur  ist  es  genau  so  schleclit  oder  gut 
bestellt,  wie  mit  der  Gartenkunst."  Unendlich  viel  Schema, 
unendlich  viel  Schablone  und  sehr,  sehr  wenig  künst- 
lerisches Empfinden,   künstlerische  Eigenart! 

Mit  demselben  Recht,  mit  dem  die  Künstler  unsere 
Gartenkunst  schelten,  weil  bei  weitem  die  große  Mehrzahl 
der  öffentlichen  und  privaten  Gärten  Schablone  und  Nach- 
ahmung, Spielerei  und  Stümperei  ist,  mit  demselben  Recht 
können  wir  auch  die  Kunst  der  Architekten  schelten  und 
behaupten,  sie  sei  rückständig. 

Als  ich  zum  ersten  Male  den  Band  II  von  Schnitze- 
Naumburgs  Kulturariieiten:  ,, Gärten"  durchstudiert  ha.tte, 
da  sagte  ich  mir,  und  dieser  Meinung  gab  ich  auch 
auf  einer  Sitzung  unserer  Gruppe  in  Hallo  Ausdruck: 
,,\Vas  will  der  Mann  denn  eigentlich?"  Er  stellt  uns  in 
Beispiel  und  Gegenbeispiel  eine  Menge  schlechter,  neuer 
Mauern,  Zäune,  Gartenhäuser,  Anlagen,  Brücken  usw. 
ebenso  vielen  alten  guten  Mauern  usw.  gegenüber  und 
behauptet,  die  ersteren  neuen  sind  schlecht  und  die  letzteren 
alten  sind  gut.  Da  hat  er  Recht.  Das  wird  ihm  kein 
Mensch  bestreiten,  aber  das  ist  doch  kein  Beweis,  daii 
die  Gartenkunst    von  Grund    aus   reformiert  werden   muH 

Genau  in  derselben  Art  und  in  dersellien  Fülle  sind 
Beispiele  und  Gegenbeispiele  aus  der  Ar(;hitektur,  aus 
Malerei,  aus  allen  Kunstgebieten  mit  Leichtigkeit  aufzu- 
stellen.    Hie  neu  und  häßlich  —  hie  alt  und  gut! 

Zur    Beweisführung     gehört    die     Gegenüberstellung 


gleichwertiger  Beispiele.  Gutes  Neues  gegen  gutes  Altes, 
schlechtes  Neues  gegen  schlechtes  Altes. 

Ein  wiederholtes  Studium  desselben  Buches  und  die 
Einsichtnahme  in  den  Band  ,, Städtebau"  der  Schultzeschen 
Kulturarbeiten  haben  mich  belehrt,  daß  Professor  Schultze-N. 
nicht  die  Gartenkunst  als  solche  angreifen  will,  sondern 
daß  er  ganz  allgemein,  in  der  Gartenkunst  wie  im  Städte- 
bau, den  Sinn  wecken  will  für  das  Schöne,  das  Zweck- 
mäßige, das  für  die  einzelnen  Verhältnisse  Passende  und 
daß  er  in  der  richtigem  Erkenntnis,  daß  der  Hauptfeind  di's 
Schiinen  die  Sucht  nach  etwas  Neuem,  Modernen  ist,  mit 
l)esonderer  Vorliebe  das  Moderne  aber  Scheußliche  dem 
schönen  Alten  gegenüberstellt. 

Und  so,  wie  sich  mir  hiernach  die  Bestrebungen 
Schultze-Naumburgs  darstellen,  so  müssen  und  sollen  wir 
auch,  so  meine  ich,  die  Bestrelningen,  die  Kritiken  und 
selbst  die  Anfeindungen  anderer  Künstler  auffassen. 

Nicht  eine  Xegierung  alles  dessen,  was  seit  langem 
geschaffen  ist,  all  des  Schi'inen,  das  tüchtige  Gartenkünstler 
auch  in  den  letzten  Jahrzehnten  und  Jahren  geschaffen 
haben,  sollen  wir  in  den  Stimmen  der  Künstler  erblicken, 
sondern  einen  Mahnruf  an  das  Gros  der  Landschafts- 
gärtner und  an  das  Publikum. 

IJen  Malinruf  an  die  Gärtner,  daß  ihre  Kunst  nicht 
anders  sei,  wie  jede  andere,  daß  auch  sie  nicht  stille 
stehen  und  nicht  auf  Lehrbücher  eingeschworen  werden 
kann,  daß  nur  stete  persönliche  Fortarbeit  und  Fort- 
entwickelung den  Künstler  und  die  Gartenkunst  fördern 
kann,  und  daß  die  Gartenkunst,  wie  jede  andere  Kunst, 
sich  nicht  abschließen  und  einkapseln  darf,  sondern  daß 
sie  die  ganz  ,, freie  Luft  von  außerhalb",  ein  freies  gegen- 
seitiges Zusammenarbeiten    mit  anderen   Künsten  braucht. 

Und  ein  Mahni'uf  auch  an  das  Publikum,  in  dem 
Garten  etwas  anderes  zu  sehen,  als  ein  notwendiges  t'bel, 
von  Bauordnungen  diktiert,  oder  einen  Spielplatz  für  die 
Kinder  mit  ein  paar  Bäumen  als  Schattengeber  und  etwas 
Obst  und  Gemüse  für  die  Küche,  oder  gar  —  wie  es 
leider  so  oft  aufgefaßt  wird  —  als  billigstes  Mittel,  sich 
das  Nachbarhaus  mit  seinen  neugierigen  Bewohnern 
möglichst  fern  und  unsichtbar  zu  erhalten.  Ein  Mahiu'uf, 
den  Garten  ausgestalten  zu  lassen  mit  derselben  Liebe, 
mit  Rücksicht  auch  auf  dieselben  persönlichen  Wünsche, 
die  bei  der  Ausstattung  des  Hauses  und  der  Zimmer 
maßgebend  sind  —  nicht  rein  handwerksmäßig  nach 
Stil  ,,f"  und  Schablone  ,,k",  sondern  als  für  sich  voll- 
berechtigtes aber  auch  vollempfuudenes  Kunstwerk. 

Iv'innon  wir  diese  Mahnrufe,  die  nai^h  meint^'  Auf- 
fassung in  den  Stimmen  der  Künstler  liegen,   bekämpfen? 

Sie  werden  mir  einwenden,  daß  die  Vorträge  des 
ProL  nn)rich,  des  Maler  Leipheimer,  die  Streitschriften  von 
Lichtwark  und  Muthi^sius,  die  Ausführungen  von  Schultzo- 
Naumburg  doch  eine  ganze  Menge  AngriH'e  gegen  die 
heutige  Gartenkunst  und  Anfeindungen  von  Anschauungen 
über  Gartenkunst  enthalten,  die  wir  für  recht  und  richtig 
halten. 

Ja,  meine  Herren,  haben  Sit!  schon  einmal  zwei 
.selbständige  Gartenkünslier  kennen  goli>nit,  deren  .\n- 
schauungen   über  Garteukunst   sich  vollständig  di>cken? 


IX,  5 


DJE  GARTENKUNST 


99 


(Unter  selbständigen  Gartenkünstlorn  verstehe  ich 
hier  natürlich  nicht  geschäftlich  selbständige,  sondern 
Gartenkünstler,  die  ihre  Gartenkunst  selbständig  sich 
schaffen  und  empfinden  im  Gegensatz  zu  solchen,  die  ge- 
meinsam vom  gleichen  Meister  die  Gartenkunst  nach 
gleichem  allein  unfehlbaren  Rezept  gelernt  haben  und  aus 
Ehrfurcht  —  oder  aus  Mangel  an  Können  an  diesem 
Kezept  nichts  ändern  mochten  oder  wollten)  —  haben 
Sie  schon  einmal  zwei  selbständige  Gartenkünstler  mit 
völlig  gleichen  Kunstanschauungen  und  Kunstauffassungen 
gesehen  ? 

Ich  glaube  nicht!  Es  könnten  sonst  nicht  Künstler 
sein,  denn  die  Gartenkunst  fordert,  wie  alle  anderen  Künste, 
ein  persönliches  individuelles  Moment  in  der  Betätigung 
ihrer  Jünger! 

Nun!  wenn  nicht  zwei  Gartenkünstler  in  ihren  An- 
schauungen über  Gartenkunst  homogen  sind,  wie  können 
wir  von  einem  Maler,  einem  Architekten  verlangen,  daß 
er  von  vornherein  unsere  Kunstanschauungen  zu  den 
seinen  macht.  Wie  kiinnen  wir  dem  Maler  Olbrich  ver- 
denken, dal)  ihm  die  Farbe  alles,  dii'  Form  der  Pflanze, 
ihres  Blattes,  ihrer  Blüte  nichts  ist?  \\'ie  können  wir  dem 
Architekten,  der  wohl  sieht,  daß  die  Miniaturschlängel- 
wego  im  Vorgarten  scheußlich  sind,  verdenken,  daß  er 
seine  schönen  geraden  Linien  und  rechten  Winkel  als 
bestes  Reformmittel  für  unsere  Gartenkunst  empfiehlt? 

Nicht  darauf  kommt  es  an!  Nicht  die  Frage,  ob  ge- 
rade oder  krumme  Wege  der  Garten  haben  soll,  ob  die 
Anordnung  der  Blumen  nach  Farbe  oder  P'orm  zu  wählen 
ist.  und  ob  geschnittene  oder  wild  wachsende  Hecken 
richtiger  sind,  scheint  mir  die  Veranlassung  zur  heutigen 
Gartenkunstbewegung  zu  sein.  E)ie  schablonenhafte  Ein- 
tönigkeit, die  sich  in  leider  so  vielen  deutschen  Anlagen 
immer  wieder  findet,  der  Mangel  jedes  künstlerischen, 
jedes  individuellen  Empfindens,  der  aus  diesen  Anlagen 
spricht,  und  nicht  zum  wenigsten  auch  die  Abgeschlossenheit. 
die  der  ehemalige  Verein  deutscher  Gartenkünstler  kulti- 
vierte, mit  der  Motivierung,  daß  er  alle  Anregung  nur  aus 
dem  Kreise  seiner  Mitglieder  und  Pachgenossen  erwarte, 
sind  die  Gründe,   die  diese  Bewegung  hervorriefen. 

Die  Reformbewegung,  die  die  Maler  und  Architekten 
von  außen  ins  Leben  riefen,  die  wurde  schon  oft  früher 
im  alten  Verein  versucht  und  führte  schließlich,  unter- 
stützt durch  das  Drängen  von  außen  zur  L^mgestaltung 
des  Vereins. 

Sind  denn  die  Unterschiede  zwischen  den  Kunst- 
anschauungen eines  Willy  Lange  und  eines  Encke  ge- 
ringer als  zwischen  denen  von  Encko  und  Schultze- 
Naumburg? 

Sicher  nicht!  —  und  das  ist  kein  Schaden.  Wenn  nur 
Kunstanschauungen  überhaupt  da  sind!  Nicht  das  macht 
den  Wert  eines  Kunstwerkes  aus,  welcher  Richtung  es 
angehört,    sondern    daß    es    überhaupt  ein  Kunstwerk  ist. 

Wir  sollten  uns  freuen,  wenn  dem  breiten  Publikum 
mehr  Liebe  und  Interesse  für  den  Garten  von  anderen 
Künstlern  gepredigt  und  damit  seine  Fähigkeit  zur  Be- 
urteilung der  Schönheit  und  des  Wertes  eines  Gartens 
vergrößert  wird,    und  ebenso  sollten  wir  uns  freuen,    daß 


einmal  energisch  Front  gemacht  wird  gegen  die  Regle- 
mentiisrung  unserer  Kunst  und  die  dadurch  zum  Teil 
wenigstens  veranlaßto  schablonenhafte  Ausübung  derselben 
durch  so  viele  Leute,  die  sich  Gartenkünstler,  Garten- 
ingenieure und  sonst  wie  nennen,  aber  alles  andere 
eher  sind. 

Geben  Sie  aber  zu,  daß  die  Künstler,  die  über  unsere 
Gartenkunst  schreiben,  eifern,  spotten  und  schmähen,  den 
Glauben  und  den  Wunsch  haben,  etwas,  was  nach  ihrer 
Ansicht  reformbedürftig  ist,  zu  reformieren,  —  geben  Sie 
ferner  zu,  daß  die  heute  in  E>eutschland  vorhandenen 
Anlagen.  Haus-  und  Vorgärten  in  ihrer  überwiegenden 
Mehrheit  vollbegründeton  Anlaß  zu  solchen  Reformideen 
geben  — ,  dann  wird  Ihnen  die  Stellung,  die  wir  im 
Kampf  der  heutigen  Gartenkunstbewegung  einnehmen 
müssen   und  nur  einnehmen  können,    sehr  bald  klar  sein. 

Wir  müssen  anerkennen,  daß  die  Künstler  die  Hand 
auf  eine  Wunde  legen,  an  der  unsere  Kunst  schwer 
krankt,  die  Wunde,  die  uns  Pfuscher  nicht  nur  —  sondern 
auch  eine  große  Reihe  sogenannter  Gartenkünstler  tagaus 
tagoin  schlagen.  Diese  Leute  sind  es  • —  ich  werde  nach 
meinen  .\usführungen  Gelegenheit  nehmen,  Ihnen  ein 
recht  deutliches  krasses  Beispiel  eines  solchen  Garten- 
künstlers an  Hand  seiner  l'^ntwürfe.  sein(>r  Erläuterungen 
dazu  und  seiner  in  einer  Tageszeitung  erschienenen  Ver- 
öffentlichungen vorzuführen  —  die  unsere  schöne  Kunst 
in  Mißkredit  brachten  und  immer  wieder  und  um  so  mehr 
bringen,  in  je  anerkannteren  Stellungen  sie  sich  befinden 
—  und  diesen  Leuten  muß  unser  Kampf  gelten.  Nicht 
gegen  die  Künstler  dürfen  wir  Stellung  nehmen!  Unsere 
Parole  im  Kampf  der  Gartenkunstbewegung  muß  lauten: 
Mit  jedem,  der  ehrlich  die  freie  schöne  Gartenkunst 
fördern  will,  gegen  die  Pfuscher,  die  Gleichmacher,  die 
Rezepten-  und  Schablonenarbeiter  in  unserer  Kunst. 


Heimatschutz. 
^^  ie  wir  unsere  Heimat  selieii! 

Von  R.  Hoemann,  Düsseldorf. 

Da  draußen  vor  unserer  Düsselstadt,  in  einer  kleinen 
Landhauskolonie,  am  Fuße  des  Grafenbergs,  wohnt  mü* 
ein  lieber  Freund.  Zu  diesem  Freunde  möge  mich  der 
Leser  für  ein  kurzes  Weilchen  begleiten.  Treten  wir 
also  ein  in  die  geräumige,  helle  Wohnstube  des  alten 
Herrn.  Er  ist  noch  nicht  da.  wir  aber  gehen  unwill- 
kürlich nach  dem  großen  Erkerausbau  und  schauen  ost- 
wärts nach  dem  nahen  Wald  und  der  sich  davor  aus- 
breitenden W'iese.  Es  ist  eine  schlechte,  ungepflegte 
Wiese  mit  sauren  Gräsern  und  Binsen  bestanden,  kaum 
jemand  findet  etwas  Sehenswertes  an  derselben. 

Jetzt  tritt  der  Hausherr  zu  uns  ans  Fenster,  und 
nach  kurzer  Begrüßung  sind  wir  bald  in  einem  Gespräche 
über  das  sich  bietende  Landschaftsbild.  Nun  läßt  der 
alte  Herr  den  Gast  vielleicht  einen  Schritt  zurücktreten, 
vielleicht  einen  halben  seitwärts,  so,  nun  hat  er  den 
rechten  Standpunkt.  Nun  aber  zeigt  er  seinem  Gaste  im 
Rahmen    des    Fensters     da    unten    auf    der    Wiese    ein 


100 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  5 


Stückchen  Heideformation,  welche  sich  auf  einer  trockenen 
Stelle  angesiedelt  hat. 

Wir  sehen  hin,  und  unser  Auge  wird  gelenkt  von 
dem  Alten,  wir  sehen  auf  einmal,  wie  ungemein  malerisch 
sich  diese  braune  Heide  in  das  stumpfe  Gelb-Grün  der 
Winterwiese  einschiebt.  In  der  Nähe  des  Bildrahmens 
sehen     wir     zwei     größere     Heidekrautkolonieii,     welche 


/=s\jr    PEM  WE<ci 
Z.vr>r\  ^ 


('''■',  1 1 1 1  -  •■  ..  ■  •  i'  ,1,  II'  1''* ;•' 


Aus  ,,Wie  wir  unsere  Heimat  sehet 


Im  oagli.schen    Garten  zu   i\liinchen 


trachten,  sich  zu  einigen,  jede  für  sich  aber  sendet  in  die 
Wiese  kleinere  Kolonien  aus,  zunächst,  noch  mit  der 
Mutterkolonie  verbunden,  dann  weiter  vorgeschoben  schon 
einige  losgelöste,  selbständige  Siedolungen  der  braunen 
Pflanze  und  schließlich,  vom  Grase  fast  überwuchert,  einige 
schwache  Ausläufer.  Einige  Zwergbirken  geben  seitwärts 
noch  etwas  Staffage.  Fürwahr  ein  typisch  schönes, 
.scharf  charakterisiertes  Landschaftsbild  iiiid  dnch  juir 
einige  Quadratruten  grol). 

Wie    klar    und  scharf    erkannte    der    alte   llrri'    hier 


das  Schöne,  welches  wir  achtlos  überschauten,  wie  weiß 
er  uns  zu  leiten,  auf  daß  wir  gleich  ihm  nun  das  Schöne 
erkennen,  wie  macht  er  uns  auf  diese  feinen  Züge  im 
Antlitz  der  heimatlichen  Erde  aufmerksam,  wie  sieht  er 
nicht  nur  die  äußere  schöne  Form,  sondern  wie  sieht  er 
auch  das  wirkliche  Leben,  hier  den  Kampf  der  beiden 
Pllanzengruppen,  Heide  und  Gras,  wie  kennt  er  so  genau 
den  Zusammenhang  der  Dinge  unter- 
einander. Fürwahr,  es  ist  ein  Genuß, 
dem  prächtigen  Graubart  zuzuhören, 
wenn  er  in  seiner  einfachen  schlich- 
ten Weise  uns  lehrt,  die  Heimat  zu 
sehen  mit  Auge,  Gemüt  und  Verstand 
zugleich.  Und  diese  Lehre,  wenngleich 
sie  sich  nie  in  die  Form  einer 
Belehrung  kleidet,  wirkt  befruch- 
ten. Wer  sie  genießen  konnte,  lernt 
bald  selbst  sehen  und  entdeckt  zur 
eigenen  Freude  nun  allerorts  Schön- 
heiten, die  er  sonst  völlig  übersah. 
Selbst  das  unreife  Kind  lernt  unter 
solcher  Anweisung  bald  mit  feinem 
Takt  das  Schöne  zu  erkennen.  Wenn 
mein  7  jähriges  Töchterchen  mich 
jüngst  auf  einem  Spaziergang  durch 
den  Kiefernwald  (die  schrägeinfal- 
lende Abendsonne  ließ  die  alten 
Kiefernstämme   in  einem  ganz  wun- 


derbaren warmen  Bronzeton  auf- 
leuchten) so  auf  die  eigenartige 
Schönheit  desselben  in  der  Abend- 
stimmung aufmerksam  machte  und 
sagte,  „nicht  wahr,  Vater,  die  Bäume 
haben  heute  ihr  schönstes  Sonntags- 
kleid an",  dann  schien  mir  dies  be- 
wußte Erkennen  dieser  besonderen 
Schönheit  an  dem  luireifen  _  Kinde 
eine  Folge  ihres  häufigen  Umganges 
mit  meinem  Grafenherger  Freund, 
der  das  Kind  lehrte,  wie  man  seine 
Heimat  sehen  soll.  Wie  oft  habe 
ich  gewünscht,  daß  solche  Belehrung 
recht  vielen  zuteil  werden  möchte. 
Wieviel  freudiger  läßt  sichs  durchs 
Leben  gehen,  wenn  es  so  verhält- 
nismäßig leicht  ist,  fast  ül)erall 
Schönes  zu  entdecken  und  sich 
daran  zu  erfrischen, 
lud  dieser  Wunsch  scheint  nun  zum  Teil(^  wenigstens 
erfüllt  zu  werden.  Vor  mir  liefen  einige  Büchlein,  deren 
Titel  lautet  „Wie  sollen  wir  unsere  Heimat  sehen".  Die 
Schriftchen  sollen  sein  eine  Folge  deutscher  Landschafts- 
schilderungen als  Anregung  zu  besinnlicher  Betrachtung 
der  Heimat,  (Herausgegeben  von  B.  Riedel  und  F.  Weissen- 
born,  Leijjzig,  im  Verlag  von  Th.  ScheH'er,  Leipzig.)  l)ie 
Betrachtungsweise,  zu  welcher  uns  die  Büchlein  erziehen 
wollen,   ist  so  ganz  ähnlicher  Art,   wie  die   jenes  .Mannes, 


von  welchem  ich  vorher  erzählte. 


IX, 


DIE  GARTENKUNST 


101 


Es  ist  eine  Betrachtungsweise,  bei  der  auch  die 
Gefühls-  und  Stimmungswerte  der  Gegenstände  zu  ihrem 
Hi'elite  Ivommen  solii'n,  gegenüber  der  rein  verstandes- 
gemäßen Betrachtun.u-,   die  meist  anzutreffen  ist. 

Es  ist  nalieliegend,  daß  diese  Betrachtungsweise  zu- 
nächst auf  diu  Scliönhoiton  der  Heimat  hinweist,  Schrm- 
heiten,  die  wir  oft  bei  der  intimen  Betrachtung  der  un- 
bedeutendsten und  naheliegendsten  E)ing6  entdecken  können. 
Aber  nicht  nur  das  Unsclieinbare,  Intime  der  Heimat 
lehren  uns  die  Büchlein  suchen  und  lieben,  nein  auch 
das  Großzügige,  Bedeutungsvolle,  historisch  Interessante 
und  Wortvolle  sollen  wir  sehen  und  schätzen  lernen,  aber 
nicht  mit  dem 
Verstände  allein. 

sondern  auch 
hier  vornehmlich 
mit  dem  Gemüte. 
Sie  führen 
uns  bald  durch 
stille  alte  Gassen, 
deren  malerische 
Bauten  von  Jahr- 
hunderten er- 
zählen, sieführ. '11 
dann  mitten  hin- 
ein ins  hastende, 
piilsiei'endeGroß- 
Stadigewühl  und 
zeigen    uns    hier 

den  Reiz  des 
kraftvoll       über- 
schäumenden 
Lebens,    wie    es 
etwa  auf  dem 
.Marktplatz   zu 
Leipzig,    der 
Leipziger  Messe, 
oder    etwa    dem 
Breslauer  Markt 

sich    abspielt, 
sie  führen   dann 

wieder  hinaus  zu  dem  schlichten  Landgraben  (Königsberg), 
wo  in  stiller  Einsamkeit  feiertägliche  Erholung  bietender 
Friede  den  Spaziergänger  umfängt. 

Bald  zeigt  uns  der  führende  Künstler  in  hellem 
Morgensonnonglanz  die  schlichten  Reize  der  mitteldeutschen 
Landschaft  („hinter  den  Bergen  Leipzigs")  mit  ihren 
Dörfern,  Feldern  und  Wiesen  mit  Blumen  und  Schmetter- 
lingen, bald  zeigt  er  uns,  wie  der  Sturm  in  Königsberg 
den  großen  Schloßteich  peitscht,  bald  zeigt  er,  wie  auch 
der  stille,  friedliche  Landregen  Stimmungswerte  von 
eigenem  Reize  auslösen  kann. 

Jetzt  wieder  führt  uns  der  Künstler  nach  Hamburg, 
zeigt  uns  zunächst  die  prächtige  Hansastadt  als  Gesamt- 
bild, weist  auf  die  eigenartige  Anmut  dieses  Bildes  hin, 
von  dem  man  vermuten  könnte,  ein  großer  Baumeister 
und  Landschaftsgärtner,    ein    Mann    von    feinstem    künst- 


in der  Hand  gehabt.  Tud  weiter  führt  er  uns  durch  die 
engen  Gassen  Alt-Hamburgs,  zeigt,  wie  die  alten  Häuser 
dastehen,  gleich  wie  ihre  Bewohner  so  grundehrlich,  derb, 
breitspurig,  schwerfällig,  selbstbewußt,  lebensfroh,  beha.u;- 
lieh,  gemütlich,  und  dann  wieder  läßt  er  uns  Alster- 
studien  macheu,  führt  uns  später  hinaus  nach  „um 
Ihimliurg  herum",  zeigt  uns  das  alte  Vierländer  Bauern- 
haus, in  seinem  ei,ü-i>nartig,  vielseitig,  höchstentwickelten 
Bauernstil.  Aber  nicht  nur  Architektur  und  Lebensbilder 
weiß  uns  der  Darsteller  zu  zeichnen,  auch  ein  feines  Ver- 
ständnis offenbart  derselbe  Künstler  in  der  Schilderung 
seiner    Naturschiinheit.      Wie    prächtig    sieht    er    unseren 


Aus  ,.\Vie   wir  unsere    Heimat  teilen":  Landscliaftsbild  aus  der  Umgebung  von  Breslau. 


Buchenwald,  wie  warm  erschaut  er  die  Schönheit  der 
Heide! 

Wie  stolz  ist  er  im  Schlußsatz  (Hamburg)  auf  seine 
Heimat,  der  er  mit  treuer  bodenständiger  Liebe  er- 
geben ist. 

Aber  nicht  nur  lernen  wir  einseitig  das  schöne  Alte 
kennen,  nein,  auch  für  die  Reize  der  Neuschöpfungen 
haben  die  Künstler  ein  offenes,  helles  Auge.  Wie  ge- 
wandt wird  uns  in  dem  Gespräche  zwischen  Künstler 
und  Techniker  die  Schönheit  der  modernen  Brückenbauten 
der  Lsarstadt  dargestellt,  wie  zeigt  uns  das  Büchlein 
(München)  die  Werke  neuzeitlicher  Künstler  eines  H  och  eder, 
Theodor  Fischer,  Gabriel  Seidel,  wie  lebendig 
schildert  er  uns  die  Schönheit  der  neuzeitlichen  Brunnen- 
schöpfungen  der  Kunststadt  München. 

Und  dann  wieder  finden  wir  z.  B.  im  Band  Breslau 
■rische  Gefühl    hätte    die  Anordnung    des  ganzen  Bildes      eine  köstliche  Schilderung  der  Landschaft,  eine  Schilderung, 


102 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  r, 


in    der   wiederum    der    Gefühlsinhalt    an    die    Stelle    des 
Gegenständlichen  tritt. 

Es    kommt    dem  Künstler    ja    gar    nicht    dniauf   an. 


Blumenschmuckkunst. 


All;,  ,.\Vif  wir  unsere  Heimat  sehen":  Am  Lam.lgraben 
bei  Königsberg. 

was  er  schildert,  er  will  nur  mitteilen,  was  er  vor  der 
Natur  empfunden  hat,  jene  groOen  und  starken,  oder  die 
jjescheidenen  intimen  Eindrücke,  die  die  Natur  auf  ihn 
gemacht  hat,  sie  werden  uns  durch  Wort  und  Bild 
vermittelt. 

Die  Natur  birgt  Reichtümer  in  sich,  die  für  den 
oberflächlichen  Betrachter  nicht  vorhanden  sind,  aber  dem 
liefer  Veranlagten  zur  Quelle  zahlloser  Freuden  werden 
können. 

Und  so  wollen  diese  Büchlein  ein  Wegweiser  sein 
und  zeigen,  wie  man  auch  in  der  engsten  Heimat  so 
vieles  Schone  finden  und  sich  und  anderen  so  manche 
Freude  erschließen  kann,  sie  wollen  anregen  zu  sinnlicher 
Betrachtung  dieser  Schönheit. 

Und  damit  vertiefen  sie  gleichzeitig  un- 
gemein die  Liebe  zu  unserer  schönen  deutschen 
Heimat.  Diese  Heimat  zu  schätzen,  ihre  eigentüm- 
liche Schönheit  zu  erhalten,  ja  sie  zu  steigern, 
ist  ja  eine  der  schönen  Aufgaben  unserer  Zeit 
(Heimatschutzbestrebungen).  Möge  durch  das 
Studium  der  Büchlein  veranlaßt  recht  mancher 
an  der  Erreichung  dieses  Zieles  mitarbeiten. 
Bis  heute  sind  erschienen: 

Leipzig    l,     herausgegeben    vom    Leipziger 
Zeichenlehrerverein. 

Leipzi.tr    II,     herausgegeben    vom    Leipziger 
Zeichenlehrer  verein. 

Hamburg  von  Oskar  SchwindrazhcMin. 

Königsberg  von  Herrn,  ^^'il■th. 

Breslau   von  Ernst  Müller-Bernl)urg. 

München   von  \.  Heilnieycr   und   L.  Koch. 


Die  Erste  Grofse  Berliner  Biudekiiiistausstellung. 
Von  Oskar  Cordel. 

Die  Spezialisierung,  die  das  gesamte  wissenschaft- 
liche und  gewerbliche  Leben  der  Gegenwart  beherrscht, 
greift  auch  in  das  Gärtnergewerbe  immer  tiefer  ein  und 
hat  sich  erst  kürzlich  wieder  bekundet  bei  der  vom  20.  bis 
26.  März  im  Landesausstellungsparke  abgehaltenen  Ersten 
Großen  Berliner  Bindekunstausstellung. 

Diese  vom  „Verein  der  Blumengeschäfts-Inhaber  in 
Berlin"  veranstaltete  Ausstellung  sollte  einerseits  das  ge- 
steigerte Selbstgefühl,  das  Kraftbewußtsein  der  Branche 
vor  aller  Welt  dartun,  anderseits  Gelegenheit  geben,  den 
zeitigen  Stand  der  Blumenbinderei,  unbeeinflußt  von  allem, 
was  die  gärtnerischen  Ausstellungen  für  gewöhnlich  sonst 
noch  darbieten,  kennen  und  würdigen  zu  lernen. 

Die  deutsche  und  gerade  auch  die  Berliner  Blumen- 
binderei steht  in  gutem  Rufe;  hin  und  wieder  konnte 
man  sogar  die  Behauptung  hören,  sie  sei  allen  übrigen 
Ländern  und  Städten  voraus.  Ob  das  der  Fall,  bleibe 
dahingestellt;  jedenfalls  versprach  das  Unternehmen  viel 
Schönes  und  Lehrreiches  —  letzteres  um  so  mehr, 
als  das  Ausstellungsprogramm  im  Anschlüsse  an  das 
moderne  Bestrehen  nach  scharfer  Charakterisierung,  das 
in  den  Künsten,  oft  selbst  auf  Kosten  der  Schönheit,  eine 
so  ausgeprägte  Rolle  spielt,  von  den  auszustellenden 
Gegenständen  überall  da  eine  bestimmte  Charakteristik 
verlangte,  wo  es  der  Zweck  des  Gegenstandes  irgend  recht- 
fertigte. Man  forderte  beispielsweise  von  den  „Spenden", 
daß  sie  erkennen  lassen  müssen,  wann  oder  zu  welcher 
Gelegenheit  sie  gewidmet  seien,  von  den  Tafeldekorationen, 
ob  es  sich  um  ein  Jagdfrühstück,  ein  intimes  Diner  am 
runden  Tischen  im  Hotel  oder  um  sonst  eine  besondere 
gastronomische  Veranstaltung  handele  usw. 

Die  Beschaffung  eines  geeigneten  Ausstellungslokales 
war  auf  Schwierigkeiten  gestoßen.  Die  anfängliche  Ab- 
sicht,   die    neue  großartige  Halle   am  Zoologischen   Garten 


-->■■ 


Aus  „Wie  wir  unsere  Heimat  sehen":  Kinzclncs  (  U'huh  h.  S..li..nan  (  Leipzig). 


IX,  5 


DIE  GARTENKUNST 


103 


zu  benutzen,  scheiterte  an  diM'  hohen  Mieteforderung 
(50000  Mark  und  20  v.  H.  der  Kinnahme),  so  dali  man 
schliesslich  auf  den  neuen  Saalbau  des  Landesausstellungs- 
parkes, der  schon  die  t'lirysanthemumaussteilung  Herbst 
19U5  beherbergt  hatte,  zurück.i^reifen  mußte,  obschon  die 
Räume  dieses  Baues  für  den  Zweck  nicht  ausreichten 
und  durcli  ziemlich  weit  entlegene  Stadtbahiilwigen  ver- 
vollständigt werden  mußten. 

L)ie  Einteilung  und  Anordnung  des  Materiales  war 
die  folgende:  Die  östliche  Halle  des  Baues,  die  man  zu- 
nächst betritt,  enthielt  eine  Anzahl  von  Bindereien,  die 
das  Programm  als  Huldigungen  für  die  Kaiserin  be- 
zeichnete.    t)er  nach   links  ansclilieliende  grolie  Hauptsaal 


achtung  fanden.  Es  ließen  sich  sogar  Stimmen  hören, 
die  eine  Erweiterung  des  Programms  nach  dieser  Richtung 
für  zweckmäßig  gehalten  hätten:  Blumentische,  Blumen- 
fenster, Balkone,  Treppen-  und  Nischendekorationen  u.  dgl. 
Der  beschränkte  Raum  mag  Hauptgrund  gewesen  sein, 
daß  man  sich  hierin  Beschränkungen  auferlegt  hatte;  auch 
so,  wie  sie  war,  befriedigte  die  Ausstellung  augen- 
scheinlich. 

Von  einer  genaueren  Besprechung,  namentlich  der 
eigentli.'hen  Bindereigruppen  nehme  ich  Abstand:  im 
großen  und  ganzen  zeigte  sich  die  Kunst  der  Berliner 
Binder  durchaus  auf  der  Höhe.  Geschmack  und  Tecknik 
wetteiferten   mit  der  rciriini   Verwendung  edlen   .Matin-ia.ls, 


Aus 


,\Vie  wir  unsere  Heimat  sehen":  Blick  auf  Hauiburi;'  vom  Steinwärder  aus 


brachte  Blumenstücke  für  Jubiläen  und  sonstige  festliche 
und  freudige  Anlässe,  ferner  die  Tafeldekorationen.  In 
den  beiden  westlichen  Quersälen  hatte  der  Hochzeits- 
schmuck eines  fürstlichen  Hauses  Aufstellung  gefunden. 
Vom  Einga,ngssaale  rechts,  also  östlich,  gelangte  man  zu 
den  Bindereien  für  Trauerfälle,  und  von  da  durch  einen 
langen  Gang  zu  den  Stadtbahnbögen,  deren  letzter  den 
„Wintergarten  eines  Wcltreisenden"  enthielt,  während  der 
vorletzte  ein  Biedermeierzimmer  und  den  Brautschmuck 
umschloß.  Im  Vorräume  hatten  noch  einige  kleinere 
Wintergärten  und  dekorierte  Tafeln  Platz  gefunden,  in 
dem  Verbindungsgange,  dessen  natürliche  Öde  durch  eine 
Lorbeerallee  gemildert  war,  sah  man  einige  Beispiele  von 
Wanddekorationen  aus  E)auermaterial. 

Wie  man  sieht  waren  die  Veranstalter  nicht  einseitig 
vorgegangen:  sie  hatten  vielmehr  durch  Aufnahme  der 
Wintergärten  und  der  dekorierten  Innenräume  das  Pro- 
gramm zu  beleben  imd  die  Ausstellung  anziehender  zu 
machen  gesucht  —  mit  Recht;  denn  der  Erfolg  lehrte, 
daß    gerade    diese  Teile    des    Ganzen    hervorragende    Be- 


namentlich auch  massenhafter  Orchideen  und  prächtiger 
Treibrosen. 

Mit  Auszeichnung  zu  nennen  wären  u.  a.  die  Firmen 
A.  Nigrin,  Theodor  Hübner.  Jul.  Zander,  H.  Krüger,  Herm. 
Vt'endorf,  0.  Bernstiel  Nachf.,  C.  Bernstem,  Chr.  Drescher, 
H.  Pasbender. 

Was  die  geforderte  Charakteristik  betrifft,  so  hielt 
sie  sich  viefach  in  den  Grenzen  bloßer  Äußerlichkeiten; 
in  anderen  Fällen  war  jedoch  der  ehrliche  und  zuweilen 
geschickte  Versuch  gemacht,  durch  Art  und  Anordnung 
der  Blumen  stimmungsvolle  Stücke  hervorzubringen. 
Manche  dieser  Stücke  muteten  recht  gelungen  an,  so  eine 
Blumenspende  für  das  Jubiläum  einer  Pischerinnung:  eine 
reizvolle  Gruppierung  von  Wasserpflanzen  mit  einem  Fisch- 
netze als  Marke;  ferner  ein  nettes  Geschenk  für  einen 
ABC-Schützen:  Botanisierfcrommel  und  Schiefertafel  in 
Blumen  und  Grün;  das  Jubelgeschenk  für  einen  Kunst- 
gelehrten: ein  antiker  Wasserbehälter  mit  Pinienzweigen 
und  dunklen  Iris.  Wenn  demgegenüber  ein  Kranz  für 
einen   Schauspieler    nichts    weiter    an  Charakteristik    auf- 


104 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  5 


zuweisen  hatte,  als  den  Aufdruck:  ,,Dem  genialen  Künstler" 
auf  der  Schleife  oder  ein  Kranz  für  einen  Maler  nichts 
anderes  als  eine  in  den  Kranz  hineingesteckte  Palette,  eine 
Osterdekoration  nichts  Bezeichnendes  als  den  Osterhasen 
aus  Papiermache,  so  lehren  diese  Beispiele,  daß  es  uns 
an  einer  wirklich  charakterisierenden  Pormensprache  auf 
diesem  Gebiete  noch  fehlt.  Vielleicht,  daß  wir  aus  den 
in  japanischer  Manier  gehaltenen  Stücken  lernen  können, 
wie    sie    Franziska    Brück     in    mehreren    recht    an- 


eiferte mit  der  graziösen  Leichtigkeit  und  Natürlichkeit 
des  Aufbaues,  sowohl  was  die  Festtafel,  als  auch  was 
die  zahlreichen  Einzelarboiten  anbelangt,  die  als  dekorierte 
Schalen,  Vasen,  Ampeln  u.  dgl.  ringsum  aufgestellt  waren. 
Beim  Eintritt  in  den  Saal  mußte  der  Beschauer  ein  er- 
höhtes Podium  besteigen,  von  dem  aus  er  über  die  Brüstung 
einer  Pergola  hinweg  das  Gesamtbild  des  Saales  mit 
einem  Blicke  in  sich  aufnehmen  konnte.  Die  jenseitige 
Wand  war  in  ein  Halbrund  von  Nischen  verwandelt,   deren 


Von  der  Mannheimer   Gartenbaiiaiisstelhing:  Der  Henkelgarten  in  der  Entstehung. 


sprechenden  Nummern  vorführte.  An  und  für  sich  hat 
diese  japanische  Art  indes  wohl  kaum  Aussicht,  sich  all- 
gemeiner bei  uns  einzubürgern,  da  sie  eine  befriedigende 
geschäftliche  Ausnutzung  wegen  der  Dürftigkeit  des  zu 
verwendenden  Materiales  nicht  gestattet. 

Die  zur  Hochzeit  geschmückten  Säle  eines  fürstlichen 
Hauses  erwiesen  sich  neben  den  Wintergärten  als  Haupt- 
anziehungspunkte der  Ausstellung.  Sie  verdienten  diese 
Beachtung.  Namentlich  der  von  J.  C.  Schmidt  (Blumen- 
schmidt) ausgestattete  Speisesaal  des  Hochzeitshausos  war 
eine  Sehenswürdigkeit  ersten  Ranges.  Nicht  nur  daß  er 
in  kostbaren  Blumm  geradezu  schwamm;  er  zeigte  auch, 
daß  man  es  hinsichtlich  der  Anordnung  und  der  Bindo- 
technik  mit  einer  das  Fach  souverän  beherrschenden  Kraft 
zu  tun  hatte.     Die   Delikatesse    der   Farbenstellung   wott- 


jede  einen  charaktervollen  Blumenschmuck  zeigte.  \\'eit- 
hin  leuchtete  die  Mittelnischi*  mit  ihrer  mächtigen  und 
doch  nicht  aufdringlichen  Gruppe  von  Calla,  Lilien  und 
weißem  Flieder.  Elektrisches,  hinter  den  Säulen  der 
Mschonrotunde  angebrachtes  Licht  ließ  deren  Schönheit 
noch  vollends  zur  Geltung  gelangen.  Als  Episode  sei  eine 
Sammlung  japanischer  Zwergkoniferen  erwähnt,  die  der 
Aussteller  in  diesem  Saale  zur  Schau  gestellt  hatte  — 
Bäumchen  von  0.2.5 — 0,50  m  Höhe  und  angeblich  lUÜ 
l)is  15tJ  .Jahre  all,  knoi-rig  und  malerisch  gewachsen, 
interessante  Belege  für  die  Findigkeit  und  diis  Geschick 
des  Japaners  in  alle'n  möglichen  Zweigen  der  Kleinkunst. 
Sehr  lobenswert  präsentierte  sich  im  anstoßenden 
Saale,  der  als  Traukapelle  gedacht  war,  die  V(m  iL  Fas- 
bender gestellte  Alliirgruppe.  Sehr  geschickt  wa,ren  schlank- 


IX,  3 


UIE  GARTENKUNST 


10') 


wUchsige  Kentien  als  Bekröiuing  dos  Ganzen  vorwendet; 
sie  versinnbildlichten  gewissermaßen  durch  den  Eindruck 
des  Emporstrebenden  den  Aufschwung  der  Herzen  liei 
der  feierlichen  Handlung,  der  sie  als  Hinti'rgrund  dii-nten. 
Eine  ebenso  geschmack-  wie  mallvolle  Verwendung 
blühender  Sträucher  in  zarton  Farben  nahm  der  Gi-uppo 
(las  Eintönige,   ohne  sie  bunt  erscheinen  zu   lassen. 

lUis  Gegenstück    dieser  reichen    und  vornehmen  L»e- 
korationsgruppen    bildeten    die    Wintergärten    am  anderen 


hübsch  ausgestatteten  Zimmers  aus  der  guten  alten 
Zeit.  Als  erwähnenswerte  Einzelheiten  der  Ausstellung 
mligen  noch  gelten  eine  mächtige  Palme  als  Mittelpunkt 
dos  grolien  Saales,  höchst  geschickt  aus  vielen  einzelnen 
Kentien  zusammengesetzt,  ferner  eine  Reihe  von  Tafel- 
dekorationen im  Biedermeierstile,  sowie  etliche  Kultur- 
pflanzen von  ungowi'ihnlichor  Schrmheit:  Hoknkko-Zyklamon 
von  .1.  C.  Schmidt-Erfurt,  groliblumige  Frimula  obconica 
von  Th.  Wetzol  Berlin,  abgeschnittene  Nelken   von  G.  Cin- 


Von  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung;  Der  Spaliergarten  vun  Hoennings-Neiiss  in  der  Ausführung. 


Flügel  der  Ausstellung,  vor  allem  der  von  W.  Wen  dt 
tadellos  ausgeführte  , .Wintergarten  eines  Weltreisenden", 
welcher  Titel  wohl  kaum  etwas  anderes  andeuten  sollte 
als  die  Forderung  einer  vornehmen  Anlage  unter  aus- 
giebiger Verwendung  exotischer  Pflanzen.  Dieser  Forde- 
rung hat  denn  \\'endt  auch  mit  bekannter  Ele.ganz  genügt; 
er  schuf  eine  ideale  Landschaft  von  berückendem  Reize, 
üppig  und  doch  nicht  unruhig,  mannigfaltig  und  ab- 
wechslungsreich in  den  Einzelheiten  und  doch  harmonisch 
im  Zusammenklange,  edel  und  großzügig  im  Entwürfe 
und  stimmungsvoll  in  der  Wirkung  —  eine  Meister- 
leistung, würdig  des  hohen  Standpunktes,  den  unsere 
heutige  Gartenkunst  beansprucht.  Einen  recht  anmutigen 
Einblick  in  die  Herrlichkeit  der  Wendtschen  Tropenland- 
schaft genoß  man  noch  durch  das  Fenster  des  anstoßenden. 


quin-Antibes  und  Ch.  Lange-Hampton,  sowie  Riviera-Schnitt- 
blumen  von  Th.   Hübner-Nizza. 

Der  Besuch  der  Ausstellung,  deren  Bestände  mehr- 
fach erneuert  wurden,  war  recht  befriedigend,  trotz  der 
unmittelbar  zuvor  und  zur  gleichen  Zeit  abgehaltenen 
Koscholschen  ,, Allgemeinen"  mit  ihrer  sehr  geschickt  lan- 
cierten Wohltätigkeitstendenz,  und  obschon  auch  das  vielfach 
ungünstige  Wetter  naturgemäß  auf  den  Besuch  drückte. 
Auch  die  Kaiserin  war  unter  den  Besuchern. 


Verschiedenes. 


Jubiläums-Ausstellung  1907  Mannheim.  Wenn  das  vor- 
liegende Heft  der  Gartenkunst  in  die  Hiiude  unserer  Mitglieder 
gelangt,    hat    die  Mannheimer    Ausstellung,    der    allseitig   mit 


lOG 


DIK  GARTENKUNST 


IX, 


großer  Spannung  entgegengesehen  wird,  ihre  Pforten  geöffnet. 
Ob  sie  zur  Eröffnung  ganz  fertig  sein  wird'.'  Es  wird  in  den 
letzten  Wochen  mit  einem  außerordentlichen  Eifer  gearbeitet, 
dieses  Ziel  zu  erreichen.  Im  großen  und  ganzen  wird  es  jedeu- 
faUs  auch  erreicht  werden.  Immerhinkann  angenommen  werden, 
daß  an  EinzeUieiteu  noch  nacligefeilt  werden  muß,  ganz  ab- 
gesehen davon,  daß  ja  vieles  erst  wachsen  und  Blätter  und 
Blüten  entfalten  muß,  um  das  Bild  zu  gewähren,  welches  den 
Schöpfern  der  einzelnen  Abteilungen  beim  Entwerfen  vorge- 
schwebt   hat.     Der    strenge    und    anhaltende    Wiuter    mag   in 


werk  uach  japanischen  Vorbildern.  Das  Bild  Seite  105  zeigt  den  im 
Entstehen  begriffenen  Spaliorobstgarten  von  Hönings-Neiiü,  der 
durch  seine  Achsenbeziehnung  zu  den  im  Hintergrund  sicht- 
baren Baulichkeiten  des  Friedrichsplatzes  (Wasserturm  usw.) 
besonders  wirkungsvoll  zu  werden  ver.spricht. 

Das  Bild  auf  dieser  Seite  zeigt  das  Innere  der  nach  Läuger- 
schen  Entwürfen  ausgeführten  großen  Ausstellungshallen. 

Den  in  Heft  2  und  4  unserer  Zeitschrift  gemachten  Mit- 
teilungen über  die  in  Aussicht  genommene  Sonderausstellung 
für    Gartenpläne    usw.    ist    nachzutragen,     daß    der    Ausschuß, 


V^on  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung:  Blick  in  die  Ausstellungshallen. 


manchen  Punkten  verzögernd  gewirkt  haben,  dagegen  ist  das 
IierrlicheWetterderletztenWochen  wieder  sehr  förderlichgewesen. 
Manchem  mögen  die  Aufnahmen,  die  wir  bei  einem  Besuch 
des  Ausstellungsgeländes  in  der]  ersten  Aprilhälfte  gemacht 
haben,  nicht  unwillkommen  sein.'  Sie  gewähren '  einen  lehr- 
reichen Einblick  in  die  werdende  Ausstellung  und  geben,  ver- 
glichen mit  den  Bildern,  die  nach  ihrer  Vollendung  vorgefülirt 
werden  können,  einen  Anhalt  für  das,  was-  in  den  letzten 
Wochen  geleistet  werden  mußte.  Das  erste  Bild  (Seite 
8.5)  ist  im  Sondergarten  des  Professor  Länger  aufge- 
nommen worden;  man  meint  beinahe  einen  Stoinhauerwerk- 
platz  vorsieh  zu  haben.  Der  Blick  in. den  Henkeischen  Garten 
(Seite  10-tj  läßt  die  heizbare  Abteüung  des  Wasserpflanzen- 
teiches erkennen.  Die  Sohle  des  Beckens  ist  aus  liotoii  her- 
gestellt, der  zum  größten  Teil  mit  Boden  für  die  einzupflanzen- 
den Nymphäen  bedeckt  ist;  die  Heizrohre  sind  teilweise  sicht- 
bar,   ebenso  die  Ausstattung    des  Gartens    mit  Bild-   und  Bau- 


weicher die  Entscheidung  über  die  Zulassung  der  einzuliefernden 
(iegenstände  und  ihre  Bewertung  vorzunehmen  hat,  sich  aus 
den  Herren  Prof.  Bill ing- Karlsruhe,  Gartendirektor  v.  Engcl- 
hardt-Düsseldorf,  Prof.  Albin  Müller-Darmstadt,  Garten- 
inspektor Lip  pel-Mannheim,  Königl.  Kurgärtner  W..Singer- 
Kissingen,  Gartendirektor  Staemmler-Liegnitz  und  (larten- 
direktor  Trip-Hannover  zusammensetzt. 

Von  den  sonstigen  Sonderausstellungen  t'rfordern  die  Hinde- 
kunstausstellungen  besondere  Beachtung.  Kh  sind  deren  nicht 
weniger  als  sieben  vorgesehen:  Frühjahrsbiudekunstausstcllung 
(II. — 14.  Mai),  Rosenbindekunst  (22. — 24.  Juni),  Brautschmuck 
i;iO.— 22.  .Juli),  Sportbindekunst  (17.-20.  August),  allgemeine 
Bindekunst  (14.— 17.  September),  heimatliche  Wald-  und  Jagd- 
bindekuust  (16. — 20.  Oktober)  und  Chrjsantlienuinibindekunst 
(18.— 20.  Oktober).  Unter  den  gestellten  Au fg.iben  nehmen  die 
Ausschmückungen  ganzer  Innenräume  und  Festtaleln  einen 
breiten   Raum   ein,   die  ausgeworfenen  Preise   lassen  erwarten, 


IX,  5 


DIE   GARTENKUNST 


107 


daß  in  scharfem  Wettbeworb  beachtenswerte  Lösungen  und 
wertvolle  Anregungen  für  das  ganze  Gebiet  der  Blumen- 
schrauckknnst  geboten  werden.  Für  die  Beurteilung  soll 
weniger  der  Wert  des  Materials,  sondern  in  erster  Linie  die 
künstlerische  Ausführung;'  ausschlaggebend  sein.  H. 

Neues  perspektivisches  Zeichenverfahren  ohne 
Horizont,  Hauptpunkt  und  Distanzpunkte  vermittelst 
Reduktiousdiagrainm  vnu  Leu  lleerwagen,  Darrastadt. 
Das  nachfolgend  l)eschriebene  Verfahren  erübrigt  alle  Kon- 
struktionen, welche  mit  Horizont.  Hauptpunkt  und  Distanz- 
punkten in  Verbindung  stehen,  und  dürfte  deshalb  geeignet 
erscheinen,  die  schnellste  Erlernung  der  Perspektive  den 
weitesten   Kreisen  zu  ermöglichen. 

Das  Diagramm  (28  X  20  cm)  besteht  in^seiner  Grundform 
aus  einem  rechtwinkeligen  Dreieck,  dessen  wagreclit  liegende 
Kathete  als  Grundriß  der  Projektionstafel  gedacht  ist  und 
dessen  Senkrechte  die  Reduktion  der  in  der  Projektionstafel 
abgetragenen  Wagrechten  bedeutet.  Die  H  vpothenuse  dagegen 
wird  von  einem  auf  einer  Skala  sich  bewegenden  Stahlschieber 
gebildet,  durch  dessen  Stellung  sich  jeweils  das  zu  jedem  Bilde 
gehörige  Reduktionsdreieck  ergibt.  Ist  z.  B.  die  Stellung  des 
Schiebers  auf  ■'/..,,  so  tritt  eine  Reduktion  der  Strecke  a'  —  b' 
auf  5/5  ein,  wenn  c'  —  d  in  senkrechter  Richtung  abgegriffen 
wird  usw.  Durch  eingelegte  Indexstriche  ist  ein  Verzeichnen 
des  Bildes  vollständig  ausgeschlossen. 

Die  Anwendung  ist  folgende: 

Angenommen  Linie  a — b  der  Fig.  1  sei  die  Projektions- 
tafel und  das  über  ihr  errichtete  Quadrat  n — b — d — c  schließe 
den  Gegenstand  ein.  Nachdem  die  Diagonalen  a — d  und  b — c, 
sowie  die  Symetralen  zu  den  Quadratseiten  e — f  und  g — h  ein- 
gezeichnet sind,  überträgt  man  a— b  in  natürlicher  Länge  in 
das  Bild  (Fig.  2)  und  greift  dieselbe  Entfernung  vom  Körner 
(Mittelpunkt  der  Messingscheibe)  des  Diagrammes  ab. 

Das  sich  ergebende  Lot  c'  —  d'  ist  die  Reduktion  von 
a'  —  b',    hier    also    die    hintere    Quadratseite    c'  —  d',    welche 


parallel  zu  a  —  b  und  in  beliebiger  Entfernung  von  a  —  b  — 
auch  nach  rechts  oder  links  verschoben  —  in  das  Bild  (Fig.  2) 
eingetragen  wird.  Es  erübrigt  nur  noch  in  den  Mittelpunkten 
beider  Quadratseiten  die  Symetrale  e  —  f  \md  alle  übrigen  Linien 
in  der  in  Fig.  3  gekennzeichneten  Weise  zu    vervollständigen. 

Das  auf  dem  Diagramm  (siehe  vorstehende  Abbildung) 
durch  den  Schieber  bezeichnete  Dreieck  a' — b'  —  c'  ist  nun 
die  Reduktionsfigur  für  alle  folgenden  Kon.struktionen. 

Soll  auf  dieser  soeben  gezeichneten  Quadratfläche,  welche 
die  Grundebene  darstellt  und  auf  der  sich  alle  Konstruktionen 
vollziehen,  irgend  ein  Punkt,  z.  B.  —  A  —  in  Fig.  1  perspek- 
tivisch festgestellt  werden,  so  ist  folgendes  Verfahren  einzu- 
schlagen: 

Durch  —  A  —  ist  die  Senkrechte  —  i  —  k  —  zu  ziehen,  so- 
dann die  Wagerechte  A  —  n  und  durch  den  Schnittpunkt  —  n  — 
mit  der  Diagonale  a    -  d  wiederum  die  Senkrechte  —  1  —  m  — , 


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108 


DIE  GAETENKnNST 


IX,  5 


Die    in    der    Projektionstafel    liegenden   Fußpunkte    —  i  —  und 

—  1  —  erscheinen,    wie    in   Fig.  4   gezeiclinet,   folgerichtig   von 

—  b  —  aus  in  derselben  Entfernung.  Die  perspektivische  Lage 
von  —  k  —  und  —  m  —  ergibt  sich  dagegen  in  der  Weise,  daß 
man  —  i  —  b  —  und  —  1  —  b  —  vom  Körner  des  Diagrammes  auf 
Kathete  —  a'  —  b'  —  abgreift  und  die  Reduktion  —  i'  —  k'  ■ — 
und  — 1'  —  m' —   auf    Quadratseite  — c  —  d —    im    Bilde    von 

—  d  —  aus  abträgt.  Da  —  i  —  k  —  und  —  1  —  m  —  (Fig.  4)  die 
Linien  der  Zentralprojektion  sind,  so  lassen  sich  durch  die 
.Schnittpunkte  mit  den  Diagonalen  und  Symetralen  in  leichtester 
"Weise  alle  Punkte  perspektivisch  ermitteln. 

Ist  z.  B.    im    Punkte   —  A  —  der    Fig.  4    ein    Lot    gleich 

—  H —  (Fig.  6)  zu  errichten,  so  trägt  man  — H —  von  — i  — 
und   die  Reduktion  —  H'  —  (siehe  Diagramm)   von  —  k  —  aus 


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gleichfalls  als  Senkrechte  ein;  beide  Endpunkte  verbunden, 
schneiden  sodann  die  perspektivische  Höhe  des  in  —  A  —  er- 
richteten Lotes  ab.  In  dieser  einfachen  Art  werden  sämtliche 
Punkte  von  Körpern  gefunden  und  hat  man  es  in  der  Hand, 
sich  bei  einiger  Übung  die  mannigfachsten  Vorteile  heraus- 
zubilden. 

Das  perspektivische  Bild  des  in  Fig.  6  angenommenen 
Quadrates  I  —  II  —  III  —  IV  in  schiefer  Ansicht  ist  in  Fig.  7 
dargestellt.  Es  wurde  im  Grundriß  zuerst  Quadratseite  1  —  II 
bis  a  —  b  verlängert  und  I'  —  b'  direkt  in  das  Bild  eingetragen, 
hierauf  i  —  k  und  1  —  m  gezogen,  so  daß  durch  den  Schnitt- 
punkt n  mit  der  Diagonale  a  —  d  die  Wagrechte  n  —  o  ein- 
gelegt werden  konnte.  Eckpunkte  I  —  II  ergeben  sich  somit 
auf  den  Linien  i  —  k  und  p  —  q,  .'ille  anderen  dagegen  duicli 
das  in  den  Fig.  6  und  7  gekennzeichnete  Konstruktionsver- 
fahren. 

Bei  Figuren  mit  ausgeprägten  Höhenunterschieden  wie 
Fig.  8  zeigt,  ist  das  Profil  auf  der  Linie  —  a  —  b  —  (Projek- 
tionstafel) und  dessen  Reduktion  auf  —  c  —  d  —  abzutragen 
un<l  durch  entsprechende  Linien  (Fig.  9)  zu  verbinden. 

Der  Kreis  in  Fig.  10  und  11  wird  mit  Hilfe  des  umschriebenen 
Quadrates  gezeichnet,  wobei  die  Peripherie  in  —  e  —  g  —  f  —  h  — 
berührt  wird.  Die  Zwischenpunkte  — 1 — 2  —  8  und  4 —  sind 
durch  die  Diagonalen  und  die  liinien  der  Zentralprojektion 
festgelegt. 


Bei  Darstellung  von  Kurven  (Fig.  12  und  13)  oder  Körpern 
mit  unregelmäßigem  Umfange  sind  in  der  Hauptsache  die  Be- 
rührungspunkte des  Gegenstandes  mit  den  Diagonalen  und 
und  Sj'metralen  von  —  1   bis  8  —  zu  berücksichtigen. 

Um  die  Schatten  zu  gewinnen,  denke  man  sich  in  Fig.  14 
zwei  nebeneinander  stehende  Glaswürfel  x  —  x'  mit  gemein- 
schaftlicher .Seitenfläche  y. 

Die  Körperdiagonalen  s  —  s'  geben  die  Richtung  der  Licht- 
strahlen an,  während  s  —  s"  ihre  Grundriße  sind. 

Werden  nun  diese  Strahlen  durch  zwei  beliebige  Parallele 
geschnitten  (hier  durch  x  —  y)  und  die  zwischen  diesen  Strahlen 
gelegenen  Strecken  a  —  b  =  b  —  c:=c  —  d  usw.  und  gleich- 
falls i  —  k  =  k  —  1  =  1  —  m n  —  o  gemachte,  so  hat  man, 

wenn  a  —  h,  b  —  i,  c  — k    usw     verbunden    werden,    die    Rich- 

tuDg'der  Lichtstrahlen 
■7V  vor  sich.     Sie  ergeben 

_  folgerichtig  und  in 
hinreichender  Weise 
mit  den  Schnittpunkten 
der  in  gleicher  Weise 
entstandenen  Grund- 
riß.strahlen  s  —  s"   die 

Schattengrenze  des 
Körpers.  Man  ver- 
gegenwärtige sich  in 
Fig.  16,  daß  alle  Licht- 
strahlen als  parallel 
erscheinen  und  sich 
erst  in  der  Perspektive 
entsprechend  verjün- 
gen. Alle  übrigen  Kon- 
struktionen sind  leicht 
aus  den  Figuren  abzu- 
lesen.*) 

Vilmorin  -  Denk- 
mal in  Paris.  Die  aus 
allen  Teilen  der  Welt 
eingelaufenen  Beiträge 
zu  den  Kosten  eines  Denkmals  für  den  1899  gestorbenen  H. 
Vilmorin  haben  eine  Summe  von  fast  140,000  Franken  ergeben. 
Das  Denkmal  wird,  wie  wir  hören,  im  Jardin  de  Luxem- 
bourg  aufgestellt  und  von  dem  Pariser  Bildhauer  H.  Carlier 
ausgeführt.  Auf  dem  mit  den  Medaillonparträts  von  H.  de 
Vilmorin  und  seinen  Vorfahren  geschmückten  Sockel  erhebt 
sich  eine  allegorische  Figurengruppe. 


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<^v^^>^^^^^^- 


Personal  nach  richten. 

Kgl.  Ilolgärtner  Rosenberg,  Sanssouci — Potsdam,  feierte 
am  '2ii.  März  d.  J.  sein  fiOjäliriges  Dienstjubiläuiu.  —  Poths, 
Friedr.,  Gmßherzogl.  Luxemburgischer  Hofgärtner  in  König- 
stein i.  T.  ist  am  6.  April  d.  ,).  gestorben.  —  Bromnie,  Her- 
mann zu  Grünberg  i.  S.,  welcher  seit  1.  Juli  lfSt>7  die  Baum- 
seliule  der  Grünelierger  Gartcnbaugesellschaft  m.  b.  11.  leitet, 
ist  zum  Kgl.  (iartenbaudircktor  ernannt  worden.  —  Hertens,  E., 
Landschaftsgärtner  in  Züricli,  Schöpfer  der  dortigen  (^>u:iian- 
lagen  und  vieler  anderer  Gartenanlagen  der  Schweiz,  starb  am 
23.  März  d.  .1.,  60  .lahre  alt.  —  Prestinari.  Gärtnereibesitz<T 
in  VVieblingen  bei  Ileidellierg,  ist  dureli  \'erleihung  des  Ordens 
vom  Zähringer  Liiwen  II.  Kl.  ausgezeiclinot  worden. —  Beirodt, 
Otto,  Orchi<leenzüchter  in  Marienfelde  bei  Berlin,  eiiiielt  die 
gleiche  Auszeichnung. 

')  Reduktionsdiagranime  kiinnen  vcm  L.  Ileerwagen,  Darm- 
stadt, Viktoriastr.  (i?  zum  l'ri'ise  von  Mk.  3,20  per  Naclmahme 
bezogen  werden. 


Für  die  Bedaktion  verantwortlich:  Stadt-Gartcndirektor  Hcicke,  Frankfurt  a.  M.  -  Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger,  Berlin  SW.  11, 

Dessauer  Strasse  2».        Druck  von  A.  W.  Hayn's  Erben,  Potsdam. 


IX.  6 


DIE  GARTENKUNST 


10!) 


Parkbild  aus  den  Kuranlaaen  zu  Bad  Nauheim. 


Gartenkunst  und  Städtebau. 
Iiiueiijiäiteu. 

Vun  Theodor  Goecke,  Berlin. 
(Schluß.) 


LIBRARY 
NEW  YORK 

H'-TaNICaL 


In  ähnlicher  Weise  ist  ferner  der  Waldpark  zu  Blase- 
witz bei  Dresden  rundum  offen  bebaut  und  von  den  Höfen 
bzw.  Hausgärten  aus  mit  Privatzugängen,  im  übrigen 
aber  durch  sechs  öffentliche  Zugänge  erreichbar,  wovon 
zwei  auf  den  den  Park  durchschneidenden  Elsaßer  Weg 
entfallen  (Städtebau,  II.  Aufl.  von  Dr.  Ing.  J.  Stubben, 
S.  592). 

Endlich  der  Anlagenplatz  an  der  Val|i\chler  Straße  zu 
München,  der  an  drei  Seiten  wieder  geschlossen  umbaut 
ist  und  nur  an  der  vierten  Seite  an  eine  öffentliche 
Straße  grenzt.  An  zwei  Seiten  durchbrechen  öiffentliche 
Durchfahrten  die  Bebauung.  Höfe  und  Hausgärten  trennen 
die  Häuserreihen  von  der  Grünanlage  (Zeitschrift  ,,E>er 
Städtebau",  Jahrg.  II,   S.  8). 

Auf  Gemeinbesitz  oder  da,  wo  wie  z.  B.  in  München 
gesetzliche  Bestimmungen  die  Freilassung  eines  gewissen 


Flächenmaßes  zu  öffentlichen  Plätzen  fordern,  sind  der- 
artige Anlagen  entweder  von  der  Gemeinde  selbst  oder 
auch  dtirch  Privatunternehmer  ohne  weiteres  zu  schaffen. 
Einen  schwachen  Ansatz  dazu  zeigt  der  geplante  Schöne- 
berger Park,  der  wenigstens  an  einer  Seite  teilweise  bebaut 
werden  soll.  Ferner  erweist  die  Möglichkeit,  im  Landhaus- 
gebiet, wo  nur'^/i„  der  Fläche  bebaubar  ist, — im  Falle  sich  eine 
größere  Fläche  in  einer  Hand  befindet,  —  ohne  wesentliche 
Opfer  eine  Innenanlage  zu  erreichen,  der  AmaUenpark  zu 
Pankow,  auf  einem  von  der  Hartwigstraße  in  etwa  100  m 
mittlerer  Breite  bis  zur  Breiten  Straße,  der  alten  Haupt- 
straße des  Dorfes,  durchreichenden  Grundstücke,  das  zwei 
ungefähr  gleichlaufende,  in  der  Mitte  einen  Gartenplatz 
einschließende  Aufteilungsstraßen  von  je  8  m  Breite  durch- 
ziehen, während  am  Rande  herum  freistehende  Wohn- 
häuser errichtet  sind.     In  diesem  Falle  hat  die  Baupolizei 


110 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  G 


zwar  die  Fläche  einer  ideellen,  als  grade  durchgolegt 
gedachten  Straße  von  9  m  Breite  von  der  bebauungs- 
fähigen Fläche  abgezogen,  im  übi-igen  aber  genehmigt, 
die  Bebauung  bis  zu  ^/^  der  Fläche  durchzuführen,  ob- 
wohl die  beiden  tatsächlich  angelegten  Straßen  nebst 
Gartenplatz  der  Gemeinde  ohne  Entschädigung  zum 
Eigentum  überwiesen  und  damit  zu  öffentlichen  geworden 
sind,  während  die  im  Privatbesitz  verbliebenen  einge- 
friedigten Grundstücke  durchschnittlich  als  zu  ''/jg  und 
^/,Q  bebaut  erscheinen.  Somit  ist  eine  öffentliche  Inuen- 
anlage  mit  öffentlichen  Zugängen  entstanden  (Deutsche 
Bauzeitung  No.  9  und  11  des  Jahrgangs  1897  —  Über 
Wohnstraßen  und  die  Landhaus-Baugesellschaft  in  Pankow 
von  Th.  Goecke). 

Im  übrigen  aber  wird  die  Innenanlage  nur  auf  Grund 
gesetzlicher  Bestimmungen  zu  erreichen  sein  und  zwar 
durch  Einführung  der  sogenannten  inneren  oder  hin- 
teren Bauflucht.  Sitte  wies  schon  auf  derartige  Be- 
strebungen im  Hamburg*)  hin  und  führte  dazu  aus:  „Es 
wäre  wünschenswert,  daß  sich  diese  segensreiche  Ein- 
richtung überall  hin  verbreiten  mochte.  Eine  Förderung 
dürfte  dieselbe  dadurch  gewinnen,  daß  die  im  Inneren 
der  größeren  Baublöcke  unverbaut  bleibenden  Räume 
dann  doch  einer  öffentlichen  Verwertung  nach  Möglichkeit 
zugeführt  werden.  Einen  Versuch,  in  diesem  Sinne  einen 
ganzen  Stadtplan  einzurichten,  hat  der  Verfasser  (d.  i. 
C.  Sitte)  mit  seinem  bereits  in  Ausführung  begriffenen 
Stadtplan  für  Mährisch-Ostrau  gemacht,  dem  einzehios  bei 
den  ebenfalls  schon  ins  Werk  gesetzten  Lageplänen  für 
Teschen  und  für  Olmütz  vorausging. 

Es  wurde  da  das  Innere  größerer  Baublöcke  zunächst 
verwendet  im  Sinne  des  vorher  Besprochenen  zur  Unter- 
bringung öffentlicher  Gärten  und  Kinderspielplätze,  dann 
für  Turni)lätze  und  Radfahrbahnen,    Eisbahnplätzo  u.   dgl. 

Auch  in  dem  Bebauungsplan  von  Marienberg  i.  B. 
kehren  diese  Vorschläge  Sittes  wieder.  Ludwig  Horcher 
hat  darauf  in  der  Schritt  „Großstadterweiterungen"  (ein 
Beitrag  zum  heutigen  Städtebau.  Göttingen,  Verlag  von 
Vandenhoek-Ruprecht,  1904)  ein  ganzes  Plansystem  ge- 
baut. In  meinen  Entwürfen  zu  Bebauungsplänen  für 
Treptow  bei  Berlin  und  die  oldenburgischen  Vororte  von 
Wilhelmshaven  sind  Innenanlagen  für  Kleinwohnungen 
vorgesehen,  ferner  von  Ehmig  in  seinem  Bebauungsplane 
für  Warnemünde  (Zeitschrift  „Der  Städtebau",  Jahrgang  IV, 
Heft  1). 

In  meiner  Abhandlung  über  „Berliner  Wohnbau- 
blöcke" (in  der  Zeitschrift  ,,Dor  Städtebau",  Jahrgang  11, 
S.  128  und  129)  führte  ich  ungefähr  aus,  daß  zur  Frei- 
haltung des  Blockinnern,  zur  Anlage  und  dauernden  Er- 
haltung von  Innengärten,  abgesehen  von  den  Fällen  frei- 
williger Baubeschränkung,  nur  eine  hintere  Baufluchtlinie 
verhelfen  könne.  In  diesem  Falle  seien  große  Baublöcke 
zu  empfehlen.  Aber  auch  nur  in  diesem !  Dazu  sind 
vielleicht  die  jetzt  größten  noch  nicht  groß  genug.     Sonst 


sind  bekanntlich  kleine  Blöcke  vorzuziehen  und  werden  in 
letzter  Zeit  auch  wieder  vorgezogen,  um  die  allzuhäufigo 
Entstehung  von  Hofwohnungen  —  sogenannten  Garteu- 
wohnungen —  und  die  Verbauung  des  Innern  zu  ver- 
hüten. Denn  die  früher  in  der  wohlgemeinten  Absicht, 
einen  zusammenhängenden  Luftraum  für  Gärten  offen  zu 
halten,  übergroß  zugeschnittenen  Baublöcke  sind  nach 
und  nach  mit  Garten-  und  Hinterhäusern  zugebaut  worden, 
weil  es  eben  an  einem  Schutze  für  ihre  Preihaltung  fehlte. 
Neuerdings  hat  die  Gemeinde  Heerdt-Oberkassel  bei  Düssel- 
dorf auf  dem  Polizeiwege  rückwärtige  Fluchtlinien  festge- 
setzt, von  deren  NMrkung  die  Abbildung  (Technisches 
Gemeindeblatt,  Jahrgang  VIII,  S.  120)  Zeugnis  ablegt, 
doch  nicht  für  eine  öffentliche  Grünanlage,  sondern  für 
die  Hausgärten  der  aus  Einfamilienhäusern  bestehenden 
Randbebauung. 

Im  Gegensatz  dazu  ist  bekanntlich  mehrfach  vorge- 
schlagenen worden,  den  früheren  Botanischen  Garten  in 
Berlin  zwar  auch  am  Rande  zu  umbauen,  jedoch  in  seinem 
Kerne  als  öffentliche  Parkanlage  zu  erhalten.  Zuerst  in 
der  Zeitschrift  „Der  Städtebau",  Jahrgang  I.  Seite  94,  wo 
ich  insbesondere  eine  möglichst  geschlossene  Umbauung 
mit  einer  den  Zuweg  vermittelnden,  die  Straßenflucht  be- 
deutsam unterbrechenden  Öffnung  an  der  Potsdamer  Straße 
befürwortete. 

Gegen  die  Innenanlage  konnten  nun  ästhetische  Be- 
denken im  Hinblick  auf  die  Rückseiten  der  Bebauung  er- 
hoben werden.  E)a  aber  die  hintere  Bauflucht  keine  tiefen 
Seitenflügel  oder  gar  Hinterhäuser  mehr  aufkommen  lassen 
könnte,  würden  diese  Bedenken  lediglich  die  Hinterfronten 
der  an  der  Straße  erbauten  Häuser  treffen,  Diese  aber 
in  einfacher  Weise  durchzubilden,  dürfte  ohne  erheblichen 
Kostenaufwand  möglich  sein.  Lier  meist  schon  an  der 
Vorderfront  entbehrliche  Prunk  ist  wirklich  nicht  nötig, 
wie  die  fast  nüchternen  Wandungen  so  mancher  Pariser 
Boulevards  zeigen,  die  darum  doch  nicht  das  Straßenbild 
schädigen.  Auch  empfiehlt  es  sich  nicht,  mit  der  Be- 
pflanzung  so  dicht  an  die  Häuserreihen  heranzutreten. 
Ein  Hof  sollte  stets  dazwischen  bleiben,  u.  a.  auch  noch 
ein  Hausgärtchen.  Thinn  kann  der  Innengarten  mit 
höheren,  die  Häuser  etwas  verdeckenden  Baumkronen 
geschorenen   Hecken,    Strauchgruppen  abgegrenzt  werden. 

Im  übrigen  wird  seine  Ausgestaltung  immer  mehr 
nach  der  architektonischen,  als  nach  der  landschaftlich(Mi 
Richtung  neigen  müssen,  teils  der  baulichen  Umgebung, 
teils  des  praktischen  Zweckes  wegen.  In  diesem  Sinne 
ist  auch  der  vom  Gartenarchitekten  Hoomann-Düsseldorf 
für  einen  Innengarten  autgestellto  Idoalentwurf  gehalten, 
den  Ihre  Zeitschrift  „Die  Gartenkunst"  im  Jahre  1902 
veröffentlichte. 

Meine  Herren  :  Ich  schließe,  womit  ich  angefangen  lialie: 
Mehr  denn  je  ist  die  gemeinsame  Arbeit  von  Gartenkünstler 
und  Architekt  geboten,  um  die  moderne,  insbesondere  die 
Großstadt  gesundheitlich  wii>  gesellschaftlich  den  Bedürf- 
nissen der  Zeit  ontsprecln'iul   auszugestalten. 


*)  Auch  in  Köln  a.  Rh.  soll  nach  Mitteilung  des  Herrn 
Stadtbaurat  Gerlach,  ßerlin-Schöneberg,  schon  vor  Jahren  die 
Festsetzung  einer  hinteren  Bauflucht  vorgeschlagen  worden  sein. 


IX,  6 


DtE  Gartenkunst: 


111 


Aus  deutschen  Gärten  und  Parkanlagen. 
I.  Her  alte  Park  zu  Bad  NauluMiii  1857-1907. 

\"(iii   Heicke,   Frunkrurt  a.  M, 


Es  mag  nicht  oft 
vorkommen,  daß  die 
Fliege  einer  Parkanlage 
Vom  ersten  Entstehen 
an  ein  halbes  Jahr- 
hundert hindurch  dem- 
selben Hause  anvertraut 
bleibt,  wie  es  bei  dem 
alten  Nauheimer  Kur- 
park der  Fall  ist.  Seine 
Anlage  wurde  im  Jahre 
1^57  von  Heinrich 
Siosmayor  begonnen 
und  innerhalb  zweier 
•lahre  beendigt;  er  hat 
sich  bis  zu  seinem 
Lebensende  der  Weiterentwickelung  seiner  Lieblings- 
schüpfung  mit  großer  Hingabe  gewidmet,  und  in  seinem 
Sinne  wird  sie  seither  von  den  jetzigen  Vertretern  des 
Hauses  Siesmayor,  insbesondere  seinem  ältesten  Sohn 
Philipp  Siesmayer,  pietätvoll  weitergepflegt. 

Ich  sage,  ein  solcher  Fall  mag  nicht  oft  vorkommen. 
Viel  häufiger  tritt  der  Fall  ein,  daß  ein  für  seine  Kunst 
begeisterter  Jünger  der  Landschaftsgärtnerei  an  eine  große 
Aufgabe,  die  sich  ihm  in  jungen  Jahren  bietet,  sein  bestes 
Können  gesetzt  hat,  dann  aber,  kaum  daß  der  letzte 
Spatenstich  getan  ist,  zuschauen  muß,  wie  das  Werk  in 
andere  Hände  übergeht  und  bei  seiner  weiteren  Pflege 
die  Gedanken,  welche  ihn,  den  Schöpfer  der  Anlage,  ge- 
leitet haben,  verständnislos  unbeachtet  gelassen  werden 
so  daß  das  Werk  eine  ganz  andere  Entwiekelung  nimmt, 
als  dem  Urheber  beim  Entwerfen  vorgeschwebt  hat. 

Mit  der  sogenannten  Fertigstellung  einer  Anlage  ist 
ja  nicht  viel  mehr  getan,  als  daß  die  Übertragung  des 
Planes  auf  das  gegebene  Gelände  beendigt  ist.  In  den 
weitaus  meisten  Fällen  ist  damit  erst  der  Anfang  der 
Gartenschöpfung  gemacht,  es  ist  die  Grundlage  geschaffen, 
auf  der  sich  das  vom  Planverfasser  beabsichtigte  Bild  ent- 
wickeln kann.  Ob  es  das  wirklich  tun  wird,  hängt  von 
sehr  vielen  Umständen  und  Zufälligkeiten  ab;  es  bedarf 
fortgesetzter  EingrilTe  und  Nachhilfen  und  vor  allem  einer 
Pflege,  die  sich  eng  an  die  den  ersten  Entwurf  bestimmenden 
Gedanken  hält,  um  das  Ziel  zu  erreichen.  Je  länger 
die  Zeitdauer  ist,  innerhalb  der  der  Planverfasser  seine 
junge  Schöpfung  selbst  überwachen  kann,  um  so  er- 
freulicher ist  es  für  ihn  und  um  so  besser  für  das  Werk. 
Es  sind  das  Dinge,  die  schon  oft  gesagt  sind  und 
jedem  Jjandschaftsgärtner  selbstverständlich  erscheinen. 
Wenn  ich  sie  bei  dieser  Gelegenheit  wiederhole,  so  ge- 
schieht es,  weil  wir  gar  zu  oft  heutzutage  die  Wahr- 
nehmung machen  müssen,  daß  in  vollständiger  Verkennuni; 
des  Wesens  der  Landschaftsgartenkunst  und  ihrer  .Auf- 
gaben   die  Kritik   über   unsere  Schöpfungen  herfällt  und 


sie  mit  schnellfertigom  Urteil  zerpflückt,  nachdem  kaum 
die  ersten  Grashalme  gekeimt  sind.  \\'enn  der  Maler 
nach  Vollendung  eines  Bildes  den  Pinsel  aus  der  Hand 
legt,  der  Baumeister  seinem  Bauherrn  den  Schlüssel  dos 
Neubaues  übergibt,  dann  sind  ihre  Werke  fertig!  Sie 
können  durch  die  Patina  der  Zeit  noch  gewinnen  —  aber 
sie  sind  fertig  1  L»ie  Kritik  kann  einsetzen  und  ihr  Urteil 
sprechen. 

Wie  ganz  anders  beim  Garten  und  Park.  iJa  wird 
über  die  ,,Tännchen"  und  ,,Pflänzchen"  und  ,,Grüppchen" 
und  manches  andere  gewitzelt  und  gespöttelt  und  leicht- 
fertig darüber  hinweggesehen,  daß  diese  „Tännchon" 
Tannen,  diese  „Ptlänzchen"  Bäume?  werden  sollen,  daß  sie 
erst  in  das  richtige  Verhältnis  zu  den  Flächen  hin- 
einwachsen müssen,  daß  sie,  die  heute  wegen  ihrer 
Kleinheit  nur  Unruhe  in  d.as  Bild  bringen,  erst  nach  Jahren 
zu  raumbildeudon  .Massen  herangewachsen  sein 
werden  und  daß  dann  erst  vielleicht  die  großgedachten 
Bilder  dem  Beschauer  vor  .-Augen  treten,  die  der  Urheber  in 
seinen  Phantasien  erschaut  hatte.  Vielleicht!  Wenn  eben 
in  seinem  Sinne  die  Pflege  der  Anlage  geleitet  werden 
konnte,  wenn  rechtzeitig  und  sinngemäß  diejenigen  Maß- 
nahmen getroffen  werden,  die  die  Entwiekelung  im  Sinne  des 
Schöpfers  fördern  könnten,  wenn  insbesondere  auch  die 
Zutaten  allmählich  beseitigt  worden  sind,  welche  der  An- 
lage nicht  für  die  Dauer  eingefügt  wurden,  sondern  nur, 
um  sie  in  ihrem  Jugendstand  nicht  gar  zu  unfertig  und 
dürftig  erscheinen  zu  lassen. 

Man  wird  daher  leicht  verstehen  und  begreifen,  daß 
Siesmayer  es  als  eine  Schicksalsgunst  betrachtete,  daß 
er  noch  mehrere  Jahrzehnte  hindurch  seine  Nauheimer 
Schöpfung  pflegen,  und  als  die  Zeit  kam,  wo  er  es  nicht 
mehr  konnte,  ihre  Pflege  einem  Mitarbeiter  und  Nachfolger 
überlassen  durfte,  der  in  seinem  Sinne  herangebildet  war. 

I»er  Nauheimer  Kurpark  ist  eine  Anlage,  in  die  ihr 
Schöpfer  sein  Bestes  hineingelegt  hat.     H.  Siesmayer  war, 


(iruiipc  der  neuen  Verwaltmigs-  und  Badeluaiser  zu  Bad  ^('aalleim. 


112 


DIE  GARTENKUNST 


IX  6 


als  diese  Aufgabe  ihm  übertragen  wurde,  40  Jahre  alt, 
er  stand  also  in  seines  Lebens  Vollkraft.  Er  selbst  hat  sie 
als  eine  seiner  größten  Aufgaben  in  seiner  fast  fünfzig- 
jährigen selbständigen  Tätiglceit  bezeichnet.  Er  hatte  sich 
bis  dahin  hart  durchringen  müssen  und  noch  wenig  Ge- 
legenheit gefunden,  seinen  Xamen  durch  Bewältigung  einer 
bedeutenden  Aufgabe  in  weiteren  Kreisen  bekaimt  zu  machen. 
Hier  bot  sich  die  Gelegenheit,  aber  es  war  nicht  ganz 
leicht  an  die  Sache  heranzukommen. 


Konkurrenzplänen  zur  Vorlage  kam,  und  mein  Plan, 
eine  Bleistiftzeiclinung,  erhielt  denn  auch  die  Genehmigung 
des  Kurfürsten.  Die  Nauheimer  Anlage  ist  in  englischem 
Stile  ausgeführt  mit  bedeutender,  großer  Terrasse  und 
Restaurationsgebäude  nebst  Auffahrt,  ausgedehnten  Fahr- 
und  Fußwegen,  Alleen,  freien  Plätzen,  großem  Teicli  von 
ca.  36  Morgen  für  Gondelfahrer,  warmem  Sprudel,  Bade- 
häusem,  Trinkhalle  usw.  Die  Arbeit  erforderte  bis  zur 
Fertigstellung  eine  Zeit    von  zwei  Jahren;    es  waren  150 


Lageplan  der  EoranJagen  in  Bad  Nanheim.    Entworfen  und  ausgeführt  vom  Kgl.  Gartenbaudirektor  H.  Siesmayer  f*) 


S.  schreibt  selbst  darüber  in  seinen  Lebenserinnemngen : 
„Die  Übertragung  derselben  vom  kurfürstlichen  Hof  in  Cassel 
(Nauheim  gehörte  damals  zum  Kurfürstentum  Hessen- 
Cassel)  stellten  sich  bedeutende  Schwierigkeiten  in  den  Weg, 
da  diese  Arbeit  in  Konkurrenz  öffentlich  ausgeschrieben 
war,  und  ich  durch  Hofintriguen  ferngehalten  werden  sollte. 
Man  verweigerte  mir  die  .Situationspläne,  obschon  ich  kur- 
hessischer Bürger  war.  Die  Lust  zu  dieser  Aus- 
führung und  der  Drang  zum  Schaffen  ließen  mir 
keine  Rahe,  bis  ich  endlich  auf  den  glücklichen  Ge- 
danken kam,  mich  durch  eine  distinguierte  Persönlichkeit, 
den  Stadtkommandanten  und  österreichischen  General 
V.  Schmerling,  an  den  kurhessischen  Bundestag-sgesandten 
V.  Trott  empfehlen  zu  lassen.  Gestützt  auf  dessen 
Empfehlung  erhielt  ich  die  Situationspläne  sofort,  schickte 
binnen  zwei  und  einem  halben  Tage  die  Skizze  an  Ober- 
baurat    Engelhardt,    damit    dieselbe    gleichzeitig   mit    den 


*)  In  dem  Lageplan  sind  die  neuesten  Veränderungen  be- 
rücksichtigt. 


bis  200  Leute  und  10 — 1.5  Pferde  ununterbrochen  dabei 
in  Tätigkeit.  Die  Uferarbeiten  am  Usabach,  die  große 
Fahrstraße  nach  der  Stadt  und  dem  Teichhause,  die 
Brückenübergänge,  kleinere  Wasseranlagen,  Terrainarbeiten 
an  der  großen  Terrasse  imd  sonstige  Terrainbewegungen 
nahmen  großen  Kosten-  und  Zeitaufwand  in  .\nspruch.  Die 
gärtnerische  Ausführung  für  Grundarbeiten,  Chausseen  und 
Lieferungen  erforderten  150  000  Mk.  exd.  Erdarbeiten 
für  Horizontallegung  der  großen  Terrasse  und  Aus- 
schachtungen vor  der  Trinkhalle." 

Die  glückliche  Lösung  dieser  .\ufgabe  trug  viel  zur  Ver- 
breitung des  Namens  Siesmayers  als  eines  hervorragenden 
Landschaftsgärtners  bei  und  begründete  seinen  Ruf. 

Und  mit  Recht.  Keine  der  zahlreichen  Schöpfungen 
Siesmayers  zeigt  ein  so  charakteristisches  Gepräge,  wie 
gerade  diese  Nauheimer  Anlage,  und  wer  Siesmayer  richtig 
beurteilen  will,  muß  Nauheim  studiert  haben. 

In  dem  im  Norden  der  Stadt  sich  hinziehenden  Tal 
des  Usabaches  und  an  dem  das  Tal  auf  der  Westseite 
begrenzenden  Hange  ziehen  sich  die  eigentlichen  Anlagen 


IX.  6 


DIE  GARTENKUN'ST 


113 


Aus  Jen  Xauheimer  Kuranhigen:  Blick  nach  dem  Kurhause 


in  ungefähr  1000  m  Länge  hin.  Weite  Wiesenflächen, 
umrahmt  von  malerischen  Baumgruppen,  lüihhing  spendende 
lichte  Haine,  durchrauscht  von  dem  Usabach  und  durch- 
zogen von  bequemen  Fußsteigen,  nicht  zuletzt  aber  die 
seeartige  große  Teichanlage  geben  der  Anlage  ihr 
charakteristisches  Gepräge.  In  der  Beschränkung  zeigt  sich 
der  Meister,  kann  man  hier  sagen:  Alle  jene  Kunst- 
stückchen neuerer  Landschaftsgärtnerei,  gewaltsame  Boden- 
tragung,  gesuchte  Effekte  in  der  Bepflanzung.  unnatür- 
liche Zergliederung  der  Wasserflächen  —  alles  ist  ver- 
mieden. Ruhe  und  Großzügigkeiten  in  allen  Teilen  machen 
den  Nauheimer  Park  vorbildlich. 

Und  diese  Grundzüge,  die  man  unschwer  aus  unseren 
Bildern  ersehen  kann,  haben  nicht  allein  die  erste  Anlage, 
sondern  auch  die  weitere  Entwickelung 
beherrscht.  Änderungen  sind  natürlich  im 
Laufe  der  Zeit  nicht  ausgeblieben,  aber  sie 
waren  nur  unwesentlich  und  haben  die 
charakteristischen  Züge  des  Gesamtltildes 
nicht  verwischt.  Gegenwärtig  ist  eine  Neu- 
gestaltung der  ganzen  Nauheimer  Bade- 
einrichtungen nach  einem  umfassenden  Bati- 
programme  im  Gange,  die  aber  auch  mir 
auf  einzelne  Teile  der  Parkanlagen  Kintluß 
nimmt. 

Wenn  man  von  dem  hochgelegenen 
Bahnhof  herunter  kommt,  so  gewahrt  man 
alsbald  den  bereits  fertig  gestellten  Teil 
der  in  modernem  Geiste  entworfenen  und 
für  die  modernen  Bedürfnisse  berechneten 
Neubauten,  Verwaltungsgebäude  und  Bade- 
häuser, welche  sich  mit  den  noch  der  Aus- 
führung harrenden  Teilen  beiderseits  an 
Säulenhallen  anschließen,  die  um  den  Sprudel 
gelagert  sind,  aber  den  1  lurdihlick  nach 
dem  Park   freilassen. 


Nach  der  Vollendung  des  Ganzen  wird  sich 
in  Verbindung  mit  den  zwischen  den  Bauten 
geplanten  Schmuckhöfen  und  Schmuck- 
gärten und  dem  Grün  des  Parkes  im  Hinter- 
grunde ein  Bild  von  großer  Schönheit  er- 
geben. Eine  ähnliche  Anlage,  allerdings 
entsprechend  den  damaligen  Bedürfnissen 
von  bescheidenerem  Umfang,  ist  vor  50  Jahren 
iiereits  nach  der  oben  erwähnten  ersten 
Bleistiftskizze  H.  Siesmayers  vorgesehen 
gewesen.  An  ihrer  Stelle  wurde  dann  aber 
ein  den  Blick  versperrendes,  zur  Achse 
der  Bahnhofsallee  quer  gelagertes  Gebäude 
errichtet,  das  jetzt  den  Neubauten  Platz  ge- 
macht hat. 

Hat  man  diese  Gebäudegruppen  iiinter 
sich,  so  betritt  man  den  eigentlichen  Park 
und  gelangt,  den  Usabach  überschreitend 
und  dem  Promenadenweg  geradeaus  folgend, 
lu  laugsamer  Steigung  zu  dem  Kurhause 
mit  seinen  geräumigen  Terrassenanlagon. 
.\uf  dem  Wege  dahin  bieten  sich  rechts 
und  links  eindrucksvolle  Parkbilder  von  großer  Schön- 
heit. Nirgends  wird  der  Eindruck  durch  kleinliches 
Beiwerk  gestört,  in  ruhiger  Schönheit  wachsen  die  Baum- 
gruppen majestätisch  aus  dem  Rasen  empor,  bald  ihre 
schön  gebauten  Kronen  frei  über  den  Stämmen  tragend. 
bald  durch  malerischen  .\stbehang  bis  zum  Boden  geziert. 
L>er  .Mann,  welcher  vor  fünfzig  Jahren  in  Voraus- 
berechnung der  uns  heute  erfreuenden  schönen  Bilder  die 
jungen  Pflänzlinge  an  ihre  Plätze  gesetzt,  wo  heute  die 
prächtigen  Bäume  stehen,  der  in  jahrzehntelanger,  ziel- 
bewußter Pflege  gesorgt  hat,  daß  diese  Bäume  im  ein- 
zelnen und  in  ihrer  Wechselwirkung  zueinander  sich  so 
entwickelt  haben,  wie  wir  sie  heute  sehen,  der  hat  nicht 
in    sklavischer  Nachahniuns:    irgend    eine    Natur- 


Ljm. 


Aus  den  Nauheiniei-  Kuiaulasen :  Das  Kurliaus  mit  der  neuen  Terrasse. 


114 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  6 


scenerie  nachgemacht,  sondern  er  hat  Bilder,  die 
seiner  schöpferischen  Künstlerphantasie  vorge- 
schwebt haben,  frei  in  die  Wirljlichlieit  übertragen. 
Gegenüber  denjenigen,  welche  heut  fortgesetzt  über  die  Land- 
schaftsgärtnerei als  unlvünstlerisehen  Naturalismus  losziehen, 
werfe  ich  hier  die 
Frage  auf:  War  die 
Betätigung  die- 
ses Mannes  an 
djiesem  Platze 
kein  künstleri- 
sches Schaffen-' 
Wendet  man  sich 
von  der  Kurhaus- 
terrasse, die  eine 
durchgreifendeNeu- 
gestaltung  und  l'm- 
rahmung  in  moder- 
nen Architekturfor- 
men erhalten  hat, 
oder  auch  schon 
unten  im  Tale  dem 
Laufe  der  L'sa  ent- 
gegen nördlich,  so 
gelangt  man  zu- 
nächst an  den  idyl- 
lisch gelegenen 
kleinen,  und  wenige 
Schritte  weiter  zu 
dem  großenTeich.Er 
hat  eine  Länge  von 
ungefähr  500  Meter 
bei  einer  mittleren 
Breite  von  ungefähr 
150  Meter.  Der  an 
seinen  l'fern  ent- 
lang führende  Pro- 
menadenweg istfast 
1400  Meter  lang. 
Diesen  Teich  möchte 
ich  heute,  wo  es 
fast  zum  guten  Ton 
gehört,  über  jedes 
nicht  in  architek- 
tonische Steinum- 
rahmung gefaßte 
Wasserbecken  unter 
Anspielung  auf  den 
Vierwaldstätter  See 
zu  witzeln,  als  das 

Musterbeispiel  einer  landschaftlichen  Teichanlage 
bezeichnen.  Ruhe  und  Großzügigkeit  geben  auch  hierwieder 
den  Charakter.  Der  Teich  bestand  schon  hei  Schaffung 
des  Nauheimer  Kurparkes  als  Stauweiher  für  weiter  unter- 
halb gelegene  Betriebe.  Siesmayer  muß  die  Art,  wie  er 
ihn  in  die  Anlage  einljezDgon  hat,  als  Verdienst  ange- 
rechnet werden,  namentlich  auch,  weil  er  der  nahe- 
liegenden Versuchung  widerstanden  hat,  seine  Ufer  durch 


Aus  den  Nauheimer  Kuranlagen:  Paikbi 


unmotivierte  Vorsprünge  und  Einbuchtungen  umzugestalten 
und  mit  dem  üblichen  Kranz  von  Trauerweiden  u.  dgl. 
zu  bepflanzen.  Auf  der  ganzen  Länge  seiner  Ufer  treffen 
wir  fast  nichts  an  als  Weiden.  Erlen  und  einige  Ahorn, 
Eschen  und  Eichen.     Alte    Kopfweiden,  auch  etwas  Erlen 

bestanden  schon 
früher,  und  der  Be- 
stand ist  nur,  so- 
weit erforderlich,  er- 
gänzt worden.  Bis 
auf  den  Wasser- 
spiegel senken  sie 
ihre  Zweige  herab 
und  geben  ihm 
einen  höchst  stim- 
mungsvollen Rah- 
men. Von  Vorteil 
ist,  daß  nur  an  be- 
stimmten Stellen 
diese  Uferbepflan- 
zung  den  Blick 
über  die  W^asser- 
fläche  freigibt.  Zwei 
in  der  Mitte  des 
Sees  befindliche, 
gar  nicht  lehrbuch- 
mäßig angeordnete, 
aber  für  die  Bild- 
wirkuiig  sehrglück- 
lich gelegene  Inseln 
mit  der  gleichen 
Bepflanzung  unter- 
bi'echen  die  Wasser- 
fläche vorteilhaft, 
und  zur  Belobung 
der  Bilder  trägt  das 
am  westlichen  Ufer 
gelegene  Teichhaus 
nicht  unwesent- 
lich bei. 

Ich  habe  mit 
dieser  skizzenhaf- 
ten Schilderung 
einiger  wesent- 

licher Punkte  die 
Schönheit  des  Nau- 
heimer Kurparkes 
nicht  erschöpft,  auf 
Schritt  und  Ti-itt 
bieten  sich  dem 
reizvolle  Bilder,  sei  es.  daß  man  am  Ufer 
der  L'sa  entlang  wandelt,  sei  es,  daß  man  die  hrdier  ge- 
legenen Teile  des  Parkes  durchstreift.  Maßvolle  Be- 
schränkung in  der  Anwendung  der  zu  Gebote  stehenden 
Mittel  bildet  überall  den  Grundzug  und  ist  die  Ursache, 
weshalb  der  Park  heut  in  seinei-  VulhMidung  einen  so  an- 
heimelnden Eindruck  erweckt. 

Die  Stadt  Nauheim   hat  den  Schöpfer  ihros   Kurjiarks 


Auge 


IX.  (i 


DIE  GARTENKUISST 


115 


n  Anliotracht  seiner  genialen  Leistungen  bei  Anlage  und      sohiedener,  aber    immer  ein  schöner    und  starker  und  or- 


Unterhaltung  des  städtischen  Parkes  wie  auch  seiner  Ver- 
dienste und  Bemühungen  um  die  Verschönerung  der  Um- 
gebung unserer  Stadt''  —  wie  es  in  der  vom  19.  Oktober 
1871  datierton  Urkunde  heißt,  durch  Verleihung  des 
Ehrenbürgerrechts  geehrt:  seit  1872  führte  er  den  Titel 
eines  groliherzogl.  hessisischen  Garteningenieurs.  Das 
sind  wohlverdiente  Ehrungen,  aber  sie  sind  äuüerlich.     Un- 


hebender  sein. 

Dem  kann  sich  auch  der  Verfasser  eines  mir  vor- 
liegenden Führers  durch  die  Park-  und  Waldanlagen  von 
Bad  Nauheim*)  augenscheinlich  nicht  entziehen,  denn 
er  schreibt: 

„Still  und  langsam  lassen  die  herrlichen  Gruppen 
des    alten    Parkes    über    die    breiten    Wiesenflächen    ihre 


Aus  den  Nauheimer  Kuranlagen:  Am  kleinen  Teiche. 


gleich  höher  anzuschlagen  sind  die  Gefühle  dos  Dankes 
und  der  Anerkennung,  welche  in  einem  jeden  für  die 
Stimmungswerte  solcher  schönen  Parklandschaften  empfäng- 
lichen Gemüte  —  oft  unbewußt  - —  beim  Durchwandern 
ausgelöst  werden.  Nicht  nur  jetzt,  wo  der  Park  in 
frisches  Maiengrün  gekleidet  ist,  nicht  minder  im  Herbst, 
wenn  die  Farben  der  Belaubung  in  Scharlach  und  Gelb 
aufleuchten  und  durch  das  ernste  Schwarzgrün  der  Nadel- 
hölzer gehoben  werden,  oder  im  Winter,  wenn  der  Schnee 
Boden  und  Gezweig  bedeckt,  bei  hellem  Sonnenschein  und  an 
ernsten     Regentagen,     —    der     Eindruck    wird    ein    ver- 


Schatten dahin  ziehen  und  bilden  so  im  Verein  mit  den 
Lichtreflexen  des  heiteren  Sonnenhimmeis  eine  seltsam 
anheimelnde  Stätte  inmitten  des  Weltbadgetriebes  und 
trotz  des  Sprachengewirres  eines  sich  untereinander 
fremden,  aus  aller  Herrn  Länder  zusammengeströmten 
Publikums.  —  Draußen  vom  großen  Teiche  her  weht 
bald  die  kühlende  Abendbrise,  fährt    säuselnd    durch    die 


*)  Die  Park-  und  Waldanlagen  in  Bad  Nauheim  nebst 
einigen  Ausflügen  in  die  Umgebung  des  Bades.  Vom  Großh. 
Forstassessor  Dr.  Weber  zu  Bad  Nauheim.  Nauheim  1906,  im 
Selbstverlag  des  Verfassers. 


IIG 


DIE  GARTENKUNST 


IS,  ö 


Aus  den  Nauheimer  Kuranlaaren     Am   aroßen  Teiclie. 


Blätter  und  Baumkronen  und 
weckt  mich  aus  dem  Traume, 
dem  ich  auf  einem  jener  lau- 
sehigen  Ruheplätze  verfallen  war. 
Ich  gedachte  still  und  mit  Be- 
wunderung des  genialen  Schöp- 
fers dieses  irdischen  Paradieses, 
Heinrich  Siesmayers." 

„Heinrich  Siesmayer,  dessen 
Sühne  noch  heute  die  Unter- 
haltung und  Pflege  ihrer  väter- 
lichen Schöpfung  besorgen,  hat 
in  den  Jahren  1857  und  1858 
mit  seltenem  Geschick  und  unter 
intelligenter  Ausnutzung  des  ge- 
gebenen Terrains  und  der  vor- 
handenen Wasserfläche  jenes 
Idyll  zwischen  den  jetzigen 
Villen  und  fast  inmitten  der 
Ji'tzigen  Stadt  begründet,  das 
heute  von  uns  mit  berechtigtem 
Stolz  als  einzigartig  bezeichnet 
werden  darf." 

,,Kein  Wunder,  wenn  unter 
diesen  Umständen  meiner  Feder 
Worte  des  Dankes  und  der 
Anerkennung  entfließen,  und 
wenn  derjenige,  dessen  Obhut 
unser  Kleinod  anvertraut  ist,*) 
das  Bedürfnis  fühlt,  jenem 
Manne  hier  ein  bescheidenes 
L>onkmal  zu  setzen,  dessen  Name 
mit  demjenigen  Nauheims  für 
alle  Zeiten  eng  verknüpft  bleiben 
wird." 

Wir  nehmen  gerne  Kenntnis 
von  diesem,  einem  hervorragen- 
den Vertreter  unseres  Berufs  ge- 
widmeten anerkennenden  Worte, 
wüi'den  es  aber  mit  viel  größerer 
Freude  begrü  ßen,  wenn  die  T  a  t  e  n , 
welche  man  außerhalb  des 
alten  Parkes  aut  Nauheimer 
Gebiet  seit  dem  Jahre  1897  ver- 
i'ichtet.  etwas  mehr  von  dem  Geiste 
des  vom  Verfasser  jener  Zeilen 
so  hochgeschätzton  alten  Meisters 
Siesniayer  verspüren  lielieu, 
als  es  in  Wirklichkeit  der  Fall 
ist.  Darüber  wollen  wir  uns  bei 
nächster  Gelegenheit  in  einem 
licsdudcren  Aufsätze  iintei'haltiMi. 

^)  Nämlich  der  Verfasser  dos 
l'iihrers,  Kurstassessor  Weber. 


Aus  den  Nauheimer  KuianlaHen:  .-\m  großen  Teiche. 


IX,  (i 


DIE  GARTENKUNST 


117 


Heimatschutz  und  Landesverschönerung. 
(Gesetzentwurf  gegen  die  \'eninst;iltniig  v(»ii  (irtseliafteu  und  landseliaftlieli  hervorragenden  Gegenden. 

Arthur  Glogau,  Hannover. 

In  dem  Märzheft  unserer  Zeitschrift  habe  ich  Ivurz  auf  dann  mündlJcii  und  schriftlich  weiter  vorhandelt  ist.  liabcn 
die  Beratung  des  Gesetzes  hingewiesen  und  die  Forderung,  das  ihrige  dazu  IxMgetragen.  unserer  Eingabe  Nachdruck 
daß  unsere  Gesellschaft  bei  dieser  Gesetzgebung  mit  tätig      zu    verleihen.     Insbesondere    verfehle    ich    nicht,   auch  an 


Aus  den  Nauheimer  Kuranlaaen:  Parkbild. 


sei,  aufgestellt.  Der  Vorstand  hat  sofort  die  erforderlichen 
Schritte  getan,  um  seine  Vorschläge  an  maßgebender  Stelle 
zur  Geltung  zu  bringen.  Zunächst  wurden  Verhandlungen 
gepflogen  mit  dem  Vorstande  des  Bundes  Heimatschutz,  um 
möglichst  ein  Zusammengehen  der  beiden  Gesellschaften  zu 
erreichen.  Wir  haben  uns  später  den  Vorschlägen  des 
Herrn  Prof.  Schultze-Naumburg  angeschlossen,  der 
uns  den  Rat  gab.  eine  besondere  Eingabe  mit  unseren 
Wünschen  an  das  Abgeordnetenhaus  zu  richten-  Die  maß- 
gebenden   Herren    des    Bundes    Heimatschutz,    mit    denen 


dieser  Stelle  Herrn  Prof.  Dr.  Conwentz,  dem  Vorstand 
der  staatlichen  Stelle  für  Naturdenkmalpflege,  verbind- 
lichsten Dank  auszusprechen  für  seine  Unterstützung.  Die 
außerordentlich  anerkennenden  Worte  des  Herrn  Abge- 
ordneten Münsterberg  sind  wohl  auf  die  freundliche 
Fürsprache  des  Herrn  Prof.  Dr.  Conwentz  zurückzu- 
führen. Ebenso  darf  ich  nicht  unterlassen,  dem  Vorstande 
des  Bundes  Heimatschulz  für  die  tatkräftige  Hilfe  unseren 
Dank  auszusprechen,  wie  auch  Herrn  Prof.  Schultze- 
Naumburg  für  die  liebenswürdige  Erlaubnis,  die  Eingabe 


118 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  6 


des  Bundes  Heimatschutz  an  dieser  Stelle  veröffentlichen  zu 
dürfen. 

Und  nun  das  Resultat  unserer  Bemühungen.  Die 
gesetzgebende  Körperschaft  hat  nicht  allein 
unsere  Eingabe  wohlwollend  besprochen,  sondern 
sie  ist  in  einigen  Punkten  und  gerade  in  den  für 
uns  wichtigen  Punliten  auf  d  ie  Gesetzgebung  niaU- 
gebend  gewesen.  Die  12.  Kommission  des  Abgeordneten- 
hauses, welcher  die  Beratung  über  den  Gesetzentwurf  zu- 
gewiesen   wurde,    hat    dem    Abgeordnetenhause    folgende 

Anträge  unterbreitet: 

1.  dem  Gesetzentwurf  gegen  die  Verunstaltung 
von  Ortschaften  und  landschaftlich  hervor- 
ragenden Gegenden,  Drucksache  No.  9.  in  der 
aus  der  Zusammenstellung  ersichtlichen  Fassung  der 
Kommissionsbeschlüsse  die  verfassungsmätiige 
Zustimmung  zu  erteilen: 

2.  nachstehende  Resolutionen  anzunehmen:  a)  die  König- 
liche Staatsregierung  zu  ersuchen,  die  zur  Ausführung 
des  vorliegenden  Gesetzes  berufenen  Behörden  dabin 
mit  Weisung  zu  versehen,  1.  daß  sie  bei  Durch- 
führung des  Gesetzes  enge  Fühlung  mit 
Sachverständigen  nehmen  und  insbesondere, 
insoweit  es  sich  um  die  Verwirklichung 
höherer  ästhetischer  Ziele  handelt,  Ver- 
treter der  Künstlerschaft  beteiligen,  2.  dal.i 
in  allen  Fällen,  in  denen  auf  Grund  des  Gesetzes 
behördliche  Eingriffe  notwendig  werden,  auf  die  da- 
durch dem  Einzelnen  entstehenden  Kosten  und  Nach- 
teile schonende  Rücksicht  genommen  werde  und 
insbesondere  die  in  baulicher  Hinsicht  zu  stellenden 
Anforderungen  regelmäßig  so  bestimmt  werden,  daß 
sie  ohne  erhebliche  Vermehrung  der  Baukosten  ver- 
wirklicht werden  können;  b)  die  Königliche 
Staats  regi  erung  um  möglichst  baldige  Vor- 
lage des  in  Aussicht  gestellten  E)enkmals- 
schutzgesetzes  zu  ersuchen; 

3.  die  zu  dem  Gesetzentwurf  eingegangenen  Petitionen 
durch  die  Beschlußfassung  zu  1  für  erledigt  zu  er- 
klären. 

Es  würde  zu  weit  gehen,  wenn  ich  hier  ausführlich 
die  Verhandlungen  im  Abgeordnetenhaus  besprechen  würde, 
da  der  stenographische  Bericht,  den  wir  der  Liebens- 
würdigkeit des  Landtagsabgeordneten  für  Hannover,  Herrn 
Senator  Fink,  verdanken,  mehr  als  100  Druckseiten  um- 
faßt. Ich  muß  mich  daher  auf  die  Beratung  der  für  uns 
wichtigen  Fragen  bezüglich  der  Zuziehung  von  Sachver- 
ständigen beschränken.  Bei  der  Beratung  des  §  2,  bei 
welcher  Gelegenheit  auch  noch  andere  Paragraphen  beraten 
wurden,  sprach  der  Herr  Abgeordnete  Münslerberg  folgende 
Worte,  die  auf  unsere  Eingabe  Bezug  nahmen: 

„Meine  Herren,  der  §  3  baut  sich  als  solcher  auf  auf 
die  .Mitwirkung  von  Sachverständigen  und  ich  bin  der 
Meinung,  daß  es  sehr  wesentlich  darauf  ankommen  wird. 
wie  diese  Sachverständigenkommissionen  zusammengesetzt 
sein  werden,  ob  sie  im  höchsten  Sinne  Gutes  und  Nütz- 
liches leisten  werden,  oder  ob  ihre  Wirkung  eine  ganz 
einseitig    ästhetische   und  darum  unter  allen  Um- 


ständen schädliche  sein  würde.  Gerade  weil  die 
Anhörung  von  Sachverständigen  obligatorisch 
gemacht  worden  ist,  halte  ich  ihre  Zusammen- 
setzung für  eine  überaus  wichtige  Sache.  Nun 
haben  wir  in  der  Kommission  uns  gefragt:  wie  sollen  die 
Sachverständigen  zusammengesetzt  werden?  Es  war  erst 
eine  Strömung  dafür:  man  solle  das  im  Gesetz  selbst  fest- 
setzen, um  eben  Einseitigkeiten  und  Übertreibungen  vor- 
zubeugen. Wir  sind  aber  schließlich  zu  der  Überzeugung 
gekommen,  daß  eine  solcheErnennungvonSachverständigen- 
kommissionen  viel  besser  von  Fall  zu  Fall  geschieht, 
daß  sie  viel  besser  in  den  Ausführungsbestimmungen  der 
Staatsregierung  geregelt  werden  könne,  weil  nur  auf  diese 
Weise  alle  diejenigen  Momente  berücksichtigt  werden 
können,  die  in  den  verschiedenen  Städten  und  verschiedenen 
Landesteilen  notwendigerweise  zu  berücksichtigen  sind. 
Damit  war  allerdings  die  Kommission  einverstanden,  daß 
der  Grundgedanke  —  und  das  ist  auch  in  der  Resolution 
zum  Ausdruck  gekommen  —  ein  richtiger  ist,  daß  unab- 
hängige Künstler  in  diese  Kommission  berufen  werden 
möchten,  Künstler,  die  nicht  nur  bloß  eingeschworen  sind 
auf  den  gotischen  und  Renaissancestil,  sondern  die  etwa 
an  der  Akademie  der  Künste  oder  sonst  an  einer  so  hervor- 
ragenden Stelle  wirken,  so  daß  man  ihnen  weiten  Blick 
zutrauen  kann,  einen  Blick,  der  sie  davor  schützt,  etwa  in 
einen  bestimmten  Stil  verliebt  zu  sein. 

Ich  halte  es  außerdem  für  ganz  beachtens- 
wert, daß  die  Deutsche  Gesellschaft  für  Gartenkunst 
ebenfalls  in  einer  Petition  gebeten  hat,  sie  zu  be- 
rücksichtigen. Eienn  es  wird  an  manchen  Drten  — 
auch  das  wird  man  natürlich  nicht  verallgemeinern  können 
—  notwendig  und  nützlich  sein,  auch  Vertreter  der  Garten- 
baukunst als  Sachverständige  heranzuziehen.  Die  Hauptsache 
ist  aber  für  mich,  daß  die  Staatsregierung  in  den  .\us- 
führungsbestimmungen  dafür  sorgt,  in  Übereinstimmung 
mit  der  Anschauung  dieses  Hauses,  daß  die  Ausschüsse  so 
zusammengesetzt  werden,  daß  in  ihnen  nicht  eine  ein- 
seitige, sei  es  ästhetische,  sei  es  historische,  sei  es  finan- 
zielle Richtung,  zur  Herrschaft  gelangt,  sondern  daß  sie 
zusammengesetzt  werden  unter  Berücksichtigung  der 
Gesamtinteressen  des  wirklichen  Lebens.  Dann 
wird  man  hoffen  dürfen,  daß,  wenn  dieser  Gesetzentwurf 
erst  in  die  Pra.xis  übergeführt  wird,  es  durch  das  Zu- 
sammenwirken von  Gemeinden,  von  Bürgerschaft  und  Sach- 
verständigenkommissionen, und,  soweit  die  Staatsbehörde 
daran  beteiligt  ist,  von  dieser  möglich  sein  wird,  den 
§  2  zu  einer  wirklich  lebensvollen  Bedeutung  zu  bringen." 

Bei  der  Beratung  des  §  5  brachte  der  Herr  Abgeordnete 
Dr.  Becker  (Siegkreis)  einen  Antrag  ein:  „Durch  die  Landes- 
polizeiordnung,  die  auch  lür  einzelne  Kreise  und  Kreisteile 
erlassen  werden  darf,  kann  für  genau  zu  bezeichnende 
landschaftlich  hervorragende  Gegenden  bestimmt  werden, 
daß  die  baupolizeiliche  Genehmigung  zur  Ausführung  von 
Bauten  und  baulichen  Änderungen  außerhalb  der  ürt- 
schaften  vorsagt  werden  kann,  wenn  durch  die  Bau- 
geslaltung  oder  das  Baumaterial  das  Landscliaftsi)ild  gröb- 
lich verunstaltet  werden  würde.  Vor  Versagung  der  Ge- 
nehmigung sind  Sachverständige  uiul  der  Gemeindevorstand 


TX,  6 


DIE  GARTENKUNST 


119 


(usw.  wie  in  den  Kommissionsbeschlüssen),"  bei  dessen 
Begründung  folgender  Passus  für  uns  von  Bedeutung  ist: 
Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  dem  Herrn  Minister 
warm  ans  Herz  legen,  bei  seinen  .Vusführungsbestimmungen 
noch  darauf  Rücksicht  zu  nehmen,  dati  er  den  Kreis  der 
Sachver.ständigen  nicht  zu  eng  nimmt,  dalj  er  namentlich 
auch  Kunstsachverständige  heranzieht.  Ich  ver- 
weise da  auf  eine  Eingabe  der  Deutschon  Gesell- 
schaft für  Gartenkunst,  die  gerade  bezüglich  des 
§  5  auch  tüchtige  ästhetisch  gebildete  Land  seh  afts- 
gärtner  in  geeigneten  Fällen  empfiehlt.  Meine 
Herren,  jede  von  ästhetischen  Rücksichten  geleitete  Schutz- 
maßnahme bedeutet  zugleich  einen  Eingriff  in  die  Rechts- 
sphäre des  Besitzers.  In  unserer  materialistischen  Zeit 
haben  wir  allen  Anlaü,  ideale  Gesichtspunkte  und  ästhe- 
tische Rücksichten  nicht  zu  sehr  zurückdrängen  zu  lassen. 
Die  wirtschaftlichen  Interessen  stehen  ja  so  wie  so  schon 
sehr  im  Vordergrund,  und  icli  bedauere  außerordentlich, 
was  auch  schon  vorgestern  hier  ausgesprochen  worden 
ist,  daß  bei  der  Wichtigkeit  des  Gesetzes  in  der  ganzen 
Kommissionsberatung  auch  nicht  ein  einziger  von  den 
Herren  Ministern  zugegen  gewesen  ist,  weder  der  beteiligte 
Herr  Minister  des  Innern,  den  wir  erfreulicherweise  nun 
heute  hier  sehen,  noch  der  Kultusminister,  noch  der 
Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  und  der  Minister  für 
Landwirtschaft  und  E)omänen,  der  doch  auch  gerade  an 
diesen  landschaftlich  schönen  Gegenden  interessiert  ist. 

Der  Antrag  der  Kommission,  dem  Gesetzentwurf  die 
Zustimmung  zu  geben,  wurde  dann  mit  den  Resolutionen 
zu  den  Ausführungsbestimmungen  angenommen. 

Im  Anschluß  hieran  veröffentliche  ich  dann  mit  der 
gütigen  Erlaubnis  des  Herrn  Prof.  Schul  tzo-Nau  m- 
buig  die  Eingabe  des  Bundes  Heimatschutz  und  diejenige 
der  L)eutschen  Gesellschaft  für  Gartonkunst. 

Möge  diesem  schönen  Erfolg,  den  wir  in  dieser  Präge 
gehabt  haben,  weitere  Arbeitsfreudigkeit  folgen,  Eienn  es 
gibt  noch  viel  auf  dem  Gebiete  Heimatschutz  und  Landes- 
verschönerung zu  tun.  l'nd  mögen  auch  die  bisher  Fern- 
stehenden und  diejenigen,  die  den  Förderern  der  Frage  in 
unserer  Gesellschalt  übertriebenen  Idealismus  vorgeworfen 
haben,  erkennen,  von  wie  großer  Bedeutung  in  kultureller 
Beziehung  die  Behandlung  derartiger  Fragen  ist. 


Eingabe  des  Bundes  Heimatschutz 
betreffend    den  gesetzliehen  Schutz  der  Landschaft  und 
der  aufserhalb   der  geschlossenen  Ortschaften  liegenden 
Bauwerke     vor    Verunstaltungen    durch    störende    Bau- 
ausführungen. 

Dem   hohen  Hause  der  ADgeordneteii  zu  Händen  der 
12.  Kommission 
gestattet  sich  der  Unterzeichnete  im  Xamen  des  Bundes  Heimat- 
schutz ehrerbietigst  die  Bitte  zu  unterbreiten; 

Das  hohe  Haus  möge  in  dem  ihm  vorliegenden  Gesetz- 
entwurf gegen  die  Verunstaltung  von  Ortschaften  usw. 
auch  Bestimmungen  aufnehmen,  die  einen  Schutz  land- 
schaftlicher Schönheiten  und  auch  einzelner  Bauwerke 
außerhalb  der  geschlossenen  Ortschaften  ermöglichen. 
Der  Bund  Heimatschutz  ist  mit  großem  Interesse  den  Ver- 
handlungen   gefolgt,    die    im    hohen   Hause    der  Abgeordneten 


bisher  über  den  Gesetzentwurf  gepflogen  wurden,  welcher  für 
Preiiücn  einen  Teil  der  Bestrebungen  des  Bundes  verwirklichen 
soll.  Wir  haben  mit  Freuden  festgestellt,  dal!  unsere  An- 
sichten an  maßgebender  Stelle  solche  Zustimmung  gefunden 
haben,  in.sbesondere,  daß  die  Notwendigkeit  eines  Schutzes  der 
geschlossenen  Ortschaften  so  allgemein  anerkannt  wird. 

Aber  ein  Gesetz  lediglich  zum  Schutz  der  geschlossenen 
Ortschaften  wäre  doch  nur  eine  halbe  Maßregel:  Deshalb  ge- 
stattet sich  der  Bund  Heimatschutz  hiermit  auch  zugunsten 
eines  Schutzes  der  vereinzelten  Bauwerke  und  der  Landschaft 
noch  ausdrücklich  vorstellig  zu  werden. 

Mag  diejetzige  Fassung  des  Gesetzentwurfes  noch  in  mancher 
Hinsicht  Mängel  aufweisen,  das  ist  sicher,  daß  ihm  für  die 
deutsche  Kulturgeschichte  hohe  Bedeutung  zukommt.  Ist  er 
doch  aus  einem  wahrhaft  fortschrittlichen  und  sozialem  Geiste 
entstanden:  aus  der  Erkenntnis,  daß  die  Kultur  unseres  ganzen 
Volkes  darunter  leiden  muß,  wenn  die  natürliche  und  ge- 
schichtlich gewordene  Eigenart  unserer  Heimat  ohne  weiteres 
zerstört  werden  darf.  So  gewiß  wie  es  Zeiten  gegeben  hat, 
in  denen  die  Deutschen  es  nicht  verstanden,  die  nötige 
materielle  Stärke  im  Innern  und  nach  außen  sich  zu  erwerben, 
so  gewiß  müssen  wir  uns  jetzt  davor  hüten,  die  Segnungen 
der  materiellen  Wohlfahrt  zu  überschätzen.  Konnte  doch  jetzt 
schon  ein  Schriftsteller  gerade  im  Hinblick  auf  die  Zerstörung 
des  deutschen  Landes  schreiben:  .Die  Menschheit  hat  sich 
verlaufen.  Sie  ist  in  den  Wald  der  technischen  Fortschritte 
geraten.  Eigentlich  wollte  sie  in  ein  Land  gelangen,  wo  man 
glücklicher,  froher,  freundlicher  werden  konnte."  Die  wirt- 
schaftliche Wohlfahrt  ist  doch  nicht  Selbstzweck,  sondern  nur 
die  Grundlage  zur  Erreichung  aller  höheren  Lebenszwecke  und 
Ziele,  „Wozu  alle  Steigerungen  des  Reichtums,  wenn  mit  der 
Zerstörung  idealer  Güter  die  Möglichkeit  zu  verfeinertem 
Lebensgenuß  immer  mehr  genommen  wird?"  Wir  erhalten 
kein  Gut  umsonst,  für  das  eine  müssen  wir  immer  ein  anderes 
geben:  deshalb  tut  es  not  stets  abzuwägen,  ob  das  Gut,  das 
wir  opfern  wollen,  nicht  wertvoller  ist,  als  das,  was  wir  dafür 
eintauschen  werden.  Nur  ein  Mittelweg  kann  zum  Segen 
führen. 

Wir  haben  in  Deutschland  und  gerade  in  Preußen  schon 
eine  ganze  Reihe  von  Gesetzen  und  staatlichen  Maßnahmen, 
die  einen  Ausgleich  zwischen  den  Interessen  an  der  Erhaltung 
der  Eigenart  unserer  Heimat  und  den  widerstrebendan  gewähr- 
leisten. Es  sei  nur  an  die  Konservatoren  für  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler erinnert,  an  die  neugegründete  staatliche  Stelle  für 
Naturdenkmalpflege,  an  die  Vogelschutzgesetze  usw.  Und  in 
dem  Kreise  dieser  mannigfachen  Maßnahmen  wird  der  jetzt 
vorliegende  Gesetzentwurf  für  Preußen  besonders  fühlbare 
Lücken  füllen.  Welche  Verunstaltungen  haben  Bauausführungen 
schon  unserem  Lande  gebracht. 

Es  wäre  nicht  recht,  wenn  man  den  Schutz  gegen  splche 
Verunstaltungen  nur  geschlossenen  Ortschaften  geben  wollte: 
sind  vor  ihr  vereinzelte  Bauten  und  die  landschaftliche  Schönheit 
sicherer?  Oder  hat  die  Allgemeinheit  ein  minder  dringendes 
Interesse  daran,  daß  auch  diese  letzteren  beiden  vor  Verun- 
glimpfung geschützt  sind,  daß  z.  B.  nicht  am  Heidelberger 
Schloß  Hotelkästen  und  ausgerechnet  gerade  an  der  Porta 
Westfalica  Fabriken  entstehen?  Man  kann  u.  E.  konsequenter- 
weise nicht  betonen,  ein  Schutz  der  Ortschaften  vor  baulichen 
Verunstaltungen  sei  nötig  und  im  Interesse  der  Allgemeinheit 
zulässig  und  zu  gleicher  Zeit  behaupten,  daß  beide  Fragen  für 
den  Schutz  einzelner  Bauten  und  der  Landschaft  zu  verneinen 
seien. 

Tatsächlich  gibt  man  ja  auch  wohl  zu,  daß  auch  für  diese 
ein  Schutz  an  und  für  sich  angebracht  sei,  aber  die  Zulässigkeit 


120 


DIE  GARTENKUNST 


TX,  (> 


glaubt  man  verneineo  zu  müssen.  Man  beruft  sich  auf  die 
verfassungsgemäß  gewährte  UnverletzHchkeit  des  Eigentums. 
Dem  möchten  wir  entgegenhalten,  dal.)  das  Eigentum  im 
Interesse  der  Allgemeinheit  gar  manchen  Beschränkungen 
unterworfen  ist.  Wir  wollen  nur  auf  einige  Beispiele  hin- 
weisen: Man  nimmt  als  selbstverständlich  hin,  dal.!  der  Eigentümer 
von  Tieren  nicht  Tierquälerei  treiben  darf,  daß  er  bei  an- 
steckenden Tierkrankheiten  zu  Vorsichtsmaßregeln  gezwungen 
ist.  Ganz  besonders  aber  ist  das  Grundeigentum  vielfach  be- 
schränkt: z.  B.  durch  Bergrecht,  Wasserrecht,  Jagdrecht,  durch 
militärische  Hücksichten.  Und  einen  besonders  starken  Ein- 
griff erhalten  die  Gesetze  über  Seperation  (Verkoppelung);  da 
wird  auf  Antrag  eines  Teiles  der  Grundbesitzer,  in  manchen 
Ländern  eines  Viertels,  der  andere  Teil  gezwungen,  die  Sepe- 
ration mitzumachen,  darein  zu  willigen,  daß  die  Grundstücke 
ganz  anders  gelegt  werden,  daß  er  für  die  seiuigen  ganz  andere 
erhält  und  daß  er  obendrein  Kosten  zahlen  muß. 

Wenn  im  Interesse  der  Allgemeinheit  so  viele  Be- 
schränkungen des  Eigentums  schon  in  Geltung  sind,  muß  es 
da  wirklich  als  ein  Unrecht  erscheinen,  wenn  im  Interesse  der 
Allgemeinheit  auch  Bauausführungen  verboten  werden,  die 
einzelne  Bauten  der  Ortschaften  und  landschaftliche  Schön- 
heiten verunstalten?  Wird  damit  nicht  vielmehr  eine  Rechts- 
lage geschaffen,  wie  sie  für  einen  modernen  Staat  einzig  und 
allein  erstrebenswert  ist? 

Ehrerbietigst 

gez.  Paul  Schultze-Naumburg,  Professor, 

Vorsitzender  des  Bundes  Heimatschutz. 


Eingabe  der  Deutschen  Gesellschaft 
für    Gartenkunst   zu   dem  Gesetzentwurf  gegen  die  Ver- 
unstaltung   von    Ortschaften    und   landschaftlich  hervor- 
ragenden Gegenden. 
Dem  hohen  Hause  der  Abgeordneten   zu  Händen  der 
12.  Kommission 
gestattet    sich    der    unterzeichnete    Vorstand    im    Namen    der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst  ehrerbietigst  die  Bitte 
zu  unterbreiten: 

Das  hohe  Haus    möge   in  dem  zur  Beratung  und  Be. 
schlußfassung     vorliegenden    Gesetzentwurf    gegen     die 
Verunstaltung    von    Ortschaften    und  landschaftlich  her- 
vorragenden Gegenden  Bestimmungen  aufnehmen,  durcli 
welche    eine   künstlerisch  einwandfreie,  der  ästhetischen 
Tendenz    des    Gesetzes    nachkommende  Beurteilung  der 
gegen    Verunstaltung    zu    schützenden    Ortschaften  und 
Gegenden  gewährleistet  wird. 
Seit  Jahren  hat  die  Deutsche  Gesellschaft  für  Gartenkunst 
(früher    Verein    deutscher    Gartenkünstler)    alle    Bestrebungen 
auf    das    eifrigste    eingehend    erörtert   und  unterstützt,  die  die 
Pflege  des  Heimatschutzes  zum  Ziele  haben,    soweit  diese  auf 
die  Erhaltung  landschaftlicher  Schönheit,    historisch  wertvoller 
Schöpfungen    der    Gartenkunst    und    naturwissenschaftlich   be- 
deutungsvoller Naturgebilde  gerichtet  sind. 

Vor  kurzem  hat  der  Vorsitzende  des  Heimatschutzbundes, 
Prof.  Schultze-Naumburg,  in  seiner  Eingabe  vom  10.  März  1907 
an  die  Kommission  den  Standpunkt  dieses  Bundes  eingehend 
begründet.  Wir  schließen  uns  diesen  Ausführungen  voll  an. 
Unsere  ehrerbietige  Eingabe  soll  jedoch  den  Zweck  haben,  auf 
die  Notwendigkeit  der  sachgemäßen  Beurteilung  bei  der  Au.s- 
führung  der  Bestimmungen  des  Gesetzes  hinzuweisen  und 
derartige  Bestimmungen  in  das  Gesetz  aufzunehmen. 

Gleich  wie  dem  Maler,  Bildhauer  und  Architekten  infolge 
seiner    Schulung    und    seiner    Begabung   für  die  seiner  Kunst 


naheliegenden  Kunst-  und  Naturobjekte  eine  schärfere  Be- 
urteilungsfähigkeit zugestanden  wird,  als  dem  gebildeten 
Laien,  so  muß  anerkannt  werden,  daß  dem  geschulten,  fein 
empfindenden  Landschaftsgartenkünstler  eine  größere  Be- 
fähigung bei  der  Beurteilung  landschaftlicher  Schönheit  zuge- 
standen werden  muß,  als  demjenigen,  dem  nicht  das  Studium 
landschaftlicher  Schönheit  Lebensautgabe  ist. 

Wird  der  vorliegende  Gesetzentwurf  zum  Gesetz,  so  ist 
bei  der  Ausführung  desselben  die  Beurteilung,  was  landschaft- 
lich schön  ist,  von  größter  Bedeutung,  und  wird  in  jedem 
einzelnen  Falle  zu  prüfen  sein,  in  welcher  Weise  die  wirt- 
schaftlichen Interessen  mit  den  ästhetischen  Grundgesetzen  zu 
vereinbaren  sind.  Gerade  in  diesem  Punkte  zeigt  der  von  uns 
allgemein  mit  großer  Freude  begrül5te  Gesetzentwurf  eine 
Lücke,  die  auszufüllen  wir  für  eine  der  vornehmsten  Aufgaben 
des  Gesetzgebers  halten. 

Der  Entwurf  bezeichnet  die  Ortspolizei  als  diejenige  Be- 
hörde, die  darüber  zu  entscheiden  hat,  was  künstlerisch  schön, 
was  landschaftlich  schön,  was  überhaupt  ästhetisch  schön  ist. 
Bei  allem  schuldigen  Respekt  vor  dieser  Obrigkeit  können  wir 
es  nicht  unterlassen,  Zweifel  in  die  Zuständigkeit  dieser  Be- 
hörde in  ästhetischen  Fragen  zu  setzen.  Es  ist  möglich, 
daß  bei  vorkommenden  Fällen  die  Ortspolizei  den  Rat  des 
Fachmannes  einholen  wird,  aber  es  ist  keine  Bestimmung  vor- 
handen, die  eine  sachverständige  Begutachtung  zur  Pflicht 
macht.  Eine  derartige  Bestimmung  in  das  Gesetz  aufzu- 
nehmen, ist  der  Zweck  der  vorliegenden  elirerbietigst  über- 
reichten Eingabe. 

Wird  es  aber  der  Ortspolizei  schon  schwierig  werden, 
ohne  Sachverständigen  die  Entscheidung  bei  der  Beurteilung 
landschaftlicher  Schönheit  zu  treffen,  so  wird  dieses  noch 
schwieriger,  ja,  unmöglich  werden  bei  Entscheidungen,  die 
historisch  wertvolle  Schöpfungen  der  Kunst  betreffen.  Wohl 
bestehen  Gesetze  und  Verordnungen,  die  historische  Baudenk- 
mäler schützen;  auch  der  Schutz  von  Naturdenkmälern  ist  in 
gewissem,  vorwiegend  botanischem  Sinne  durch  die  Errichtung 
der  staatlichen  Stelle  für  Naturdenkmalpflege  gewährleistet, 
aber  den  Schutz  historischer  Gartenkunstsohöpfungen  bezweckt 
bisher  noch  kein  Gesetz,  noch  keine  Verordnung. 

Eine  große  Anzahl  hochinteressanter  Gartenschöpfungen 
befinden  sich  in  fiskalischem  und  Privatbesitz,  z.  B.  unter- 
stehen die  für  die  Geschichte  der  Kunst  bedeutsamen  Anlagen 
zu  Marienwerder  bei  Hannover  und  Abtei  Loccum  der  Kloster- 
kammer zu  Hannover.  Diese  Parks  stellen  in  Gefahr,  ihrer 
Schönheit  und  Eigenart  vollkommen  verlustig  zu  gehen,  in- 
folge des  allzu  starken  Überwiegens  der  wirtschaftlichen 
Interessen.  Es  erscheint  außerordentlich  wünschenswert,  Be- 
stimmungen in  das  Gesetz  aufzunehmen,  durch  welche  der- 
artige Kunstschöptungen  zu  schützen  sind  vor  ästhetisch  un- 
begründeter Zupflanzung  oder  Verwachsung  von  Sichten  und 
Flächen,  Abholzung  wichtiger  Pflanzungen,  Errichtung  von 
Nutz-  und  Zierbauten,  durch  welche  der  tlesamtcluirakter  ge- 
fährdet wird. 

Von  ebenso  großer  Bedeutung  ist  die  ästhetische  Be- 
wertung der  Forstbewirtschaftung. 

Immer  dringender  worden  Forderungen  laut,  die  dem  nur 
materiellen  Nutzen  ei'strebenden  Forstmann  die  Pflege  des 
Waldes  mehr  als  bisher  zur  Pflicht  machen.  Ganz  besonders 
wichtig  ist  die  Berücksichtigung  ästhetischer  Bedenken  bei 
der  Anwendung  von  Kahlschlägen.  Diese  forstwirtschaftliclie 
Betriebsform  sollte  in  solchen  Gebieten,  welche  Tausenden 
und  Abertausenden  als  Erholungsstätten  dienen,  durch  gesetz- 
liche Bestimmungen  überhaupt  verboten  werden.  Es  sei  hier 
auf    einige    Landschaften    des  Harzes,  Thüringer  Waldes,  Lau- 


IX,  Ü 


DIE  GARTENKUNST 


121 


sitzer  Gebirges  hingewiesen,  wo  durch  Kahls('hläge  geradezu 
Verunstaltungen  des  Landsohaftsbildes  entstanden  sind. 

Auch  dieses  sind  Fragen,  bei  denen  ästlietische  Gesichts- 
punkte mehr  als  bisher  berücksichtigt  werden  müssen  und  die 
Forderung  der  Beurteilung  durcli  einen  Fachmann  berechtigt 
erscheint. 

Wie  Schon  bei  der  Beratung  der  volkswirtschaftlich  be- 
deutsamen Frage  der  Errichtung  einer  Talsperre  im  Bodetal 
dem  Gutachten  zweier  unserer  Jlitglieder,  des  Gartendirektors 


Encke-Köln  und  des  verstorbenen  Gartendiroktors  Schoch- 
Magdeburg,  eine  entscheidende  Bedeutung  zuerkannt  wurde, 
so  geben  wir  der  Hoffnung  Ausdruck,  daß  bei  der  Beschluß- 
fassung über  das  Gesetz  auch  eine  Bestimmung  gefunden 
wird,  die  eine  fachmännische  Beurteilung  der  zu  schützenden 
Ortschaften,  Gegenden.  Naturobjekte,  Kunstschöpfungen  sei- 
tens erfahrener  Landschuftsgartenkünstler,  ermügliclit. 

Trip,  Glogau. 

Vorsitzender.  Schriftführer. 


Von  der  111.  Internationalen  Gartenbauausstellung  zu  Dresden:  Frühlingssymphonie  v.  l\ud.  Eoehm. 

III.  Internationale  Gartenbauaus.stellung  zn  Dresden. 


Ich  wollte  ursprünglich  nicht  nach  Dresden  gehen. 
Was  kannst  du  da  sehen V  sagte  ich  mir,  die  Dresdener 
Kulturen  kennst  du,  den  Rahmen  der  Ausstellung  auch! 
Ihre  Leitung  liegt  in  bekannten  Händen  —  also  auch  da 
ist  kaum  etwas  Neues  zu  erwarten. 

Schließlich  entschloß  ich  mich  doch,  zu  reisen;  ich 
wollte  gern  Weimar  und  seine  schiinen  alten  Anlagen 
mal  wieder  im  Frühjahrskleido  sehen;  auch  liegt 
Eisenach,  Kosen  mit  der  Rudelsburg  und  manches  andere 
am  Wege.  —  Außerdem  reizt  es  ja  immer,  bei  solchen 
Ausstellungs-  und  ähnlichen  Gelegenheiten  alte  Bekannte 
unvermutet  zu  treffen,  neue  Beziehungen  zu  knüpfen 
u.  dgl. 

So  kam  ich  also  doch  nach  Dresden  und  durch- 
wanderte   den    Ausstellungspark.     Am    sächsichen  Hause 


von  Kreis,  welches,  wie  verschiedene  andere  im  Park 
zerstreute  Bauten,  von  der  vorjährigen  Kunstgewerbe- 
ausstellung herrührt,  machte  ich  zuerst  Halt  und  klappte 
meinen  Apparat  auseinander,  um  das  vor  dem  Hause 
liegende  vertiefte  Parterre  aufzunehmen,  welches  im 
freundlichen  Sonnenschein  recht  farbenprächtig  dalag. 
Ganz  hübsch,  aber  etwas  bunt!  Ich  wanderte  weiter 
und  schenkte  den  in  schönen  Gruppen  zur  Schau  ge- 
stellten Nadelhölzern  und  sonstigen  Baumschulerzeugnissen, 
die  man  mit  Geschick  zur  Ausgestaltung  der  landschaft- 
lichen Parkbilder  verwendet  hatte,  die  gebührende  Be- 
achtung. 

Aber  was  sehe  ich  dort?!  Grüß  euch  Gott  alle  mit- 
einander! Vor  mir  entwickelte  sich  eine  ganze  Straße, 
eingerahmt   mit    den    guten    alten  Bekannten:    Pilze    aus 


122 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  0 


Von  der  III.  Internat.  Gartenbauansstellung  zu   Dresden:  Kaukasische    Landschaft. 

Ton  als  Gartensitze,  Rehe, 
Gnomen  in  allen  miiglichen 
Stellungen  und  Tätigkoiten, 
einige  mit  Schläuchen  und 
anderen  Berieselungsgeräten 
ausgerüstet,  —  dazwischen 
Sitze  und  Bänke  aus  „Natur"- 
Eichunholz,  Gartenhäuschen 
aus  weißberindeten  Birken- 
ästen und  was  dergleichen  ge- 
schmackvolle Bereicherungen 
unserer  Haus-  und  Vor- 
gärten sonst  noch  sind  Man 
sollte  meinen,  dal!  der- 
artige Sachen  doch  auf  un- 
seren Ausstellungen  nicht  mehr 
vorgelührt  werden  sollten, 
oder  wenn  es  doch  geschieht, 
weil  man  oft  die  Erträge 
aus  der  Platzmii^te  nicht 
missen  will,  dann  gehören 
sie  in  die  unvermeidliche 
„Industrieabtcilung",  zu  den 
Händlern  mit  Kartoffelschäl- 
messern u.  dgl.  Unter  keinen 
Umständen  sollten  sie  aber 
noch  mit  „Ehrenpreisen"  be- 
dacht werden,  wie  es  leider 
in    Dresden     der    Fall    war! 


Eine  Ausstellung,  wie  die 
Dresdener,  soll  doch  nicht 
nur  die  Kauflust  anregen  und 
geschäftliche  Vorteile  bringen 
—  das  mag  ja  für  den- 
jenigen, der  unter  Geldopfern 
die  Ausstellung  beschickt, 
das  wichtigste  sein  — ,  nein 
sie  soll  erzieherisch  und 
l)ildend  auf  die  weitesten 
Kreise  wirken.  Was  nutzt  es 
aller,  dali  Schultze-Naum- 
burg  u  a.  tortgosotzt  auf  diese 
üeschmucklosigkeiten  hin- 
weisen, wenn  Gartenbauaus- 
stellungen, an  deren  Spitze 
die  hervorragendsten  Fach- 
leute stehen,  solche  Sachen 
immer  wieder  zulassen  und 
sogar  prämiieren.  Aber  es 
war  eigentlich  vorwundorlich, 
daß  diese  Dingo  überhaupt  da 
waren,  denn  das  E)resdBner 
Ausstcllungsprogramm  stellte 
unter  E  Gruppe  IV,  No.  17, 
einen  \\'ettbewerb  für  Kunst- 
gegenstände, als  Statuen. 
Skulpturen,  Brunnen,  Vasen 
usw.      —      ausgenommen 


Von  der  IIL  Internat.  Gartenbauausstellung:  Aus  dorn  Japanischen  Garten. 


IX,  6 


DIE  GARTKNKUNST 


123 


'■■J     Vcin  der  III.   Internat    Gartenbauausstellung    zu  Dn-s'len:  Pergola  aus  ileni  Italien,  (iarten. 


fabrikmäßig  hergestellte 
Nachahmungen  in  Tier- 
gestalten, Gnomen  usw.  — 
und  unter  No.  18  derselben 
Gruppe  einen  Wettbewerb  für 
Gartenhäuser,  Laubengänge, 
Brücken  usw.  auf  (Zu- 
lassung nur  nach  vor- 
hergehender Einsendung 
und  Genehmigung  der 
Zeichnungen).  Das  beweist, 
daß  man  sich  des  Zieles 
bewußt  ist,  nach  dem  auf 
diesem  Sondergebiet  gestrebt 
werden  muß,  und  diese  Wett- 
bewerbsnummern sind  auch 
mit  recht  achtbaren  Leistun- 
gen beschickt  worden  — 
namentlich  was  die  Skulp- 
turen anbelangt  — ,  aber  diese 
Dinge  sind  fast  ausnahmslos 
nur  für  die  wohlhabenden 
Gartenbesitzer  erreichljar  I 
Der  Minderbemittelte  kann  sie 
sich  nicht  leisten!  Es  mußte 
hier  noch  eine  dritte  Auf- 
gabe gestellt  werden:  Garten- 
einrichtungs-  und  Schmuck- 
gegenstände    in     einfachster 


Ausstattung  und  geschmack- 
voller Form,  für  die  ILu'- 
s  teil  uns  nnii  den  Vert  rieb 
im  großen  geeignet.  Da- 
ran fehlt  es  eben.  Es  geht 
hier  gerade  wie  bei  Innen- 
einrichtungen :  Zaiilroicho 
i\iinstler  sind  tätig,  um  das 
llriiu  des  reichen  Mannes 
auszustatten  —  der  Mittel- 
stand und  die  Unbemittelten 
müssen  nach  wie  vor  mit  der 
Fabrikware  in  geschmack- 
losester Form  sich  behelfen, 
weil  sie  beim  besten  Willen 
zu  Preisen,  die  im  Verhältnis 
zu  ihren  Mitteln  stehen, 
nichts  Gediegenes  kaufen 
künnen.  So  kommen  dann 
doch  immer  noch  die  Gnomen- 
fabrikanten auf  ihre  Rechnung ! 
Das  war  der  Eindruck, 
den  ich  aus  dem  Freien 
mitnahm,  als  ich  das  Aus- 
stellungsgebäude betrat.  Zu- 
erst die  Wasserpflanzenabtei- 
lung. Leider  blute  nur  sehr 
wenig.  Die  Gesamtanord- 
nunt;    war    gnt   und  hätte  in 


Von  der  III.  Internat.  Gartenbauausstellung  zu  Dresden:  Orchideenausstellung. 


124 


DIE    GARTENKUNST 


IX,  G 


voller  Bliitenpracht  ein  prächtiges  Bild  ergeben  müssen. 
Schon  bei  dorn  Bekanntwerden  des  Dresdener  Programms 
erschien  mir  die  Veranstaltung  einer  Wasserpflanzen- 
ausstellung zu  dieser  frühen  Jahreszeit  etwas  gewagt; 
bauliche  und  sonstige  Schwierigkeiten  kamen  hinzu,  um 
die  volle  Entfaltung  der  Blüte  zu  verzögern,  und  so 
mußte  man  sich  zufrieden  geben,  wenigstens  die  hervor- 
ragende Kultur  der  Pflanzen  zur  Schau  zu  bringen. 

Aus  der  Wasserpflanzenabteilung  kam  ich  nach 
dem  Durchschreiten  einiger  Räume,  die  mich  nicht  be- 
sonders fesselten,  in  den  japanischen  Garten  und  dann  in 
rascher  Folge  durch  die  große  Eingangskuppelhalle  in 
den  italienischen  Garten  und  in  die  Kleinasiatische  Land- 
schaft. Diese  Bilder  gesehen  zu  haben,  lohnt  allein  die 
Reise  nach  Dresden.  Und  zwar  war  es  nicht  die  tadellose 
Kultur  der  angeführten  zahlreichen  Pflanzengattungen  — 
Flieder.  Rosen,  Hortensien,  Calla,  Cytisus,  Erika,  Azalien. 
Rhododendron  —  I  Man  weiß  ja,  daß  die  Dresdener  Gärtnereien 
in  zielbewußter  Arbeit  erfolgreich  ihre  Kulturen  auf  eine 
solche  Höhe  gebracht  haben,  daß  sie  „internationale" 
Ausstellungen  veranstalten  können,  zu  denen  das 
Ausland  fast  nur  noch  Preisrichter,  aber  kaum 
noch  Aussteller  schickt.  Auch  nicht  die  Fülle  der 
Farben,  die  eher  manchmal  etwas  zu  lebhaft  waren  und  in 
ihrer  Häufung  stellenweise  fast  wehe  taten.  Nein,  was  an 
den  Darbietungen  so  sehr  fesselte  —  bei  vielen  Be- 
suchern vielleicht  unljewußt  — ,  das  war  die  Art,  wie 
diese  Pflanzenschätze  vorgeführt  waren,  das  war  die 
künstlerische  Höhe,  auf  der  das  Ganze  gehalten  war. 
Das  Ausstellen  war  hier  zu  einer  Kunst  geworden  und 
als  Kunst  gehandhabt,  die  nicht  nötig  hatte,  Anleihen  auf 
verwandten  Gebieten  zu  machen,  sondern  mit  dem  von  den 
Ausstellern  dargebotenen  Material  Bilder  schuf  von 
einer  Schönheit  und  Eigenart,  daß  die  Erinnerung  denen, 
die  sich  an  ihren  Anblick  weiden  konnten,  nicht  so 
bald  schwinden  wird.  —  Durch  die  Wahl  der  Motive 
(Kaukasuslandschaft,  japanischer  Garten,  italienischer 
Renaissancegarten)  war  erreicht  worden,  daß  von  drei 
großen  nahe  beieinander  liegenden  Räumen  jeder 
trotz  des  bei  allen  ziemlich  gleichartigen  Ausstellungs- 
materials eine  ausgesprochene  charaktervolle  Eigenart 
erhielt.  Jeder  bildete  ein  in  sich  abgeschlossenes 
Kunstwerk,  bei  dem  aber  nicht,  wie  das  so  oft  auf  Aus- 
stellungen und  auch  sonst  zu  beobachten  ist,  in  auf- 
dringlicher und  gespreizter  Weise  der  Künstler  sein 
Wirken  und  seine  Absichten  fühlen  läßt,  sondern  wo  er 
sich  daran  hatte  genügen  lassen,  das  herrliche  Material  zur 
höchstmöglichen  Geltung  zu  bringen  und  selbst  bescheiden 
im  Hintergrunde  zu  bleiben.  Fast  zu  bescheiden!  Denn  die 
meisten  Besucher  aus  dem  großen  Publikum  nahmen  die  Dar- 
bietungen als  etwas  hin,  dessen  Schönheitswirkung  ledig- 
lich in  dem  vorgeführten  schönen  Pflanzenmatcrial  beruhte, 
nur  wenige  mögen  bedacht  haben,  welch  eine  gi'oßo 
Summe  künstlerischer  J.(;istungsfähigkeit  in  diesen  sn- 
genannten  „Landschaften"  steckte.  Auch  bei  den  Notaboln, 
die  sich  am  Abend  des  6.  Mai  zum  großen  Festmalil 
zusammenfanden,  war  es  nicht  anders.  In  der  langen 
Reihe  der  offiziellen  und  nichtoffiziellen  Trinksprüche  war 


neben  dem  Landeshorrn  von  allem  Möglichen  die  Rede, 
von  den  Ausstellern,  den  Preisrichtern,  den  Behörden, 
der  Presse   usw.  usw. 

Auch  von  der  „älteren  Schwester  des  Gartenbaus", 
der  Landwirtschaft,  war  reichlich  oft  die  Rede,  von  der 
anderen  Schwester,  der  Kunst,  aber  mit  keinem  Worte. 
Niemand  schien  Verständnis  dafür  zu  haben,  daß  es  sehr 
zweierlei  ist,  schöne  Pflanzen  zu  ziehen  und  aus 
Pflanzenmaterial  schöne  Bilder  aufzubauen. 

Und  doch  war  man  durch  mangelhafte  Anordnungen 
in  Nebonräumen,  die  geradezu  als  Gegenbeispiel  hätten 
dienen  können,  auf  die  Wahrnehmung  hingewiesen,  daß 
es  das  schöne  Material  allein  nicht  tut,  sondern,  (laß  noch 
etwas  mehr  dabei  sein  muß.  Und  hierin  liegt  für  mich 
die  Bedeutung  der  diesjährigen  Dresdener  Ausstellung. 

An  ihrem  Erfolg  trägt  die  künstlerische  Gesamt- 
anordnung den  wesentlichsten  Anteil,  und  wenn  Namen 
genannt  werden,  dann  muß  der  des  Königl.  Gartonbau- 
direktors M.  Bertram  an  erster  Stelle  angeführt  werden. 

Ich  habe  mich  wenig  darum  gekümmert,  wer  die 
Aussteller  der  schönen  Pflanzen  waren,  ich  habe  auch 
nicht  kritisch  die  Zucht-  und  Kulturresultate  der  einzelnen 
Einsender  gegeneinander  abgewogen,  ich  habe  mich  ledig- 
lich dem  Eindruck  der  schönen  Bililer  hingegeben  und 
habe  ihre  Farbensymphonien  auf  mich  wirken  lassen. 
Gewiß  hörte  man  öfter  Bemerkungen  wie:  das  ist  bei 
solchem  Material  kein  Kunststück I  oder:  die  Ltresdener 
kennen  ihre  Räume  und  haben  schon  mehrfach  Gelegen- 
heit gehabt,  sie  auszuproben.  L)as  mag  alles  stimmen, 
aller  das  verkleinert  in  meinen  Augen  ihre  Leistungen 
durchaus  nicht. 

Auch  kann  man  die  Frage  aufwerfen,  nb  es  über- 
haupt richtig  sei,  Ausstellungsmaterial,  wie  es  hier  ge- 
boten wurde,  zur  Gestaltung  solcher  Bilder  zu  verarbeiten, 
und  ich  nehme  mit  Sicherheit  an,  daß  sich  Stimmen  ver- 
nehmen lassen  werden,  die  es  nicht  für  richtig  und  zu- 
lässig halten.  Da  berühren  wir  aber  die  leidige  Streitfrage 
von  der  Zulässigkeit  landschaftlicher  Gartengestaltung  über- 
haupt. Wer  die  landschaftliche  Gestaltungsweise  in  der 
Gartenkunst  für  daseinsberechtigt  und  künstlerisch  mo- 
tiviert ansieht,  der  kann  auch  nichts  dagegen  einwenden,  daß 
man  gelegentlich,  wie  es  hier  geschehen  ist,  bei  vorüber- 
gehender Veranlassung  in  Innenräumen  solche  Bilder 
schafft.  „Landschaften"  waren  es  ja  im  eigentlichen  Sinne 
nicht.  L)iorama  wäre  eine  viel  richtigere  Bezeichnung  ge- 
wesen. Liem  entschiedenen  Verfechter  des  Grundsatzes 
von  der  künstlerischen  Wertlosigkeit  aller  Landschafts- 
gartenkunst mag  manches  auf  der  III.  Internationalen 
Gartenbauausstellung  ein  Greuel  gewesen  sein. 

Ich  habe  mir  aber  durch  derartige  Erwägungen  die 
Freude  an  den  Darbietungen  nicht  verdorben,  ich  habe 
mich  vielmehr  refloxionslos  dem  Eindruck  der  farben- 
prächtigen Bilder  hingegeben.  Vnn  den  drei  genannten 
Szenerien  stand  für  mein  Gefühl  der  italienische  Garten 
den  andern  gegenüber  etwas  zurück,  die  Farben  der 
Azaleen  im  Vordergrunde  waren  etwas  zu  stark  aufgetragen 
und    die  riesigen   Schauexemplare    dieser    Pflanzen  an 

und    für    sich  Kultinstücke    ersten  Ranges    —    wirkten   in 


IX,  (i 


DIE  GARTENKUNST 


125 


ihrer  Häufung  zu  massig,  während  die  Pergola,  welche  den 
Vordergrund  abschloß,  wieder  sehr  reizvoll  war. 

Die  Kaukasuslandschaft  bildete  unzweifelhaft  den 
Höhepunkt  der  Ausstellung.  Das  Bild  (S.  122)  gibt  nur 
einen  schwachen  Begriff  davon:  denn  nirgends  als  bei 
solchen  Gelegenheiten  wünscht  man  wohl,  man  könnte 
die  Farben  in  ihrer  ganzen  Pracht  auf  die  Platte  zaubern. 
Die  feinen  Kontraste  zwischen  dem  leuchtenden  Gelb  der 
gewöhnlichen  Azaleen  und  dem  Violettrot  vieler  Rho- 
dodendron, das  lebhafte  Farbenspiel  der  Rhododendron 
untereinander  waren  von  bezaubernder  Wirkung.  Dazu 
das  ernste  Grün  der  stai'ren  Kiefern  und  das  Saftgrün  des 
Rasens,  das  dämmerige  Halbdunkel  unter  den  Bäumen  und 
die  Lichteffekte.  welche  von  den  seitlieh  einfallenden 
Sonnenstrahlen  auf  der  offenen  Fläche  hervorgerufen 
wurden,  das  alles  vereinigte  sich  zu  einem  unvergel.ilichen, 
entzückend  schönen  Bild. 

Kigenai'tig  schön  war  auch  die  japanische  Landschaft: 
ein  farbensatter  Vordergrund  wurde  durch  einen  zwisclien 
Kieternstännnen  aufgebauten  Tempel  abgeschlossen,  von 
dem  aus  man  weiter  blickte  in  einen  reizvollen  Japangarten 
mit  Lilien  und  Iris  und  malerischen  Zwergbäumen. 

Auch  die  Form,  welche  man  der  (h'chideenausstelhing 
gegeben  hatte,  verdient  sehr  beachtet  zu  werden.  Ganz 
abweichend  von  der  sonstigen  Gepflogenheit,  hatte  man 
versucht,  dem  Beschauer  ein  tropisches  Urwaldbikl  vor- 
zuführen, in  welchem  der  Farben-  und  Formenreichtum 
der  Orchideen  viel  wirkungsvoller  zur  Geltung  gebracht 
wurde,  als  bei  der  anderwärts  üblichen  Xebeneinander- 
stellung.  Nur  eins  sollte  man  bei  einer  Wiederholung  be- 
achten :  Die  Pflanzen  müssen,  um  die  Gesamtwirkung  zu 
steigern,  etwas  weniger  gleichmäßig  über  den  ganzen 
Raum  verteilt,  sondern  mehr  in  Gruppen  zusammengefaüt 
werden,  in  denen  dann  auch  einzelne  Farben  besonders  vor- 
herrschen müssen.  In  der  Mittelpartie,  die  unsere  Auf- 
nahme erfaßt  hat,  war  dieses  Prinzip  auch  ziemlich  durch- 
geführt, in  den  übrigen  Teilen  herrschte  aber  eine  ziemlich 
unruhige  Stimmung,  die  auf  der  zu  gleichmäßigen  Ver- 
teilung der  Pflanzen  beruhte.  Auch  wird  es  bei  einer 
größeren  Veranstaltung  in  ähnlicher  Form  notwendig  sein, 
einige  Wege  in  die  Szenerie  hineinzuführen,  damit  man 
zu  eingehender  Betrachtung  mehr  an  die  Pflanzen  heran- 
gelangen kann. 

Es  ließe  sich  noch  manche  reizvolle  Einzelheit  aus 
dem  weiten  Gebiete  der  Ausstellung  anführen,  der  Raum, 
welchen  ich  der  Sache  widmen  kann,  verbietet  es.  Nur 
einer  Leistung  sei  noch  besonders  gedacht,  ihrer  künst- 
lerischen Eigenartigkeit  wegen.  Liie  „Frühlingssym- 
phonie" von  Rud.  Boehm,  firesden.  Unter  der  Programm- 
abteilung D.  „Allgemeine  P.indekunst"  war  eine  Reihe  von 
Aufgaben  für  Blumenschmuck-lnnenkunst  unter  Benutzung 
von  Pflanzen,  Bindereien  und  losen  Blumen  gestellt,  darunter 
No.  25  „Eine  hervorragende  L>ekoration  großen  Stiles". 
Diese  Wettbewerbsnummer,  bei  der  keinerlei  einschränkende 
Bestimmungen  der  künstlerischen  Gestaltungsfreiheit 
Schranken  setzten,  bestritt  Boehm  mit  seinen  „Frühlings- 
symphonie", von  der  ich  auf  Seite  121  eine  Aufnahme 
bringe.      Es    war    keine    „Binderei",     es    war    streng    ge- 


nommen überhaupt  keine  „Tnnenkunst".  aber  es  war  ein 
liild  viJii  bezaubernder  Schönheit  und  voller  Poesie;  die 
Preisrichter  wußten  augenscheinlich  nicht  recht,  was  sie 
mit  dem  aus  dem  althergebrachten  Rahmen  heraustretenden 
Werke  anfangen  sollten.  Nur  so  verstehe  ich  es,  daß 
dieser  Leistung  nicht  der  zu  vergebende  erste  Preis  zufiel. 
Ich  meine,  man  hätte  sich  dieser  Vorführung  gegenüber 
von  aller  zunft-  und  schulmäßigen  Auffassung  frei  machen 
und  die  künstlerische  Leistung  ausschlaggebend  sein 
lassen  müssen.  Was  Boehm  mit  dieser  „Frühlings- 
symphonie" wollte,  mag  er  selbst  sagen: 

„In  meiner  Auffassung  soll  es  ein  Hausgarten  sein, 
ein  Plätzchen,  geschaffen,  die  Illusion  zu  wecken,  daß  die 
Erde  kein  Jammertal  ist.  Zehn  Meter  lang  und  breit, 
mit  architektonischer  Wegführung,  in  der  Diagonale  des 
Vierecks  eine  Plastik,  die  ich  mir  brennend  gerne  ein- 
facher, herber,  keuscher  gewünscht  hätte.  Den  Über- 
sittliciien  war  sie  zu  nackt,  andern  zu  geschlechtlich,  zu 
trauen lial'l  für  den  Frühling,  im  übi'igen  aber  eine  an- 
erkannt tüclitige  Arl)eit.  Längs  des  Weges  eine  Reihe 
vdii  Cytisus,  um  die  Statue  Azalea  mollis,  Rhododendnm 
und  Waldfarne,  dann  Crimson  mit  Vergißmeinnicht  und 
Hortensien  in  unregelmäßiger  freier  Gi-uppierung.  Prunus- 
bäume  überschneiden  das  Gesichtsfeld  und  das  Jung- 
fräulein sitzt  im  Schatten  eines  solchen.  Ein  Prospekt, 
eine  Frühlingslandschaft  darstellend,  schließt  das  Ganze 
ab.     Soviel  vom  Materiellen. 

Die  Psyche  ist  schwerer,  wenn  überhaupt,  zu  fassen; 
Ich  kann  weder  mit  auf  Schulbänken  ersessenen  Regeln 
undGesetzen  aufwarten,  noch  möchte  ich  die  Schlagworte  der 
.Modernen  für  mich  einfangen.  Die  geistreichen  Worte 
dieses  oder  jenes  sind  fürs  Schaffen  ohnedies  unnütz, 
Kunstwerke  entstehen  meist  auf  anderm  Wege.  Ich 
möchte    trotzdem  beschreiben,    wie    mein  Objekt  entstand. 

Seit  ca.  10  Jahren  übe  ich  in  meinen  Mußestunden 
autodidaktisch  die  Malerei;  mit  welchem  Erfolge,  mag  der 
den  Raum  abschließende  Prospekt  dartun.  Das  Studium 
der  Großen  in  der  Kunst  hat  die  Erkenntnis  in  mir  reifen 
lassen,  daß  es  in  jedem  gut  komponierten  Bilde,  ganz 
gleich  welcher  Art,  ein  Zentrum  gibt,  dem  sich  alle 
farbigen  und  kompositorischen  Elemente  unterordnen 
müssen.  In  der  Gailenkunst  —  gleichgültig  ob  archi- 
tektonisch gegliedert  oder  unregelmäßig  bepflanzt  wird; 
das  ist  nebensächlich  und  fürs  Kunstwerk  ohne  Belang 
—  muß  gleichfalls  eine  Hauptidee  alles  überstrahlen  und 
sich  alles  andere  dienstbar  machen;  sie  muß  dem  Werke 
das  Gesicht  verleihen.  In  unserm  üblichen  Hausgarten 
verzettelt  sich  alles;  hier  ein  Klex  und  dort  ein  Witzchen 
ohne  Wirkung,  weil  ohne  Sinn  und  Empfinden  hingesetzt. 
.\hnliche  Erfahrungen  konnte  ich  in  meiner  Pra.\is  als 
Blumenbinder  machen. 

Beim  Skizzieren  vor  der  Natur  drängt  sich  bei  jedem 
Blatt  und  Ast,  bei  jedem  Stein  das  Gefühl  auf,  wie  zweck- 
mäßig und  folgerichtig  die  Natur  arbeitet.  In  der  Schule 
sollte  das  perspektivische  Zeichnen  dem  Planzeichnen 
übergeordnet  werden;  jenes  fördert  die  Kunst  des  Sehens 
und  setzt  voraus,  daß  der  Schaftende  seine  Bilder  im 
Geiste    plastisch    sieht,    während    das    Planzeichnen    mehr 


126 


DIE  GARTENKUSSf 


IX,  0 


mi^^. 


)•K^^ 


Fig.  !l.     Übergang  von  Pflanzung  in  TJascn. 

ein  Konstruktionsverfahren  ist  und  wenig  l)ot'ruclitend  auf 
die  Phantasie  wirlvt. 

Die  Materie  ist  zu  groü.  um  sie  in  wenigen  Zeilen 
auch  nur  annähernd  zu  erschöpfen.  Zum  Verständnis 
meiner  Friihlingssymphonie  tragen   meine  Worte  vielleicht      einen  kürzeren  Weg  als  den  vorhandenen   zu    gehen,    so 


Die  (liruiKlzü^e  der  Laiidsdiaftsj'estaltuiif!;. 

Hinweise,  wie  iiiaii  ille  iiatiirliclieii  Scliiinlieileii    vou 

Gebiiselieii     und    Waldungen    in    Hrsclicininig    treten 

lassen  kann. 

Von  J.  Forsyth  Johnson. 

(Aus   dem  Englischen    frei  übertragen    von     (i.  K. 
Schneider  und  E.  B.  Behnick.) 

(Fortsetzung.     Hierzu  Fig.  51 — 1.').) 


Wege. 

Johnson    betont    die  Notwendigkeit  solid 
gebauter    Wege,     und  vor  allem,    wie  Aviclitig 
es  ist,    sie  richtig  zuführen.     Sie    müssen  uns 
zu    allem   Schönen    hinleiten.     Die    Hauptwege 
sollton    sich     den    Konturen    des    Landes    an- 
passen,   nur    dort,    wo    es    absolut    nötig    ist. 
vertieft     oder    erhaben    verlaufen,    und     auch 
dann    sollton    sie    sich    den    Eigenheiten    der 
Gegend  anschmiegen. 
Kein    Weg    sollte    um    seiner    selbst     willen    gebaut 
werden.     Er    ist  da   um  der  Objekte    des  Bodens    willen. 
Es  ist  nicht  nötig,    daß  eine  Straße    den    kürzesten  Weg 
nehme,  es  sollte  aber  immer  unmöglich  gemacht  werden. 


etwas  bei,  die  individuelle  Auffassung  bildet  den  Schlüssel 
für  das  Verständnis:  Mir  liegt  die  Zukunft  unseres  Haus- 
gartens sehr  am  Herzen." 

Damit  möchte  ich  meinen  Bericht  über  Dresden 
schließen;  vielleicht  findet  sich  Veranlassung,  später  noch 
auf  Einzelnes  zurückzukommen.  Bemerken  will  ich  nur 
noch,  daß  ich  an  der  Wartburg  und  der  Rudelsburg  in 
aller  Eile  vorbeigefahren  bin  und  nur  ganz  flüchtig  Weimar 


dass  dieser  der  kürzeste  bleibt  und  den  Erfordernissen 
Rechnung  trägt.  Eine  Straße,  die  mehrere  Objekte  be- 
rührt, wird  natürlich  länger  sein  als  eine  solche,  die 
nur  2  —  3  Objekte  vorbindet.  Ein  richtig  geführter  Weg 
wird  aber  nie  ungünstig  wirken,  da  jede  Biegung  ihren 
Grund  hat. 

Wir    gebrauchen    einfache    Pfade,    nur    wenige    Fuß 
breit,   zum  Wandeln,   oder  Wege  für  Pferde  und  Hornvieh. 


durchstreift    habe.     Dresden    fesselte    eben  doch  mehr  als      Außerdem  breite  Fahrstraßen    und  Zufahrtswege    zu    den 
ich  angenommen  hatte.  He  icke.  großen  Gebäuden. 

. ,  Im  allgemeinen  sollen  die  Wegelinien  parallel  laufen, 

zuweilen  aber  können  sie  unterbrochen  werden 


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Fig.  10.     Allgemeine  L'mrißlinien  zur  Dar.stellung  der  Verbindimg  von  Baum- 
und  .Strauchwerk   mit  Wasser  (alles  in  natürlicher  Anpassung  an  die  Lage- 

verhidtnisse). 


durch  Einschnitte  für  Sitze,  Statuen,  (Jucllcii 
und  dgl.,  um  die  GleichförmigkiMt  zu  unter- 
brechen. 

Breite  der  Wege:  Johnson  gilit  an: 
für  Ziifahrtswege  zu  Schlössern  50  bis  selbst 
80  (engl.)  Fuß,  für  gewöhnliche  Landhäuser 
20  Fuß:  für  Fußwege  6—12  Fuß,  für  Haupt- 
fahrwege 18  Fuß,  für  einfache  Haupt  wege  12  Fuß. 

Die  Wölbung  der  Wegeflächeu  sei  nie  zu 
stark.  l)ie  Wegemitte  soll  immer  im  selben 
Xivi^au  liegen,  wie  die  Höhe  der  Rasenfläche  oder 
des  sonstigen  Grundes,  durch  den  der  Weg 
führt,  jedenfalls  diesen  nicht  überragen.  Um  das 
Wass(>r  abzuleiten,  genügt  bei  gewöhnlichen 
Fußwegen  ein  Fall  von  Va  Zoll:  1  :  (JO  ist  ge- 
nügend Gefäll  für  jeden  öffentlichen  Fahrweg. 
Ein  schlecht  gebauter  Weg  wird  immer  Löcher 
aufweisen,  und  eine  Erhöhung  dci'  Wölbung 
würde  dies  nicht  hindern.    Ein  .'50  Fuß  breiter 


Fahrweg  braucht  nicht  mehr  Gefäl 


VU  /-'• 


auf    15   Fuß.     Abflüsse  in  je  50   Fuß   Absland 


IX,  6 


DIE  GARTENKUNST 


127 


iiplimen  alles  Wasser  auf,  eho  es  sich  zu  starker  Strömune; 
ansammelt. 

Öffentliche  Zus'änge:  Zu.u'an.t;'-  uml  Mingaiin'stor 
sollten  immer  im  Einklang  mit  dem  Gliarakter  der  Anlage 
stehen.  In  große,  gut  gepflegte  Besitzungen  führen 
prächtige  Zufahrten  unter  edlen  Bäumen  zwischen  Rasen- 
flächen durch  stolze  eiserne  Tore  mit  glitzernden  ver- 
goldeten Ornamenten.  Für  Ijescheidenen  Besitz  scheint 
uns  eine  einfache  Pforte  aus  geöltem,  unil  in  Naturfarben 
gebeiztem   Holze  den  Verhältnissen  angi>messener. 

Es  ist  ein  allgemeiner  Grundsatz,  daß  für  l^ingänge 
von   öffentlichen   Straßi'ii   aus   in   eine  Besitzung    iler  beste 


Jeder  Weg  wirkt  störend,  der  sich  in  auffallender  Weise 
quer  durch  eine  Sicht  zieht.  Muß  ein  Weg  unbedingt 
eine  solche  Sicht  kreuzen,  so  ist  es  em|)f(>hlenswert.  ihn 
durch  Tii^tVrlegi'n  in  der  Rasonbahn  zu  verbergen  und  ihn, 
soweit  es  der  Blick  zuläßt,  uurcli  l'flanzung  zu  verdecken. 

(lebrocheno  Kurven. 
Johnson  betont,  daß  man  gebrochene;  Kurven  ver- 
meiden soll.  Um  die  Wege  recht  zu  führen,  beachte 
man  das  früher  Gesagte  und  besonders  die  Darstellung 
in  Fig.  S,  S.  76.  l*-he  mau  ilen  Weg  absteckt,  fixiert 
man   die   Siclil|unikti'  durch   Stiilx^  mit  F.aluirii,    uud   leitet 


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Fio;.   11.     Anssliederung  des  Randes  einer  wilden  Waldszenerie. 


Platz  an  einer  Biegung  der  Straße  ist.  Jedenfalls  soll 
man  vom  Haus  aus  das  Tor  nicht  sehen,  wohl  aber  den 
Weg  soweit  überblicken  können,  um  das  Herannahen  von 
Wagen  beobachten  zu  können. 

Zugänge  zum  Haus:  Hierfür  gelten  folgende 
3  Gesetze.  Der  erste  Ausblick  vom  Wege  sollte  das 
Haus  weder  zu  fern  noch  zu  nah  zeigen.  E)ie  erste  An- 
sicht des  Hauses  sollte  eine  perspektivische  sein.  Und 
schließlich  sollte  der  Zufahrtsweg  die  Wagen  leicht  und 
bequem,  ohne  Störung  durch  starke  Kurven  oder  Gefälle, 
hinführen  und  ein  schnelles  Vorfahren  ermriglirhen. 

Kurven.     Überschneidungen. 

Kurven:  Kein  Weg  sollte  seine  Richtung  grundlos 
wechseln.  Gründe  dafür  bieten  Land,  Bäume,  Boden- 
bewegungen und  das  Bestreben,  die  Objekte  des  Bodens 
zu  zeigen. 

Überschneidungen:  Wege  sollten  stets  mit  dem 
Fluß  dos  Bodens  laufen,  niemals  augenscheinlich  dagegen. 


danach  die  Kurve  in  natürlicher  Weise.  Alle  unnötigen 
Biegungen  und  Wendungen  sind  zu  vermeiden.  Aus 
Raummangel  ist  es  unmöglich,  Johnsons  etwas  weit- 
schweifige  Anführungen  eingehend  wiederzugeben. 

Fußwege. 

Allgemeine  Regeln:  Ist  die  weitere  Umgebung  schön, 
so    führen    wir  die  Fußwege    über  Höhen;    im   entgegen 
gesetzten  Falle    leiten    wir   sie  durch  tieferliegende  Teile, 
um    den    Ausblick    auf    die    nächste    Umgebung    zu    be- 
schränken. 

Wege  die  in  natürlichen  leichten  Kurven  auf-  und 
absteigen  in  Anpassung  an  das  Gelände  wirken  immer 
angenehm  und  gewähren  gefälligere  Abwechselung,  als 
wir  sie  etwa  durch  unnatürliche  Erdhäufungen  zwischen 
wagerecht  verlaufenden  Wegen  erzielen  können. 

Grenz  Wege. 
Wege    sollten    die    Grenzen    des    Ortes    nicht    in  Er- 
scheinung   treten    lassen.     Ein    richtig  angelegtes  (irund- 


128 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  6 


Vis.  12. 


VeEfetationsanorJnuna;  im  Innern  einer  Szenerie 


stück  soll  unbegrenzt  erscheinen.     Wohl  ist  ein  Grenzweg 
um  die  Besitzung  meist  nötig,  er  soll  aber  nie  die  Grenzen 
deutlich    zeigen.      Zentrale    Fahrwege     dienen     zur 
weiteren  Aufschließung  des  Besitzes,    man  vermeide 
aber,   den    Park    dadurch  gleichsam    in  zwei   Hälften 
zu  teilen. 

Graswege. 
Graswege  zwischen  Gebüsch  sind  bei  schönem 
Wetter  sehr  angenehm,  da  man  auf  dem  weichen 
Grase  sehr  bequem  geht.  Sie  können  aber  lediglich 
dem  Lustwandeln  dienen.  Waldwege  lassen  sich 
oft  reizend  ausgestalten  und  sind  namentlich  für 
Überschneidungen  von  Sichten  mit  Vorteil  zu  ver- 
wenden. 

Gruppierung  längs  der  Wege. 
Auf  die  Pflanzungen  längs  der  W'ege  ist  viel 
Gewicht  zu  legen.  Sie  bilden  den  Vordergrund  der 
Szenerien,  an  die  sie  sich  anschliossen  und  als  deren 
Teile  sie  sich  darstellen  müssen.  Sind  es  einzelne 
Pflanzen,  so  müssen  sie  als  Ausläufer  des  Szenen- 
bildes wirken.  Blutenpflanzen,  die  zum  Charakter  der 
Szenerie  passen,    sollen  in  Menge  da  sein. 


Keinesfalls  dürfen  aber  die  Pflanzungen 
längs  der  Wege  als  eine  Art  Einfassung  dieser 
wirken. 

Gerade  diese  dem  Weg  nahe  Pflanzung 
bietet  Gelegenheit,  feine  Züge  der  Szenerie 
dem  Beschauer  vor  Augen  zu  führen,  ihm 
zarte  Formen  und  Farben  im  Vegetationsbild 
zu  zeigen. 

Schatten  und  Lichter,  Szenerienfolge. 
r»ie  Wege  ziehen  sich  im  Vordergrund  der 
Szenerie    entlang    und    verlangen    eine    Fülle 
wechselnden   Lichtes  und  Schattens. 

Wo  immer  eine  große  Szenerie  sich  auf- 
schließt, sollte  der  Ausschaupunkt  von  hohen 
Bäumen  oder  sonst  wie  gut  beschattet  sein, 
da  der  Ausblick  von  beschatteten  Punkten  aus 
ein  besserer  ist  als  von  beleuchteten. 

Es  ist  nicht  immer  angebracht,  in  schma- 
len Gärten  Pfade  durch  hohe  Bäume  und  Buschwerk  nahe 
dem  Pfade  zu  beschatten,  trotzdem  sollte  aber  auch  auf  ihnen 


«48..^ 


Fig.   II.     Ein   Fliilj  mit  für  lic'plhiii/iing   geeigneten  Ausbiichtnngon. 


Fig.  13.     Umrißlinien  für  ein  Gewässer  auf    einer  Lichtung  mit 
passender  Eingliederung  der  Vegetation. 

eine  Folge  von  wechselnden  Schatten   und  Lichtern  spielen. 

iJer  Weg  selbst  kann  häufig  durch  entfernter  stehende, 
den  Proportionen  der  Szenerie  entsprechende 
Pflanzen  beschattet  werden. 

Blaue  Cl('niat'/s\  <lie  über  Silber-Birken 
hängen,  können  höchst  wirkungsvoll  sein,  eben- 
so goldene  Rosen,  die  Birken  und  Pfad  über- 
spannen, oder  sonstige  entzückende  Über- 
raschun«-en,  wie  sie  das  K'lima  gestatlef.. 

Schluß-  und  ViUa-l'ronienaden. 
Zu  jedem  Hause  gehört  ein  Promenaden- 
weg, der  beschattet  und  mit  duftenden 
Pflanzen  geschmückt  sein  soll.  Seine  Breite 
betrage  2ü — 30  Fuß.  Für  das  Haus  kann 
solcher  Weg  oft  sehr  nützlich  sein,  indem  es 
von  ihm  aus  in  rechter  Weise  in  Erscheinung 
tritt.     Man    setze    die  Schattonbäume  so,    dass 


IX,  6 


DtE  GARTENKUNST 


129 


Russelliana,   einem   großen,  dickstämmigen,  zier- 
lichen, schnellwaclisenden  Biiumo. 

Fig.    15    führt    die  Ausgestaltung    von   See- 
uferu    mit    gigantischem    Ulmus  americana   vor 

Augen. 

(Schluß  folgt) 


Fig.  1.5.     Romantische  Seepartie. 

man  am  Hause  eine  Schattenseite  für  den  Sommer  und 
eine  Sonnenseite  für  den  Winter  erhält.  Duftende  Pflanzen 
sollen  das  Haus  umkleiden,  so  daß  durch  jedes  offene 
Fenster  eine  Duftwolke  hineinweht. 

Parklandschatten  bestehen  in  der  Entwickelung  der 
Schönheiten  von  Bäumen  und  Wiesen.  Sie  sind  kein 
Forst  mit  Stangenhölzern.  Baumschönhoit  kann  sich  in 
voller  Entwickelung  nur  zeigen,  wenn  die  Äste,  das  Blatt- 
werk, Blüte  und  Frucht  sich  ungestört  entfalten  können. 
Und  dazu  gehört  Kaum,  damit  nicht  eines  das  andere 
beeinträchtige. 

Große  Baummassen  lasse  mau  nicht  aus  nächster 
Nähe,  sondern  in  einem  Abstand,  proportional  ihrer  Höhe, 
in  Erscheinung  treten.  Voll  entwickelte  Einzelbäume 
geben  weit  weichere  und  tiefere  Eindrücke,  als  irgend- 
welche Häufung  von  Bäumen,  sei  sie  viereckig  oder 
rund,  natürlich  oder  künstlich. 

Wohl  sollen  Blumen  und  Sträucher  im  Parke  recht 
häufig  sein,  aber  Bäume  bleiben  immer  die  Hauptelemente 
und  sollten  stets  Raum  genug  zu  charakteristischer  Ent- 
faltung haben. 

E»ie  Figuren  9 — 15  veranschaulichen  die  Art  der 
Baumpflanzung.  Fig.  9  zeigt  eine  Skizze  für  verschieden- 
artige Bäume,  wo  der  Raum  begrenzt  und  eine  volle 
Baumentwickelung  nicht  möglich  ist,  wie  bei  Vorsprüngen 
und  Buchten,  Für  Fig.  10  ist  als  Bepflanzung  Acer 
Pseudoplatanus  gedacht.  Fig.  11  zeigt  eine  Buchen- 
landschaft (Fagus  silvaüca).  Man  stelle  sich  einen  Weg 
vor,  der  eine  halbe  (engl.)  Meile  lang  durch  diese  Buchen- 
lichtungen führt!  Welch  unendlicher  Reiz!  Wie  habe 
ich   im  Frühling  mich  an  den  sprossenden  Buchen  erquickt! 

Fig.  12  ist  für  amerikanische  Linden  gedacht,  die 
Gruppierung  einer  geschlossenen  Szenerie.  E>ie  Linden 
sind  geeignet  für  Promenaden,  sowohl  Tilia  atnericana 
wie  T.  europaea. 

Fig.  13  veranschaulicht  eine  geschlossene  Szenerie 
von  Wasser  und  Weisseichen  (Qiwreus  alha).  In  Fig  14 
sehen     wir      eine     Wasserlaufausgestaltung      mit     Salix 


Verschiedenes. 


Die  Pflanze  als  Schmuck  für  Haus,  Balkon  und 
Fenster. 

A'nrtrag,  gehalten  von  Garteninspektor  Fritz  Zahn, 
Hozent  und  Abteilungsvorsteher  an  der  Krmiglichen 
Gartnerlehranstalt  zu  Dalilem,  im  Verein  für  deutsches 

Kunstgewerbe  zu  Berlin. 
(Aus  „Die  Werkkunst",  Verlag  von  Otto  Salle,  Berlin.) 

Ein  Landhaus,  über  dessen  Dach  ein  Baum  seine 
Äste  breitet,  an  dessen  Mauern  Schlingpflanzen  em- 
porranken, wird  stets  auf  uns  einen  besseren  Eindruck  hervor- 
rufen als  ein  kahl  dastehendes  Gebäude.  Durch  die  Pflanzen 
wird  der  Übergang  vermittelt  zwischen  Haus  und  Garten, 
zwischen  Stein  und  Boden,  zwischen  Kunst  und  Natur;  es 
wird  eine  malerische  Wirkung  erzielt.  Das  können  wir  in  unseren 
Vororten,  in  unseren  Landhauskolonien  stets  beobachten,  das 
tun  selbst  die  Architekten,  indem  sie,  eben  um  der  malerischen 
Schönheit  willen,  ihre  Gebäudeansichten  mit  Pflanzenwerk  ver- 
gesellschaften. 

Das  einfachste  Gebäude  schon,  ein  Stall,  eine  Scheune, 
gewinnt  durch  die  Nähe  eines  Baumes.  Unsere  Dörfer  würden 
nicht  den  traulichen  Eindruck  hervorrufen,  wenn  sie  ohne  ihre 
Bäume  wären,  die  gleichsam  die  Häuser  mit  grünen  Wänden 
umschlingen;  Nürnberg  würde  nicht  so  bezaubernd  auf  uns 
wirken,  wenn  zwischen  seinen  alten  Mauern  und  Türmcheu 
nicht  so  viel  Bäume  und  Bäumchen  Raum  gefunden  hätten. 

Weit  mehr  noch  als  die  Bäume  leisten  die  Schlingpflanzen. 
Sie  decken  eine  kahle  Giebelwan  dzu,  sie  verhüllen  ungünstige 
Architekturen,  sie  beleben  Säulen  und  Pfeiler,  Zäune  und 
Gitter.  Bald  aufwärtsstrebend,  bald  lang  herniederhängend, 
bieten  die  Schliuger  eine  ungemein  vielseitige  Verwendung. 
Die  selbstklimmenden  wilden  Weine  und  der  Efeu  bedürfen 
gar  keiner  Stütze,  der  gewöhnliche  wilde  oder  Jungfern  wein 
will  angebunden  sein.  Freilich  empfiehlt  es  sich  auch,  die 
Selbstklimmer,  wenigstens  in  den  stärkeren  Ranken,  anzu- 
binden, weil  sonst  nach  starken  Regengüssen  die  gesamte 
orüne  Wandbekleidunc,-  leicht  abreißt.  Sind  die  Wandflächen, 
die  man  verhüllen  wül,  weniger  groß,  so  kann  man  sich,  ms- 
besondere  auf  der  Südseite  des  Hauses,  der  Glycine  bedienen, 
deren  herrliche  blaue  Blütentrauben  das  Auge  so  wohltuend 
erquicken.  Nur  für  rote  Ziegelwände  taugt  sie  wegen  des 
harten  Farbengegensatzes  nicht.  Für  solche  Wände  muß  man 
sich  vielmehr  der  grünen  Schlinger  bedienen,  wie  des  Efeus 
und  des  Pfeifenstrauches  (der  Aristolochia)  oder  des  wohl- 
riechenden amerikanischen  Weines.  Die  Waldreben,  insbe- 
sondere Clematis  paniculata,  entfalten  im  Herbst  einen  prächti- 
o'en  Blütenflor;  sie  kann  man  im  Vei-ein  mit  den  vorgenannten 
zum  Umrahmen  von  Türen  und  Fenstern,  zum  Umranken  von 
Lauben  und  Erkern  verwenden. 

Dagegen  erfordern  die  Rankrosen,  wie  der  Crimson 
Rambler    und    die    Agiaja,    sorgfältige    Auswahl    ihres  Stand- 


130 


DIE  GAETENKUNST 


IX,  6 


ortes.  Denn  man  soll  sie  eigentlich  nicht  zum  Bekleiden  der 
Wände  bestimmen,  weil  sie  daran  immer  bald  erkranken, 
sondern  nur  zum  Schmuck  von  Säulen  und  Lauben.  Dort 
entfalten  sie  auch  ihre  herrlichste  Blütenfülle.  Während  Efeu, 
Jungfernwein  und  Pfeifenstrauch  uns  durch  ihre  Blätter. 
Glycine,  Clematis  und  Rose  durch  ihre  Blüten  erfreuen,  ent- 
zückt uns  durch  seine  Frucht  der  edle  Wein.  In  alten  Dörfern 
und  Städten  trifft  man  ihn  heute  noch  als  Wandbekleidung: 
die  Fachwerkhäuser  unserer  alten  märkischen  Städte,  meist 
mit  dem  Giebel  der  Straße  zugekehrt,  zeigen  ihn  uns 
fast  immer  seitlich  neben  der  Türe  gepflanzt,  zum  Laubendach 
über  Türe  und  Hausbank  gezogen  und  im  Oberstock  um  all 
die  kleinen  Fenster  geführt.  Ganz  allgemein  trifft  man  das, 
■wie  leicht  erklärlich,  in  den  Dörfern  und  Städtchen  am 
Rheine  an. 

Sein  uraltes  Hausreoht  teilt  der  echte  Wein  mit  unseren 
Obstbäumen.  Apfel,  Birne,  Pfirsich  und  Aprikose  sind  ohne 
Schwierigkeiten  am  Spalier  am  Hanse  hochzuziehen,  und  es 
ist  sicher  richtiger,  das  Spalierobst  in  solchen  einfachen,  durch 
die  Wandbekleidung  von  selbst  sich  ergebenden  B^ormen  zu 
pflegen,  als  in  jenen  kunstvollen,  oft  doch  nur  recht  mühsam 
zu  erhaltenden  Gestalten  der  Liebhaberei.  Alte  Dörfer  und 
Städtchen,  aber  auch  neuere  Häuser,  selbst  ein  Haus  in  Berlin 
in  der  Ma.aßenstraße,  liefern  uns  den  Beweis,  daß  derartige, 
von  Obstbäumen  und  echtem  Wein  umkleidete  Häuser  der 
vortrefflichen  Wirkung  niemals  entbehren.  Nicht  umsonst 
haben  die  Dichter  immer  das  allseitig  umrankte  Haus  als  das 
Kennzeichen  der  Idylle,  des  häuslichen  Glückes  und  Friedens 
gepriesen. 

Der  Balkonschmuck  spielt  für  unsere  Großstädte  heute  eine 
überaus  wichtige  Rolle.  Denn  seitdem  Grund  vmd  Boden  so 
teuer  geworden  sind,  daß  man  notgedrungen  auf  den  Garten 
am  Hause  verzichten  muß,  hat  man  mit  dem  Balkon  gleichsam 
ein  Stückchen  Garten  sich  in  die  Höhe  gerettet.  Darin  be- 
kundet sich,  so  trübe  der  Anlaß  selbst  ist,  doch  erfreulicher- 
weise, daß  auch  im  Großstädter  noch  ein  Zug  zur  Natur  ver- 
borgen ist.  Von  diesem  Zuge  zur  Natur  und  dem  dadurch 
hervorgerufenen  Balkonschmuck  hat  nicht  nur  der  Balkon- 
besitzer selbst  Freude  und  Nutzen,  sondern  auch  die  ganze 
Stadt,  weil  damit  das  Straßenbild  verschönert  wird. 

Soweit  die  Pflanzen  nicht  unten  im  Boden  wurzeln  und 
am  Hause  empor,  gleichsam  laubenbildend  über  die  Balkone 
gezogen  sind,  muß  man  ihnen  auf  dem  Balkone  selbst  Be- 
hälter mit  Erde  schaffen.  Da  aber  stoßen  wir  auf  einen 
außerordentlich  weitverbreiteten,  schweren  Übelstand.  Die 
Balkonkästen  sind  viel  zu  eng  und  zu  flach,  weil  man  ihnen 
im  Balkongitter  nicht  den  erforderlichen  Platz  ausspart.  Hier 
liegt  ein  Erfordernis  zutage,  dem  die  Baukünstler  unserer  Zeit 
unbedingt  Rechnung  tragen  sollten.  Balkonkästen  sollen  im 
Lichten  wenigstens  15  cm  breit  und  20--30  cm  tief  sein.  Auch 
sollen  die  Kästen  Löcher  im  Boden  haben,  damit  das  über- 
schüssige Gießwasser  abtropfen  kann,  und  damit  dieses  wieder 
nicht  auf  den  nächsten  Balkon  und  die  Straße  hinabrinnt,  muß 
unter  den  Kästen  noch  ein  Untersatzkasten'  aus  Blech  sich 
befinden.  In  ihm  steht,  aber  auf  Klötzchen,  der  eigentliche 
Kasten;  das  Wasser  aus  dem  Untersatz  wird  durch  ein  Blech- 
rohr am  Bodeu  abgelassen.  Blechkästen  sind  für  die  Pflanzen 
ungeeignet,  weil  sie  in  der  .Sonne  zu  stark  sich  erwärmen  und 
infolgedessen  die  Wurzeln  austrocknen,  auch  lassen  sie  keine 
Luft  zur  Erde  dringen.  Diese  Fehler  zeigen  die  Tonkästen 
nicht,  ^obwohl  auch  sie  sich  stark  erwärmen.  Am  besten  ge- 
eignet bleiben  immer  Holzkästen.  Sie  sind  durchaus  nicht  so 
plump  und  häßlich,  wie  man  immer  meint,  man  muß  sich  nur 


Mühe    geben,    ihnen    durch    richtigen    Anstrich,    durch   einige 
Linien  oder  Leisten  ein  gefälliges  Aussehen  zu  geben. 

Abgesehen  von  der  Größe  ist  für  die  Bepllanzung  des 
Balkons  von  Wichtigkeit  seine  Lage,  die  Besonnung,  Be- 
lichtung, die  Windseite.  Mancher  Mißerfolg  in  der  Pflege  ist 
auf  Nichtbeachten  dieser  Frage  zurückzuführen.  Für  Nordlage 
eignen  sich  z.  B.  nur  wilder  Wein  und  Efeu,  Funkien,  Zinimer- 
maiblumen  und  hängende  Tradescantien.  Ist  die  Lage  etwas 
günstiger,  vielleicht  des  Morgens  besonnt,  dann  können 
Pelargonien,  Fuchsien,  Petunien,  spanische  Kresse  und  Cobäa 
angepflanzt  werden.  Je  günstiger  die  Lage,  desto  reicher  die 
Auswahl.  Es  gibt  eine  solche  Fülle  von  Schmuckpflanzen, 
daß  man,  wenn  man  nur  will,  über  das  Althergebrachte  schnell 
hinauskommen  kann.  Allerdings  muß  der  Balkonbesitzer  einige 
Pflanzenkenntnis  haben,  und  auch  der  Gärtner  darf  sich  nicht 
nur  darauf  beschränken,  das  Landläufige  zu  führen. 

Aber  eine  wichtige  Frage  noch  kommt  für  den  Schmuck 
des  Balkons  in  Betracht:  soll  der  Blumenflor  des  Balkons  vor- 
wiegend dem  Besitzer,  vorwiegend  dem  Straßenpassanten  oder 
beiden  zugleich  Freude  bringen?  Für  einen  Balkon,  an  dem 
sich  wesentlich  der  Besitzer  nur  erfreuen  soll,  kann  man 
hängende  Pflanzen  nur  beschränkt  oder  an  Draht  gebunden 
verwenden.  Will  man  aber  sich  nicht  auf  aufrechtstehende 
Pflanzen  beschränken,  so  kann  man  an  geschickt  und  licht 
aufgebautem,  gegen  Winddruck  gehurig  gefestigtem  Sprossen- 
werk leicht  eine  volle  Laube  über  den  Balkon  ziehen.  Dünne 
Latten  und  Bambusrohr  eignen  sich  zum  Sprossenwerk;  Cobäa, 
Trichterwinde,  Hopfen  und  bunte  Bohnen  umranken  es  schnell. 
Schön  wirken  solche  Lauben,  wenn  allzu  liäufig  wiederholt,  im 
Straßenbild  allerdings  nicht,  aber  dem  Besitzer  schaffen  sie  ein 
lauschiges,  gegen  die  Blicke  der  Nachbarn  geschütztes  Plätzchen. 
—  Das  Straßenbild  verschönen  am  meisten  die  herabhängenden 
Pflanzen,  wie  Kresse,  Nelke,  Pelargonie,  Feuerbohne.  Winde  usw. 
Wenn  zwischen  den  aufsteigenden  und  den  herabhängenden 
Pflanzen  die  richtige  Mitte  getroffen,  malerische  Wirkung  durch 
scheinbar  unbeabsichtigten  Wechsel  erstrebt  wird,  dann  ge- 
winnen Straßenpassant  und  Balkonbesitzer  gleich  große  Freude 
an  dem  Pflanzenschmucke. 

Aus  Zwec.kmäßigkeitsgründen  bepflanzt  man  seinen  Balkon 
nur  einmal  im  Jahre.  Das  führt  in  gewissem  Sinne  zu  einer 
Gleichmäßigkeit.  Wirksamer,  aber  selbstverständlich  avich 
teuerer  ist  es,  mehrere  Male  im  Jahre  mit  der  Bepflanzung  zu 
wechseln,  im  Frühjahr  z.  B.  auf  Tulpen,  Hyazinthen  und 
Krokus  die  Stiefmütterchen,  Vergißmeinnicht  und  Primeln 
folgen  zu  lassen,  daran  Hortensien,  Spiräen  und  weiter  im 
Sommer  Pelargonien  und  Petunien  zu  schließen,  an  die  sicli 
im  Herbste  die  Astern  reihen.  Wer  solcher  Art  mit  der  Be- 
pflanzung seines  Balkons  wechseln  will,  der  tut  am  besten, 
die  Kästen  doppelt  und  dreifach  anzuschaffen,  damit  in  ihnen 
immer  schon  vorher  die  Pflanzen  herangezogen  werden  können. 

Falsch  ist  es,  den  Balkon  im  Winter  ohne  jeglichen 
Pflanzenschmuck  zu  lassen;  nur  muß  das  Material  vvinterhart 
und  Wintergrün  sein.  Kleine  Fichten  oder  Heideki-aut  oder 
Eibe,  Lebensbaum,  Buchsbaum  in  Pyramiden  und  in  Kugeln 
gezogen,  eignen  sich  für  diese  Zwecke  vortrefflii-h.  Am  aller- 
besten aber  ist  unser  ganz  gewöhnlicher  Grünkohl,  lOr  verträgt 
den  stärksten  Frost,  behält  seine  grüne  Farbe  wie  seine 
malerischen  krausen  Blätter  und  läßt  sich  vor  allen  Dingen 
gut  verpflanzen,  weil  er  Ballon  hält.  Man  hat  im  letzten 
Winter  in  Berlin  (Lennestraße,  Kaiserallee)  an  solchem  Balkon- 
schmuck  und  seiner  Dauerhaftigkeit  sicli  freuen  können. 

Der  gutbepflanzte  Balkon  trägt  unstreitig  zur  Verschönerung 
des  Straßonbildcs  bei.  Er  tut  es  im  kleinen  ebenso  wie  eine 
Festdekoration    im    großen.     Mit  Recht    entwickelt    sicli  daher 


IX,  6 


DIE   GARTENKUNST 


131 


zwischen  den  einzelnen  Balkonbesitzern  bisweilen  ein  Wettstreit 
und  mit  noch  größerem  Rechte  hat  man  Wettbewerbe  für  gut 
ausgeführten  Balkonschmuck  erlassen.  Anfangs  ist  man  in  diesen 
Wettbewerben  nicht  mit  darauf  eingegangen,  von  wem  der 
Balkonschmuck  herrührt,  heute  unterscheidet  man  mit  Recht 
zwei  Klassen,  solche  die  von  Berufsgärtnern  und  solche,  die 
von  Balkonbesitzern  angelegt  und  gepflegt  sind.  Weiterhin 
auch  trägt  man  der  besonderen  Lage  des  Balkons  Rechnung, 
ob  er  sich  beispielsweise  in  einer  Fabrikgegend  oder  an  einer 
Nordwand  befindet  usw.  Überall  aber  hat  man  zur  Bedingung 
gestellt,  daß  der  Balkon  von  der  Straße  aus  gut  sichtbar  ist 
und  zur  Verschönerung  des  Straßenbildes  beiträgt.  Bewertet 
wird  meistens  nach  10  Punkten,  die  jeder  Preisrichter  für  sich 
allein  schätzt.  In  größeren  Orten  scheidet  man  vorher  durch 
Einzelausschüsse  aus  und  bringt  nur  das  alsdann  noch  Ver- 
bleibende zur  Beurteilung  dureh  die  Preisrichter.  Dieses  mit 
so  hervorragenden  Erfolgen  anderwärts  ausgeführte  Verfahren 
ließe  sich  auch  für  Berlin  verwirklichen,  nur  müßte  man  sich 
dann  lokal  oder  sachlich  begrenzen,  z.  B.  innerhalb  der  Be- 
amtenwohnungsvereine, der  Spar-  und  Bauvereine  usw. 

Die  Blume  am  Fenster  wird  man  in  den  wenigsten 
Wohnungen  ganz  vermissen.  Selbst  in  den  dumpfigen,  übel- 
riechenden Arbeitskellern  und  Kellerwohnungen  unserer  Groß- 
städte findet  man  noch  die  Allerweltspflanze,  die  Pelargonie 
oder  die  Auferstehungsblume,  das  Schilfhlatt  und  den  Blätter- 
kaktus. Ja,  manchmal  hat  man  den  Eindruck,  als  ob  gerade 
in  dieser  Luft  die  Pflanzen  am  besten  gedeihen.  Wie  solche 
blühenden  Pflanzen  schon  dazu  beitragen,  das  Düstere  imserer 
großstädtischen  Mietskasernen  zu  mildern,  so  noch  mehr  der 
Blumenflor  der  Mansardenfenster.  Die  feuerroten  Blüten  der 
Pelargonie,  die  gelben  der  spanischen  Kresse,  sie  leuchten  wie 
verkörperte  Sonnenstrahlen  und  es  wäre  sehr  erfreulich,  wenn 
man  die  Lust  zur  Pflanzenpflege,  deren  ethischen  Wert  man 
nicht  unterschätzen  wolle,  gerade  unter  den  Bewohnern  unserer 
Mietskasernen  recht  heben  könnte.  Die  Gesellschaft  der 
blühenden  Fenster  in  Paris  verfolgt  diesen  Zweck.  Unsere 
Vereine,  die  die  Schulkinder  zur  Pflege  der  Blumen  anhalten, 
nützen  auch  bereits  nach  dieser  Richtung  hin,  aber  noch  immer 
wäre  ein  Mehr  gerade  in  Deutscliland  am  Platze.  Wie 
freundlich  solch  Blumenfenster  wirkt,  das  zeigen  uns  am  aUer- 
deutlichsten  die  Wohnwagen  der  herumziehenden  Artisten,  die 
Kajütenfenster  unserer  Flußschiffe. 

Auch  im  Fensterschmnck  haben  wir  zu  unterscheiden,  ob 
er  für  die  Straße  oder  für  das  Zimmer  im  wesentlichen  be- 
rechnet ist.  Nach  außen  bedarf  es  der  Fensterkästen,  für  die 
ebenfalls  wieder  Holz  vorzuziehen  ist.  Wünschenswert  ist  es, 
Doppelkästen  zu  haben,  nach  außen  solche,  die  man  mit  henab- 
liängenden  Pflanzen  besetzt,  nach  innen  solche,  die  aufrecht- 
stehende blühende  Topfpflanzen  aufnehmen.  Im  Winter  muß 
der  Außenkasten  verschwinden  und  dafür  der  Raum  zwischen 
den  Doppelfenstern  uns  dienen.  Hier  läßt  sich  wirklich  im 
kleinen  recht  viel  schaffen,  nur  wäre  es  außerordentlich 
wünschenswert,  daß  auch  gerade  hier  unsere  Baukünstler  uns 
größere  Breite  des  Raumes  schüfen.  Die  Auswahl  der  Pflanzen 
für  das  Fenster  ist  fast  unbeschränkt.  Neben  all  den  Blüten- 
pflanzen und  den  Zimmergewächsen,  den  Tulpen,  Hj-azinthen, 
Maiglöckchen,  Schwertlilien,  kann  man  Blattpflanzen,  Palmen 
und  Farne,  ja  selbst  so  reizvolle  Gebilde  wie  die  Orchideen 
ziehen.  Die  Wahl  zu  treffen  ist  nicht  schwer.  Sie  untersteht 
der  Hüterin  des  Hauses,  der  Schöpferin  des  traulichen  Heims. 
Denn  zur  Traulichkeit  unseres  Heimes  trägt  die  Pflanze  das 
Beste  mit  bei,  wenn  die  Hand  einer  richtigen  Frau  vom  Hause 
sie  stellt. 


Zur  200.  Wiederkehr  des  Geburtstags 
Carl  V.  Linnes. 

Linne,  geb.  am  2:i.  Mai  1707,  ist  einer  jener  Großen,  dessen 
Lebenswerk  sich  unzerstörbare  Bedeutung  für  die  gesamte 
Naturwissenschaft  bew-ahrt  hat.  Die  Vorliebe  für  Botanik  war 
in  ihm  von  Jugend  auf  so  stark,  daß  er  auf  der  Schule,  in 
Wexiö,  zu  den  schlechtesten  Schülern  gehörte.  Ja,  wenn  nicht 
der  Arzt  Dr.  Rothmann  mit  seinem  Rat  bei  Linnes  Vater,  der 
Prediger  in  R&shult  in  Schweden  war,  durchgedrungen  wäre, 
würde  Linne  zu  einem  Schuster  in  die  Lehre  gegeben  worden 
sein.  Aber  so  konnte  er,  zwanzigjährig,  die  Universität  Lund 
beziehen,  um  Medizin  zu  studieren,  und  im  nächsten  Jahre 
trotz  schwieriger  pekuniärer  Verhältnisse  Upsala.  Hier  lernte 
er  den  Orientalisten  Olaf  Celsius  kennen,  der  ihn  unterstützte 
und  ihm  seine  Bibliothek  zur  Vorfügung  stellte.  In  dieser 
fand  er  eine  Abhandlung  von  Vaillant,  in  der  auf  die  Geschlechts- 
organe der  Pflanzen  als  Fundament  zu  einer  Einteilung  hin- 
gewiesen wurde.  Durch  diese  Arbeit  erhielt  LinnÄ  die  erste 
.Anregung  zum  Aufbau  eines  neuen  Pflanzensystems,  seines 
späteren  Sexualsystems.  Durch  Celsius  wurde  er  auch  mit 
dem  Professor  der  Botanik  in  Upsala,  Rudbeck,  bekannt.  Durch 
dessen  Unterstützung  und  als  sein  Vikar  durfte  Linne  1730  seine 
erste  Vorlesung  über  Botanik  halten,  besuchte  auf  Betreiben 
seiner  beiden  Gönner  im  Auftrage  der  wissenschaftlichen  Ge- 
sellschaft Lappland  und  Dalekarlien,  und  begab  sich  1735  nach 
Holland.  Hier  promovierte  er  am  24.  Juni  zum  Doktor  der 
Medizin.  Während  dieser  Zeit  gab  er  eine  kleine  Schrift  her- 
aus, Systema  naturae,  die  die  Begründerin  seines  Ruhmes  wurde. 
Zugleich  wurde  er  in  Leiden  mit  dem  Arzt  Boerhave  bekannt 
und  durch  seinen  Einfluß  erhielt  Linne  die  Verwaltung  des 
Gartens  und  der  Bibliothek  von  Georg  Cliffort,  jenes  Amster- 
damer Bürgermeisters,  für  den  er  bald  darauf  eine  Reise  nach 
England  unternahm.  Nach  kurzem  Aufenthalt  in  Paris  ließ 
sich  Linne  1738  als  Arzt  in  Stockholm  nieder.  Allmählich  erst 
kam  er  in  Ruf,  erhielt  eine  Berufung  als  Professor  der  Medizin 
an  die  Universität  Upsala  und  blieb  bis  1742  Mediziner.  Dann 
übernahm  er  die  Vorlesungen  über  Botanik,  ließ  den  botanischen 
Garten  restaurieren,  gründete  ein  naturhistorisches  Museum 
und  war  ein  ungemein  anregender  Lehrer.  1762  wurde  er  in 
den  Adelstand  erhoben.  Aber  seine  Gesundheit  war  bereits 
untergraben.  Er  hatte  Gicht  und  Gallensteine  und  erlitt  im 
Mai  1774  einen  Schlaganfall,  von  dem  er  sich  nicht  mehr  ganz 
erholte.  Die  letzten  Lebensjahre  bedeuteten  nur  eine  allmähliche 
Auflösung,  und  am  10.  Januar  1778  trat  der  ersehnte  Tod  ein. 

Er  besaß  ein  wunderbares  Geschick,  mit  unzweideutiger 
Klarheit  klassifizieren  zu  können,  und  dieser  Gabe  ist  das  un- 
sterbliche Verdienst  Linnes  zu  danken,  daß  er  in  den  botanischen 
Wirrwarr,  wie  er  bis  dahin  herrschte,  Ordnung  zu  bringen  ver- 
mochte. Er  war  der  erste,  der  das  bisher  Geleistete  zu  einem 
festen  Gefüge  zusammenschweißte  und  durch  konsequente 
Durchführung  sj'Stematisch  zusammenhielt.  Linne  teilte  das 
Pflanzenreich  ein  nach  den  Eigenschaften  der  Staubgefäße  und 
Karpellen;  es  war  also  ein  Sexu.alsystem.  Aber  er  selbst  hat 
freimütig  bekannt,  daß  dieses  künstliche  System  nur  als  Not- 
behelf, um  zunächst  wenigstens  Ordnung  in  der  unentwirrbaren 
Benennung  und  Klassifizierung  zu  schaffen,  Geltung  haben 
könne,  bis  ein  nach  natürlichen  Verwandtschaften  geschaffenes 
System  gefunden  sei.  Und  er  selbst  war  es,  der  ein  Fragment 
hierzu,  auf  dem  Jussieu  weiterbaute,  geliefert  hat.  Bei  der 
Beschreibung  hat  er  das  Latein  in  meisterhafter  Prägung 
und  klarer  Kürze  angewandt.  Jeder  Pflanze  gab  er  zwei 
Namen.  Nach  dieser  sogenannten  binären  Nomenklatur  be- 
zeichnete der  eine  Namen  die  Gattung,  der  andere  die  Art. 
Und  mit  einem  Schlage  war  alles  Durcheinander  und  alle  Un- 


132 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  G 


klarheit  fortgeräumt.     Die  binäre  Nomenklatur  übertrug  Linn^ 
auch  auf  die  Zoologie. 

Etwa  huntk'rtundfünfzig  Jahre  sind  es  her,  dal.!  das  Genie 
des  unsterblichen  Mannes  der  Welt  sein  Werk  geschenkt  hat. 
Uns  ist  es  gelungen,  innigeres  Verständnis  für  die  Absichten 
der  Natur  und  ihre  Zwecke  herbeizuführen  und  das  Geheimnis- 


volle ihrer  verschlungenen  Wege  zu  ergründen.  Die  staunens- 
werte systematische  Arbeit  Carl  von  Linnes  war  aber  nötig, 
um  unsere  moderne  biologische  Forschung  zu  ermöglichen.  Die 
gesamte  wissenschaftliche  Welt  beugt  sich,  wo  man  die  Wieder- 
kehr des  200.  Geburtstages  feiert,  vor  diesem  unvergessenen 
5Ianne  und  preist  dankbar  sein  Leben  und  seine  Taten. 


Kgl.  Gartenbaudirektor  A.  Fintelmann  f. 

Axel  Fintelmann  ist  tot!  Derjenige,  der  fast  ein  Jahrzehnt  den 
Verein  Deutscher  Gartenkünstler,  unsere  heutige  Deutsche  Gesell- 
schaft für  Gartenkunst  geleitet  hat,  weilt  nicht  mehr  unter  den 
Lebenden.  Gegenüber  dieser  Trauerkunde  treten  alle  Meinungsver- 
schiedenheiten zurück  und  uns  alle  vereint  das  Gefühl:  Ein  edler 
selb.stloser  Mann  ist  von  uns  gegangen,  einer,  der  stets  das  Beste 
wollte  und  der  trotz  der  exponierten  Stellung,  die  er  lange  Zeit  inne 
hatte,  kaum  einen  Feind  besal5. 

Als  ich  noch  in  jungen  Jahren  seine  Hilfe  zum  Vorwärtskommen 
erbat,  hat  er  sie  mir  nicht  versagt.  Bis  in  die  allerletzte  Zeit  half 
er  gerne  den  Jüngeren  unter  uns,  wo  er  nur  konnte.  Es  mag  viele 
geben,  die  ihm  näher  standen  im  Leben,  kaum  einen  aber,  der  über- 
zeugter war  von  seinem  redlichen  Tun  und  seiner  lauteren  Gesinnung 
als  ich.     Solche  Männer  gibt  es  nur  wenige  unter  uns. 

Fintelmann  war  geboren  am  27.  September  1848  zu  Elinholt  in 
Schweden,  wo  sein  Vater,  der  nachmalige  Breslauer  Stadt-  und  Forst- 
rat Dr.  Fintelmann,  ein  Gut  besaß.  Er  besuchte  1867 — 1869  die  Kgl. 
Gärtnerlehranstalt  zu  Wildpark  und  wurde  nach  Beendigung  seiner 
Ausbildung  im  Jahre  1872  in  Berlin  als  Stadtobergärtner  angestellt. 
Nach  mehrjähriger  Tätigkeit  im  Treptower  Park  übernahm  er  das 
sogenannte  Moabiter  Revier  im  Berliner  Nordwesten.  Im  Jahre  18'J1 
wurde  er  zum  städtischen  Garteninspektor  ernannt  und  erhielt  das 
Revier  des  Humboldthaines.  Gleichzeitig  war  er  Vertreter  des  Direktors 
der  Berliner  Farkverwaltung.  Im  Wettbewerb  „Südpark-Breslau-Klein- 
burg" 1892  war  er  einer  der  Preisträger.  In  bester  Erinnerung  stellt 
noch  die  von  ihm  geleitete  Frühjahrsausstellung  in  der  Philharmonie 
zu  Berlin  im  Jaare  1904,  die  zu  den  bestgelungenen  Gartenbauausstellungen  gehöi't  und  bei  der  er  bewies,  daß  er 
modernen  Anschauungen  nicht  verschlossen  gegenüberstand.  Er  erhielt  bei  diesem  Anlaß  den  Titel  eines  König!. 
Gartenbaudirektors.  Lange  Jahre  hindurch  war  er  auch  Mitglied  des  Kuratoriums  der  Wildparker,  jetzt  Dahlemer 
höheren  Gärtnerlehranstalt. 

Am  12.  Juli  189(J  wählte  ihn  der  Verein  Deutscher  Gartenkünstler  an  Stelle  des  zurückgetretenen  F.  Hoppe 
zum  I.  Vorsitzenden.  Neun  Jahre  hatte  er  diesen  Ehrenposten  inne.  Seine  großen  Verdienste  in  dieser  Stellung 
zu  würdigen,  mag  die  Zeit  noch  nicht  gekommen  sein.  Sie  würden  mehr  in  die  Augen  springen,  wenn  ein  Geliiu- 
leiden  ihm  seine  Tätigkeit  als  Leiter  des  Vereins  nicht  sehr  erschwert  hätte.  Aus  seinem  Munde  und  aus  seinen  Briefen 
weit)  ich,  daß  ihm  bei  seiner  vornehmen  Denkungsart  nichts  so  sehr  am  Herzen  gelegen  hat,  .ils  die  uneigennützigste 
Förderung  unserer  Bei-ufs-  und  .Standesintercssen.  NeueZeiten  brauchen  neue  Männer.  Als  die  Verhältnisse  auf  eine  Neu- 
organisation hindrängten,  wie  sie  nachher  in  der  Umwandlung  des  Vereins  Deutscher  Gartenkünstler  in  die  Deutsche 
(iesellschaft  für  Gartenkunst  zum  Ausdruck  kam,  schied  er  mit  Ablauf  des  Jahres  190.^  aus  seinem  ehrenvoll  ver- 
walteten Amte,  der  Sache,  der  er  gern  gedient  hatte,  sein  wärmstes  Interesse  bewahrend. 

Sein  Tod  ist  überraschend  gekornmen.  Möge  er  den  Anstoß  zu  besinnlicher  Einkehr  geben  und  alle,  die  im 
Tageskampfe  die  idealen  Werte  unseres  Berufs  und  unserer  Kunst  nicht  aus  den  Augen  verloren  haben,  zu  ein- 
trächtigem Zusammenwirken  mahnen. 

Ehre  und  Friede  seinem  Andenken! 

11  an  n  !<>■■ 


Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Stadt-Qartondirpktor  Hoickc,  Frankfurt  a.  M.   -  Vorlag  von  Gobrüdcr  Borntraejrer,  Berlin  .S\V.  11, 

Dessauer  Strasse  29.  —  Druck  von  A.  W.  Hayn's  Erben,  Potsdam. 


IX, 


DIE   GAliTlONKUNST 


133 


Lias  neue  GiolJheizug  Karl  Friedrich-Denkmal  in  den  Aulagen   vor  dem  Schloß  in  Mannheii 

Mniiiilieiiii  und  seine  dlarteubanausstelliins,'. 

Von  Heicke-Fraulifui't  a.  M. 


uNi 


E)ie  im  voraus  \u'\  besprochene,  durch  eine  ge- 
schickte Reklame  in  aller  Welt  angekündigte  Ausstellung 
ist  jetzt  so  weit,  daß  man  über  sie  belichten  kann.  Am 
l.  Mai,  am  Eriiflhungstage,  sah  es  noch  recht  diirttig 
überall  aus.  Es  war  manches  erst  notfertig.  Lias  Wetter 
war  unfreundlich;  man  fror  und  damit  sank  die  Fähigkeit 
und  Neigung,  sich  für  das  möglicherweise  werdende  — 
aber  vorerst  nur  zu  ahnende  schöne  Bild  zu  begeistern, 
das  die  Ankündigungen  versprochen  hatten,  auf  den 
tiefsten  Tiefstand.  Und  die  Ptlanzen  froren  auch :  es  war 
kc'in  Leben,  keine  Triebkraft  zu  spüren  und  die  vielen 
weißen  Mauern  der  Läugerschen  Gärten  trugen  nicht  zur 
Milderung  des  frostigen  Gesamteinilrucks  bei.  Man  ging 
mit  einem  recht  unbehaglichen  (lefühl  umhin-,  froh  sich 
in  die  Kunstausstellung  flüchten  zu  kiinnen,  wo  in 
Häumen,  die  Billing  wunderbar  gestaltet  hat,  eine  Kunst 
uns  schadlos  hielt,  die  vom  Wetter  unabhängig  war.  Auch 
die  vielen  Reden,  welche  am  Eröffnungstage  gehalten 
wurden,  vermochten  die  Stimmung  nicht  zu  heben. 
Prostig,   unbehagiii-h !  , 


Und  als  sich  einige  Tage  später  die  Hallen  der 
rjresdener  Ausstellung  öflneten,  da  empfand  man  die 
Dürftigkeit  Alannhcims  noch  mi-hr.  In  E»resden  Leben 
und  Wärme  und  Farben  —  und  keine  Kunst,  wenigstens 
nach  unserer  .isthetiker  Auffassung,  in  Mannheim  gar  viel 
Kunstbetätigung  und  .Isthetik,  aber  kein  rechtes  Leben, 
keine  packendi.i  Wirkung.  Und  mancher  mag  gleich  mir 
sich  gesagt  haben,  daß  man  sich  in  Mannheim  trotz  aller 
künstlerischen  Gehobenheit  noch  sehr  plagen  müsse,  um 
einen  ähnlichen  Eindruck  zu  erzielen,  wie  Eiresden  in 
seiner  farbenfrohen  unkünstlerischen  BUUenpracht. 

Inzwischen  sind  nun  8  Wochen  ins  Land  gegangen, 
sie  haben  günstigere  Witterung  gebracht,  man  ist  außer- 
dem recht  rührig  gewesen,  noch  vorhanden  gewesene 
Lücken  und  Unfertigkeiten  zu  beseitigen  und  wenn  man 
heute  die  .Mannhi'imer  Gartenbauausstellung  besucht,  dann 
muß  man  anerkennen,  daß  das  Bild,  welches  sich  bietet, 
nicht  nur  ein  recht  erfreuliches  ist,  nein,  dann  muß  man 
offen  und  ehrlich  eingestehen:  die  Mannheimer  Garten- 
bauausstellung ist  ein  künstlerischer  Er  folg.    Und 


134 


DIE  GARTENKUNST 


IX, 


Dekorative  Gruppe  vor  dem  Hauptbahiihof  in  JMannhei 


das  gehC'rt  mm  oiumal  trotz 
aller  künstlerlsclu-n  Ausstattung  der 
Gärten  als  Hauptsache  dazu :  die 
rilanzeii  im  P.lältcr-  und  Hliiton- 
schmuck. 

Und  man  soll  sieh  tliescs  Er- 
folges freuen,  denn  es  wäre  sehr 
zu  beklagen  gewesen,  wenn  die 
rnsummen  von  Fleiß  und  Mühe, 
Kunstsinn  und  liaiauitteln,  wehdie 
in  diesem  Ausstellungsunternehinen 
Rt(X'keii,  aufgewendet  worden  wä'ren 
ohne  ein  greilbares,  ein  diirch- 
sehlagendes  Ergebnis. 

Freilich  muli  man  sich  mancher 
Vorfiilu'tnig  gegenüber  eine  gewisse 
l'nbrfangenheit  zu  licwahrcn  wissen 
und  li.'denki'n,  dali  der  Geschmack 
des  Beschauers  und  die  künstle- 
rische Auffassungs-  und  P)etäti- 
gungsgabe  des  Schaffenden  oft  sehr 
vofschicdeno  r)inge  siiul,  und  da(i 
eine  Zeit  der  Gärung,  wie  wir  sie 
eben  durchmachen,  neben  Kunst- 
schi.ipfungen  von  dauerndem  Werte 
auch  manchen  eigenartigen  Einfall 
zeitigt,  dessen  Wirkung  augen- 
blicklich vielleicht  verblüfft,  aber 
einer     Seifenblase    gleich     bald     zerplatzt     und     nur    in 


dieser  allgemeine  Eindruck  wird  sich  im  Laufe  der  nächsten 

Wochen  unzweifelhaft  noch  steigern,  wenn  die  Entwickelung      der  Erinnerung  des  aufmerksamen  Beobachters  noch  eine 
des  Pflanzenwuchses  sich  noch  mehr  gehoben  hat  —  denn      Weile    als    eine    absonderliche    ]']rscheinung    des    Zeitab- 
schnittes,      in 
dem  wir  leben, 
liaften  bleibt. 

r>ie  Mann- 
heimer Garten- 
bauausstellung 
steht  auf  einer 
künstlerischen 
Hiihe,  wie  keine 
je  zuvor.  An 
keiner  Stelle 
tindet  man  den 

bekannten 
Ramsch-  und 
Seh und kram, 
der  sonst  über- 
alleinen breiten 
Kaum  einzu- 
ntdimen  p fegte 
auchl)iiss(>l- 
dorf,  r)armstadt 
und  Dresden 
machton  darin 
keine  Aus- 

nahme. Es  gilt 
da.s  fast  ohne 
F^iiischränkung 


Straßenaussi 


ix,  7 


DIE  GARTENKUNST 


von     der    ganzen 

\'eranstaltung. 
Man     kann     über 
vieles       zweierlei 
.Meinimgsein,  aber 
wirkliche  Ge- 

schmacklosig- 
keiten oder  Dingi\ 
die  jeder  künsi 
lerischen  Eigenart 
bar  sind,  findet 
man  kaum  —  im 
wesentlichen  nur 
mit  einer  einzigen 
Ausnahme.  Eiabei 
ist  die  Ausstellung 
nicht  etwa  im 
Sinne  einer  ein- 
seitigi.'n  Richtung 
gehalten,  nein. 
ganz        zwanglos 

nebeneinander 
kann  man  die  ver- 
schiedensten Stil- 
und  Geschmacks- 
betätigungen  be- 
obachten. Es  ist 
das  sehr  wertvol 
Ausstellung  wie 


Straßenausschmückuns 


den   „Planken"  in  Mannheim. 


sowohl  für   die   Gesamterscheinung  der 
auch    für  die  Nachwirkung,    welche    sie 
hoffentlich  haben  wird. 

Eine  Zeitlang  konnte  man  die  ernstliche  Besorgnis 
hegen,  daß  sich  bei  ihrer  Veranstaltung  die  Auffassung 
eines  Einzelnen  zu  sehr  durchsetzen  und  dem  Ganzen 
den  Stempel  seiner  Eigenart  aufdrücken  würde.  Es  wäre 
dies  zu  beklagen  gewesen, 
denn  bei  einem  .Vusstellungs- 
unternehmen  von  solchem  l'm- 
fange  kann  das  ausschlieli- 
liche  Vorherrschen  einer  be- 
stimmten Eigenart  leicht  er- 
müdend und  abstumpfend 
wirken,  zumal  Wiederholungen 
dann  gar  nicht  zu  vermeiden 
sind.  Die  künstlerische  Ober- 
leitung darf  sich  vielmehr  bei 
solchen  Gelegenheiten,  zumal 
wenn  ihr  die  im  Garten- 
baufach einmal  nicht  zu  ent- 
behrende Sicherheit  in  der 
Beherrschung  des  Pflanzen- 
materials abgeht,  vorzugsweise 
nur  in  der  Verhütung  von 
Entgleisungen  allzu  drastische 
Art  und  in  der  Wahrunu 
des  allgemeinen  Niveaus  be- 
tätigen. Ob  diese  Beschränkung 
in  Mannheim  eine  gewollte 
oder     durch    die     Macht     der 


Verhältnisse  erzwungene  war,  kann  uns  gleichgültig  sein, 
die  ffauptsache  ist,  daß  sie  beobachtet  wurde.  Es  ist 
nicht  der  Gesamtplan  eines  einzelnen  der  Ausstellung  zu- 
grunde gelegt  und  alles  andere  in  diesen  Plan  hinein- 
gepreßt worden,  sondern  es  hat  sich  aus  den  vor- 
handenen Verhältnissen  ganz  von  selbst  eine  Gliederung 
er^-eben,    die    die    .Miiglichkeit    bot,    einzelnen  .\usstellern 


Ausschmückung'  der  Fiiedricbstraße  in  Mannheim. 


136 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  7 


Flächen  zu  überweisen,  bei  deren  Ivünstlerischer  Aus- 
gestaltung sie  sich  in  voller  Selbständigkeit  Ijetätigon 
konnten.  Dadurch  ist  jene  Mannigfaltigkeit  des  Bildes 
erzielt  worden,  welche  ein  besonderes  und  wohltuendes 
Kennzeichen  der  ganzen  Ausstellung  bildet. 

Und  wenn  ich  einen  besonders  erfreulichen  Umstand 
hervorheben  soll,  so  mag  es  die  Wahrnehmung  sein,  daß 
die  scharfe  Kritik  der  letzton  .lahro  nicht  ohne 
merkliche  Ein  wirk  ung  auf  das  Schaffen  der  Garten- 
künstler von  Beruf  geblieben  ist.  Wer  ihre  Gärten 
innerhall)  der  Ausstellung  mit  denjenigon  vergleicht,  welche 
Baukünstler  und  sonstige  Nichtfachmänner  mit  Hilfe  von 
gärtnerischen  Pflanzenlieferanten  ausgeführt  haben,  der 
wird,  sofern  er  sich  ein  unbefangenes  Urteil  bewahrt  hat,  ein- 
räumen müssen,  daß  Fachkenntnisse  gepaart  mit  künst- 
lerischerBegabung  immer  noch  eine  gar  nicht  zu  verachtende 
Sache  bei  der  Schaffung  von  Gärton  sind  und  daß.  wer  mit 
beiden  ausgerüstet  ist,  spielend  Aufgaben  zu  losen  vermag, 
über  die  andere  sehr  gern  stolpern.  Freilich  fehlt  es  auch 
nicht  an  Beispielen  dafür,  daß  Sach-  und  Fachkenntnis 
allein  noch  lange  nicht  ausreichen,  sofern  es  sich  um 
mehr  als  die  Schaffung  einer  ganz  alltäglichen  Schalilimen- 
arbeit  handelt  —  auch  dafür  bietet  .Mannheim  dem,  der 
es  noch  nicht  wissen  sollte,  den  Beweis!  Es  gibt  eben 
immer  noch  Leute,  die  meinen,  wenn  man  schöne  Pflanzen 
hat,  dann  müsse  der  schiine  Garten  von  selbst  entstehen ! 
Ich  möchte  aber  heute  nicht  auf  iMuzelheiten  eingehen. 
Ich  denke,  daß  sich  dazu  noch  später  Gelegenheit  finden  wird. 

Auch  über  die  Professorengärten,  welche  in  Mannheim 
ausgeführt  sind,  nii'ichte  ich  mich  heute  noch  nicht  ein- 
gehend aussprechen;  denn  mit  ein  paar  Zeilen  sind  sie 
nicht  abgetan.  Nur  soviel  sei  hier  gesagt,  daß  ich  wie 
immer  in  solchem  Fall  meinen  Berufsgenossen  empfelilen 
möchte,  nicht  mit  irgend  einer  vorgefaßten  Meinung  an 
sie  heranzutreten.  Wer  auf  den  Standpunkt  steht,  daß 
ein  Architekt  bei  seinen  Bauplänen,  ein  .Maler  vor  seiner 
Staffelei  bleiben  und  den  Garten  ausschließlich  dem  Gärtner 
überlassen  soll,  wer  es  von  vornherein  ablehnt,  andere 
als  die  lehr-  und  schulmäßig  überlieferten  Anschauungen 
über  Gartenkunst  gelton  zu  lassen  —  es  gibt  ja  leider 
noch  viel  mehr  solcher  Leute  unter  denen,  die  sich 
Gartenkünstler  nennen,  als  man  denken  sollte  — ,  dem 
ist  nun  einmal  nicht  zu  helfen,  er  wird  durch  keine 
Erfahrungen  aus  seiner  Rückständigkeit  herausgehoben 
werden.  L)er  soll  aber  auch  lieber  zu  Hause  bleiben,  an- 
statt Gehl  und  Zeit  zu  einer  zwecklosen  Reise  nach 
Mannheim  zu  verschwenden.  Wen  der  Behrenssche 
Garten  in  Form  eines  Naturtheaters,  oder  der  Schultze- 
Naumburgsche  Hausgarten  nicht  zu  fesseln  vermag,  wer 
die  Schönheiten,  die  darin  stecken,  nicht  zu  würdigen 
weiß,  der  ist  selbst  kein  Gartenkiinsllei'  und  \m'V  aus 
dem  Läugerschen  Garten  keine  Anregungen  mitnimmt,  der 
ist  eben  einfach  blind  und  dem  spreche  i(;h  auch  die 
Fähigkeit  ab,  dem  Henkelgarten  wirkliches  Verständnis 
entgegenzubringen,  und  habe  ihn  in  Verdacht,  daß  er  ihn 
nur  aus  l']igensiiui  lobt,  weil  er  „landschaftlich"  ist,  nicht 
aber,  weil  er  eine  Fülle  von  Schiuiheit  und  peesieveller 
Stimmung  l)irgt. 


Ich  sage  unter  voller  Wahrung  meines  oft  vertretenen 
grundsätzlichen  Standjjunktes  zu  der  Streitfrage:  Archi- 
tektonisch oder  Landschaftlieh':'  daß  ein  Garten,  wie  ihn 
Läuger  uns  in  Mannheim  vorführt,  einen  reichen  Schatz 
von  Gartenschöinheit  birgt;  ich  nehme  aber  auch  ohne 
weiteres  an,  daß  Läuger  selbst  am  allerbesten  fühlt,  wo 
die  Schwächen  seiner  Schöpfung  liegen.  Es  wird  ihm 
ebenso  gehen  wie  mir,  wenn  ich  eine  Arbeit  vollendet 
habe:  ich  nehme  selbst  am  ersten  wahr,  wo  ich  daneben 
gehauen  habe,  und  es  ist  mir  noch  niemals  vorgekommen, 
daß  ich  vor  einer  fertiggestellten  Aufgabe  das  Gefühl 
gehabt  hätte:  das  ist  dir  einmal  restlos  gelungen. 

Bei  der  Würdigung  von  Darbietungen  auf  dem  Ge- 
biete der  Gartonkunst,  wie  sie  einem  in  Mannheim  vor- 
geführt werden,  muß  man  überhaupt  zunächst  sich  gar 
nicht  darum  kümmern,  von  wem  sie  geschaffen  sind. 
LUese  Frage  kommt  erst  in  zweiter  Linie,  nachdem  das 
..Wie"  unliefangen  geprüft  und  gewürdigt  ist.  E>iese 
eigentlich  selbstverständliche  Mahnung  i'ichte  ich  an 
Jeden.  j']s  gibt  zahlreiche  Gärtner,  bei  denen  die  Wahr- 
nehmung, daß  ein  ,, Künstler"  der  Urhel)er  ist,  genügt, 
um  ohne  weiteres  zu  einem  abfälligen  Ih'teii  übei'  die 
Sache  zu  gelangen.  Ich  persönlich  benutze  jede  Gelegen- 
heit, wo  sich  diese  Geptlogenheit  zeigt,  um  dagegen 
Stellung  zu  nehmen  und  nachdrücklich  auf  das  Unlogische 
solchen  Verhaltens  hinzuweisen.  Freilich,  wenn  man 
beobachtet,  mit  wie  wenig  Neigung  zu  gegenseitigem 
Verstehen  seitens  vieler  Kunstschriftsteller  die  Leistungen 
gärtnerischer  Fachleute  beurteilt  werden,  wie  es  gang 
und  gäbe  ist,  alles  was  vom  ,, Gärtner"  herrührt,  einfach 
als  minderwertig,  als  gar  nicht  der  Erörterung  würdig  hin- 
zustellen, wie  selbst  ernsthaft  sich  um  Klärung  und 
.Läuterung  gärtnerischer  Kunst-  und  Geschmacksfragen 
mühende  Fachleute  abgetan  werden,*)  dann  findet  man  es 
schließlich  verständlich,  daß  oft  in  den  Fachkreisen  eine 
grundsätzliche  Abneigung  gegen  alle  Anregungen  aus 
,, Künstlerkreisen"  zutage  tritt.  Es  werden  auf  diese 
Weise    auf    dem  Gebiete    der  Gartenkunst,    die    an     sich 


*)  Ganz  besonders  konnte  man  derartige  Wulu'nehmungen 
im  Anschluß  an  die  Dresdener  Gartenbauausstellung  dieses 
Jahres  machen.  Wir  finden  da  in  der  „Hohen  Warte"  Angriffe 
auf  Willy  Lange,  die  nur  zu  verstehen  sind,  wenn  man  an- 
nimmt, daß  ihr  Verfasser  über  das,  was  Lange  in  Dresden 
gesagt  hat,  ungenau  unterrichtet  war.  Lange  hat  in  seiner 
Polemik  gegen  Muthesius  gar  nicht  über  M.  als  Architekten 
gesprochen,  er  hat  ledighch  seine  abweichenden  Ansichten  zu 
den  von  Muthesius  in  seinem  Buche  „Landhaus  und  Garten" 
vertretenen  Grundsätzen  über  Gartengestaltung  geäußert;  er 
fiat  sich  aller  geradezu  dagegen  verwahrt,  etwa  mit  denen  ver- 
wechselt zu  werden,  welche  Muthesius  in  seiner  Lehrfreiheit 
beschränkt  wissen  wollen.  Lange  hat  seit  Jahren  die  Kück- 
ständigkoit  der  Gartenkunst  erkannt  und  ist  in  ernstem 
Streben  um  ilire  fortschrittliche  Weitercntwickelunj!;  bemüht. 
Wenn  er  dabei  aus  Neigung  und  Naturell  einen  eigenen  We^ 
eingeschlagen  hat,  wenn  ihn  sein  selbständiges  Denken  zu 
einer  anderen  Auffassung  fj;eführt  hat,  als  Muthesius  u.  a.  sie 
hegen,  so  sollte  man  ihn  gerade  in  den  Kreisen  derer,  die 
immer     das    Persiuilicbe    in    der    Kunst    betonen    und    —    mit 


IX,  7 


DIE   GARTENKUNST 


137 


doch  eine  so  friedliche  Kunst  ist, 
künstlich  Gognorschafton  iiToligezogvn, 
die  sehr  bedauerlich  sind  und  die  den 
Fortschritt  liniimen  müssen,  den  alle 
iOrnstmriiienden  hüiien  und  drüben 
anstreben.  Höften  wir,  daü  in  dieser 
Hinsicht  das  Nebeneinandertreten  auf 
Aussteilungen,  wie  die  Mannheimer, 
einige  Wandlung  schaft't. 

Wir  haben  auf  Seite  137  einen 
(Jbersichtsplan  der  ganzen  Ausstellung 
gebracht  und  wollen  an  Hand  desselben 
ganz  kurz  eine  Aufzählung  der  wich- 
tigsten Darbietungen  geben  —  freilich 
ohne  heute  schon  näher  auf  Einzel- 
heiten eiiizugelieu. 

r>er  Haupteingang  liegt  am 
Kaiserring  gegenüber  der  Einmündung 
der  „Planken"  vor  dem  Wasserturm. 
Rechts  und  links  neben  dem  Eingang 
sind  Rosengärten  angeordnet  nach  Ent 
würfen  von  Prof.  Länger,  ausgeführt 
und  bepflanzt  von  Boehm-iJberkassel 
und  Puter  Lambert- Trier.  L>urcli 
Anbauten  am  Wasserturm  sind  sie 
getrennt  von  den  übrigen  Anlagen  des 
Friedrichsplatzes.  E)ieser  hat  seine 
Ausgestaltung  bekanntlich  durch  Bruno 
Schmitz  erfahren,  und  es  sind  noch 
in  diesem  Frühjahr  wesentliche  Um- 
gestaltungen der  Wasseranlagen  vor- 
genommen worden.  E)ie  Bepflanzung 
seiner  Blumenbeete  wird,  nachdem 
die  Tulpen  Beisenbuschs  verblüht  sind, 
von  der  Vereinigung  Stuttgarter 
Handelsfirmen  bewirkt,  und  man  muß 
anerkennen,  daß  ihre  Leistungsfähig- 
keit in  einem  vorteilhaften  Gegensatz 
zu  der  derjenigen  Firma  steht, 
welche  die  ülioraiis  dürftige  Bepflan- 
zung des  großen  Blumengartens  auf 
der  Eȟsseldorfer  Ausstellung  besorgt 
liatte,  L>urch  Straßenüberbrückungon 
gelangt  man  nach  links  in  den 
„Rosengarten"  —  den  großen  Fest- 
saalbau Mannheims,  erbaut  von  Bruno 
Schmitz,  nach  rechts  zu  der  neuen 
Kunsthalle  von  Billing,  in  der  sich 
die  Internationale  Kunstausstellung 
befindet.  Die  vertiefte  Fläche  davor 
ist  zur  Erbauung  eines  Museums 
bestimmt.     Für    die    Dauer   der  Aus- 


**^  ? .^■>  y  ■>  "> "?  >  ->  .i />  ^..>  > 


vollem  Recht  —  Jen  leisesten  Versuch 
der  Beschränkung  der  Lehrfreiheit  und 
der  Freiheit  der  künstlerischen  Betätigung 
bekämpfen,  seiner  Selbständigkeit  und 
Eigenart  willen  respektiei'en. 


138 


Dil:    GARTENKUNST 


IX,  7 


Stellung  ist  sie  von  Siesmayer-Prankfurt  a.  M.  in  einen 
Schmuckhof  umgewandelt,  der  allseitigen  Beifall  finden 
dürfte. 

Die  in  der  Längsachse  des  Friedriehsplatzes  sich 
erstreckende  breite  Alleestraße  „Augusta-Anlage"  birgt 
Parbengärten  von  Prof.  Länger,  die  .-Vasstellungsfliiche  der 
Mainzer  Handelsgärtner,  Rosenptlanziingen  von  Lambert- 
Trier,  Obstgärten  von  Hönings-Neuß  und  Gaucher-Stuttgart 
und  eine  Gartenanlage  von  Buchnor-München. 

Auf  der  rech- 
ten Seite  der  Au- 
gusta-Anlage    — 

immer  vom 
Wasserturm  aus  — 
liegt  das  Gelände 
mehrere         Meter 

vertieft    und 
wird      von      zwei 
Alleen         parallel 
zur     Augusta-An- 
lage       aufgeteilt. 
Es       wird       teil- 
weise       begrenzt 
durch   die    Hallen- 
bauten von  Läuger, 
in  denen  die  sog. 
Industrieausstel- 
lung unter- 
gebracht   ist    und 
wechselnde     Son- 
derausstellungen 

veranstaltet 
werden.  Zwischen 
den  beiden  Alleen 
folgen,  vom  Pried- 
richsplatz  aus  be- 
ginnend, die 
Sondergärten  von 
Goos  &j  Koene- 
mann,*)  Prof.  Län- 
ger, ProL  Behrens,  F.  Henkol-L)armstadl  und  drr  Uestaura- 
tionsgarten**)  und  zwischen  der  südlichen  .Mb'O  und  den 
Hallen  der  Garten  von  Gebr.  RouthoBonn  und  Architekt 
Krug-Darmstadt,  Schmuckbeete  von  Prof.  Billing,  die  Gärten 
des  Prof.  Schultze-Naumburg,  des  Gartenarchitekten  Bralio- 
.Mannheim,  Gewächshausbauten  und  die  Schwarzwald- 
landschaft mit  ihrer  Bepflanzung  in  iXadelhülzern  von 
Weber  &  Co.- Wiesbaden  und  Stauden  von  Ahi'ens-Konsdorf. 


Die  neu  erbaute  Mannheimer  Kunsthalle  (Arch.  Prof.   Hilling) 


Zur  Veranstaltung  der  Ausstellung  hat  bekaimtlich 
das  300jährige  Stadtjubiläum  Mannheims  die  Veranlassung 
gegeben.  Die  Stadt  begeht  im  Zusammenhang  damit  in 
diesem  Sommer  eine  Reihe  von  Festlichkeiten,  die  neben 
den  Ausstellungen  viel  Besuch  nach  Mannheim  führen; 
dementsprechend  hat  die  Stadt  sich  geschmückt  und 
es  ist  recht  Hübsches  dabei  geleistet  worden.  Einiges 
haben  wir  in  unseren  Bildern  festgehalten:  so  z.  B.  die 
dekorative  Gruppe,  welche  sich  gegenüber  dem  Haupt- 
ausgang des 
Bahnhofs  am  An- 
fang des  Kaiser- 
ringes befindet  und 
eine  plastische 
Wiedergabe  des 
aus  einem  Wett- 
bewerb hor\'orge- 
gangenen  Aus- 
stellungsplakates 
bildet.  Weiterhin 
führen  wir  die 
Straßendekoration 
der  „Planken"  und 
derp''riedrichstraße 
im  Bilde  vor,  sowie 
die  recht  wirkungs 
vollen  Bogen,  mit. 
der  die  Straße 
vor     dem     Schloß- 

ausgeschmückt 
ist.  I'.ndlich  ist 
S  eite  13:5  eine 
.Vnsicht  dos  süd- 
.istlichen  Schloli- 
tliigels  mit  dem 
in  den  Anlagen 
ilavor  während  der 
Jubiläumsfestlich- 
keiten enthüllten 
Denkmal  des  Groß- 
herzogs Carl  P'i'iedi'ich  und  Seite  138  die  von  Billing  ent- 
worfene   und    erbaute   iu:ue  Kunsthalle  wiedergegeben. 


*)  Der  Garten  der  Firma  Goos  &  Koenemanu  erhellt,  nicht 
Anspruch  darauf,  als  Versuch  zur  Lösung  irgend  eines  garten- 
künstlerischen  Problems  aufgefaßt  zu  werden.  Die  Firma  hat 
lediglich  ihr  Stau  den  material  zur  Schau  stellen  wollen.  Immer- 
hin wäre  es,  um  Mißdeutungen  zu  verhüten,  ratsam  gewesen, 
sich  hierbei  die  Mitwirkung  eines  tüchtigen  Gaitengestalters 
zu  sichern,  anstatt  die  schönen  Stauden  zur  Bepflanzung  einer 
„landschaftlichen"  Anlage  zu  benutzen,  wie  sie  nicht  sein  soll. 
**)  Ich  war  von  der  Ausstellungsleitung  aufgefordert  worden, 
einen  Entwurf  für  diesen  Restaurationsgarten  zu  liefern,  nach- 


dem ich  daniiif  hingewiesen  hatte,  dali  man  ihn  nirht  lediglich 
als  Biergarten^mit  Tischen,  Stühlen  und  dem  sonstigen  Zubeluir 
ausstatten  solle,  sondern  auch  für  ihn  eine  dem  ganzen  Aus- 
stellungsbilde entspiechende  künstlerische  Lösung  versuchen 
milchte.  Die  Ausführung  dieses  Entwurfes  scheiterte  nachher 
an  den  Kosten,  freilich  nicht  weil  eine  unerschwinglich  kost- 
spielige .\nsstattung  vorgesehen  gewesen  wäre,  sondern  weil  die 
EntSchliessung  über  die  Ausführung  gerade  in  eine  Zeit  fiel, 
wo  man  sich  um  die  Einhaltung  der  Voranschläge  große  Sorge 
machte  \ind  die  Losung  :  .Sparen,  s]iareii!.'  ausgegeben  war.  So 
bheb  mein  Entwurf  auf  dem  Papier  stehen.  Da  trotzdem  aber 
im  Ausstellungskatalog  Seite  41  No.  02  steht:  Heicke,  Entwurf 
für  die  Aussclimückung  des  Restaurationsgartens,  so  habe  ich, 
um  Mißverständnissen  vorzubeugen,  den  Sachverhalt  hier  aus- 
('inandergesetzt.  Es  ist  nichts  —  aber  auch  gar  nichts 
von  meinem   iMitwuif  ;i  us  "c  f  ii  Int.  worden.         Heicke. 


IX.  7 


DIE  GARTENKUNST 


KU) 


ajj  JJU  J  ..  J  JJ.» 


1.  Lageplan.    Maßstab  ca.  1  :  7'jOO.    Die  oingeschriebenen  Buchstaben^beziehen  sich  auf  die  nachfolgenden  AhbihUingen  2,  8,  -t,  u.  5. 


2    Griindphin  der  Anlage  bei  C  des  Lageplans.      A.  Verwaltungsgebäude  mit  Hof,     ßeoiise,    Stall    und  Geräte- 
schuppen.    B.  Schule  und  Turnhalle  mit  Schulhof,    Turnhof  und  Schulhof.     C.  Gärtnerei  mit  Gärtnerwohnung. 

Gewächshäusern,  Frühbeeten  und  Anzuchtbeeten. 
Studie  zu  einer  Vil|Ienkolonie.     En|twurf  von  E.  Barth,  Cöln  a,  Rh. 


uo 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  7 


Stiidif  '/AI  einer  Villeiikoloiiie. 

Vun  Erwin  Barth,  (Gartenarchitekt,  Lübeck,  zurzeit 
Cüln  a.  i\h. 

Es  ist  L'in  ci-rrculiches  Zeichen  dos  Fortschrittes 
auf  (lern  Gebiete  der  Gartenkunst,  dali  bei  der  Er- 
weiterung von  Städten  sowie  bei  der  Anlage  von 
Garteiistiidten  und  Villenkolonien  auch  Gartenkünstler 
zu    Rat  gezogen   werden. 

Ein  Beispiel  für  einen  Bebauungsplan  hat  uns 
Ötadtgartendirektor  Trip  in  seinem  Plan  für  die 
Erweiterung  der  Stadt  Linden,  ein  Beispiel  für  eine 
(iartenstadt  Prof.  Olbrich  in  seinem  Entwurf  für 
eine  Gartenstadt,  am  Hohlen  Weg  bei  Darmstadt  ge- 
geben. 

Mein  Entwurf  stellt  eine  Studie  zu  einer  Villen- 
kdlonio  in  einem  liügeiigen  Gelände  der  Provinz 
Brandenburg  dar. 

Anforderungen    an    eine  Villenkolonio  im 
Gegensatz  zur  Stadt. 

Das  Wohnen  in  der  Villenkolonie  soll  in  ge- 
steigertem Maße  Gelegenheit  bieten,  ein  gemütliches 
Heim  zu  scbaften,  in  dum  man  nach  dem  hastigen 
Treiben  in  der  Stadt  und  nach  des  Tages  Arbeit  sich 
die  volle  liuhe  günnen  und  die  Natur  in  unmittelbarer 
Nähe  genielion  kann. 

Darum  soll  zu  jedem  Hause  ein  Garten  gehören, 
der  nach  dem  individuellen  Geschmack  und  Gefühl 
des    jeweiligen    Besitzers     einzurichti>a  ist. 


Straßen  fü  hru  m 
(Vgl. 


u  n  il   ( i  r  u  n d  s  t  ü c  k e  i  n  te  i  1  u  n  g. 
igeplan  Seite   189.) 


Itie  Strallen  schlieUen  sich  an  die  das  Gelände 
nordöstlich  begrenzende  Verkehrsstraße  so  an,  daß 
man  von  hier  auf  möglichst  kurzem  Wege  alle 
Punkte  erreichen  kann.  L)ie  Straßenführung  ist  un- 
gezwungen und  dem  Gelände  angepaßt.  L»as  stärkste 
Steigungsverhältnis    beträgt   1:24. 

Lange,  geratle  Stra.ßen  sind  vermieden,  weil  ihre 
Anlage  liei  den  verschiedenen  Steigungsverhältnissen 
des  Geländes  große  Erdarbeiten  erfordern  würde  und 
eine  malerische  Anordnung  der  Villen  sehr  erschwert. 

An  dem  lloehwaLI  an  der  Südostgronze  ist  die 
eine  Straße  annähernd  pai'allei  in  einer  Entfernung 
von  !l  m  vorbeigeführt.  um  den  Waldrand  zu  er- 
halten imd  ihn  den  Passanten  wirkungsvoll  zu  zeigen. 
Die  Villen  sind  meistens  in  den  Wald  hinein  projektiert. 
Es  bUsibt  so  genügend  Kaum,  einen  sonnigen  Garten- 
teil nach  der  Straßo  zu  anzulegen.  Die  Lage  der 
Villen  \or  diMn  Walde  hätte  den  Vorteil,  dali  deren 
einzelne  liäume  etwas  In^ller  geworden  wären,  doch 
würde  die  Straßo  B.  nur  mit  bedeutiMiden  ]<;rd;irbeiten 
weiter  vom  ^\'a,ldl^  verlegt  werdiMi   kömnen. 

Der  Hochwald  im  Xordeii  wii'd,  um  den  Uand 
so  wenig  wie  möigiieh  anzuschneiden,  in  anMahi'rnd 
rechtem  Winkel  <lur('hbrochen. 

Das  Straßennetz  ist  im  Zenirum  enger  aJs  na.cli 
der    l'eripherie,     weil     auch     die     kleineren     Grnnd- 


IX,  7 


1)1  K  (lAUTKNKUMST 


141 


sLiicko  wo.u'i'ii  der  gU'iclmi;iliii;'('ii  Iliiheiila.ur 
des  Zt'ntruiiis  Ihm  \'ürmoiduni<  griillcriT  llid- 
arbeiti'ii  hior  aiiii-cordni't  worden  muütcii.  1  Uircli 
die  I-a,i;e  der  •i'iiilli'i'eii  Grundstücke  an  den 
Grenzen  \vir(l  auüerdem  eine  .n'erinn'ere  Aus 
dtdinunu'  der  Stralien   erzielt. 

Im  südlichen  Ti'il  ist  ein  Sti'allcnzui;'  im 
tion'en  ziomlich  dicht  an  den  See  heraiiKefülu'l.. 
um  rocht  vielen  Villen  die  malerische  Lage  an 
demselben    zu    verschatlen. 

l'm  den  Bewohnern  Spaziorgiinoo  in  ilie 
Umgebung  zu  erleichtern,  ist  ein  vorhandoner 
Feldweg,  der  in  südöstlicher  Richtung  an  dem 
Kiefernhochwald  entlang  aus  dem  Gelände  her- 
ausführt, beibehalten  und  ein  neuer  Verbin- 
dungsweg nach  dem  die  Westgrenze  bildenden 
bestehenden  Feldweg  vorgesehen   worden. 

Stralien  breite   und   Hopflanzung. 

Die  Straßenbreite  ist  wegen  dos  geringen 
Verkehrs  auf  das  kleinste  Maß  beschränkt. 

l>ie  äußere  der  beiden  Ringstraßen  ist  als 
L'mfahrtstraße  und  Alischluß  des  Zentrums 
14  m  breit,  d.  h.  7,5  m  Fahrdamm  und  2  mal 
3,25  m    Fußweg  mit  Baumreihe. 

r>or  innere  halbkreisfiirmige  Straßenzug 
ist  l'S  m  JM'eit  und  hat  7,5  m  Fahrdamm  und 
2  mal  2,75  m  Fußweg. 

iJie  fast  rechtwinklig  von  der  viu'beifUhren- 
den  Verkehrsstraßo  in  die  Mitte  des  Terrains 
hineinführende  Straße  ist  als  Promenade  mit 
Schmuckanlage  gedacht  uml  34  m  breit  mit 
2  mal  je  2,5  m  Fußweg  und  14  m  Anlage 
mit  Weg  (vgl.  nebenstehende  Abbildung). 

t>ie  nördlichste  der  Verbindungstraßen 
zwischen  den  beiden  Ringen  ist  17  m  breit 
mit  7  m  Fahrdamm,  2  mal  je  2,50  m  Rasen 
mit   Baumreihe   nnd  je  2,5  m  Fußweg. 

L)ie  übrigen  Straßen  haben  11  m  Breite, 
d.  h.  6,5  m  Pahrdamm  und  2  mal  je  2,25  m 
Fußweg. 

AUeeptlanzung  ist  nur  in  den  Hauptstraßen 
vorgesehen,  weil  durch  die  Bäume  an  den 
schmalen  Fußwegen  die  Vorgärten  in  Mit- 
leidenschaft gezogen  würden;  es  wäre  somit 
eine  Verbreiterung  der  Straßen  erforderlich; 
die  hierdurch  und  durch  die  Ptlegc  der  Bäume 
notwendigen  Kosten  würden  aber  nicht  im  Ver- 
hältnis zu   der    erzielten  Wirkung  stehen. 

Als  Alloebäumo  in  dem  äußeren  Ring 
sind  Betula  alba,  Betula  papyracea  und  Sorlnis 
aucuparia  gewählt  worden,  da  sie  zu  dem 
Charakter  der  Landschaft  (Mark  Brandi'nburg) 
passen,  nicht  zu  stark  wachsen  und  in  der 
freien  Lage  auch  gut  gedeihen  werden.  Sie 
sind  sortenweise  auf  einzelne  Abschnitte  zu  ver- 
teilen, um  die  Orientierung  zu  erleichtern. 


142 


DIE   GARTENKUNST' 


IX,  7 


Verwaltungsgebäude  und  Schule. 
Beide  liegen  im  Zentrum  bei  C,    damit  sie  von  allen 
Seiten  leicht  zu  erreichen  sind. 

Das  Verwaltungsgebäude  ist  als  Point  de  vuo  der 
darauf  hinführenden  Alleestraße  regelmäßig  gedacht  mit  2 
Eingängen,  die  zu  ver- 
schiedenen Verwal- 
tungen führen  kön- 
nen. An  der  Rück- 
seite desselben  mit 
dem  Eingang  von  der 
Seitenstraße  ist  ein 
Hof,  von  Stallung, 
Remise  und  Geräte- 
schuppen umgeben , 
vorgesehen.  In  der 
Mitte     befindet    sich 

ein  rechteckiges 
Bassin,  von  2  Bäu- 
men beschattet,  als 
Tränke  für  die  Pferde. 
E>ie  Gewächs- 
häuser der  Gärtnerei 
schließen  sich  an  die 
Mauer  des  Verwal- 
tungshofes mit  der 
Glasseite  nach  Süden. 
Vor  ihnen  sind  Früh- 
und  Anzuchtsbeete. 

An  der  Rück- 
seite der  Stallung 
befinden  sich  Dung- 
stelle und  Erdmaga- 
zin. 

Die  Schule  mit 
Turnhalle,  Schul- und 
Turnhof  ist  abseits 
der  Straßen  gelegen, 
weil  der  Lärm  der 
Kinder  während  der 
Pausen  die  Ruhe  der 

Villenljewühner 
stören  würde. 

Um  gleich  in  den 
Schulen  Verständnis 
und  Liebe  für  di(^ 
Natur  zu  wecken,  ist 
der  Hof  von  einem 
Schulgarten  umge- 
ben. .Vußer  einigen 
Pflanzen,  welche  un- 
umgänglicii  auf  Bee- 
ten gezogen  werden  müssen,  sind  diese  nicht  in  syste- 
matischer, sondern  natürlicher  Weise  zu  gruppieren,  so 
wie  sie  in  der  .Natur  vorkommen. 

Die  Grenzpflanzung  besteht  aus  den  verschirilnirii 
deutschen  Waldbäumen  mit  zugehörigem  Unterholz  und 
Stauden.     E)ie    höher    gelegene  Fläche  ist  als   ll.'idepartir 


mit    Birken,    Kiefern,    Wachholder,     Ginster,    Eriken    und 

Heidelbeeren  gedacht. 

Aus  einer  F'indlingspartio    entspringt  ein   Wasserlauf, 

an   dessen  Ufern    Sum|il'ptlanzeu    gedeihen;    er  mündet  in 

einen  Tümpel,   welcher  zur  .\ufnahmo  von  Wasserpflanzen 

bestimmt  ist.  Statt 
des  üblichen  Rasens 
ist  Wiesenvegetation 
mit  vielen  Stauden 
vorgesehen. 

Den  ausländi  - 
sehen  Pflanzen,  wel- 
che vor  der  Schule 
an  der  Straße  an- 
gebracht werden  kön- 
nen, ist  weniger  Be- 
deutung beigelegt, 
weil  die  Kinder  zu- 
erst die  einheimische 
Vegetation  kennen 
lernen  sollen. 


Seh  muckplätze 
u  n  d 
Promonaden. 
Die      Schmuck- 
plätze sollen  das  Ge- 
samtbild   der   Villen- 
kolonie   verschönern 
und    den  Bewohnern 
durch  einfache,  wir- 
kungsvolle,      prakti- 
sche   Anlage    sowie 
gute       Unterhaltung 

Anregung  geben, 
selbst  eigene  schöne 
Gärten  zu  schaffen. 
In  allen  .Vnlagen 
ist  durch  zweckent- 
s|irei'hende  einfache 
Linienführung  und 
schattige  Sitzplätze 
der  Gedanke  der 
Ruhe  und  Behaglich- 
keit ausgedrückt. 

1  lic  gm'aden  JJ- 
iiien  und  scharfen 
Ecken  sollen  dem 
Ganzen  durch  kräftige 
Licht-   unil  Schatten- 

wirkiingcii    einen 
energischen    ( 'harak- 
Scharfe  Wegeecken  sind   nur  dort,   wo   sie 


4a.    StuJiu  zu  einer  Villenkulonie.    Entwurf  von  Iv  Bartli. 
Bassin  und  Sitzplatz  in   der  AnLagc  an  der  Abzweigung  der  Alfeestrafie  (•  i rund 
plan  Seite  141)  von  der  HauptverkelirsKtraße. 


tor  verleihen. 

kein   Verkehrshindernis  sind. 

In  din-Aulage  A  zwischen  der  äußeren  Ringst  ralle 
und  dem  See  ist  ein  (Grundplan  S.  140)  malerischer  hiirch- 
blick  nach  dem  letzteren  geschaflen.  Um  die  geringen  Höhen- 
unterschiede wirkungsvoll  auszunutzen,    sind  Terrassen  je 


IX, 


DIE   GAllTIONKliNST 


143 


:ia.     Anlagen  bei  A    des  Lageplans,     lllick  vom  Blumengarten  auf  die  obere  'Penvisse.     (Urundplan  Seite   141)  ) 


4  b.     Blick  von  dem  Verwaltungsgebäude  nach  Nordosten  nach  D  des  Lagephmes  in  der  Längsrichtung  der  Alleestraße 

(Grundplan  Seite  141). 
Studie  zu  einer  Villenkolonie.      Entwurf  von  E.  Barth,  Uöln  a.  Ivh. 


144 


DIE  GARTKNKUN.ST 


IX,  7 


nach  Zweck  von  verschiede- 
ner Ausdehnung  geplant. 
Im  Vordergründe  erheben 
sich  2  große  Pyramiden- 
pappeln, zwischen  denen  eine 
einfache  Bailustrade  als  Ab- 
schluß nach  der  ersten  Ter- 
rasse sich  entlangzieht,  unter 
ihr  entspringt  ein  Quell, 
in  architektonischer  Form 
in  Stein  gefaßt,  motiviert 
durch  das  hochansteigende 
Gelände  im  Hintergrund. 

Vor  dieser  Partie  er- 
streckt sich  ein  langes  ver- 
tieftes Rasenparterre,  von 
einer  niedrigen  Epheurabatte 
eingefaßt.  Zu  beiden  Seiten 
liegen  Eichenhaine,  in  deren 
Schatten  Kinder  wie  Er- 
wachsene Gesundheit  und 
Ausbildung  des  Körpers  in 
fröhlichem  Spiel  fiU-dern  kön- 
nen. 

Die  zweite  Terrasse  ist 
als     Blumengarten    gedacht 
und  gibt   durch   ihre    Licht- 
flächen einen  kräftigen  Kon- 
trast zu  den  Hainen.    Ist  die 
ganze  Anlage  in  ihrem  Pflan- 
zenmaterial   dem   Charakter 
der  Landschaft  angepaßt,  so 
ist  hier  l)esondors  ilie  Heide- 
vegetation     hervorgehoben. 
Auf    den     breiten     Blumen- 
rabatten   finden    Rhododen- 
dron,   Azaleen,    Eriken    und 
andere     Heideblumen     Ver- 
wendung.   Die  höheren  Ge- 
hölze  sind  Birken,    Kiefern, 
Wacholder,      die     schmalen 
Pflanzungen     bestehen     aus 
verschiedenen      Heiderosen. 
Von  den  angrenzenden  Villen- 
gärten   führen    Zugänge  in 
die  Anlage. 

Am  Seeufer  erweiterl 
sich  die  Anlage,  um  in  einem 
kleinen  ]<]rlnschungsgarten, 
von  Birken  beschattet,  zu 
enden.  In  der  Hauptachse 
liegt  der  Landungsplatz  für 
Wasserfahrzeuge,  zu  seinen 
Seiten  sind  einfache  Boots- 
häuser mit  Ziegel-  oder 
Kupferdach  vorgesehen. Diese 
Partie  ist  nicht  weit  in  den 
See    hineingebaut,    sondern 


Studie  zu  einer  Villenkoloiiie.     KntwuH'  von   10.   BhiUi 
Maßstab  ca.  1  :  1250. 
Gnindphm  der  Anliigen  des  Stral.Senzugs  bei  E. 


bcschoiden  im  Grün  verbor- 
gen, um  jeden  Schein  des 
Aufdringlichen  zu  vermeiden. 
Die  Straße,  welche 
auf  das  Verwaltungs- 
g  e  b  ä  u  d  e  h  i  n  f  ü  h  r  t  (G rund- 
plan S.  141),  ist  wegen  ihrer 
Lage  in  der  Mitte  der  Kolonie 
als  Promenade  ausgebaut. 
Die  breiten  Alleen  von  amer. 
Eichen  und  der  gerade  Weg 
sollen  auf  das  Verwaltungs- 
gebäude hinweisen,  dem  ein 
zweckentsprechender  Platz 
vorgelagert  ist. 

Der       halbkreisförmige 
Platz    an    der    Abzweigung 
dieser  Straße  von  der  vorbei- 
lührenden  Verkehrstraße  soll 
dem  Inneren  der  Kolonie  et- 
was   Abgeschlossenes     ver- 
leihen.    Tritt  man    von  der 
Straße  auf  den  Platz,  so  muß 
der  Besucher  gleich  das  Ge- 
fühl   haben:    hier    herrscht 
Kühe  und  Frieden.    Das  tief- 
gelegene Bassin  (Abb.  S.  142), 
dessen    Wasserfläche    durch 
einige    Wasserrosen     belebt 
wird,  die  von  Hecken  bekrön- 
ton Böschungen,  die  hochgele- 
genen allgeschlossenen  Sitz- 
plätze und  die  ungezwungene 
hohe    Umpflanzung    werden 
diesen  Eindruck  hervorrufen. 
Der  Platz  bei  E  (neben- 
stehende Abbildung)  liegt  sehr 
hoch.      Um   ihn   noch   mehr 
h.'rvor/.uhcben,  ist  in  seiner 
Mitte  ein  um  60  cm  erhöhter 
Sitzplatz      vorgesehen,     der 
von  hohen  Silberpappeln  be- 
schattet wird.    Die  Nachteile 
dieser   Baumart   fallon    hier 
fort,     da    die    Gehölz-    und 
lleckenpflanzung     aus     an- 
spruchlosen Pflanzen  besteht. 
Die    .\nlage     ist     kein    Vor- 
krlir.shindernis,weilihrMittel- 
punkt  nicht  in  der  Mitte  der 
Stra-lionkreuzung  liegL 

Von  diesem  Platz  ab- 
lallend lülni  die  geschlossen 
brbauto  Straße  nach  Westen 
in  Uichtungaul  den  höchsten 
Punkt  des  ganzen  Geländes 
welcher  durch  ein  schloß- 
artiges G(^bäuile  zu  erhöhter 


IX,  7 


DIE  GARTENKUNST 


145 


Ca.    Platz  an  der  Sti'alJeiikreiizuni;  bei    IS.     ISlick  auf  die  Terrassen. 


Wirkung  gebracht  wird.  I  »ir 
vorgesehenen  Vorgärten  halsen 
durchschnitüich  10  m  Tiefe. 
I'ie  Häuserfronten  sollen  bald 
Vor,  bald  zurückspringen;  die 
in  dou  Grundplänen  einge- 
tragenen Baufluchten  sollen 
nur  nicht,  nach  den  Straßen 
hin  überschritten  werden.  Ftie 
P'uüwege  sind  durch  Hasen- 
rabatten, die  mit  Pyramiden- 
eichen bepflanzt  sind,  von  der 
Fahrstraße  getrennt. 

Der  Platz  am  anderen 
Endo  dieser  Straße  liegt  tief 
und  ist  deshalb  auch  in  i\rr 
Beptlanzung  niedrig  gehalten. 
L>ie  Fahrstraße  führt  nur  an 
einer  Seite  des  Platzes  vorbei. 

DerPlatzbeiB(Abb.S.145) 
endlich  war  notwendig,  um 
den  verschiedenen  dort  sich 
kreuzenden  Straßen  eine  be- 
quemere Steigung  zu  ver- 
schaffen. Die  Anlage  ist  in  ver- 
schiedeneTerrassen  gegliedert, 
welche  nach  den  Seiten  durch 


Studie  zu  einer  Villenkolonie. 
Maßstab  ca.  1 


Entworfen  von  E.  Barth. 
1250. 


hochgelegene  Pflanzung  abge- 
schlossenwerden. Die  unterste 
Terrasse  wird  von  einer 
Mauer  gestützt,  vor  der  breite 
Staudenrabatten  liegen.  Die 
nach  Süden  abfallende  La.ge 
verbürgt  ein  gutes  Gedeihen 
der  Pflanzen. 

Werden  derartige  Villen- 
kolonien, wie  sie  hier  gedacht 
sind,  mehr  wie  bisher  zur  Aus- 
führung gelangen,  so  wird 
man  bald  die  Erfahrung 
machen  können,  daß  die  .\n- 
wohner  viel  mehr  Genuli  und 
Erholun.g  in  der  Natur  suchen 
und  finden  werden  als  in  dem 
aufreibenden  Leben  der  Groß- 
stadt. So  wird  das  Stückchen 
Erde,  welches  Kunst  und 
Xatur  geschaffen  haben,  dazu 
beitragen,  daß  seine  Bewohner 
Glück  und  Zufriedenheit  er- 
langen, um  neue  Kraft  für 
den  Kampf  des  Lebens  zu 
sammeln. 


Platz  an  der  Kreuzung  der  StraUe  bei  B.     Grundplan. 


146 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  ; 


Die  (ilruii(lzüp;e  der  Laiidscliaftsjiestaltiiiij:;. 

HiTiVeisp,    \\\e    man    dii'    Tiatiirliclicii  Scliöiiliciti'ii    von  (icliiiscIii'H 

und  Waldmii^en  in  Ki'sclii'iniin^  liclcn  lassen  kann. 

Von  J.  Forsyth  Johnson. 

(Aus   dem  Englischen    frei  übertragen    von     i'.   K.  Schneider 
und   E.  B.  Behnick.)  (Sclduß.) 


Szene  rio. 

Eine  ausge- 
dehnte Szenerif 
enthält  viele,  viele 
Szenen,  deren  jede 
in  sich  selbst  a.li- 
gesc'hlüssen  sein, 
aber  doch  in  har- 
monischem /ii- 
sammen  klang  mit 
dem  Ganzen  stehen 
sollte. 

Jede  Szenerie 
gliedert  sich  in  L'm- 
riiS   und  Zentrum. 

E>as  letztere  wird 
mehr  oder  weniger 
von  niederer  Vege- 
tation und  Wasser 
ausgefüllt,  während 
das  Wahrzeichen 
des  ersteren  Höhe 
ist.  Hauptsächlich 
die  Wirkungen  von 
Strauch  und  Baum, 
Gebäuden  usw.  Ijü- 
den  die  Merkpunkte 
der  Szenerie,  nur 
das  Zentrum  zeigt 
die  Szenerie  alb 
solche. 

Umri  11. 
Bei  J.andschal'ts- 
gestaltung  durch 
Anpflanzung  oder 
Auslichtung  werden 
wir  finden,  dall 
die     KonturiMi      in 

Wirklichkeit  die  Umrißlinien  bestimmen,  l'iid  diese  setzen 
sich  bei  i-ichtiger  Entwickelung  aus  Vorspriingcn  und 
Buchton  zusammen,  die,  wie  unsere  früheren  Figuren 
zeigen,  gcmätl  den  (^liarnktoren  des  üelilndes  und  der 
Objekte,  mit  denen  \\ir  dii^s  besetzen,  ständig  variieren 
In  öffentlichen  Parks  jjllegen  wir  freilich  oft  nur  l  ni 
rißlinien  von  einem  gewissen  Schematismus  zu  sehen. 
Deshalb  bewundern  wir  in  diesen  Parks  wohl  die  Scliön- 
helten  des  Rasens  und  der  einzelnen  Pflanzen,  verurteilen 
aber  das  ganze  Arrangement,   da  (!s   unnatiii-lich  isl. 

Die  rmrililinien    werden    durch  die  Bäume  markiert. 
Die     wuchtigen     Züge     von    Englands    Wildlandschaften 


werden  hervorgerufen  durch  Ulmen,  Eichen,  Platanen, 
IJnden,  Roßkastanien,  Edelkastanien,  Kiefern,  Libanon- 
zeitern,  Buchen,  Weiden  usw.,  die  alle  weiten  Raum  zur 
Entwickelung  erfordern  und  weiten  Abstand,  damit  ihre 
Größe  in  Erscheinung  trete.  \Mr  finden  aber  in  unseren 
Parks  zu  lächerliche  Versuche,    Massenanpflanzungi'n  von 

Bäumen  einer  Große 
usw.,  Dutzende  von 
Bäumen  werden  ge- 
pflanzt, wo  ein  ein- 
ziger der  obenge- 
nannten in  voller 
Grolle  ausreichend 
sein  würde. 

In  Amerika  ge- 
deihen die  meisten 
der  angegebenen 
Ijäume  gut,  aber 
iilier  alle  türmt  sich 
der  Tulpi/nbaum 
und  bildet  eine  neue 
Formenwelt.  E)ie 
Sehiinheit  des  ameri- 
kanischen Pflanzen- 
lebens harrt  noch 
der  Entwickelung. 
Die  Scharlachoiche 
färbt  sich  im  Herbst 
so  leuchtend  wie 
ein  scharlachrotes 
Geranium,  und 
die  Ahorne.  Hickory- 
nüsse, Hartriegel 
(Corniis)  und 

Sauerbäume  (Oxy- 
den drum)  wallen 
nni'h  darauf,  daß 
man  di'u  lieii-h- 
tum  ihrer  Farben- 
schönheiten  in  Er- 
scheinung Ireti'n 
hisse. 

In  \r>\rv  l'llan- 
znng  snjlte  das  l!e- 
sd'ebcn  zum  .Viis 
ili'iick   kduinieu,   zu 


Aus:  Felber,   „Natur  und   Ivunst  im   Walde". 

dien   Jahi'es/.eiteii    W'ii'kungi'ii    zu   ei'zieli'ii 


S  z  (Ml  e  r  i  e  (G  e  w  ä  s  s  e  r). 

Alle  unsere  Figuren  zeigen  wechselnde  Linienfiilninig. 
um  zu  veranschaulichen,  dal!  keine  (iestaltungsarl  einer 
anderen  gleich  sei,  ileiiii  iiiinuT  bielcn  die  Verhältnisse 
zu  .Xeuein  (li'Uiid  —  zu  N'ai'ialiniieii  im  ficlände,  indessen 
yleigen  und  h'aJIen.  in  den  l''ernsi(diten,  in  scliiinen 
Bäumen,    E'elseii,    Wasser   usw. 

Jedes  I^and  hat  scinr  nur  ihm  eigenen  Züge.  Das 
Schönste  im  Tiefland  ist  das  Wasser,  wenn  wir  es  in 
seiner  kristallenen  Reinheit  geben  ki'mnen.     Sein  Platz  ist 


IX,  7 


DIE  GARTENKUNST 


147 


(las  Zentrum  der  Szenerie  und  es  ist  empfohlenswert,  den 
\Vassers|)ie,i;-cl  12  Zoll  unter  das  allgemeine  Bodcnni^'eau 
zu  leo-en.  Nahe  dem  Rande  kann  das  J,and  sich  V(n'tief(in, 
so  dali  (.iras  und  Wasser  olnii<  InliM'hreehunü;  ineinander 
übergehen. 

Gewässer     sind     das     Lrlien     der     Xiedcrungrn,     wie 
Bäume       das      des 
llnchlandes. 

Wasser  ver- 
leiht allem  die 
rechte  Wirkung,  es 
vertieft  die  Täler 
und  verstärkt  die 
llrdienwirkung  der 
Hügel  und  färbt  das 
Land  als  Spiegel 
des  Himmels.  Es 
gibt  frisches  Leben 
jedem  Baum  und 
Strauch  uml 

schmückt.  richtiu' 
ausgestaltet,  die 
ganze  Umgebung. 

Die  künstlich 
angelegten  Ge- 

wässer sind  meist 
so  unnatürlich,  als 
man  es  nur  immer 
sehen  kann,  rechte 
plumpe  Pfühle,  die 
wedi'r  den  Land- 
formationen  noch 
dem  Charakter  der 
Szenerien,  die  sie 
verschönern  sollen, 
Rechnung  tragen. 
Die  Umrißlinien  der 
Gewässer  sollten 
immer  im  Einklang 
mit  den  Charakteren 
der  L'mgebung  vari- 
ieren. Fig.  13  —  14 
zeigen, wie  diesel'm- 
rililinien  gemäß  den 
gegebenen  Bedin- 
gungen    wechseln. 

Verfasser  schildert  dann  noch  die  Reize  der  ver- 
schieden Gewässer  und  betont  die  Schönheit  richtig  an- 
gelegter Brücken. 

Charakter. 

Unter  diesem  Stichwort  spricht  Verfasser  des  längeren 
ülier  die  künstlerischen  Wesenszügo,  die  Charaktere,  auf 
deren  rechte  Erfassung  alles  ankommt.*)     Ein  instinktives 


Au-^:   i''ulbor,   „Nntur  und  Kunst  im   Walde" 


')  Die  Übersetzer  fühlen  sich  außerstande,  diese  Aus- 
führungen Johnsons  gut  7.u  übertragen.  Bei  solchen  sub- 
jektiven vom  Thema  weit  abschweifenden  und  nicht  allzu  präzis 
vorgetragenen  Darlegungen  über  rein  künstlerische  Fragen,  ist 
eine  objektive  Übersetzung  ohnedies  recht  schwierig.       S. 


Liebesgefühl  zur  Natur  muß  dos  Gestalters  Hand  leiten. 
S(diiinheit  ist  etwas  so  Uuwäg-  und  Unmelibares,  dall  ein 
reiner  Malei'ialist  sie  weder  sehen  noch  verstehen  kann. 
Wir  s(dirn  die  Szenerien  nicht  isoliert.  L'berall, 
wohin  der  Kuli  ti'itt,  sollen  sich  Einblicke  in  ein  liar- 
nionis(dn:'s  Ganze    dem    .\uge    erschließen.      Es    wäre    das 

fehlerhafteste,  was 
rs  gelten  könnte, 
wenn  eine  Szenerii^ 
nur  auf  einen  bc- 
sljmmten  Stand- 
punktzugeschnitten 
wäre  und  sonst  iso- 
liert in  der  L'm- 
gebung stände. 

Verfasser  emp- 
Ibdilt.  beim  Studium 
von  Gehölzen  auf 
fnlgende  nenn 

Pimkte  vorn(diinli(di 
zu  achten:  L'mriß- 
linli'U.  Wasser- 

wirkung, junges 
l^aub,  reifes  Laub, 
Laubfall,  Blüten, 
Frucht,  Stamm  und 
Cmfang. 

Behandlung. 
Wenn  die  Land- 
schaftsgestaltung in 
ihren  großen  Zügen 
beendet  ist,  so  er- 
fordert die  Anlage 
wenigstens  wäh- 
rend der  ersten 
Jahre  eine  aufmerk- 
same Behandlung. 
Es  gilt  Gehölze  und 
andere  Pflanzen  zu 
ergänzen  und  sonsti- 
ges zu  tun.  Hier- 
beikommt es  darauf 
an,  das  Neue  stets 
in  Harmonie  zum 
Bestehenden  zu 
bringen,  es  muß  helfen,  dessen  Charaktere  weiter  aus- 
zugestalten   und    eventuell  zu  steigern. 

Nehmen  wir  an,  daß  massige  Gruppen  von  Libanon- 
zedern zu  üppig  werden,  so  daß  sie  zu  schwer  erscheinen, 
so  helfen  wir  mit  kleinen  Gruppen  oder  einzelnen  Bäumen 
von  Abios  nobilis  nach,  die  wir  als  Vorsprünge  und 
auf  den  hiichsten  Punkten  anbringen,  wobei  wir  uns 
natürlich  sehr  hüten  müssen,  das  Szenenbild  zu  beein- 
trächtigen. Wenn  wir  eine  Szene  weiter  ausgestalten, 
dürfen  wir  niemals  durch  neue  Ideen  den  ursprünglichen 
Charakter  zerstören. 

In    der  Behandlung    von  Gartenanlagen    werden    die 


148 


DIE  GARTENKUNST 


TX,  7 


schwersten  Fehler  gemacht.  Irgendwo  wird  eine  Lnnd- 
scliaft  von  einem  Künstler  gestaltet  E>ann  kommt  der 
Gärtner,  der  ein  guter  Kiiltivateur  sein  mag  nnd  das 
Vertrauen  des  Besitzers  gewonnen  hat  und  zerstört  durch 
seine  Unterhaltungsbemühungen   mehr,  als  er  aufbaut. 

Verf.  schließt 
mit  di'm  wieder- 
holten Hinweise, 
daß  jedes  ObjelU 
einer  Szenerie  sei- 
nen Platz  ausfüllen 
und  in  harmoni- 
schem Zusainmen- 
klang  mit  dem 
Ganzen  zu  dessen 
Wirkling  beisteuinn 
muß. 


Ivaiifinannschaft  zu  Berlin 
Dr.  Hermann  Muthesius  an 
Lehrfach  mit  einer  anderen  Kraft  zu  lie.setzen 


mit    der    Aufforderung,     das    von 
der  Handelslioclischule    vertretene 


Gegen     dieses    Vorgehen 
29-  April    von    mehreren     der 


Verschiedene 
Mitteilungen. 


Der  Fall  Muthe- 
sius. In  den  letzten 
Wochen  begegnete 
man  wiederholt  in 
den  Tageszeitungen 
Mitteilungen  unter 
der  Überschrift  „der 
Fall  Muthesius",  die 
sich  auf  einen  Streit- 
fall zwischen  dem 
Geheimen  Hegie- 
rungsrat  Muthesius 
und  demFachverband 
für  die  wirtschaft- 
lichen Interessen  des 
Kunstgewerbes  be- 
ziehen. Der  „Fall" 
ist,  ganz  abgesehen 
von  dem  Namen,  an 
den  er  geknüpft  ist, 
bedeutungsvoll  und 
hat  bis  heute  folgen- 
den Verlauf  ge- 
nommen : 

Im  Februarheft  der  „Dekorativen  Kunst"  erschien  die  \  rui 
Geh.  Reg.-Rat  Dr.  ing.  Hermann  Muthesius  in  der  Ihrliner 
Handelshochschule  gehaltene  Eröffnungsvorlesung  über  „Die 
Bedeutung  des  Kunstgewerbes". 

Der  Fachverband  für  die  wirtschaftlichen  Interessen  des 
Kunstgewerbes  beschwerte  sich  am  28.  März  in  einer  Eingabe 
an  den  preußischen  Ilandelsmini.ster,  Herrn  von  Delbrück,  über 
diesen  Vortrag,  der  nach  seiner  Meinung  Architekten,  Maler, 
Bildhauer,  Handwerker  gleichmäßig  beleidige.  Eine  gleiche 
Beschwerde    richtete    der    Fachverb.md    an    die    Ältesten    der 


Aii^:    Felbel,    „Xalui'   und   ]\üu.><L   im    Walde" 


des  Fachverbandes  wurde  am 
angesehenen  kunstgewerblichen 
Firmen  eine  Gegen- 
eingabe an  den  preu- 
ßischen Handels- 
minister gei'ichtet  und 
der  Tätigkeit  des 
Dr.  ing.  Hermann 
Muthesius  .\nerken- 
nnng  gezollt. 

Inzwischen  war 
am  30.  April  li)07 
die  Antwort  von  den 
Ältesten  der  Kauf- 
mannschaft erfolgt. 
Sie  lehnten  die  For- 
derung des  Fachver- 
bandes ab. 

Da  vom  preußi- 
schen Handels- 
ministerium Anfang 
Mai  auf  die  Eingabe 
noch  keine  Antwort 
eingetroffen  war,  er- 
bat der  Fachverband 
unter  dem  4.  Mai 
l'Jit?  eine  Audienz 
bei  dem  Handels- 
minister. Darauf  er- 
hielt er  am  l.'>.  Mai 
1907  vom  Handels- 
minister einen  ab- 
lehnenden Bescheid. 
In  dem  Antwort- 
schreiben der  Ältes- 
ten der  Kaufmann- 
schaft hielt  es:  „Die 
Dozenten       an      der 

Handelshochschule 
r.erlin  genießen  die 
akademische  Lehr- 
freiheit in  demselben 
l'nifange  wie  die 
licizenten  an<lerer 
deutscher  Hoch- 

schulen. Dali  im 
vorliegenden  Falle 
ein  Mißbrauch  die- 
ser Lehrfreiheit  vor- 
liege, haben  wir 
nicht  finden  kr.nnen Kino  wissenschaftlich  be- 
gründete Kritik  der  bisherigen  Leistungen  und  die  Auf- 
zeichnung der  Mittel  zur  Weiterentwickelung  in  neuen  Lehren 
ist  für  Handel  und  Industrie  nicht  nur  nicht  schädlich,  sondern 
in  hohem  Jfaße  föi'derlich.  ja  notwemlig.  Dafür,  daß  dies  im 
vorliegenden   Falle    in    beleidigender    f'cinii    geschehen    sei.  [ist 

keinerlei  Beweis  erbracht " 

Der  Bescheid  des  Handelsministers  hat  folgenden  Wort- 
laut: „Ihre  Vorstellungen  gegen  die  Tätigkeit  des  (leheimen 
Kegierungsrats  Muthesius  richten  sich  gegen  wissenschaftliche 


IX.  7 


DIE  GARTENKUNST 


149 


Ausführungen,  die  er  in  seiner  Eigenschaft  als  akademischer 
Lehrer  der  hiesigen  Handelshochschule  und  unabhängig  von 
seiner  Tätigkeit  als  Mitglied  des  Landesgewerbeamts  gemacht 
hat.  Wenn  ich  schon  deshalb  grnndsätzlich  Bedenken  tragen 
muß,  Ihrem  "Wunsch  gemäß  gegen  diese  Ausführungen  amtlich 
einzuschreiten,  so  vermag  ich  anderseits  auch  nicht  anzu- 
erkennen, daß  diese  Ausführungen  Beleidigungen  von  Berufs- 
klassen enthalten,  die  ein  Eingreifen  von  Aufsichtswegen 
erheischen  würden. 

Bei  dieser  Sachlage  dürfte  sich  eine  mündliche  Besprechung 
der  Angelegenheit  erübrigen." 


nach  niemals  zu  einem  Vorgehen  verleiten,  wie  es  in  diesem 
Falle  der  Eachverband  für  die  wirtschaftlichen  Interessen  des 
Kunstgewerbes  für  zweckmäßig  erachtet  hat.  H. 

Vereinigung  ehemaliger  Dresdener  Gartenbauschüler. 
Anlälllich  der  111.  Internationalen  Gartenbauausstellung  in 
Dresden  hielt  die  \'ereinigung  Ehemaliger  Dresdener  am  5.  Mai 
eine  Versammlung  im  Hotel  „t  urstenhof"  ab,  an  der  zahlreiche 
Ehemalige  aus  dem  Reiche  und  dem  Auslande  teilnahmen. 
Bei  den  Verhandlungen  wurden  Anträge  angenommen,  die 
Leitung  der  Gartonbauschule  zu  ersuchen,  deren  Ausbau  den 
heutigen  Ani'orderungen    der  Lands(;haftsgärtnerei  und  Garten- 


-:^, 


Aus:  Felber,  „Natur  und  Kunst  im  Walde". 


Diesem  Mißerfolg  bei  den  Behörden  folgte  eine  ziemlich 
einmütige  Verurteilung  des  Vorgehens  des  Verbandes  in  der 
Presse.  Der  Verband  versuchte  dann  sich  durch  Veröffent- 
lichung von  einer  Anzahl  der  in  der  Angelegenheit  gewechselten 
Schriftstücke  und  der  für  sein  Vorgehen  wichtigsten  Stellen 
des  Muthesiusschen  Vortrags  zu  rechtfertigen;  aber  ohne  Er- 
folg, zumal  auch  aus  den  Kreisen  der  Mitglieder  des  Verbandes 
das  Vorgehen  des  Vorstandes  gegen  Muthesius  entschieden 
mißbilligt  wurde.  Auf  dem  Verbandskongreß,  der  am  14.  .Juni 
d.  J.  in  Düsseldorf  tagte,  ist  es  dann  infolge  des  Austritts 
einer  größeren  Anzahl  von  Mitgliedern  zu  einer  Spaltung  des 
Verbandes  gekommen. 

Wir  wissen  aus  eigenen  Erfahrungen,  daß  das  Vorgehen 
des  Geh.  Rates  Muthesius  sich  vielfach  durch  eine  Schärfe 
auszeichnet,  die  nicht  unbedingt  notwendig  erscheint,  um  vor- 
handene Mängel  und  Mißstände  zu  offenbaren  und  abzustellen. 
Aber  das  Mißbehagen,  welches  die  betroffenen  Kreise  natur- 
gemäß darüber  empfinden  müssen,  dürfte  auch  unserer  Ansicht 


kunst  anzupassen,  Wünsche,  die  bei  der  Umgestaltung  und 
Verlegung  der  Lehranstalt  nach  Laubegast  Aussicht  auf  Be- 
rücksichtigung haben.  Mit  Freuden  wurde  die  Mitteilung  be- 
grüßt, daß  für  die  baldige  Einführung  der  Staatsprüfung  für 
Obergärtner  begründete  Hoffnung  bestehe.  Leupold. 


Bücherschau. 

Natur  und  Kunst  im  Walde.  Vorschläge  zur  Verbindung 
der  Forstästhetik  mit  rationeller  Forstwirtschaft,  für  Freunde 
des  Waldes  und  des  Heimatschutzes.  Von  Theodor  Felder, 
Professor  der  Porstwissenschaft  am  eidg.  Polytechnikum  in 
Zürich.  Mit  13  Figuren  im  Text  und  23  Vollbildern.  Verlag 
von  Huber  &  Co.  in  Frauenfeld,  1506.  Besprochen  von  Heinrich 
V.  Sali  seh  auf  Postel. 

Das  Feldersche  Buch  habe  ich  trotz  seiner  ansprechenden 
Ausstattung  mit  einigem  Mißtrauen  zur  Hand  genommen,  denn 


150 


DTE  U  ARTEN  KI' NST 


TX,  7 


ich  wußte  mit  dem  Titel  nicht  recht  etwas  anzulangen. 
„Vorschlage  zur  Verbindung  der  Forstästhetik  mit 
rationeller  Forstwirtschaft"  passen  in  mein  System  nicht 
hinein.  Das  gefällt  nicht  besser,  als  wenn  jemand  schreiben 
wollte:  Vorschläge  zur  Verbindung  der  Gartenkunst  mit 
rationellem  Gärtnereibetrielje.  oder:  Vorschläge  zur  Verbindung 
der  Lehre  von  der  Baukunst  mit  dem  Maurergewerbe.  —  Die 
Forstästhetik  soll  nicht  mit  der  i'orstwirtschaft  „verbunden" 
werden,  sondern  sie  soll  aus  ihr  hervorgehen  —  das  hat  nun 
aber  Professor  Felder  selbst  nicht  durchaus  verkannt,  denn  er 
bekennt  sich  zu  dem  Satz,  den  schon  König  in  seiner  Wald- 
pflege ausgesprochen  hat:  „Der  Wald  in  seiner  höchsten 
forstlichen  Vollkommenheit  ist  auch  in  seinem 
schönsten   Zustande." 

Der  Herr  Verfasser  hat  sich  bemüht,  in  den  einleitenden 
Kapiteln  „über  einzelne  Grundbegriffe  in  möglichster 
Einfachheit  und  gedrängtester  Kürze  zu  orientieren". 
Dieser  Versuch  ist  miljlungen,  und  wäre  besser  ganz  unter- 
blieben, denn  Felder  unterschätzt  den  Wert  der  spekulativen 
Ästhetik.  Es  ist  ja  richtig,  daß  die  schematische  Anwendung 
ästhetischer  Grundregeln  für  sich  allein  noch  nicht  genügt, 
unr  ein  hervorragendes  Kunstwerk  zu  schaffen;  aber  es  ist 
nicht  minder  w'ahr,  daß  der  Künstler  sich  niemals  ungestraft 
über  anerkannte  Kunstregeln  hinwegsetzt. 

Felder  hat  ganz  richtig  erkannt,  daß  der  Forstkünstlor  auf 
dem  Gebiet  der  Gartenkunst  einigermaßen  Bescheid  wissen 
muß;  die  Beti'achtungen  aber,  welche  er  der  Gartenkunst 
widmet,  sind  unzulänglich.  Vom  englischen  „Gartenbau" 
bemerkt  er:  „Statt  langgezogener  Straßen  schlängeln  sich  die 
Wege  um  Gehölzgruppen"  —  er  hätte  hinzufügen  sollen,  daß 
Fürst  Pückler  uns  gelehrt  hat.  schön  geschwungene  Wege 
du  rch  das  Innere  der  Gehölzgruppen  hindurchzuführen. 

Diese  Bemängelungen  beziehen  sich  auf  das  Titelblatt  und 
die  ersten  sieben  Seiten.  Von  da  an  habe  ich  das  Buch  mit 
zunehmendem  Interesse  iind  großer  Befriedigung  gelesen.  Es 
erscheint  wohl  geeignet,  in  weiten  Kreisen  aufklärend 
zu  wirken  und  ebenso  unter  Forstleuten  wie  im 
großen  Publikum  Verständnis  und  Neigung  für 
Waldschönheitspflege  zu  wecken.  Besonders  eingehend 
sind  diejenigen  Aufgaben  behandelt,  mit  welchen  die  Ver- 
schönerungsvereine sich  zu  beschäftigen  haben,  wie  z.  B. 
die  Herstellung  von  Bänken. 

I']s  ist  wohl  nur  ein  wenig  glücklich  gewählter  Ausdruck, 
wenn  der  Herr  Verfasser  (Seite  24)  die  Verschönerung  so  weit 
zu  treiben  anrät,  daß  der  Wald  zum  Naturpark  wird.  „Die 
Freude  an  der  Natur,"  so  schreibt  er,  „die  Freude  am  Wald 
muß  zum  Gemeingut  aller  werden.  Von  des  Tages  Mühen 
und  den  Bescliwerdon  der  Woche  niedergedrückt,  soll  jedem 
Gelegenheit  geboten  werden,  in  .  einem  zum  Naturpark  ge- 
.schaffenen  Walde  lOrholung  und  neue  Lebenslust  zu  scluipfen." 
—  So  weit  dürfen  es  die  Verschönerungsvereine  aber  nicht 
treiben,  daß  ein  Mittelding  zwischen  Forst  und  Park  entsteht. 
Daß  selbst  der  scharf  rechnende  Forstmann  ästhetischen 
Forderungen  gerecht  werden  kann,  ohne  seinen  wirtschaftlichen 
Grundsätzen  untreu  zu  werden,  beweist  uns  Dr.  Felder  an 
vielen  Stellen,  so  z.  B.  bei  Berechnung  des  vorteilhaftesten 
Umtriebsalters,  indem  er  den  Vorschlag  macht,  „daß  in  die 
mathematischen  Formeln  ein  Faktor  eingeschlossen 
werden  soll,  der  die  Leistungen  des  Waldes  in  all- 
gemein volkswirtschaftlicher  Bedeutung,  auch  da, 
wo  er  nicht  eine  Schutz waldrclle  spielt,  zum  Aus- 
druck bringt".  —  Durch  derartiges  Rechnen  wird  der  Forst 
lange  nicht  zum  Park,  denn  Park  und  Rechnen,  das  sind  un- 
versöhnliche Gegensätze. 


Große  Bedeutung  haben  für  die  Schweiz  die  Mahnungen 
des  Verfassers,  die  althei-gebrachte  Wald  weide  Wirtschaft 
niclit  ganz  aufzugeben.  Er  schildert  diese  Wirtschaft  zu- 
treffend wie  folgt:  „Bei  dem  sogenannten  Weidewaldbetrieb 
(Paturage  boise)  wird  die  Fläche  nicht  ausschließlich  zur  Holz- 
produktion benutzt. 

Zwischen  plenterartigen  Waldbestäuden  —  Waldgrupiien 
—  finden  sich  gröl.iere  oder  kleinere  Partien  unbestockter, 
beraster  Flächen,  auf  denen  das  Vieh  Nahrung  sucht  und 
findet.  Der  Wald  wird  belebter  durch  eine  nützliche  Tierwelt. 
Man  erhält  den  F]indriick,  daß  hier  zwei  Wirtsi-haftssysteme, 
Wald  und  Weidewirtschaft,  friedlich  ineinander  übergreifen, 
bisher  friedlich  nebeneinander  bestanden,  und  wenn  nicht  von 
hüben  oder  drüben  gewaltsame  Übergriffe  stattfinden,  auch  in 
Zukunft  friedlich  nebeneinander  bestehen  können." 

Bei  uns  in  Deutschland  oder  doch  wenigstens  in  Nord- 
deutschland sind  die  alten  Hutewälder  schon  sehr  selten  ge- 
worden. Als  der  Hest  eines  solchen  ist  der  sogenannte  Neuen- 
burger  Urwald  im  Oldenburgischen  berülnnt.  Man  sollte  sich 
angelegen  sein  lassen,  diese  malerischeste  aller  Kulturformen 
hier  und  da,  und  wenn  es  auch  sein  müßte,  mit  Opfern,  in 
einzelnen  charakteristischen  Proben  ebenso  zu  erhalten,  be- 
ziehentlicli  neu  darzustellen,  wie  man  längst  überwimdene 
Baufonnen  durch  Erhaltung  des  Bestehenden  oder  durch  Neu- 
erriclitung  —  ich  erinnere  an  die  Kirche  Wang  im  Riesen- 
gebirge —  für  die  Nachwelt  lebendig  erhält. 

Man  läßt  es  sich  jetzt  angelegen  sein,  in  der  Nähe  von 
Städten  und  Kuranstalton  Kahlhiebe  zu  vermeiden,  indem  man 
griißere  Forstorte  für  horstweisen  Plenterbetrieb  aus- 
scheidet; das  ist  sehr  wohlgemeint  und  für  die  Monate  Juli 
und  August  auch  ganz  am  Platze  —  für  die  zehn  anderen 
Monate  ist  es  verfehlt.  Die  Sonnenstrahlen,  welche  wir  im 
Hochsommer  fliehen,  genießen  wir  in  anderen  Jahreszeiten 
gern  —  im  Hutewald  wird  man  sie  reichlich  finden.  Vor  dem 
Park  hat  dieser  die  Belebung  dui'ch  das  Weidevieh  voraus  — 
Wieviel  Norddeutsche  gibt  es  wohl,  die  schon  einmal  eine 
Ziege  auf  der  Weide  beobaclitet  haben';  !  und  seine  Unter- 
haltung, weit  entfernt  ICosten  zu  verursachen,  kann  Über- 
schüsse gewähren. 

Sehr  lebhaft  interessiert  sich  Felder  für  die  Bestrebungen 
des  „Bundes  Heimatschutz".  lOr  verzeichnet  unter  Quellen- 
angabe was  in  dieser  Riclitung  in  der  Schweiz,  in  Preußen 
und  anderen  deutschen  Bundesstaaten,  in  Osterreioh  und 
Frankreich  schon  geleistet  worden  ist,  oder  noch  angestrebt 
wird;  er  nennt  auch  die  älteren  forstästhetischen  Werke,  die 
ihrerseits  ausgiebige  Literaturverzeichnisse  besitzen. 

Wer  sich  in  das  nun  schon  umfangreiche  Gebiet  der 
Forstästhetik  einarlieiten  will,  wird  ganz  gut  tun.  Felders 
„Natur  und  Kunst  im  Walde"  als  ersten  Leitfaden  zu 
benutzen. 

Von  den  duriliweg  lehrreichen  und  z.  T.  sehr  hübschen 
Abbildungen  sind  Proben  in  dieser  Besprechung  aufgenommen. 
(Seite  M()— 149.) 


Personalnachrichten. 

Trip,  Stadtgartendiroktor  in  Hannover,  der  I.  Vorsitzende 
der  D.  G.  f.  G.,  hat  eines  Herzleidens  wegen  soeben  eine  Kur 
in  Bad  Nauheim  beendet,  nachdem  ein  längerer  Aufenthalt  an 
der  Riviera  im  vorigen  Winter  die  erhoffte  Besserung  nicht 
gebracht  hatte.  Gegenwärtig  weilt  Herr  Trip  zur  weiteren  Er- 
holung am  Chiemsee. 


Kür  Hip  R^rlftktinn  verantwortlich:  Stadt-Gartendirektor  Heicke,  FranU 

Desaaaer  Strasse  29,  —  Druck  von  \. 


fnit  n    M.    -  Verlag  von  OnhrUder  Borutraeger,  Berlin  SW.  U, 
W.  l-ia>'ii'i*  Krbeii,  Potsdam. 


IX,  8 


DIE  GARTENKUNST 


1.^1 


Preisbewerbungen 


Wetthewerb  Zeiitralfiicdliof  Mannlieim. 

Der  zur  Erlangimii  von  l"',iil\viiitVii  l'iir  eiiuMi  Zentral- 
friedhof in  Mannheim  im  (tl<tober  v.  .1.  ausgeschriebene 
Wettbewerb  hat  dureli  die  am  I.  und  2.  Juli  d.  J.  vorge- 
nommene Begutachtung  der  eingelaul'enen  p]nt\vürf'e  seine 
Erledigung  gefunden. 

\\'ir  bringen  im  fid- 
genden  die  Niederschrift 
der  Preisgerichtsver- 
handlungen, sowie  Ab- 
bildungen der  preis- 
gekrönten und  ange- 
kauften Entwürfe  und 
die  zu  den  ersteren 
eingelieferten  Erläute- 
rungsberichte. Zuvor 
seien  die  wichstigsten 
Bestimmungen  des  Aus- 
schreibens wiederge- 
geben : 

Das  Gelände,  nord- 
östlich der  Stadt  ge- 
legen, etwa  6  km  ent- 
fernt, hat  einen  Flächen- 
inhalt von  30,45  ha 
und  ist  in  der  Haupt- 
sache eben ,  mit  Aus- 
nahme einer  dünen- 
artigen Erhebung  —  dem 
sogenannten  Kuhbuckel 
—  welche  sich  etwa 
6,00  m  über  das  Terrain 
erhebt.  Es  wird  zurzeit 
als  Wiese  und  Ackerland 
steht  durchweg  aus  Sand. 

Der  neue  Friedhof  soll  parkartig  sein,  ohne  dalJ  gerade 
Hauptalleen  auszuschließen  sind.  L>ie  Anlage  von  Weihern, 
obwohl  schwierig,  soll  nicht  grundsätzlich  ausgeschlossen 
sein.  Wasserleitung  liegt  bereits  in  der  Wormserstralje, 
ein  Kanal  in  der  Sandhof erstraße. 

E>er  Friedhof  wird  zugänglich  sein  über  den  Sand- 
hoferweg;  an  dieser  Seite  ist  der  Haupteingang,  ein  Neben- 
eingang an  der  Lampertheimerstraße  vorzusehen. 

Am  Haupteingang  ist  eine  Wagenvorfahrt  mit  reich- 
lichen Abmessungen  zu  projektieren. 

Es  ist  in  Aussicht  genommen,  die  Leichen  mittelst  be- 
sonderer Wagen  der  elektrischen  Bahn  hinauszubefördern. 
Etie  elektrische  Bahn  wird  demnach  in  müglischst  wenig 
störender  Weise  an  die  Leichenhalle  heranzuführen 
sein. 


LIBRARY 
iNEW  YORK 

botanical 
Garden 

Eine    kleine  Gärtnerei    mit  Gärtnerwohnungen, 


2   Ge- 


Lageplan  des  Geliindes  für  den  Mannheimer  Zontralfriedhof, 
benutzt,     [»er  Untergrund    be- 


wächshäusern,  Schujipen,  etwa  200  Fenstern  und  ca.  .36  ar 
Kulturland   ist  vorzusehen. 

An  Gebäuden  sind  im  Grundriß  anzugeben: 

Eine  möglichst  im  Mittelpunkt  gelegene  Leichen- 
halle mit  einer  be- 
bauten Grundfläche 
von  ca.  900  qm, 
deren  Errichtung 
eventuell  auf  der 
natürlichen  Er- 

höhung vorgesehen 
werden  kann; 

ein  Yerwaltungs- 
und  Wirtschafts- 
gebäude am  Haupt- 
eingang, offene,  aber 
mit  Dach  versehene 
Hallen  zum  Schutze 
des  Publikums  bei 
LInwetter ; 

ein  Hochkreuz. 
Von  der  Anordnung 
eines  Krematoriums    ist 
abzusehen. 

E>ie  Grabstätten 
sind  einzuteilen  in:  All- 
gemeine Grabstätten 
(Reihengräber),  getrennt 
für  Kinder  und  Erwach- 
sene, Familiengräber, 
Grüften  (Erbbegräb- 
nisse). 
Der  Friedhof  soll  in  einfacher  und  würdiger  Weise 
und  unter  Berücksichtigung  möglichster  Verwertung  des 
vorhandenen  Raumes  zu  Grabstellen  entworfen  werden, 
wobei  auch  zu  berücksichtigen  ist,  daß  der  Friedhof  in 
etwa  4  Etappen  auszuführen  ist. 

Gefordert  wird:  farbiger  Grundplan  im  Maßstab  1  :  500, 
Zeichnung  in  Horizontallinien,  aus  der  die  Bodengestaltung 
ersichtlich  ist,  1  :  500,  Detailplan  über  die  Einteilung  eines 
Begräbnisfeldes  im  Maßstab  1:250,  Erläuterungsbericht, 
in  dem  auch  die  Bepflanzung  beschrieben  ist.  Kosten- 
anschlag. 

E»ie  Kosten  der  Gebäude  und  der  Einfriedigung  bleiben 
unberücksichtigt. 

E)er  Einlieferungstermin  wurde  auf  15.  Juni  d.  J.  hin- 
ausgeschoben. 

Als  Preise  waren  ausgesetzt:  erster  Preis  1500  Mk. 
zweiter  Preis  1000  Mk.,  dritter  Preis  500  Mk.  und  der  An- 


152 


DIE  GARTENKUNST 


1X,'8 


MM 


'f    "^     *>'    •?•;., 


.;:  .;/v 


Der  mit  dem  I.Preise  ausgezeichnete  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zcnti-aHVioiniof. 

Von  J.  P.  Grol.imann,  Dresden. 


kauf  weiterer  Kntwiii'fo  zum   Preise  von  500  Alk.    in   Aus- 
sicht gennmmen. 

Sämtliche  Entwürfe  werden  auf  der  zurzeit  in  .Manniieini 
stattfindenden  (Jartenl)auaussteUung  au.sg-estelll. 

Niederschrift  der  Veriiaiidiu  iigen  dos 
Preisgerichtes, 
Xachdetn  am  Dienstag,  den  18.  und  Mittwoch,  den 
19.  Juni  die  eingegangenen  59  E]ntwürfe  in  Anwesenheit 
des  Stadtbaurats  Elisenlolu'  den  Vorpackungen  entnommen 
und  aufgehängt  worden  waren,  trat  man  am  1.  Juli  d.  J. 
in  Anwesenheit  des  Prcisrichlerkollogiums  in  die  Pi'iifuns' 
und  Beratung  der  Wettbewerbsentwiirfe  ein. 


Von  den  Preisrichtern 
waren  erschienen: 

1.  Bürgermeister  Martin, 
in     Vertretung      des 
Oberbürgermeisters, 
als  Vorsitzender, 

2.  Professor       Pehrens- 
Düsseldorf. 

3.  Stadtbaui-atKisenlohr- 
Mannheim, 

4.  Stadtgartendirektor 
Heicke-Fi'ankfurt  a.M., 

5.  Friedhofiiispektor 
Ibach-Kiihi, 

6.  Stadtbaiirat      l'eri'ey- 
Mannheim. 

Der  Vorsitz  11  de  lie- 
griilU  die  Anwesenden  im 
liathause  und  stellt  fest,  tlali 
Gartendirektor  Trip- Hanno- 
ver ohne  Entschuldigung 
fehlt  —  (das  Schreiben  des 
Herrn  Ti-ip  war  an  einer 
andern  Verwaltungsstelle 
eingelaufen  und  liegen  ge- 
blieben)—  es  wird  daher  be- 
schlossen, sofort  wegen  des 
Xichtorscheiiiens  telegra- 
phisclnini.Vuskiinftzuliitlen 
bzw.  im  Falle  eines  ab- 
lehnenden Bescheides  auf 
demselben  Wege  lleirn 
Stadtgartendirektor  Heiler- 
.\1  uneben  um  sein  Erscheinen 
zu  ersuchen. 

Stad  tbaurat  Eisen- 
lohr  bemerkt,  dal.l  sämt- 
liche 59  Entwürfe  als  recht- 
zeitig angelietert  zu  gelten 
hätten  mit  Ausnahme  des- 
jenigen mit  dem  Kmnwort 
"Mannheim",  von  welchem 
ein  Modell  nebst  2  Plänen 
erst  am  17.  Juni  zur  Post  ge- 
geben worden  sei.  Ferner 
seien  4  Projekte  eingeliefert  worden,  welche  nicht  ganz  den 
Bedingungen  entsprächen.  Es  wird  Sache  des  Preis- 
gerichts sein,  darüber  zu  befiinleii,  ob  diese  Entwürfe  zur 
Konkurrenz  zuzulassen  seien. 

Stadtbaurat  Perre.y  schlägt  vor,  zur  Erleichterung 
der  Prüfung  die  nicht  geeigneten  Entwürfe  sofort  auszu- 
scheiden, womit  sich  der  Vorsitzende  unter  dem  Vor- 
behalt einverstanden  erklärt,  daU  eine  nochmalige  Revision 
stattfindet,  sobald  das  Preisgericht  vollzählig  ist. 

Das  Kollegium  erklärt  sich  mit  dieser  Sachbehandluu^- 
einverstanden. 

Alsdann  begibt  man  sich  zur  Kuifürsl-Friedricb-Schule, 
woselbst  dieEntwürfe  in  3  Räumen  Aulstcllunggefunden  haben. 


IX,  8 


DIE  GARTENKUNST 


153 


Ilicrsi'lhsl  aiiii'i'kominen  wii'il  zunüf^hst  hv- 
schlossen.  sänitlichi^  Entwüi't'e  iii  3  Grupiien  /.ii 
teilen  dergestalt,  dalJ  bei  dem  ersten  Itundgaii;:: 
diejenigen  zu  bezeichnen  wären,  welche  als  nicht 
geeignet  von  vornherein  aus  dem  ^^'ettbewerb 
auszuscheiden  hätten,  liicso  iMitwiirfe  wären 
mit  „hiau"  kenn! lieh  zu  machen.  Bei  dem 
zweiten  Kundgang  würden  zu  unterscheiden 
sein  solche,  welche  in  die  engere  Wahl  zu 
kommen  hätten,  und  solche,  wehdic  hiervon  zwar 
auszuscheiden,  aber  nötigenfalls  —  bei  zu  ge- 
ringer .\ns\vahl  —  doch  noch  in  beschränktem 
Umfange  in  die  Gruppe  der  liestiMi  Entwüile 
einzubeziehen  seien.  Krstero  Gruppe  wird  mii 
„rot",  die  letztere  mit  „grün"  bezeichnet. 

Nach  dem  ersten  Huiulgang  wurden  nun 
ausgeschieden  in  (irup|ie  „blau"  ilie  naclistehen 
den  Entwürfe: 

Xr.   11    ,.Xil".    -    Nr.   17   „So".   —   Xr.  .M 
„Gottesacker".  —  Xr.  12  „Sacer  locus".  —  Xr.  0 
„Priedenshain".  —    Xr.  1.3  „In  kühler  Krde".  - 
Nr.  l.'j  „Neckar  I".  —  Xr.  11)  „l'jniior".     Xr.  3:', 
„Priedensgarten".    —    Xr.    1.^    „Karl    Theodor". 


u 


—  Xr.  b3  „Frieden".  —  Xr.  29  „y 
Kreuze).  —  Xr.  26  ..Wald  und  Wiese' 
„Mannheim".  —  X]-.  '..i  „1"  (Krenz). 
„Futurum".  —  Xr.  50  „Ruhe  saiifi". 
„Face".  —  Xr.  25  „Memento  mori". 
„Xeckar  II".  —  Nr.  14  „Auferstehung  I".  —  Nr.  40 
„Friede  11".  —  Xr.  31  „Sepulcrum".  —  Nr.  -11 
„Der    Zweck    heiligt    die    Mittel".    —    Xr.    18 


;■  ■;■"  (di'ei 

.  -  Xr.  39 

—  Xr.  28 

—  Xr.  32 

—  Xr.  36 


Einzelzeichiiung  zum  Wottbewerb.sentwarf  für  den  Maiinhoinior 
Zentralfriedhof.     Von  .J.  ,1^.  tiroLimaun,  Dresden. 


„Ruhe" 


Nr. 


„Wiedersehen" 


Beim  zweiten  Kundgan.g  wurden  zugeteilt  der  Gruppe 
„grün"  : 

Xr.  1   „Item  Tode  Leben".  —   Xr.  .j9  „Waldfriede".  — 


14 
4.5 


Nr.  2  „Ewige  Ruhe".  —  Xr.  4  „Stilles  Gedenken 
„Memento".  —  Xr.  35  „\\'aldrrieden".  —  Xr.  7 
„Friede  I".  —  Xr.  16  „Konstruktiv  und  motlern". 

—  Nr.  10  „l'arkfriedhof".  —  Xr.  24  „Wal- 
desfrieden". —  Xr.  55  „Arm  und  Reich".  — 
Xr.  57  „Fax".  —  Xr.  22  „Staub  vergeht,  der  Geist 
besteht".  —  Xr.  34  „Rom".  —  Xr.  49  „Ave".  — 
Nr.  20  „Zentral  1".  —  Nr.  54  „Klarer  Grundriü" 

—  Nr.  42  „Zentral  II".  —  Xr.  21  „Fsyehe".  — 
Xr.  38  „Im  Anfang  war  der  Rhythmus".  — 
Nr.  43  „Friede  III".  —  Xr.  45  „Auferstehung  I!". 
■ — Nr.  37  „Andere  Zeiten"  ;  und  der  Gruppe  „rot"  : 

Xr.  58  „Hochkreuz".  —  Xr.  3  „Mann- 
heims heilige  Gärten".  —  Xr.  46  „Erde  zur 
Erde"  —  Xr.  27  „Mons"-  —  Nr.  30  „Man  kanns 
auch  so  machen".  —  Nr.  56  „Architektur  in  der 
Landschaft".  —  Nr.  23  „Grau  und  Grün".  — 
Nr.  8  „Stätte  des  Friedens".  —  Nr.  44  „Fried- 
lich".   —    Nr.  47  „Ikaros". 

Nach  dieser  Prüfung  wurde  beschlossen. 
am  Nachmittage  das  Gelände  in  Augenschein 
zu  nehmen  und  mit  der  weiteren  Prüfung  am 
2.  Juli  vormittags  9  Uhr  fortzufahren. 


—  Nr. 


Zu  bemerken  ist  ni>ch,  dal.)  die  Entwürfe  Xr. 
„Auferstehung  I"  —  Nr.  25  „Wald  und  Wiese"  —  Nr 
„Auferstehun.g  II"  — ,  welche  nicht  bedingnngsgemäfi  ein- 
.geliefert  wurden,  bereits  in  Gruppe  „blau"  ausgeschieden 
sind,    somit    eine    Beschlußfassung    hinsichtlich    der    Zu- 


Sr-liaululd  zum  Wettbewerbsentwiirf  für  den  Mannheimer  Zentralfriedhof. 
Von  P.  J.  Großmann,  Dresden, 


IM 


DIE  ÖARTENKUNSt 


IX,  8 


Schaubild  zum    Wettbeweibsentwurf  für  den  Mannheimer  ZentiMUriedhol' 
Von  J.  P.  GroJ.imiinn,  Dresden. 


lassung  entfällt.  Hinsichtlich  Entwurf  Nr.  37  „Andere 
Zeiten"  bleibt  noch  Entschließung  vorbehalten.  Der  Ent- 
wurf „Mannheim",  zu  welchem  ein  den  Bedingungen  ent- 
sprechender Plan  erst  am  17.  Juni  zur  Post  gegeben 
wurde,  befindet  sich  gleichfalls  in  der  Gruppe  „blau". 

Portsetzung  am  2.  Juli,  vormittags  9  Uhr  In  An- 
wesenheit derselben  Mitglieder  des  Preisgerichts  wie  am 
vorhergehenden  Tage. 

Nachdem  die  in  die  engere  Wahl  gekommenen  Ent- 
würfe In  einem  Saale  zusammen  aufgestellt  worden  waren, 
wird  nach  jeweiligem  Verlesen  des  Erlauterungsberichts 
in  die  Besprechung  der  einzelnen  Entwürfe  eingetreten. 
Hierauf  nahm  jeder  der  Preisrichter  für  sich  eine  Be- 
wertung der  In  die  engere  Wahl  gekommenen  Entwürfe 
vor,  woran  sich  auch  der  inzwischen  eingetroffene  Ersatz- 
richter Stadtgartendirektoi'  Pfeiler  aus  .München  beteiligte, 
nachdem  er  zuvor  sämtliche  aufgestellten  Entwürfe  ge- 
meinsam mit  den  übrigen  Herren  einer  Ijurchslcht  unter- 
zogen  hatte. 

[las    übereinstimmende  Ergebnis    war,    dalJ  zuerkannt 
wird : 
1  »er  I.  Preis  von  l.'iOOMark  dem  Entwurf  3  mit  dem  K'enn- 

wort  „Mannheims  heHlgo  tiärten". 
Der  H.  Preis  von  1000  Mark  dem  lüilwuif  3.''>  mit  dein  K'enn- 

wort  „Grau  und  Grün". 
Der  III.  Preis  von  .500  Mark  dem  luitwurf  30  mit  dem  Kenn- 
wort „Man  kanns  auch  so  machen". 

Ferner  wurden  zum  Ankauf  empfohlen: 

1.  Entwurf  .56    mit    dem  Kennwort   „Architektur  in  der 
Landschaft", 

2.  Entwurf  27  mit  dem  Kennwort  „Muns"   und 

3.  „        44     „       „  „  „Friedlich". 

F'ür  die  Beurteilung  waren  folgende  GesIchtspunUle 
maßgebend: 


I.  Entwurf  „Mannheims  heilige 
Gärten". 
Die  Hauptachse  dos  Entwurfs  ist 
festgelegt  durch  die  Zugsrichtung  des 
Kuhl)uckels  einerseits  und  den  in  das 
Privatgelände  einspringenden  Winkel 
anderseits.  L)adurch  Ist  der  grolöe  Vorteil 
erreicht,  dal.i  die  natürliche  Bodener- 
hebung In  sehr  wirkungsvoller  Welse 
zur  Geltung  gebracht  wird  und  der  bei 
den  meisten  übrigen  1-intwürfen  kümmer- 
lich bedachte  südliche  Teil  des  Gebiets 
tMiie  gleichwertige  Bedeutung  crhä,lt. 
Die  Lage  der  Kaiiclle  und  Leichenhalle 
ist  glücklich  gewählt  und  die  \\'u'kung 
durch  den  vorgelagerten  tiefliegenden 
Weiher  noch  verstärkt.  Lue  Verbindung 
der  beiden  Hauptzufahrtsstraßen  mit  der 
Mittelachse  ist  zweckmäßig  angeordnet 
und  zerlegt  das  ganze  Friedhofgebiet 
lierart,  daß  ein  allmählicher  Ausbau  In 
jeder  gewünschten  Weise  vorgenomme 
werden  kann.  Die  Unterteilung  In  die 
einzelnen  Felder  ist  geschickt  an- 
geordnet. Die  Felder  haben  eine  geschickte  Form  ohne 
einförmig  zu  wirken.  Es  finden  sich  zahlreiche  charakte- 
ristische Stellen,  welche  das  Zurechtfinden  Im  Friedhof- 
gelände erleichtern. 

Für  die  Aufteilung  der  einzelnen  Felder  hat  der  Ver- 
fasser In  seinem  Erläuterungsbericht  sehr  fruchtbare  Ge- 
danken niedergelegt,  durch  deren  Befolgung  in  jedem 
Felde  eine  selbständige  malerische  Wirkung  erzielt  werden 
kann.  E)le  gemeinsame  Unterbringung  von  Reihengräbern 
und  Familiengräbern  wirkt  sozial  und  gibt  Anlaß  zu 
wochselvoUen  Bildern.  Ein  besonderer  Vorzug  In  der  vor- 
geschlagenen Einzelbehandlung  der  Felder  wird  noch 
darin  gefunden,  daß  auch  in  der  Zukunft  noch  liem 
künstlerischen  Schatten  freie  Bahn  geboten  ist. 

IL  Entwurf  „Grau  und  Grün". 
I'urch  die  Lage  der  Leichenhalle  und  die  lieiden  von 
den  Ilaupistraßen  n.'ich  ihr  geführten  Zugangswege  ist 
eine  außerordentlich  glückliche  Einteilung  des  ganzen  Ge- 
ländes erzielt  woi'den.  r»le  Lolchenlialle  Ist  außerdem  auf 
kurzem  Woge  zu  erreichen  und  In  geschickter  Weise  mit 
der  Straßenbahn  In  Vorbindung  gebracht.  \'on  dem  Platze 
vor  der  Leichenhalle  aus  findet  sich  ein  reizvoller  Blick 
nach  der  Anhöhe,  deren  vordere  Abdachung  mit  waldum- 
säumter  Rasenfläche  bedeckt  ist.  während  die  Kuppe  mit 
dichtei'cm  Baumbestande  gekrönt  wird,  lüc^  Anhöhe  ist 
für  Familiengräber  bestimmt,  während  sich  die  Massen- 
gräber In  großen  Feldern  vereinigt  in  der  Niederung  be- 
iluden. In  sehr  geschickter  Welse  werden  die  großen 
Felder  füi-  Reihengräber  duicli  lleckenanlagen  uml 
l'flanzungen  In  olir^elne  kleinere  Abschnitte  zerlegt,  während 
anderseits  doch  die  Vorteile  der  Relhengräbor  für  einen 
wirtschaftlichen  Betrieb  In  vollem  .Maße  ausgenützt  sind. 
Für    einen    Ausbau    In    einzelnen    Abteilungen    bietet    die 


IX,  8 


DIE  GARTENKUNST 


15b 


ganze  Anordnung  große  Vorzüge.  Der  Entwurf  ist  in 
dieser  Beziehung  dem  mit  dem  ersten  Preise  bedaciiten 
überlegen,  während  er  in  künstlerischer  Hinsicht  nicht 
auf  derselben  Stufe  steht.  L)ie  Erdbewegung  ist  auf  ein 
geringstes  Maß  beschränkt,  so  daß  die  Anlage  mit  ver- 
hältnismäßig geringem  .Vufwande  auszul'ühren  ist. 

111.  Entwurf  „Man  kanns  auch  so  machen". 

E»ie  Aufteilung  des  Geländes  ist  eine  zweckmälJige. 
LHe  Kapelle  ist  auf  der  Anhöhe  angelegt  und  die  Haupt- 
achse durch  die  natürliche  Bodengestaltung  bedingt.  L'ie 
Wegführungen  beiderseits  der  Hauptachse  sind  zweck- 
mäßig, nur  ist  in  gesuchter  Weise  zu  viel  Wert  auf 
Symmetrie  gelegt.  Die  Einführung  von  der  Haui)tzufahrts- 
straße  und  der  Wagenvorfahrt  nacli  der  Hauptachse  ist 
wirkungsvoll  ausgestaltet.  iJie  Autlösung  der  einzelnen 
Felder  in  Heihengräber  weist  manche 
Ähnlichkeit  mit  dem  Entwurf  „Grau  und 
Grün"  auf.  Es  findet  sich  auch  hier 
die  Verkleinerung  der  Felder  durch  ein- 
geschaltete Heckenanla,t;en.  L»er  stufen- 
weise Ausbau  ist  auch  hier  möglich, 
wenn  auch  nicht  in  so  klarer  Weise, 
wie  bei  Entwurf  23. 

Entwurf  56  „.-Vre  hitektur  in  der 
Landschaft". 
Zum  Ankauf  des  Entwurfs  56  wurde 
das  Preisgericht  bestimmt  dadurch,  daß 
in  der  sonst  ganz  landschaftlich  be- 
handelten Anlage  an  zahlreichen  Punkten 
Gelegenheit  zu  stimmungsvoller  archi- 
tektonischer Ausbildung  gegeben   ist. 

Entwurf  27   „Mons"   und  44 

„Friedlich". 
Die  Entwürfe  27  und  44  behandeln 
denHöhenrücken  in  wirkungsvoller \\'eise 
selbständig  und  teilen  bei  möglichst 
zentraler  Lage  der  Priedhofskapelle  das 
Gelände  auf,  ohne  zu  einförmig  zuwirken. 

Nach   Abschluß   der  Verhandlungen    wurden    die  Vm- 
schläge  der  preisgekrönten    und  zum  Ankauf  empfohlenen 
Entwürfe  geöffnet  und  es  ergaben  sich  als  Verfasser: 
Für  Xo.  3    „Mannheims    heilige    Gärten"    Garteningenieur 

J.  P.  Großmann-Dresden  und  Leipzig. 
Für  No.  23    „Grau   und   Grün"    Gartentechniker  Fv.    Hauer- 
Magdeburg. 
Für  No.  30  „Man  kanns  auch  so  machen"  Georg  Gerstadt- 
Frankfurt  a.  ^L 
Für  .\o.  56  „Architektur  in  der  Landschaft"  Gartenarchitekt 

R.  Hoemann-Düsseldorf. 
Für   No.  27    „Mons"    Stadtgärtner    Rudolf    Hoerning    und 

Gartentechniker  <Mto  Gaedt,  beide  in  Kiel. 
Für  No.  44  „Friedlich"    Städtischer   Obergärtner   Hermann 
Braband-Herrenhausen. 

Zur  Beurkundung: 

^Martin.     Behrens.     J.  Heiler.     J.  Ibach.     Heicke. 

Perrey.     Eisenlohr. 


Nach  den  Kostenanschlägen  würde  die  Ausführung 
der  preisgekrönten  und  angekauften  Entwürfe  folgende 
Beträge  ergeben : 

1.  „Mannheims  heilige  Gärten"  (Großinann)  .     Mk.  355000 

2.  „Grau  und  Grün"  (Bauer) 182000 

3.  „Man  kann's  auch  so  machen"  (Gerstadt)  .       „     182740 

4.  „.\rchitektur  in  der  Landschaft"  (Hoemann)       „     300000 

5.  „Mons"  (Hoerning-Gaedt)       .320000 

6.  „Friedlich"  (Braband) ,     190000 

Indessen  stellt  sich  bei  näherer  I'rüfung  heraus,  daß 
einzelne  Faktoren  in  den  verschiedenen  Anschlägen  (auch 
bei  den  nichtprämiierten  Entwürfen)  eine  sehr  von  ein- 
ander abweichende  Behandlung  erfahren  hatten.  So  ent- 
halten z.  B.  einzelne  Anschläge  nur  Beträge  füi-  Fußweg- 
herstellungen.  nichts  für  fahrbare  Wege;  der  eine  veran- 
schlagt umfangreiche  Be-  und  Entwässerungseinrichtungen, 


ycL.uibdd  zum 


W'L-ttbeweibientwurf  für  den  Maunht'uiit.'r  ZentraltriL'JUut. 
Von  J.  P.  Großmaun.  Dresden. 

andere  nicht;  ähnlich  war  es  bei  Stüizmauern,  Brüstungen. 
Treppen  u.  dgl.  der  Fall.  Es  ergiebt  sich  überhaupt  wieder, 
daß  solche  Wettbewerbsvoranschläge  meist  ziemlich  wertlos 
sind;  sie  waren  zum  Teil  gar  nicht  nachzuprüfen  und 
enthielten  vielfach  ganz  oberflächliche  Angaben  wie  z.  B.; 
„für  Erdarbeiten  und  landschaftliche  Ausgestaltung  einzelner 
Teile  rund  50000  Mark."  Was  soll  das  Preisgericht  mit 
solchen  Berechnungen  anfangen  ? 

Über  die  Ausnutzbarkeit  des  Geländes  für  Beerdigungs- 
zwecke haben  die  Verfasser  der  prämiierten  und  ange- 
kauften Entwürfe  folgende  Angaben  gemacht: 

Großmann  (Mannheims  heilige  Gärten)  sieht  eine 
belegungsfähige  Fläche  von  140000  qm,  also  nicht  ganz 
507o  vor.  Bauer  (Grau  und  Grün)  rechnete  50000  Reihen- 
gräber und  4000  Familiengräber  und  Grüften,  was  etwa 
einer  belegungsfähigen  Fläche  von  130000  qm  entspricht, 
heraus.  Gerstadt  (Man  kann's  auch  so  machen)  gibt  46% 
der  Gesamtfläche  als  belegungsfähig  an,  Hoemann  (Archi- 


156 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  8 


tektui-  in  der  Landschaft)  178900  qm  (ungefähr  58 »/o  — 
sehr  hoch').  Hoerning  und  Gaedt  (Mons)  134000  (|m, 
Braband  (Friedlich)  135000  qm.  H. 

Erläuteriiu^sboriclit 

zu  dem  mit  dem  I.  Preise  ausgezeichneten  Knlvvuif  von 
P.  J.  Grofsmann,  Dresden. 

Motto:  Mannheims  heilige  Grärteu. 


ist  niclits  gefühllos  teohaisch  oder  raffiniert  künstlorisoli  Pro- 
jektiertes, sondern  hier  ist  etwas  „Gewordenes",  etwas  organisch 
Gewachsenes. 

Organisch  gewachsen!  Das  ist  es,  was  auch  den  neuen 
sog.  „landschaftlichen"  Friedhöfen  fehlt.  Sie  sind  in  der  Ab- 
sicht projektiert,  den  Friedhof  äußerlich  zu  „verzieren".  Es 
genügt  aber  nicht  sog.  landschaftliche  Partien  in  den  Friedhof 
willkürlich  einzufügen,  der  Friedhof  mut!  in  allen  seinen  Teilen 


Als    ich    an    die  .Vusarbeitung  des  Entwurfs  ging,  war 
mir       lie- 

wußt,  daß  

es   immer  ^    ^ 

eine  heik- 
le      Auf- 
gabe    ist, 
etwas  auf 
dem     Pa- 
pier     'zu 
^projok- 
tieren, 
was,    wie 
ein  Fried- 
hof, durch 
Men- 
schen- 
alter  hin- 
durch aus 
den  Be- 
dürf- 
nissen 
heraus- 
wachsen 
müßte, 
dann 
auch,  weil 
eine 
Lösung 
für  den 
modernen 
Zentral- 
oder 
Massen- 
friedhof 
noch 
nicht 
geprägt 
ist.     Die 
bestehen- 
den 
großen 
Friedhöfe 
können 
nur   als  mehr  oder  minder    befriedigende  Versucl 


ich       den  Friedliofcharakter    zeigen    und    landschaftli 


Der  mit  dem 


angesehen 

werden.  Wir  befinden  uns  in  der  Friedhofsgestaltung  und  Fried- 
hofskunst in  einer  Zeitperiode  der  Umw.andlung.  Die  ver- 
änderten modernen  Verhältnisse  bedingen  neue  Lösungen. 

Die  alten  Fried-  oder  Kirchhöfe  sind  nicht  in  der  Absicht 
etwas  besonders  Künstlerisches  zu  schaffen  gestaltet  worden 
sind,  sondern  aus  den  jeweiligen  A  erhältnissen  heraus  nach  und 
n.ach  erwachsen.  Wenn  sie  trotzdem  meist  schön  und  stim- 
mungsvoll sind,  so  liegt  das  eben  daran,  daß  man  tiotz  der  ein- 
fachen, schmucklosen  Anordnung  die  Entstehung  durch  die 
verschiedenen  Zeitepochen  verfolgen  und  erkennen  kann:  Hier 


eiu'    Gestaltung 
dr.rf  nicht 
Selbst- 
zweck 
sein.     Sie 
ist  eine 
Reaktion 
auf  die 
geistlose 

Fried- 
hofstech- 
nik, die 
durch   ra- 
tionellste 

Aus- 
nutzung 

der 
Flächen 
bis  auf  den 
letzten 
Quadrat- 
meter aus 
den  schö- 
nen, stim- 
mungs- 
vollen 
alten 
Kirch- 
höfen jene 
trostlosen 
„Gottes- 
äcker" ge- 
macht 
hat,      auf 
welchen 
die  Grab- 
steine und 

Kreuze 
dicht  wie 
die  Ähren 
dhof.  eines 

Korn- 
feldes 
stehen. 
Anstatt  al)cr  die  Ur.sache  ihrer  llätilichkeit  zu  beseitigen,  glaubte 
man.  den   Friedhol'  durch    „landschaftliche"    Partien  „verzieren" 
zu  müssen  und  fiel  aus  einem  l'Ixtrem  ins  andere,  ohne  für  die 
Gestaltung  des  l''riedholes  neue  W'erti'  vun   innerer  Wahr- 
heit   zu   finden,    denn    hintci'    ;ill    ihn    fiudsclial'tlichen  Schön- 
heiten entlang  der  Wege  breitete  sich  nacli  wie  vor  das  Reihen- 
gräbenjuartier  mit  all  seinen   Häßlichkeiton  aus. 

Nach  reiflichem  Studium  hin  icli  zu  der  flberzeugung  ge- 
kommen, daß  bei  unseren  teuren  U()deu|ireisen  für  den  Fried- 
hof nur  die  geometrisch-architektouis(die  Gestaltiinu'sweise  in 
Betracht    kommen    kann,    sob;dd    uelien    seiner    künstlerischen 


II.  Preis  ausgezeichnete  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zentra 
Von   Fr.  Bauer,  Magdeburg. 


IX,  8 


DIE    GARTENKUNST 


157 


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Hi^- 

Scluiubild  ziiiii  Wettbewei'bsentwurf  i'üi-  den  ^Iimnheiiuer  Zentnilfriedhof. 
Von  Fr.  Bauer,  [Magdeburg. 


(Jurdität  auch  ;iuf  ratio- 
nelle Ausnutzung  Bedacht 
genommen  werden  soll. 
Der  rein  landschaftliclie 
Friedhof  wird  stets  unra- 
tionell sein,  wenn  er 
schön  sein  soll,  und  ist 
stets  haßlich,  wenn  er 
rationell    ausgenutzt    ist. 

Niclit  die  Form  der 
äußeren  Einteilung,  einer- 
lei ob  landschaftlich  oder 
geometrisch  -  architekto- 
nisch, kann  uns  zur  rich- 
tigen Losung  führen,  son- 
dern nur  der  Aufbau  aus 
dem  Zweck  heraus. 

Die  Aufgabe,  dem 
Massenfriedhof  das  Ge- 
präge des  hälJlichen  „Got- 
tesaclvers"  zu  nehmen  und 
ihn  in  künstlerische  Form 
zu  kleiden,  steht  und 
fällt  mit  der  Eeihen- 
griib  er  frage  Solange 
sie  nicht  gelöst  ist. 
und    sie     ist    es    noch 

nicht,  wird  aucli  ein  bloßes  Verzieren  des  Friedhofes  durch 
landschaftlich  schöne  Partien  und  ein  Verdecken  der  Eeihen- 
giäber  durch  Anpflanzungen  nur  eine  Scheinlösung  sein. 

Der  alte  Kirchhof  lag  ursprünglich  an  der  Ivirche,  Mauern 
und  Gebäude  i'ingsum  gaben  ihm  einen  intimen  abgeschlossenen 
Charakter.  Armengräber,  Grüfte  und  Familiengräber  lagen  ein- 
trächtig beisammen.  Reichte  der  Raum  nicht  mehr  aus,  so 
wurde  ein  neues  Stück  Land  dazu  genommen,  wieder  mit 
.Mauern  oder  Hecken  umgeben  und  erhielt  hierdurch  den  gleichen 
intimen  L'haraicter,  wie  der  erste  Friedhof.  Auf  diese 
Weise  wurde  der  Friedhof  durch  Angliederung  neuer  Teile 
vergrößert,  ohne  doch  die  Abgeschlossenheit  und 
Intimität  seiner  einzelnen  Teile  zu  verlieren.  Durch 
die  Anpflanzung  von  Rosen  und  schönblühenden 
Sträucheru  und  gute  Pflege,  welche  den  Grabstellen 
zuteil  wurde,  und  durch  ihre  geringe  Größe  erhielten 
diese  Friedhöfe  garten  artigen  Charakter. 

Diesen  Gartencharakter  müssen  wir  auch  in 
unseren  modernen  Zentralfriedhöfeii  anstreben.  Sie 
müssen  gegliedert  werden  in  eine  Reihe  kleiner 
Einzelfriedhöfe  oder,  wie  ich  sie  nennen  will:  „Fried- 
hof sgärten". 

Auch  sie  müssen  heranwaclisen  aus  einem  ersten 
kleinen  Friedhof  durch  Angliederung  neuer  Teile  zu 
dem  großen  Massenfriedhof. 

Im  Gegensatz  zu  früher  muß  diese  EntwickeUing 
beim  modernen  Zentralfriedhof  nach  einem  einheit- 
lichen Gesamtplan  erfolgen,  da  sonst  die  bloße 
Aneinanderreihung  einzelner  Friedhofsteile  bei  der 
Größe  und  Ausdehnung  unübersichtlich  werden  könnte. 
Ein  klares  Wegenetz,  um  einen  Mittelpunkt,  die 
Grabkapelle  und  Leichenhalle,  grup|iiert,  muß  die 
einzelnen  Friedhofsgärten  einschließen  und  zusammen- 
halten, sie  müssen  dann  je  nach  den  Bedürfnissen 
hintereinander  belegt  werden  und  zwar  so,  daß  alle 
Arten  Gräber:  Reihengräber,  Familiengräber,  Grüfte 
durch^^geschickte    Anordnung    zu    einem    intim     ab- 


geschlossenen Garten  ver- 
einigt werden.  An  den 
Verbindungswegen  außer- 
halb der  Gärten  sollten 
niemals  Gräber  angelegt 
werden. 

Die  eigentliche  Fried- 
hofsplanung  beschränke 
sich  daher  auf  Festlegung 
des  Hauptwegenetzes  und 
dessen  Bepflanzung,  auf 
Anordnung  der  Gebäulich- 
keiten  und  derGrenzen  der 
eigentlichen  Gärten.  Bei 
der  Einteilung  der  Gärten 
lasse  man  sich  von  den 
Bedürfnissen  leiten. 

Jetzt  ist  es  üblich, 
die  Gräber  je  nach  ihrer 
Art  getrennt  anzuordnen. 
Die  Grüfte  bekonmien 
die  bevorzugten  Plätze, 
die  Familiengräber  werden 
in  Reihen  entlang  den 
Wegen  angeordnet,  die 
Reihen-  oder  Armengräber 
in  den  von  jenen  um 
säumten  Feldern,  sorgfältig  durch  Gebüsch  dem  Auge  ent- 
zogen. Diese  Anordnung  ist  falsch,  sie  läßt  die  sozialen 
Ge.gensätze  zwischen  x\rm  und  Reich  scharf  hervortreten, 
schaltet  für  die  Reihengräber  die  verschönende  Wirkimg  der 
gut  gepflegten  und  mit  Busohwerk  umpflanzten  Familiengrab- 
stätten mit  ihrem  Denkmalschmuck  aus  und  läßt  letztere  bei 
der  reihen  weisen  Anordnung  und  Anhäufung  entlang  den  Haupt- 
wegen nicht  zur  Wirkung  kommen. 

Also    nicht  strenge  Sonderung    nach  Klassen!     Im 
Gegenteil,  mitten  hinein  in  die  Keiheng'räber  müssen 


Schaubild  zum  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zentralfriedhof. 
Von  Fr.  Bauer,  Magdeburg. 


158 


DIE  GAllTENKUNST 


IX,  8 


die  Grüfte,  Familiengräber  usw.  kommen.  Mit  Gebüsch 
umj'flanzt  werden  sie  ebenfalls  abgeschlossen  und  vorteilhaft 
aufgestellt  werden  können,  gliedern  aber  dann  gleichzeitig  die 
Reihengrabquaitiere  und  werden  sich  nicht  gegenseitig  in 
ihrer  Wirkung  totschlagen  wie  bei  der  üblichen  Massenan- 
hjiufung  entlang  den  Ilauptwegen.  So  wie  im  Leben  sich  um 
den  Höherstehenden    und  Reichen  arm    und  niedrig  gruppiert, 


friedhof  vereinigt,  als  „Mannheim  Heilige  Garten"  ein  Vor- 
bild geben  für  den  neuzeitlichen  "Massenfriedhof. 

Neben  den  allgemeinen  Gesichtspunkten  seien  Rücksicht 
auf  möglichst  rationelle  Ausnützung  des  Terrains  \md  klare 
Übersichtlichkeit  über  den  ganzen  Friedhof  maßgebend. 

Wie  der  Grundi>lan  ergibt,  setzt  sich  der  Friedhof  aus  ca. 
4U  Friedhofsgärten  zusammen,  die  durch  Fahrstral5en  verbunden 


Der  mit   dem    111.  Preise    ausgezeichnete  Wettbewerbsentwurf  für  den    MannhL'imer  ZentrallrifdlioF. 

Von  G.  Gerstadt,  Frankfurt  a.  M. 


so  mag  es  auch  auf  dem  Friedhof  sein.  Bevorzugte  Plätze 
ergeben  sich  trotzdem  in  Hülle  und    Fülle. 

Ich  stelle  die  Forderung  auf:  Der  moderne  Massenfriedhof 
sei  „parkartig"  großzügig  in  .seiner  Haupteinteilung  und 
doch  „gartenartig"  intim  in  seiner  Finzclteilung.  Diese 
Gesichtspunkte  waren  bei  der  Gestaltung  meines  Entwurfs 
maßgebend : 

Die  Stadt  Mannheim  möge  nicht  danach  fragen;  wie  haben 
andere  Städte  ihre  Friedhöfe  angelegt,  welche  Gesichtspunkte 
waren  für  sie  maßgebend,  sondern  sie  möge  einer  modernen 
Friedhofskunst  den  Weg  bahnen,  nicht  einen  schönen  Park 
schaffen,  in  welchem  Gräber  verstreut  liegen,  nicht  eine 
schöne  Landschaft,  dahinter  Reihengräberelend  sich  verbirgt, 
sondern   einen  Friedhof,    dessen  „Gärten"    zu    einem  Zentral- 


sinil.  l'iino  Hauptachr  (K'iclitung  nach  Mannlieim),  in  welcher 
ilie  l'riedhofska]ielle  liegt,  bildet  das  Rückgrat  der  Anlage. 
.Sie  und  vier  weitere,  ziemlich  parallel  zu  ihr  laufende  Alleen 
münden  auf  die  vom  Haupt-  und  Nebeneingange  in  den  Fried- 
hof füfirenden  Zufahrtstraßen;  hierdurch  entsteht  eine  geradezu 
ideale  Übersichtlichkeit;  sämlliche  ,,Gärten"  sind  sowohl  vom 
Haupt-  und  Nebeneingange,  als  auch  von  der  Kapellenanlage 
ohne  Umwege  zu  erreichen. 

Der  Haui)teingang  liegt  au  der  Lauipeitheimerstr.il.if,  mit 
Pförtnerhaus  und  Verkaufsständon  in  den  Kolonnaden,  liier 
können  auch  Steinmetzwerkstätten  unter  .'\ufsiclit  Mannheimer 
Künstler  eingerichtet  werden,  damit  gute  Vorbilder  für  Grab- 
schmuck das  Publikum  vom  Kauf   von  Fabrikware  abhalten. 

Das  Eingangstor  ist  überdeckt  gedacht  und  wird  von  zwei 


IX,  8 


DIE   GARTENKUNST 


15'J 


Schaubi. 


Torhäuschen  flankiert,  welche  in  den  Schatten  von 
Nuß-  oder  Gütterbäumen  zu  stehen  kommen  sollen. 
Ein  SiUilenganp;  schlielJt  dann  die  ganze  Gebiinde- 
j;rn]ipe  zusammen. 

Vom  Eingangstor  strahlen  di-ei  Alleen  aus.  üie 
Mittelallee  mit  kegelförmig  geschnittenen  Fichten  oder 
Thuja  Lobbii  und  Trauerbirken  bepflanzt,  führt  auf 
die  Hauptachse.  Rechts  erblickt  man  umrahmt  von 
Fichten  und  Lärchen  das  Hochkreuz,  das  am  lOndr 
der  Hauptachse  stellt  unil  auch  vom  Neboneingauge 
sichtbar  ist. 

Die  Kapelle  liegt  am  Alihang  des  Hügels  ca. 
;i,r)0  m  über  dem  Terrain  des  Friedhofes.  Vor  ihr  ist 
eine  regelmäßige  Teichanlage,  umgeben  von  Arkaden, 
angeordnet. 

In  der  Jlitte  tritt  der  Teich  durch  einen  grollen 
Bogen  unter  die  Auffahrtrampe  zur  Ka[ielle.  Hier 
im  Halbdunkel  würde  ein  Monument  nach  Art  von 
Barthulemes  „Monument  aux  morts"  von  hervor- 
ragender Wirkung  sein. 

Die  Kapellenanlage  ist  dreiteilig  gedacht ;  da- 
hinter sind  zwei  Leichenhallenflügel  angebaut,  welche 
mit  der  —  beide  Flügel  verbindenden  —  .Straßenbahn- 
halle  einen  Hof  bilden. 

In    der  beigegebenen    Zeichnung    eines   Friedhof- 
gartens ist  die  Einteilung  eines  solchen  vorgeschlagen. 
Sie  soll  natürlich  nicht    überall    gleich,    sondern  ver- 
schiedenartig   gehalten   sein.     Es    kann   eben  für  jeden  Garten 
eine  besondere  Einteilung  gewählt   und   die  Belegung  den  Be- 
dürfnissen angepaßt  werden.     Ein  Vorteil    ist   ferner,    daß   der 
Gesamtfriedhof  .stets   ein   fertiges    Bild   bietet,    da   entlang   den 
Hauptwegen  überhaupt  keine  Gräber  liegen,  und  immer  nur  ein 
Garten  belegt  wird.     Auch  ist  eine  Ausführung  des  Friedhofes 
in  vier  Etapjien  mit  Leichtigkeit  durchführbar. 

Die  Gärten  auf  dem  Hügel  (dem  sog.  Katzenbuckel)  lassen 
sich    durch    Terrassenmauern    zu   „Berggärten"    avisgestalten. 

In    allen    Gärten    soll    die    Blume    vorherrschen.     Es  sind 
daher    hauptsächlich     blühende    Bäume,     Sträucher 
und  wenig  Platz  beanspruchende  Stauden  zu  pflanzen. 

Auf  jedes  ungepflegte  Grab  (deren  Einebnung 
halte  ich  für  pietätlos)  soll  wenigstens  eine  blühende 
Staude  gepflanzt  werden,  die  man  dann  wuchern 
lassen  mag.  Die  die  Gärten  abschließenden  Hecken 
sollen  durchaus  nicht  immer  streng  im  Schnitt  ge- 
halten, sondern  können  auch  als  Strauchrabatten  frei 
wachsen  gelassen  werden.  .Je  nachdem  in  den  ein- 
zelnen Teilen  besondere  Blumen-  oder  Pflanzenarten 
vorherrschen,  könnten  die  „Gärten"  Rosengarten, 
Fliedergarten,  Rhododendrongarten  genannt  werden. 
Auch  die  Lage  kann  zu  besonderen  Namen  Anlaß 
geben,  wie  vielleicht  Kapellengarten,  Terrassengarten, 
Berggarten,  Kreuzgarten  usw.  Das  Publikum  wir  l 
sich  solche  Beseichnungen  viel  besser  einprägen,  als 
die  sonst  üblichen  Buchstaben  und  Nummern. 

Es  sollen  in  den  Gärten  im  allgemeinen  wenig 
Bäume  gepflanzt  werden,  damit  nicht  die  Gräber  durch 
dichten  Baumbestand  zu  sehr  beschattet  werden  und 
dann  nicht  mehr  mit  Blumen  geschmückt  werden 
können.  Der  Baumbestand  ist  so  anzuordnen,  daß  er 
kleine  hainartige  Trupps  bildet.  Außerdem  sind  haupt- 
sächlich im  hinteren,  mehr  „landschaftlichen",  Teile 
sog.  Waldgärten  vorgesehen,  in  welchen  größere 
waldartige  Partien  den  Garten  umschliel3en. 

Durch    diesen  Wechsel    kann    eine  landschaftlich 


zum  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zentral- 
friedhof.    Von  G.  Gerstadt.  Frankfurt  a.  M. 


schöne  Wirkung  erzielt  werden,  und  es  erscheint  übei'flüssig,  den 
landschaftlichen  oder  gartenartigen  Charakter  künstlich  durch 
dem  Wesen  des  Friedhofes  fremde,  gewissermaßen  in  denselben 
eingeflickte,  landschaftliche  Durchsichten  und  Straucbkulissen 
entlang  den  Wegen  zu  betonen. 

Für  die  Anlage  eines  derartigen  Friedhofs  ist  Erfordernis, 
daß  der  Friedhüfsleiter  eine  Persönlichkeit  ist,  die  neben  prak- 
tischen Kenntnissen  künstlerische  Befähigung  besitzt,  um  für 
jede  vorkommende  Aufgabe  stets  eine  befriedigende  Lösung 
zu  finden. 


Schaubdd  zum  Wettbewerbsentw^urf  für  den  Mannheimer  Zentral- 
friedhof.    Von  G.  Gerstadt,  Frankfurt  a.  M. 


lüO 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  8 


Zum  Schluß  möchte  ich  noch  bemerken,  daß  dieser  Friedhof 
sehr  rationell  ausgenutzt  werden  kann.  Es  stehen  ca.  14(t(luO  qni 
für  Griiberflächen  zur  Verfügung,  wenn  für  die  Friedhofsgärten 
etwa  eine  Einteilung  gewählt  wird,  wie  in  der  lieigegebencn 
Einzelzeichnuns;  des  „Rosengartens". 


Erläuterung' 

zu  dem  mit  dem  IL  Preise  ausgezeichneten  Eiitwuife 
von  F.  Bauer,  ^lagdebui-g. 

Kennwort:  Gimu  uinl  ^rüu. 
Die  reforniatorischen  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der 
Friedhofsgestaltung  sind  noch  nicht  zum  Abschluß  gelangt; 
denn  die  sogenannte  landschaftliche  Ausbildung,  für  die  im 
letzten  Jahrzehnt  viel  Propaganda  gemacht  worden  war,  hat 
im  allgemeinen  nur    wenig    zu    befriedigen    vermocht.     Neuer- 


Schaubild  zum  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zentralfriedhof. 
Von  G.  Gerstadt,  Frankfurt  a.  M. 


dings  greift  man  daher  mit  Recht  auf  die  in  früheren  Zeiten 
stets  geübte  und  im  Grunde  genommen  sachlich  gegebene 
tektonische  Einteilung  des  Friedhofsgeländes  zurück.  Daß  da- 
bei die  ausgiebige  Verwendung  des  Pfhmzengrün  nicht  ver- 
säumt werden  darf,  erscheint  angesichts  der  stimmungsvollen 
Bilder  alter  heimischer  Friedhöfe,  die  uns  bewußt  oder  unbe- 
wußt als  Ideal  vorschweben,  selbstverständlich.  Das  Grün  soll 
sogar  bei  der  großen  Ausdehnung  der  heutigen  großstädtischen 
Friedhöfe  einen  Haui)tfaktor  zur  großen  Gliederung  ebenso 
wie  zur  Ein-  und  Abteilung  auch  im  einzelnen  abgeben.  Seine 
zweckmäßige  und  ansprecliende  Anbringung  und  geschickte, 
zielbewußte  Anpflanzung  ist  Sache  des  Gärtners,  der  aber  auch, 
soweit  es  sich  nur  irgend  ermöglichen  läßt,  der  Natur  ihr 
immer  wieder  angestrebtes  Rocht  stellenweise  lassen,  ihr  manch- 
mal sogar  dazu  verhelfen  sollte,  ein  Umstand,  der  sich  eigent- 
lich für  die  älteren  Grabfelder  von  selbst  ergibt,  wo  die  gärt- 
nerische Pflege  ohnedies  nachlassen  muß. 

Neben  reicldichem  Vorhandensein  von  Grün  zeigen  gute, 
alte  Friedhöfe  noch  ein  zweites,  heute  besonders  beachtens- 
wertes Moment,  nämlich  die  schlichte,    dabei    oft   künstlerifsch 


feine  Formung  der  Grabdenkmäler  im  anspruchlosen,  heimischen 
Steiumatorial.  Unaufdringlich  und  doch  so  stark  wie  nötig 
sich  abhebend  von  dem  umgebenden  Pfianzengrün,  steht  dort 
ruhig  und  vornehm  das  warme  Steingrau  der  gut  gestalteten 
tirabmäler.  Ein  gesunder,  dem  Zweck  der  Inschrifltafel  ent- 
sprechender Typ  beherrscht  die  Formengebung,  so  daß  auch 
das  massenhafte  Zusammenstehen  erträglich  wirkt,  keine  Un- 
ruhe, sondern  wohltuende  Harmonie  erzeugt,  Harmonie  in 
Form  wie  Farbe  im  äußersten  Gegensatz  zu  den  heute  be- 
liebten, so  willkürlichen  und  bizarren  Formungen  in  aufdring- 
lichem, sehr  kostbaren  oder  ganz  schundigeu  Material.  Hier 
müßten  vor  allen  Dingen  die  Reformen  zur  Besserung  des 
Friedhofsaussehens  einsetzen,  dieser  sinnlosen  Willkür  muß 
tatkräftig  gesteuert  werden,  der  schlichte,  prunklose  Grabstein 
muß  wieder  zu  seinem  Rechte  kommen  und  Regel  werden,  da- 
mit Ruhe  und  Farbenliarmonie  wieder  ins  Friedhol'sbild 
eintritt. 

Im  vorliegenden  Entwurf  ist  neben  mriglich.st 
praktisclier  Wegeführung  auf  die  sachgemäße  Ver- 
teilung des  l'flanzengrün  das  Hauptaugenmerk  ge- 
richtet worden.  Natürlich  können  im  Entwurf  ülier 
Bepllanzunucn  und  ihre  Zusammenhänge  mehr  all- 
gemeine Gesichtspunkte  wie  Besonderheiten,  die 
erst  die  ernstliche  Ausführung  ergibt,  behandelt  und 
festgelegt  werden.  Jedenfalls  ist  hierbei  stets  der 
Grundsatz  innegehalten  worden,  größere  Felder  durch 
Derkpflanzen  zu  umschließen  und  abzuschließen  und 
auch  innerhalb  dieser  Teile  das  Gesichtsfeld  durch 
Einschieben  von  Pflanzenstreifen  verschiedener  Gestalt 
und  Größe  stellenweise  einzuschränken  und  räumlieh 
oder  nischenfürmig  abzuteilen.  Zu  diesem  Zwecke 
k(innen  neben  reihenweisen  Zwischenpflanzungen  von 
Sträuchern  (Hecken),  Baumsträuchern,  selbst  kleinen 
Bäumen  von  einer  der  Örtlichkeit  und  sonstigen 
Verhältnissen  angepaßten  Ausdehnung  und  Formung, 
auch  vorteilhafter  Weise  Geholzpflanzung  mancher 
ungepflegten,  steinlosen  Gräber  vorgenommen  werden. 
Die  Grabreihen  sind  durchgängig  in  koi^fseitig 
i^usammeastolJonden  Doppelreihen  mit  1  m  bzw. 
80  cm  breiten  Zwischenwegen  angelegt,  ein  Verfahren, 
das  sich  vielerorts  sehr  bewährt  hat.  Zwischen 
den  Kopfenden  der  Gräber  wären  Zwischenflauzungen 
von  heckenartigem  Cliarakter,  mit  dünnen  Bäumen 
und  Sträuchern  abwechselnd  anzubringen.  Der  güns- 
tigsten Sonnenlage  gemäß  sind  alle  Reihen  möglich.st  in  Nord- 
Südrichtung  gelegt. 

Bei  Geländeeinteilung  im  GroLien  war  die  Lage  des  Raumes 
für  Trauerfeierlichkeiten  bestimmend,  der  als  Ausgangspunkt 
für  die  Beerdigungszüge  nahezu  in  der  Mitte  des  Friedhofs 
angenommen  ist.  Fr  wird  vcm  den  lieiden  Portalen  an  der 
Sandhofer-  und  Lampertheimer.straße  aus  durch  breite  Baum- 
alleen erreicht  und  liegt  mit  der  Zugangsseite  (Vorhalle)  an 
einer  baumumschlossenen  Wiesenflächo,  dem  auf  der  nächsten 
Anhöhe  auf  terrassiortem  Unterbau  sich  erhebenden  Hochkrouz 
gegenüber,  liückscitig  schließen  sich  an  dieses  Gebäude  die 
Tjoichenhallen  mit  Rampen  zur  Einbringung  der  Särge  von  den 
üeförderungswagen  der  elektrischen  Bahn,  die  auf  dem  kürzesten 
Wege  von  der  Sandhoferstraße  aus  hierher  führt  und  nur  an 
zwei  Stollen  die  Friedhofswege  kreuzt.  Südlich  von  den 
Leichenhallen  ist  eine   Bedürfnisanstalt  vorgesehen. 

Am  llaupteingang  Sandhoferstraße  sind  dio  Verwaltungs- 
und Wirtschaftsgebäude  in  V('rbindung  mit  einem  pfeilerdurch- 
brochenen Portalbau  gebraclit;  laubenartige  Gänge  setzen 
diesen    seitlich    fort    und    dienen    zum   Schutz    des  wartenden 


IX. 


DIE   GAHTENKUNST 


161 


rublikuins.  Zu  gleichem  Zweck  kiinu  aucli  die  \'(iilialle  des 
Raumes  für  Trauerfeierlichkeiten  benvit/.t:  werden,  .so  dal!  Türs 
erste  wold  genügend  in  dieser  Beziehung  vorgesorgt  ist.  Der 
innere  Vorplatz  bei  den  l'ortalbauten  wird  in  ernst  feierlicher 
Weise  von  Pyramidenijappelnhalbkreisfurmig  umschlossen,  denen 
breite,  einfarbig  bepflanzte  Blumenstücke  vorgelagert  sind. 
Den  neben  der  Hauptallee  rechtsseitig  laufenden  Fußweg  be- 
gleiten ebenfalls  Blumenrabatten. 

In  der  südwestlichen  Kcke  di's  l'riedhofes  liegt  die 
Ciartnerei  mit  den  nötigen  Bauten  in  der  Gesamtgröße  von 
40  ar.  Ein  besonderes  Einlaßtor  für  die  elektrisclie  Bahn  dient 
zugleich  ilem  Verkehr  aller  für  den  gärtnerischen  Betrieb  in 
Betracht  kommenden  Fuhren,  die  man  wohl  gern  vom  Fried- 
hofsportal entfernt  halten  wird. 

Den  zweiten  wichtigen  Anhalts-  und  Ausgangspunkt  bei  der 
Geländeeiuteilung  und  Grabfcldervertoilung  bildet  der  keilförmig 
ins  ebene  Gelände  einspringende  Anhöheziig,  der  unter  Wah- 
rung seiner  natürlichen  Beschaffenheit  dazu  ausersehen  ist,  an 
seinen  Abhängen  die  bevorzugten  Grabstätten,  wie  Grüfte  und 
Erbbegräbnisse  aufzunehmen.  Dieser  Absicht  entsprechend 
soll  die  dichtere  Kiefernwaldpflanzung  der  höchsten  Punkte 
nach  unten  hin  in  lockere,  hainartige  Gestaltung  übergehen, 
wobei  durch  stellenweise  Anpflanzung  anderer  Koniferen  und 
Birken  für  größere  Mannigfaltigkeit  gesorgt  werden  kann. 
Diese  Waldanlage  soll  ganz  schlicht  und  ohne  jede  Effekt- 
hascherei aufgepflanzt  werden,  uud  sich  als  Fortsetzung  der 
nahen  Kiefernbestände  unaufdringlich  in  den  I'riedhof  er- 
strecken; die  eigentliche  gärtnerische  Kunst  soll  sich  nur  mit 
der  wirksamen  Einfügung  der  Grabstätten  und  deren  Bepflan- 
zung  im  einzelnen  befassen.  Zur  Anlage  teurer  Begräbnis- 
stellen wären  auch  die  platzartig  erweiterten  Kreuzungen  der 
Ilauptwege  geeignet,  die  natürlich,  was  Bepflanzung  und  räum- 
liche Wirkung  anbelangt,  besonders  reizvoll  auszustatten 
wären;  in  welcher  Art  das  geschehen  könnte,  zeigen  die  bei- 
gegebenen perspektivischen  Zeichnungen. 

Die  Kiefernmasse  der  Anhöhe  erstreckt  sich,  die  WHese 
umfassend,  bis  zur  Hauptgebäudegruppe  in  des  Friedhofs 
Mitte  und  trennt  im  Verein  mit  den  beiden  Hauptalleen  den 
Friedhof  in  drei  fast  gleich  große  Teile,  von  denen  jeder 
mittelst  streng  zweckmäßiger  (von  der  Mitte  aus,strahlender) 
Wegeführung  in  Grabfelder  geteilt  ist  in  einem  aus  Grabgröße 
und  örtlicher  Sterblichkeit    sich   eingebenden  Flächenverhältnis. 

Durch  die  verschwenderische  Größe  des  Kindergrabes  — 
wie  sie  die  im  Programm  angegebenen  Maße  ergeben  —  geht 
viel  Beerdigungsfläche  verloren  (anderwärts  beträgt  das  Grah- 
maß  für  die  in  der  Mehrzahl  sterbenden  kleinen  Kinder  nur 
1  qm).  Der  Friedhof  wird  vor  Ablauf  einer  mittleren  Liegefrist 
(2.Ö — 30  Jahre)  selbst  bei  stärkster  Ausnutzung  der  Flächen  für 
Reihengräber  belegt  sein.  Er  kann  nach  vorliegendem  Ent- 
wurf etwas  über  .50  000  Reihengrab.stellen  aufnehmen  lohne 
rund  4000  Familiengrab-  und  Gruftstellen),  mithin  wäre  er 
bei  Aufnahme  von  3000  Leichen  jährlicli  in  17 — IS  .Jahren 
belegt. 

Die  l'amiliengräber  sind  nur  zum  kleinen  Teil  entlang 
einiger  Hauptwege  an  Stellen  günstiger  Sonneulage  angeordnet: 
die  meisten  sind  dagegen  zu  größeren  zusammenhängenden 
(^»uartieren  in  der  Nähe  der  Eingänge  vereinigt,  wo  gangartige 
und  pilatzförmige  Anordnungen  abwechseln.  Die  Anzahl  der 
Einzelstellen  der  Familiengräber  beträgt  3700,  also  '/u  Jer 
Gesamtzahl  aller  Gräber. 

Die  Auswahl  der  Bäume  und  Sträucher  muß  sich  natür- 
lich den  dortigen  Bodenverhältnissen  anpassen  und  auf  im 
Sandboden  sich  gut  entwickelnde  Gehölze  beschränken.  Für 
die  Hauptalleen  ist  eine  kräftig  wachsende,  vollkronige  lUmen- 


art  angenommen.  Zu  beiden  Seiten  der  Kiefornhöhi»  sollen 
Birkenalh'en  in  nachlässig  gesetzter  Reihung  führen.  Die  ein- 
seitige .\llec  von  der  (Särtnerei  nach  der  südlichsten  Spitze  des 
{■"riedlKifi-s  scjII  aus  ungeschnittenen  Kugelakazien  gebildet 
werden.  Auch  sonst  sollen,  wo  nur  angängig,  wie  auch  im 
Plan  vielfach  angedeutet,  schattige  Gänge  aus  Hochsträuidicrn 
uml  kleinen  Bäuiuen  angelegt  werden  (Hainbuche,  .\horn, 
llollunder,  Sjringen).  Besonders  den  rundführenden  Fahrweg, 
der  vom  Haupteingang  ausgehend  sich  bis  zur  Lamperthainer 
Straße  hinzieht,  begleite  seitlich  ein  sch.attiger  Fußweg,  dessen 
Bepflanzinig  sich  mit  der  Zeit  dachförmig  schließen  soll.  Bei 
zusammenhängenden  Pflanzungen  herrsche  eine  Art  stets  vor, 
die  jedoch  stellenweise  unterbrochen,  d.  h.  untermischt  werden 
kann.  Manche  Wege  und  Gänge  .sollen  auf  diese  Weise  ein 
stark  charakteristisches  (.iepräge  erhalten,  das  sehr  das  Zurecht- 
finden auf  dem  Friedhofe  erleichtern  wird.  Lange,  etwas 
gleichförmige  Wegefluchten  sind  hier  und  da,  hesonders  bei 
Wegekreuzungen  oder  -abzweigungen  durch  geeignete  Baura- 
gTuppc'n  oder  vorgesetzte  Sträucher  für  den  Blick  abzuschließen 
oder  zu  unterbreclien,  auch  Brunnenplätze  können  hier  reiz- 
volle Abwechselungen  bilden.  Im  übrigen  wären  die  Brunnen 
reichlich  im  Innern  drr  Graljfelder.  von  allen  Richtungen  leicht 
zugänglich  anzulegen  (Grund  für  die  öftere  Benutzung  der 
Iiiagon.-dwege)  und  zugleich  als  schattige,  angenehme  Ruhe- 
plätze auszubilden. 

Für  Erdaufbewahrung,  Komposthaufen  und  als  .\braum- 
lager  soll  der  Platz  hinter  den  Leichenhallen,  sowie  der  an 
der  Südecke  bei  der  Lampertliaiuerstraße  angegebene  Platz 
dienen;  ratsam  wäre  allerdings,  je  nach  der  Inangriffnahme  der 
Belegung,  auch  an  anderen  Stellen  für  diesen  Zweck  Vorsorge 
zu  treffen. 

Die  Anlage  des  Friedhofes  wird  am  praktischsten  in  drei 
Abschnitten  erfolgen  im  Anschluß  an  Haupteiugang,  Gärtnerei 
und  Leiclienhallen,  doch  läßt  sich  auch  bei|uem  eine  Vier- 
teilung der  Arbeitsfolge  vornehmen. 


Ei'läiittM'Uiijisbei'iclit. 

Zu  dem  mit  dem  Hl.  Preise  ausgezeichneten  Entwurf 
\-on  H.  Gerstadt-Frankfurt  a.  M. 

Kennwort:  Man  kann's  auch  so  machen. 

Im  vorliegenden  Entwurf  wurden  die  meisten  Erfahrungen 
auf  dem  Gebiete  moderner  Friedhofsanlagen  in  jeder  Beziehung 
berücksichtigt.  Das  Hauptaugenmerk  richtete  sich  auf  die 
praktische  Einteilung  unter  Innehaltung  des  parkartigen  Ge- 
samtbildes. 

Das  Programm,  das  nicht  durch  enggezogene  Grenzen  dem 
Schaffenden  in  dem  Entwurf  schon  hindernden  Zwang  auflegt, 
stellt  das  begründete  Verlangen  nach  einer  reichlich  abge- 
messenen Vorfahrt.  Dem  ist  der  Entwurf  in  weitem  Maße 
entgegengekommen,  durch  die  Anlegung  des  Haupteingangs 
rechtwinklig  zum  Sandhoferweg,  wodurch  die  einspringende 
Ecke  dort  ihre  störende  Wirkung  verlor.  Durch  die  Ab- 
schwenkung  aus  der  Richtung  des  Hauptaufschlußwegs  ist  der 
Blick  zur  Leichenkapelle  von  der  Verkehrsstraße  aus  genommen 
und  der  Eingang  erscheint  als  ein  Ganzes  für  sich,  was  ihm 
einen  vornehmeren  Charakter  gibt,  als  wenn  bei  Innehaltung 
der  Aehsenrichtung  der  Eingang  nur  als  das  eine  Ende  des 
Hauptwegs  erscheint  und  in  vorliegendem  Falle  die  Zurseite- 
schiebung    des    Hochkreuzes    bedingt    hätte,    wenn   es  nicht  in 


162 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  8 


der  Mitte  des  Wegs  sperrend  seine  Aufstellung  gefunden  hätte. 
So  bildet  das  Hochkreuz  den  Abschluß  des  Eingangs,  wo  es 
über  dem  Blumenbeet  liinter  einer  Brunnenpartie  im  grünen 
Rahmen  heimischer  Laub-  und  Nadelhölzer  dem  Eintretenden 
den  Ernst  und  die  Würde  des  Orts  vor  Augen  führt. 

Von  dem  vor  dem  Hochkreuz  gelagerten  und  mit  einigen 
Birken  bestellten  Platz  zweigen  die  in  den  Friedhof  führende 
Rundwege  ab. 

Die    Gärtnerei    mit    Gärtnerwohnung.    Wirtschaftsgebäude, 


Wettbewerbsentwurf  füi 


den  Mannheimer  Zentralfriedhof. 
Düsseldorf  (angekauft). 


Gewächshäu.ser  mit  kalten  und  warmen  Abteilungen,  Schuppen, 
Früh-  und  Anzuchtsbeeten  usw.  ist  rechts  von  dem  llauptein- 
gang  angeordnet.  Sie  ist  leicht  zugänglich'  und  doch  durch 
starke  Vorpflanzung  den  Augen  der  Friedhofsbesuchar  entzogen. 
Es  erscheint  zweckmäßig,  ihr,  wie  geschehen,  einen  eigenen 
Zufuhrweg  zu  geben.  Links  von  dem  Eingang,  dem  Wirt- 
schaftsgebäude gegenüber,  befindet  sich  das  Verwaltungs- 
gebäude. 

Die  von  der  schon  erwähnten  Brunnenpartie  gerade  nach 
der  Leichenkapelle  führende  Fahrstraße  (Hauptaufschlußweg) 
ist   absichtlich    ohne    Alleepflanzung    geblieben    um   den  groß- 


zügigen Charakter  sowie  den  Blick  nach  der  Terrasse  mit 
Leichenkapelle  frei  zu  erhalten.  Man  vermeidet  neuerdings 
die  Bepflanzung  der  Hauptalleen  in  Friedhöfen  aus  verschieden 
berechtigton  Gründen  und  erkennt  an,  daß  auch  breite  Straßen 
ohne  Bäume  durch  Anlagen  schön  sind.  Wird  aber  früher 
oder  später  eine  Allee  gewünscht  wo  der  Entwurf  den  freien 
Hauptweg  vorsieht,  so  kann  sie  stets  leicht  angebracht  werden. 
Empfehlenswerter  ist  jedoch  die  Einfügung  einzelner  pyramiden- 
artiger   Bäume    und    Gohc'ilze    in  die  Randpflanzung  zu  beiden 

Seiten  der  Mittelachse. 
Rechts  und  links  des  Haupt- 
wegs sind  in  (juadratischer 
Form  Familiengräber,  jeweils 
durch  Pflanzung  gedeckt,  an- 
gebracht. Hinter  diesen  grup- 
pieren sich  Reihengräber  für 
Erwachsene  und  Kinder, 
die  wieder  durch  kräftige 
Pflanzungen  nach  außen  ge- 
deckt und  im  Innern  ilurch 
Pfhmzungcn  den  Reihen- 
grabflächen nacli  wesentlich 
gekürzt  sind.  Hierdurch  ist 
mit  der  sonst  üblichen  Art, 
die  Keihengräber  nvir  nach 
außen  hin  abzuschließen,  um 
im  Innern  desto  mehr  die 
kahle  Öde  eines  langgestreck- 
ten sog.  Gottesackers  zu 
haben,  gebrochen  worden. 
Dem  Hauptweg  sind  größere 
Plätze  eingefügt,  in  denen 
Rasenstücke  oder  Blumen- 
parterro  mit  Bassins,  Figuren 
usw.  liegen.  Hinter  der 
größten  Zieranlage  des 
Hauptwegs,  wo  dieser  den 
ebenen  Teil  des  Geländes 
verläßt  und  in  sanfter  .Stei- 
gung bis  zur  Ti'0|ipe  der 
Terrasse  führt,  liegt  links 
ein  Rosengarten,  der  Ab- 
wechslung in  das  Bild  brin- 
gen, ästhetisch  wirken  und 
die  einsame  I'^ricdhofsstim- 
mung  abschwächen  soll.  Der 
Rosengarten  ist  in  seinen 
Grenzen  so  gehalten,  daß 
er  gegebenenfalls  als  Gräber- 
feld oder  Birkenhain  an- 
gelegt werden  kann.  Gegen- 
über dem  Rosengarten  an 
der  östlichen  Abflachung 
Kidibuckels  befindet  sich  ein 
Urnenhain  gedacht  ist. 
Die  Allee,  die  sicli  vor  dem  Rosengarten  und  Birkenhain 
zu  beiden  Seiten  des  Hauptfahrwegs  abzweigt,  bildet  in 
ihrem  östlichen  Teil  den  Zugangsweg  vom  Nebeneingang  an  der 
Lampertheimerstraße.  Sie  ist  mit  Ulmus  fastigiata  Dampieri 
Wredei  (goldgelbe  Pyr.imidenulme)  be[iflanzt  gedacht,  durch 
deren  konstante  goldgelbe  Belaubung  ein  hübsches  Bild  er- 
zielt wird. 

Der    .")  m    breite    Umführungsweg    ist  aus  Kreisbogen  und 
Geraden    verschiedener    Richtung    gebildet,    was    eine   größere 


Von   R.  Hocmaun, 


der    vorgesti'ecktcn    Zung 
Birkenhain,  der  als  Grüfte 


des 
und 


IX,  8 


DIE  GARTENKUNST 


163 


Ausnutziint;  des  verfügbaren  Geländes 
zuläßt  und  dem  Verfasser  wohl  nicht  allein 
besser  gcfidlt  als  lange  gleichlVlrniige 
Bogenstücke  oder  gar  Bretzelwege. 

Hinsichtlich  der  übrigen  Wege,  die 
der  Anl'schließung  der  Fläche  zu  ihrer  Be- 
stimmung dienen,  wird  auf  den  llau[itplan 
verwiesen.  Es  sei  hier  nur  betont,  daß  bei 
allen  Wegen  lange  Durchblicke  veruiieden 
sind  durch  eingeschobene  l'lätze  mit 
schönen  Endbildern,  wodurch  die  Vor- 
teile praktischer  Ausnutzung  mit  denen 
rein  hnidschal'tlicher  Anlage  günstig  ver- 
eint sind.  Die  Wegfiihrung  am  Kuli- 
buckel  lehnt  sich  fa.st  vollständig  dmi 
Gelände  an,  so  daß  ein  gnlßerer  I'jmI. 
trausport  erspart  geblieben  ist. 

Die  Leichenkapello  steht  auf  einer 
Terrasse,  die  sich  1  m  hoch  von  dem 
übrigen  Gelände  abhebt  und  von  der 
Hauptstraße  durch  eine  Treppe,  sowie 
2  Auffahiten  zu  erreichen  ist.  Die  Ter- 
rasse selbst  ist  mit  Linden  bepflanzt. 

Die  elektrische  Bahn  für  den  Leichen- 
transport ist  dem  Programm  gemäß  in 
einfacher  und  nicht  störender  Weise  an 
der  Leichenkapelle   geführt 


Schaubild  zum  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zentralfriedhof. 

Von  E.  Hoemann. 


der  Mauer  entlang  zu 
Die  Steigung,  die  hier  schon  an 
sich  sehr  gering  ist,  wird  durch  das  von  der  Bahn  zu  um- 
fahrende Rondell  am  glücklichsten  überwunden,  wodurch  auch 
die  Ab-  und  Zufahrt  geregelt  ist. 

liechts  und  links  der  Terrasse  führen  Treppen  in  je  einen 
mit  bevorzugten  Gräbern  und  (Srüften  belegten  Teil.  An  der 
weiteren  Ausdehnung  der  Anhöhe  wurden  waldparkartige  Teile 
geschaffen,  in  denen  kleinere  Plätze  mit  bevorzugten  Gräbern, 
Familiengräbern  und  auch  Grüfte  vorgesehen  sind.  Solche 
Plätze  sind  gesucht  und  werden  auch  gerne  dem  Ort  ent- 
sprechend bezahlt.  Durch  diese  Partien  führen,  wie  der  Ent- 
wurf zeigt,  selbstgetretene  Pfade,  die  in  einiger  Zeit  durch  die 
naturgemäße  Gangart  und  Führung  durch  die  Gräberfelder 
entstehen.  Für  die  Bepflanzung  sind  an  den  Wegen  und  ein- 
zelnen Gräberfeldern  entsprechende  Pflanzungen  aus  Koniferen 
und  immergrünen  Sträuchern,  sowie 
aus  heckenartigen  und  blühenden 
Sträuchern  gedacht.  Die  Alleen  und 
Schattenbäume  sind  aus  Linden,  Ulmen, 
Platanen  usw.  vorgesehen.  deren 
Auswahl  selbstver-ständlich  nur  in  den 
künstlerischen  Geschmack  des  Aus- 
führenden liegt.  Bemerkt  soll  aber  noch 
werden,  daß  Roßkastanien  bei  der  Bc' 
Pflanzung  zu  vermeiden  sind  im  Hinlilick 
auf  ihre  schädigende  Wirkung  auf  weißen 
Marmor. 

Hallen  zum  Schutze  des  Publikums 
sind  an  den  Plätzen  in  genügender  Zald 
und  Größe  vorgesehen,  sowie  sonstige 
Steinbänke,  Brunnen  usw. 

Die  Bewässerung,  ein  für  den  Fried- 
hof sehr  beachtenswerter  Punkt  mui.l 
mittelst  Hydranten  erfolgen.  An  den 
Umfassungs wegen  der  Eeihengräber  und 
im    Inneren    der    waldparkartigen     Teile 


in   angemessener   Entfernung,  gedeckt  durch  die    Bepflanzung, 
Zapfstellen   angebracht  sind. 

Die  Unterbringung  von  Sitz-  und  Schmuckplätzen  entlang 
der  Wege  und  an  deren  Kreuzungen  ist  aus  dem  Plan 
genügend  ersichtlich. 


Stiidtiselie  Miet^ärten  in  Müiiclieii. 

N.ach    Mitteilungen     vom    Stadt.    Bauamtmann     L.    Schachner, 

München. 

In  dor  Sitzung  de.s  Münchener  Gemeindekollegiums 
vom  27.  Miirz  d.  Js.  fand  ein  Magistratsantrag  die  end- 
gültige   Zustimmung    der    Gemeindebevollmächtigten,    der 


sind    Rohrleitungen    zu    legen,  an  denen 


Schaubild  zum  Wettbewerbsentwurf  für  den  Mannheimer  Zentralfriedhof. 

Von  R.  Hoemann. 


164 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  S 


für  die  Einrichtulm'  von  Miet(Schrclicr)gärton  ciwi 
stiidtiscliem  Gelände  die  Bewilligung  von  25  000  Mark  aus 
öffentlichen  Mitteln  forderte.  Damit  fanden  Anregungen 
ihre  vorläufige  Erledigung,  die  die  städtischen  Verwaltungs- 
körperschafton  Münchens  schon  eine  Reihe  von  Jnhrt'n  be- 
schäftigt hatten  und  nach  den  mir  vorliegenden  Blättern 
der  amtlichen  „Müncheuer  Gemeindezeitung"  bis  zum 
September  1900  zurückreichen. 

Bei  den  Verhandlungen  über  die  Angelegenheit  traten 


Wettbewerbsentvvurf  für  den  Mannheimer  Zentralfriedhof.    Von  U.  l!r:ib;in 
Herrenhausen    angekauft). 


vielfach  Bedenken  zutage,  die  teils  davon  ausgingen,  d;ili 
derartige  Bestrebungen  l)ei  der  Münchener  Bevölkerung 
keinen  geeigneten  Buden  finden  würden,  teils  dali  es 
nicht  Sache  der  Gomeindo  sei,  sondern  privater  Fürsorge 
überlassen  bleiben  müsse,  solche  Angelegenheiten  zu 
betreiben.  Erst  1905  eutschlofi  man  sich  niiigistratseitig 
der  Sache  ernstlich  näher  zu  treten  und  eine  kleine 
Kommission,  dem  Wunsche  des  Gcmeind(d<ollegiums  ent- 
sprechend, mit  der  Behandlung  der  Angelegenheit  zu 
beauftragen. 

Das  Ergebnis  war    zunächst    eine  Studienreise    nach 
Leipzig  und  Berlin  zur  Besichtigung  der  dortigen  Schreber- 


gärten uml  Laubenkolonien.  Der  hierüber  erstattete  Reise- 
bericht ist  sehr  lehrreich  und  lautet  unter  Woglassung 
unwesentlicher  Teile  wie  folgt: 

Zufolge  Beschlusses  des  Magistrats  vom  19.  Sep- 
tember 190.5  wurden  Ma.gistratsrat  Schlicht  und  Bau- 
amtmann Schaclmcr  lieauftragt.  die  Schrebergärten  in 
Leipzig  und  dii'  Laubenkoinnien  in  Berlin  und  Umgegend 
zu  besichtigen.  Dom  von  ihncMi  erstatteten  Bericht  ist  zu 
entnehmen: 

Sowohl  in  Leipzig  wie  in 
Berlin  wurde  der  Art  der  An- 
lagen, sowie  den  technischen 
h^inrichtungen  derselben  (Umzäu- 
nungen, Brunnen,  Spielplatz- 
und  Weganlagen  usw.)  spezielle 
Aufmerksamkeit  zugewendet,  um 
die  gewonnenen \\'ahrnehmungen 
in  nutzbringender  Weise  auch 
bei  den  in  München  eventuell  zu 
eri-ichtonden  Mietgartenanlagen 
bestens  verwerten  zu  können. 

Die  Leipziger  Mietgärten, 
allgemein  unter  dem  Namen 
Schrebergärten  bekannt,  befinden 
sich  in  fast  allen  Stadtteilen.  Die 
ersten  derartigen  Anlagen  wurden 
im  Jahre  1832  von  der  Stadt 
Leipzig  errichtet,  damals  haupt- 
sächlii'h  aus  dem  Grunde,  um 
den  ärmeren  Bewohnern  durch 
Gartenbau  eine  nützliche  und 
anregende  Beschäftigung  zu  ge- 
währen, jedoch  datiert  die  weitere 
Ausgestaltung  und  Verbreitung 
der  Mietgärten  erst  aus  dem 
.Anfange  der  00 er  Jahre  des 
vorigen  Jahrhunderts.  r)er  Be- 
griindor  und  Hauptfrirderer  der- 
selben war  der  im  Jidire  1861 
verstorbene  Leipziger  Arzt  r>r. 
Schreber,  welcher  in  erster 
Linie  die  Schaffung  von  Jugend- 
spielplätzen anstrebte,  an  welche 
sich  dann  die  Mietgärtchen 
anglii'dorten.  I.)ie  nach  ihm  lie- 
nannten  Spielplatz-  und  Garten- 
anlagon  fa.nili'ii  ilon  lioitall  Wolter  Kreise  der  Bevölkerung. 
Zurzeit  bestehen  in  Leipzig  und  nächster  Umgebung 
rund  6000  kleine  .Miotgärten.  Die  Mehrzahl  derselben  — 
rund  5000  —  ist  auf  städtischem  Grunde  errichtet,  während 
der  Rest  von  rur.d  lOOO  Gärten  auf  Privatgrüntien  ango- 
gelegt  ist.  Die  Sta,dtgemeinde  Leipzig,  welche  der  ;\nlngo 
von  Schrebergärten  reges  Interesse  entgegonbi'ingt  und 
alle  einschlägigen  Bestrebungen  nach  Möglichkeit  fördert, 
hat  zum  Teil  dii>  Herstellung  der  Schrebergärten  solb.st  in 
die  llaini  uenoniineii  und  führt  sie  in  städtischem  l>e- 
trieb,  zum  Teil  hat  die  Stailt  größere  Flächen  gemeind- 
lichen Areals  an  Sehreberveroine   vorpachtet,   welcln^  ihrer- 


IX,  8 


DIE  GARTENKUNST 


165 


soits  das  Land  in  kleinorpn  Abt('ilun,a,-en  an  ihre  U'ü- 
glicdor  weiter  verpachten  und  für  die  allgemeinen  Ein- 
richtungen Sorge  tragen.  N\'"  die  Stadt  die  Anlage 
seihst    errichtete,    iimgal)    sie    die  geeigneten   Grundstücke 


Bei  vielen  Anlagen  befinden  sich  Turnspielplätze,  sowie 
klrini'  Hallen  und  Wächterhäuschen,  auch  wurden  wiederholt 
(larlenwirtschalien   und   kleine  Vereinsgebäude  angetroffen. 

Für  den  Fall  die  üartenpächter   ihr  Pachtgrundstück 


mit  Drahtnetzzäunen,  stellte  M'cge  und  Turnplätze  her  abgeben,  werden  die  iMinachtungen  und  Pllanzungen  gegen 
und  sorgte  für  die  Anlage  von  Brunnen  bzw.  für  Abirisun,i;ssuinnien  hieifür  von  dorn  Pachtnachfolger  über- 
dii'  Zuführung  der  Wasserleitung  usw.  r>ie  Herstellung  nommen.  Es  ist,  wie  dies  Bielefeld  in  seinen  Abha.nd- 
der  Umfriedung  der  einzelnen  Gärten  überließ  sie  den  hingen  über  Arbeitergärten  (Zeitschrift  für  Armenwesen, 
Pächtern  derselben.  Die  Gärten 
haben  durchschnittlich  eine 
Größe  von  150— 2ÜÜ  qm.  iJei- 
jährliche  Pachtzins  beträgt  bei 
den  von  der  Stadt  errichteten 
Anlagen  je  nach  der  Lage  der 
Gärten  in  den  einzelnen 
Stadtteilen  (S — 11  I^fg.  pro  qm. 
während  bei  den  an  ilie 
Schrebervereine  verpachtetiui 
Ländi-reien  2'/2 — lU  Pfg.  l>ro 
qm  Pachtzins  in  Anrechnung 
gebraciit  wurden,  je  nachdem 
das  für  Wege  und  Spielplätze 
verwendete  Areal  mitbezahlt 
wurde  oder  nicht.  E>ie  Nach- 
frage nach  den  Gärten  ist 
fortgesetzt  sehr  rege,  auch 
hat  die  Stadtgemeinde  mit 
der  Verpachtung  der  Lände- 
reien  gute  Erfahrungen  ge- 
macht, 

[lie  verschiedenen,  von 
der  Kiimmission  besichtigen 
Gartenanlagi'n  machten  durch 
wegs  einen  günstigen  Ein 
druck.  Dieselben  waren  sauber 
gehalten  und  gut  gepflegt. 
Bei  den  älteren  .Anlagen 
waren  Bäume  und  Sträucher 
ziemlich  hoch  gewachsen  und 
boten  einen  hübschen  An- 
blick; dieselben  sind  zum  Teil 
als  Ziergärten  ausgebildet, 
zum  Teil  zur  Obstkultur  ver- 
wendet,   so   insbesondere   die 

in  der  Nähe  des  .Johannisspitales  gelegenen  Gärten.    Auch      .5.  Jahrg.,  No.  8)  erwähnt,  vom  volkswirtschaftlichen  Stand- 
bei    den    in    neuerer  Zeit    angelegten  Gärten    finden    sich      punkte  aus  betrachtet  hierbei  allerdings  der  Mißstand  hcr- 


Wettbewerbseiitwurt    zum    Mannheimer  Zentralfriedhof. 
0.  Gaedt,  Kiel  (angekauft). 


Von  K.  Hoening  und 


gleichfalls  größere  Baumpflanzungen  und  Obstkulturen, 
doch  wird  in  denselben  neben  der  Blumenzucht  über- 
wiegend Gemüsebau  betrieben.  F\ist  in  jedem  Gärtchen 
ist  ein  Gartenhäuschen  oder  eine  Laube  errichtet,  auch 
fehlt  selten  ein  kleines  Aborthäuschen.  DiePäkalien  werden 
zur  Düngung  der  Beete  verwendet.  r>as  Wasser  zum 
Begießen  der  Beete  entnehmen  die  Gartenpächter  zum  Teil 
edn  auf  ihren  Pachtgrundstücken  von  ihnen  selbt  aufge- 
stellten Tonnen  und  Reservoirs,  in  welchen  die  Nieder- 
schlagswasser gesammelt  sind,  zum  Teil  den  allerorts  lie- 


vorgetreten,  daß  bei  fortschreitendem  Alter  der  Gärten  ein 
Nachfolger  oft  mehrere  hundert  Mark  Entschädigung  b  vv. 
Einrichtungs-  und  Anpflanzungsablösung  an  den  Vorpäc  ter 
zu  zahlen  hat,  was,  wenn  auch  die  Ablösungssumme  dem 
Werte  entspricht,  doch  die  L'nmöglichkeit  der  Übernahme 
solcher  Gärten  durch  Minderbemittelte  mit  sich  bringt. 

Die  Stadtgemeinde,  sowie  die  einzelnen  Schreberverein;' 
haben  auf  Gruud  langjähriger  Erfahrungen  Pachtverträge 
imd  Gartenordnungen  aufgestellt,  um  den  Betrieb  und  die 
Bewirtschaftung    der    gemeinnützigen  Anlagen    zu   regeln. 


findlichen,  nächst  den  Wegkreuzungen  angelegten  Brunnen      Ein  Exemplar  des  derzeit  geltenden  Pachtvertragsformularcs 
oder  Wasserleitungshydranten.  des  Rates  der  Stadt  Leipzig  befindet  sich  bei  den  Akten. 


166 


DIE  GARTENKUNST 


tX8 


Während  die  Leipziger  Sclirebergärton  den  Eindruclc 
dos  Stabilen,  des  für  liingoro  Zeit  geschaffenen  machon 
und  auch  die  besondere  gemeindliche  Fürsorge  erkennen 
lassen,  erscheinen  die  Berliner  Mietgarti>nanlagen  in  der 
Mehrzahl,  insbesondere  soweit  sie  niichst  der  Be- 
bauungsgrenze  der  Stadt  liegen,  als  Provisoria.  l'ie 
Berliner  Mietgärton,  unter  dem  Namen  der  Lauben- 
kolonien weit  und  breit  bekannt,  sollen  ihre  Entstehung 
nach  einer  Notiz  in  der  Berliner  Zeitschrift  „lU'r  Laulien- 
kolonist"  (19(J5.  Seite  (37)  einer  in  früherer  Zeit  (den 
Gründerjahren)  bestehenden  Wohnungsnot  verdanken, 
welche  eine  Reihe  \\'ohnungsloser  ver.anlallfc  halieu  soll, 
vor  der  Stadt  auf  freiem  Felde  Buden  zu  errichten  und 
dort  zu  kampieren.  Dio  Laubenkolonien  sind  in  erster 
Linii'  Arl)eitergärten,  sie  haben  nicht  den  i)ürgerlichen 
Anstrich  der  Leipziger  Schwesteranlagen.  Ihr  Hauptzweck 
scheint  auch  hauptsächlich   im  Nutzbau  zu  liegen. 

Wer  mit  der  Berliner  Stadtbahn  den  Nord-  und  Süd- 
ring befährt  oder  mit  den  Vorortzügen  dem  Lärm  der 
Stadt  entflieht,  sieht  zu  beiden  Seiten,  in  der  Mehrzahl 
jedoch  auf  der  der  Stadt  abgewendeten  Seite,  große  Ge- 
ländeflächen mit  kleinen  Gartonanlagen,  den  Laubenkolonien- 
bebaut. So  befinden  sich  solche  u.  a.  in  griißerer  Aus, 
dehnung  besonders  an  den  Außenseiten  der  Ringstrecke 
zwischen  Bahnhof  Landsberger  Allee  und  Bahnhof  Weißen- 
see, sowie  bei  Rummelsljurg.  E)ie  meisten  dieser  Kolonien 
sind  auf  privaten  Grundstücken,  ein  verliältnismäßig  ge- 
ringer Teil  auf  Ländereien  der  Stadt  Berlin  angelegt;  im 
ganzen  sind  zurzeit  zirka  150  ha  Terrain  mit  Lauben- 
kolonien bebaut.  Dio  Stadtgemeinde  Berlin  befaßt  sich 
nicht  mit  der  Anlage  und  dem  Betriebe  von  Mietgarton- 
anlagen,  sondern  sie  verpachtet  nur  zu  diesem  Zwecke 
geeignetes  Ackerland  .an  Privatunternehmer  mit  der  Befugnis 
zur  Weiterverpachtung  und  zur  Einrichtung  der  Lauben. 
Diese  Pachtverträge  werden  von  der  Stadt  nur  auf  drei 
Jahre  abgeschlossen.  Es  bestehen  spezielle  allgonieino 
Pachtverträge,  welchen  in  der  letzten  Zeit  besondersnoch  eino 
Bestimmung  dahingehend  beigefügt  wurde,  daß  auf  den 
Gartenplätzon  keine  Spirituosen  feilgeboten  werden  dürfen 
und  auch  seitens  der  Pächter  in  koiner  Weise  ein  L>ruck 
auf  die  Unterpächter  bezüglich  der  .\lin;ihme  geistiger  Ge- 
tränke ausgeübt  werden  darf.  Die  Verpachtung  der  Lände- 
reien mit  der  Erlaubnis  zur  Einrichtung  von  La,uben- 
kolonien  erfolgt  durch  öffentliche  Ausljietung  odw'  auch 
in  engerer  Konkurrenz  unter  liekannten  unii  geoln-notcn 
Unternehmern  unter  mriglichstem  Ausschluß  von  Schank- 
wirten. Mit  den  Versteigerungi'n  hat  di(^  StadtKonicinde 
ein  einträgliches  Geschäft  gemacht,  da  sie  mehrfach  den 
fünffachen  Betrag  des  Pachtzinses  für  gowühnliches  Acker- 
land erzielte. 

Meistenteils  übernimmt  cmu  Generalpächter  das  ganze 
ausgebotene  Terrain,  teilt  es  auf,  stellt  Wege.  Brunnen 
und  Umzäunungen  (meistens  Drahtnetzumzäunungen)  usw. 
her  und  vergibt  nach  Wunsch  kleinere  oder  größere  Par- 
zellen an  Unterpächter  ab.  Dio  Größe  der  Gärtchen 
.schwankt  zwischen  20-30  U  R  =  ,300  bis  4.50  mi"- 
Gleichwie  dies  in  Leipzig  der  Fall  ist,  sind  auch  hier  in 
in  den  meisten  Gärten  Hütten  und  Laubon  errichtet  (man 


sieht  auch  alte  Eisenbahnwagen  und  Omnibusteilo  zu 
Hütten  umgestaltet);  besonders  fällt  die  große  Zahl  von 
Fahnenstangen  auf,  an  welchen  Fahnen  und  Wimpel  aller 
.^rt  meist  mit  Bezug  auf  den  Namen  der  j(>weiligen  Kolonie 
flattern.  Die  Abgrenzung  der  einzelnen  Gärtchen  ist 
gegen,' die  Wege  zu  fast  durchweg  durchgeführt,  zwischen 
den  Gärten  fehlen  jedoch  Abgrenzungen  und  Ziiune  des 
öfteren.  Wie  bereits  erwähnt,  beschäftigen  sich  dio  Kolo- 
nisten meistens  mit  Gemüsebau.  Größere  Bäumo  und 
Strauchgruppen  fehlen,  was  besonders  auf  die  beroils  ein- 
gangs erwähnte  Veränderlichkeit  der  Anlagen  zurückzu- 
führen ist.  Nach  Aussago  von  Kolonisten  verwenden  diese 
die  Produkte  der  Gärten  zum  Teil  für  sich  selbst,  zum 
Teil  verkaufen  sie  dieselben  und  erzielen  hiermit  sehr 
gute  Einnahmen.  Die  Pachtpreise  für  die  Quadratrute 
schwanken  je  nach  der  Lage  und  voraussichtlichen  Dauer 
des  Beslandes  der  Kolonien  zwischen  80  und  GO  Pfg..  be- 
reclnien  sich  sonach  für  den  Quadratmetor  auf  zirka  2  bis 
4  Pfg.  Hierbei  muß  allerdings  erklärend  beigefügt  sein, 
daß  die  ganze  Ausgestaltung  nach  der  Lage  der  Verhält- 
nisse wesentlich  primitiver  als  in  Leipzig  ist  und  daß  bei 
der  Preishöhe  speziell  die  kurze  Verwendungsdauer  der 
Gärten  von  nicht  unwesentlichem  Einfluß  ist. 

Noch  mehr  als  in  Leipzig  spielt  die  Geselligkeit  und 
das  Vereinsleben  bei  den  Berliner  Kolonien  eine  Rolle, 
was  insbesondere  aus  den  vielen  Versammlungsberichten 
in  der  Vereinszeitschrift  „Der  Laubenkolonist"  ersichtlich 
ist.  Erntefeste,  Ausstellungen  der  Gartenprodukte,  Tanz- 
feste, besonders  aber  auch  Wirtschaftsfragen  führen  die 
Laubenkoloniston  zusammen. 

Während  eine  große  Zahl  der  Laubenkolonion  die 
Vorläufer  der  fortschreitenden  Ausdehnung  der  Bebauung 
der  Umgebung  Berlins  und  seiner  Vororte  sind  —  solche 
Anlagen  liefinden  sich  oft  unmittelbar  neben  Neubauten 
oder  Terrains,  welche  für  die  Bebauung  bereits  vorbereitet 
sind  — ,  hat  neben  einigen  anderen  großen  Kolonien  be- 
sonders ein  Zweigverein  des  Roten  Kreuzes,  der  Vater- 
ländische Frauenveroin  Charlottenburg,  große  Anlagen  von 
Arbeitorgärten  auf  Ländereien  errichtet,  welche  vom  Magist- 
rat der  Stadt  Charlottenburg,  zu  äußerst  günstigen  Be- 
dingungen gepachtet  wurden.  I>iose  liegen  im  Westend 
an  der  Kaiscn-in  AiigustaAllee,  sowie  der  GsnabrückiM- 
Straße,  die  größten  und  bestausgestatteten  in  der  Jungfern- 
heide.  ( Kortset/.uns  folgt.) 


\y,\s  l!(»senlVst  zu  Maiiillieiiii. 

Im  Nibelungensaa,!  des  städtisciien  Kosenga.rtens  ver- 
anstaltete Mannheim  am  22.  Juni  d.  Js.  —  um  die  Zeit 
der  Sommersonnenwende  —  ein  Festspiel  in  großem  Stil, 
wio  es  wohl  in  gh^chem  Rahmen  selten  abgehalten  wird: 
ein  Rosenfest.  Sein  ( li'iindgedanke  war;  Mit  Reigen  und 
Gesängen  huldigen  die  Rosen  ihrer  Königin.  Fanfaren 
kündeten  ihr  iM'scIieinen  an  und  ein  nMches  Gofolgo  führte 
sie  nach  dinn  Königsthron  in  dei-  Mitte  des  Podiums. 
Schäfer  und  Schülerinnen  —  lieliliche  Kindergruppen  — 
begannen  die  Huldigung;  rote  und  weiße  Rosen  und  Rosen- 


IX,  8 


DIE   GARTENKUNST 


167 


knöspchen    setzten    mit    einem    Rosenwalzer    und    Rosen-  desSaalesdurcli  die  Iteivoration  lieiter  und  lustig  zu  ergänzen, 

knospenreigen  ein.  Prinzessin  Mai  und  Prinz  Waldmeister  ohne  Fremdkörper  in  die  Formenwelt  des  Saales  zu   bringen, 

mit  Gefolge   erschienen  vor    dem   Thron;    auch    Veilchen,  mit  anderen  Worten  also  den  gegebenen  Motiven  in  jeder 

Kornbhiraen,  Feldmohn   und  andere  Blumen  brachten  ihre  Weise  nachzugehen    und    sie    durch   den  Blumenschmuck 

Huldigung  dar.    Eine  Schmetterlingsgruppe  und  eine  Hui-  zu     heben.        Auf     dii'se     Weise      mußte      der     Rahmen 

digung    des     klassischen    .Mtertums    (Ballett    aus    Glucks  für    das    liebliche    Tanz-   und    Blumonfestspiel    geschaffen 


Au.sscliuiückuiifj;  des  Nibelungen-Saales  im   Rosen.i;arten  zu  Mannheim  ,i;elegentlich  des  Kosenfestes  am  22.  Juni  d.  J. 


Iphigonie)  waren  reizvolle  Vorführungen  voll  feiner  Poesie  und 
Stimmung.  Den  Beschluß  bildete  die  Vereinigung  aller 
Mitwirkenden  (etwa  300  Personen)  zu  eiiu'r  Gesamtgruppe, 
die  sich  in  Reigen  und  kunstvollen  Figuren  fortgesetzt 
wandelte,  und  endlich  klang  das  Festspiel  in  einer  Rosen- 
polonäse aus. 

r)er  ernste  Nibelungensaal,  in  dem  der  Flrbauer  — 
Bruno  Schmitz  —  durch  den  prächtigen  Nibelungen- 
fries eine  Ideenverbindung  geschaffen  hat  zwischen  der 
sagenhaften  Vergangenheit  und  der  alten  Flurbi'zeichnung 
des  Geländes  —  Rosengarten  — ,  auf  welchem  dieser 
stolze  Festbau  Mannheims  errichtet  worden  ist.  hatte  zu 
diesem  Rosenfeste  eine  prächtige  Ausschmückung  er- 
fahren. Sie  war  von  R.  Flügel-Köln  unter  Mitarbeit  des 
Architekten  Kurt  Hoppe- Mannheim  entworfen  und  aus- 
geführt. Man  war  dabei  von  fdlgenden  Gesichtspunkten 
ausgegangen:  Es  galt,  die  ernste,  last  nüchterne  Architektur 


werden,  und  daß  das  nichts  anderes  als  ein  „Rosen- 
garten" sein  konnte,  verstand  sich  ohne  weiteres  von 
selbst,  ein  Rosengarten,  von  dem  das  Wormser  Rosenlied 
sagt:  „Der  hatte  keine  Mauer,  kein  Wasser  ihn  umfloß,  es 
war  nur  eine  Borde  von  Gold,  die  ihn  umschloß."  Die 
mächtige  Saaldecke  wurde  mit  breiten  rosa  Rosengurt- 
bögen,  auf  Hex  gebunden,  in  der  Weise  dekoriert,  daß  die 
eigentliche  Etecke  zu  verschwinden  schien  und  das  Ganze 
als  eine  mit  einzelnen  Rosenbogen  überspannte  riesige 
Rosenlaube  erschien.  E>adurch  wurde  eine  Steigerung  der 
an  sich  schon  gewaltigen  Raumverhältnisse  hervor- 
gebracht, die  noch  erhöht  wurde  durch  die  Ausschmückung 
der  Beleuchtungskörper.  Diese  waren  durch  dunkel- 
rote Rosongirlanden,  ebenfalls  auf  Hex  gebunden,  zu 
mächtigen,  in  den  Raum  hineinhängenden  Prunkstücken 
ausgebildet.  Grüne  Bänder,  welche  die  Blumengewinde 
hielten,  verliehen  ihnen  einen  besonders  pikanten  Parbenreiz. 


ir.8 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  8 


Einer  goldcnon  Borde  glich  die  Brüstung  der  oberen 
Galerie,  die  mit  einem  dichten  Gehege  von  goldgelben 
Rosen  überwucheri  war  und  in  das  Ganze  ein  zusammen- 
haltendes Motiv  brachte. 

Die  Brüstung  der  Empore  war  ebenso  wie  die  Pfeiler 
lind  Bogen  zunächst  mit  Tannengrün  überzogen:  Dadurch 
entstand  eine  sehr  wirkungsvolle  Einheitlichkeit.  Von 
ihrem  grünen  Unters;rund   hoben    sich    die    lockeren    rosa 


bestockte  und  mit  frischen  Rosen  reich  dekorierte  Logen 
verkleinert  und  intimer  gestaltet,  und  dadurch  eine  gute 
Abgrenzung  des  Raumes  für  die  Tänze,  die  zumeist  in 
der  Mitte  des  Saales  stattfanden,  geschaffen.  Im  Hinter- 
grund der  Umgänge  und  Galerien  waren  die  Wände 
teils  mit  ernstem  Kirschlorbeer,  teils  mit  lustigem  Birken- 
grün  geziert,  so  daö  die  eigentliche  Umfassungsmauer 
fast  gar  nicht  in  Erschoinunc;  trat. 


Ausschmückung  des  Nibelungen-Saales  im   Ivosenearten  zu  Mannheim  gelegentlicli  des  Rosenfestos  am  22.  Juni  d.  .1. 


Rosonranken,  mit  deni'u  die  Brüstung  der  I^mpuro  iil)er- 
wachsen  war,  ab,  während  die  unteren  Bogen  der  Estrade 
durch  dunkelrote  Rosen  zu  lauschigen  Lauben  ausgebildet 
waren.  L)ie  mächtigen  Pfeiler,  mit  Tannimgrün  umkleidet, 
waren  nur  am  Kai)itäl  dui'ch  eine  mit  weilien  Rosen  ge- 
bildete strenge  Verzierung  geschmückt,  von  der  aus  an 
d(Mi  Ecken  weifie  Stoffbändcr,  die  Säulenform(>n  betonond, 
mich  unten  geführt  waren.  I  »ie  Säulcnkapitiile  bildeten 
zugleich  den  Ausgangspunkt  der  Dekoration  der  Gewiilbe- 
bogen  und  Bcdeuchtungskörper  über  der  Galerie,  wie  das 
Bild  zeigt,  ein  recht  wirkungsvolles   Dekoraiiiuisniotiv. 

In  den  Pfoilerbogc^n  waren  mächtige  lldizampeln  mit 
weißen  Rosenfülliuigen  aufgehängt  und  bildotrn  zu  den 
Belouchtungskörporn  eine   wirksame  Ergänzung. 

Der  Saal  selbst  wurde  durch  breite  mit  Tannenreisig 


Besondere  Liebe  war  der  Ih^koralion  di's  Podiums 
gewidmet,  das  als  .\usgangspunkt  drr  Auftiilirung  so- 
wohl wie  als  Kopfstück  der  Iiekdralinn  kraflvoll  in 
Erscheinung  treten   mulito. 

Zwiilf  kriirtig(^  Birkenstäranu^  a,n  die  zwölf  Helden 
der  Rosi'ngartensage,  dio  Hüter  des  Rosengartens,  erinnernd, 
liildeti'R  einen  slimmungsvollen  Rahmen  für  den  Thron 
der  Resenkririigin.  Je  sechs  von  ihnen  iinislanden  einen 
knorrigen,  sog.  tausendjährigen  RosiMistoek,  \(in  ib^niMi  der 
eine  roten,  der  andere  mit  weilien  Tausenden  von  Blüten 
geschmückt  war.  Das  Ganze  war  vim  einer  Rosenhecke 
aus  kräftig  blühentÜMi  Crimscui  Rambler  umzogen,  die  in 
der  Mitte  eine  Art  Rosenlaubo  bildeti'  und  den  Thron  der 
Königin  barg,  während  an  den  SeitiMi  ilii'  niihlühendo 
Hecke    einen    direkten  Übergang  zu    den    niil  dunkelroton 


IX,  8 


DIE    GARTENKUNST 


169 


Rosen  dekorierten  Bogonlauhen  der  Estrade  liildote.  Da- 
durch war  nicht  nur  eine  organische  Yerliindung  zwischen 
dorn  Saal  und  dem  Podium  geschaffen,  sondern  auch  ein 
reizvoller  Rahmen  für  die  Gruppen  iioblicher Menschenkinder, 
die  sich  auf  der  Bühne  liewegten. 

Die  Umfassungswände  der  Kühne  waren  als  mächtige 
dunkle  Tannenwand  ausgebildet,  woraus  sich  in  der  Mitte 
die  Orgel  sehr  wirkunsi'svnll   heraushob,   und  woduridi  dem 


ha,l>en,  mehrere  Tage  Zeit.  Wie  sollen  die  Rosen  während 
dieser  Zeit  frisch  gehalten  worden?  Das  ist  doch  bei  einer 
Arbeit  von  solchem  Umfange  ganz  unmöglich.  Aber  noch 
eins:  Selbst  wenn  es  auch  gelingen  sollte,  das  Anbringen 
der  zahllosen  Blumen  sehr  schnell  zu  bewerkstelligen  und 
die  Blumen  mit  allen  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  bis  zum 
Beginn  des  Festes  frisch  zu  halten,  dann  wäre  dii'  Miilie 
doch    eine    vergeliliche    und    der  Erfolg    entspräche  nicht. 


Ausschmückung  des  Nibelungen-Saales  im  Rosengarten  zu  Mannheim  gelegentlich  des  Rosenfestes  am  22.  .Juni  d.  .1. 


Bühnenbild     ein     ruhig    vornehmer,     einheitlicher    Hinter- 
grund gegeben  wurde. 

Wer  diese  in  solchem  I^mfange  nur  selten  durch- 
geführte Saalausschmückung  gesrhcn  hat,  als  sie  in 
üppiger  Frische  eben  vollendi't  und  der  weite  Raum  mit 
festlich  gestimmten  Menschen  erlüllt  war,  konnte  sich 
ihrem  wirkungsvollen  Eindruck  nicht  entziehen.  Die 
strenge  Kritik  wollte  freilich  Ijomängeln,  daß  die  Rosen 
zum  weitaus  größton  Teil  künstliche  Rosen  waren. 
Demgegenüber  sei  die  Frage  erlaubt:  Wie  denkt  man  sich 
denn  die  Durchführung  einer  solchen  Dekoration  mit 
echtem  frischen  Material?  Angenommen  selbst,  die  Masse 
von  Rosenblumen,  welche  dazu  nötig  gewesen  wäre,  sei 
vorhanden  gewesen I  Das  -Anbringen  erfordert  doch,  man 
mag  noch  so  viele  geschulte  Arbeitskräfte  zur  Verfügung 


den  Erwartungen.  Warum?  Weil  es  nur  ganz  wenige 
Rosen  gil)t,  deren  Farben  intensiv  genug  sind,  um  in 
solchen  großen  Innenräumen  auf  die  dabei  in  Betracht 
kommenden  Entfernungen  zur  Wirkung  zu  kommen.  Man 
mache  einen  praktischen  Versuch  und  man  wird  überzeugt 
sein,  daß  es  so  ist.  Ein  kleiner  Saal,  etwa  für  eine  Hoch- 
zeitsgesellschaft, mag  sich  wirkungsvoll  mit  echten  Rosen 
schmücken  lassen,  für  Riesenräume,  wie  im  vorliegenden 
Falle,  geht  es  einfach  nicht.  Soll  man  sich  nun  deshalb 
das  schöne  Rosenmotiv  für  solche  Gelegenheiten  entgehen 
lassen? 

Will  man  sich  auf  diesen  Stand|)unkt  stellen,  dann 
wird  man  überhaupt  auf  die  Verwendung  von  Blumen 
bei  solchen  Gelegenheiten  verzichten  müssen  —  denn 
was    von    den    Rosen   gilt,    trifft    auch    bei    den    anderen 


170 


DIE  GARTENKUNST 


rx,  8 


Blumen    zu.     Das    wäre    doch    wohl    etwas    zu   weit  ge- 
gangen. 

Etwas  anderes  ist  es,  ob  es  geschmackvoll  war,  bei 
den  Ankündigungen  des  Mannheimer  Festes  mit  schwung- 
vollen \\'orten  beim  Laienpulilikum  geradezu  den  Glauben 
zu  erwecken,  als  handele  es  sich  um  eine  Ausschmückung 
mit  echten,  wirklichen  Rosen.  Gewiß,  es  waren  auch 
solche  vorhanden,  sehr  viele  sogar,  aber  sie  reichten 
nur  so  weit  und  so  hoch,  wie  man  sich  durch  Be- 
fühlen und  Begreifen  von  ihrer  wahren  Natur  überzeugen 
konnte.     \\'er  will  das  alier  anders  machen? 


Oflenbach  a,  M.  Anläßlich  seines  50jährigen  Geschäfts- 
jubiläums stiftete  Kommerzienrat  Ludo  Mayer  in  Offenbach 
zur  Freilegung  des  Schloßplatzes  und  Herstellung  eines  von 
Parkanlagen  umgebenen  Monumentalbrunnens  den  Betrag  von 

201 1000  Mk. 


Verschiedenes. 

Bund  deutscher  Baumschulenbesitzer.  Am  22.  Juni 
d.  .Js.  ist  in  Mannheim  der  „Bund  deutscher  Baumschulenbe- 
sitzer" gegründet  worden,  der  die  in  den  veischiedenen  Landes- 
teilen und  Provinzen  bestehenden  Vereinigungen  von  Baum- 
schulenbesitzern korporativ  zusammenfaßt.  Der  „Bund"  be- 
zweckt nach  einem  Kundschreiben  seines  Vorsitzenden 
H.  Müller,  Langsur  bei  Trier,  die  Wahrung  und  Förderung- 
aller  gemeinsamen  Interessen  der  Baumschulenbranche  und 
gilt  als  Zentralstelle  für  Anträge  der  Pruvinzial-  und  Landes- 
verbände. —  Zu  der  Uründungsversammlung  waren  etwa 
200  Teilnehmer  aus  allen  Landesteilen  erschienen.  Unter  den 
Verhandlungsgegenständen  befanden  sicli  folgende  Angelegen- 
heiten: Besprechung  der  allgemeinen  Geschäftslage,  Tarifan- 
gelegenheiten, einheitliche  (jualitäts-  und  Sortenbezeichimng, 
Schutzzollfragen,  Konkurrenz  der  Kreis-  und  Konimunalbaum- 
schulen  usw.,  das  Pflanzenmaterial  der  modernen  Gartenkunst 
usw.  —  Wir  behahen  uns  voi'.  auf  Kinzelheiten  noch  zurück- 
zukommen. 

Gartenvorstadt  am  Hohlen  Weg  b.  Darmstadt.  Die 
.Stadtverordnetenversammlung  zu  Darmstadt  genehmigte 
den  Entwurf  eines  Ortsbaiistatuts  für  eine  neu  zu  er- 
bauende Gartenvorstadt,  Hohler  Weg-Dieburgerstrasse 
im  NO.  der  Stadt  Der  Bebauungsplan  ist  von  Prof.  Olbrich 
entworfen.  Wir  haben  darüber  im  vorigen  Jahrgang  der 
Gartenkunst  ausführlich  berichtet.  Die  wesentlichen  Bestim- 
mungen des  Baustatuts  sind  nach  der  Südd.  Bauzeitung  folgende 
Im  ganzen  bietet  das  Terrain  für  etwa  4.')0  Häuser  mit  Gärten 
ä  10  X  20  m  Platz.  Kein  Bauplatz  darf  unter  500  qm  Größe 
haben.  Dreiviertel  der  Gesamtfläche  eines  jeden  Bauplatzes 
müssen  unbebaut  bleiben;  die  Gebäude  dürfen  außer  dem  Erd- 
geschoß nur  ein  bewohnbares  Obergeschoß  haben  und  müssen 
entweder  auf  der  Grenze  oder  mit  mindestens  5  m  Abstand 
von  derselben  errichtet  werden.  Mehr  als  zwei  Häuser  sollen 
nicht  aneinander  gebaut  werden.  Die  Errichtung  von  Hinter- 
und  Seitengebäuden  zu  Wohnzwecken  ist  unzulässig.  Bau- 
erlaubnis wird  nur  für  solche  Gesuche  erteilt,  die  in  architek- 
tonischer Hinsicht  eine  befriedigende  Gestaltung  dos  Äußeren 
zeigen.  Geräuschvolle  Gewerbebetriebe  und  Wirtschaften  sind 
verboten.  Um  ein  ab  w  echselungsreiches  Straßenbild 
zu  schaffen,  sollen  die  Erbauer  nicht  gezwungen  sei  n, 
die  Häuser  in  eine  Richtung  zu  stellen.  Die  E\age 
wegen  Anlegung  von  Vorgärten  wird  vorerst  offen  gelassen. 
Die  Zusammenlegung  der  Grundstücke  des  ganzen  Bauviertels 
oder  einzelner  Teile  desselben  ist  ausschließlich  Sache  der 
Grundbesitzer.  Solange  eine  Verständigung  der  Grundbesitzer 
über  sachgemäße  Einteilung  des  Baublocks  nicht  erfolgt  ist, 
kann  Bauerlaubnis  nicht  erteilt  werden.  Die  Entscheidung 
über  letztere  hat  die  Stadtverordnetenversammlung. 


Personalnachrichten. 

Dr.  Beck,  0.,  Oberbürgermeister  zu  iMannheim,  ist  zum 
Ehrenmitglied,  Ritter,  R.,  Bürgermeister,  Leiter  der  Jubiläums- 
ausstellung zu  Mannheim,  zum  schriftwccbselnden  Mitglied 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst  ernannt  worden.  — 
Perring,  Wilh.,  Inspektor  des  Botan.  Gartens  zu  Dahlem, 
wurde  zum  Kgl.  Preuß.  Gartenbaudirektor  ernannt.  —  Karl, 
Joh.,  Oliergärtner  in  den  Kuranlagen  zu  Bad  Pjms,  ist  ge- 
storben. —  Hampel,  Carl,  Gartendirektor  der  Stadt  Leipzig, 
erhielt  das  Kitterkreuz  des  Mecklenb.-Schwerinischen  Greifen- 
ordens. —  Mader,  J.,  Stadtgärtner  in  Briei;-  (Bz.  Breslau),  er- 
liielt  den  Titel  Garteninspektor.  —  Koenig,  Fr.,  ehem.  Geisen- 
heimer,  wurde  als  Obergärtner  bei  der  städt.  Garteninspektion 
in  Gleiwitz  O.-S.  angestellt.  —  Kahler,  J.,  Hofgartendirektor 
in  Schwerin  und  Hofgärtner  Klett  ebenda,  sind  am  1.  Juli  d.  J. 
in  den  Ruhestand  getreten.  Letzterem  wurde  das  Verdienstkreuz 
der  Wend.  Krone  in  tiold  verliehen.  Die  Hofgartendirektorstellc 
wird  nicht  wieder  besetzt.  Die  Leitung  des  Reviers  ist  Hofgärtner 
Schultz,  bisher  in  Ludvvig.slust,  überti'agen.  An  dessen  Stelle 
ist  Hofgärtner  Kalb  in  Schwerin  nach  Ludwigslust  versetzt 
worden.  —  Langenbucb,  Stadtgärtner  in  Lübeck,  ist  gestorben. 
—  Masters,  Dr.  Maxwell  T.,  Herausgeber  der  englischen 
Fachzeitschrift  „Gardeners  Obronicle"  ist  am  SO.  Mai  d.  Js. 
gestorben.  Er  war  der  Sohn  eines  Handelsgärtuers  in  Canter- 
bury,  studierte  Medizin,  wandte  sich  aber  später  der  Botanik 
und  dem  Gartenbau  zu.  Vierzig  Jahre  hat  er  „Gardeners 
Obronicle"  geleitet,  daneben  eine  Anzahl  anderer  wissenschaft- 
licher Abhandlungen  und  Werke  verfaßt  und  eine  äuBerst 
fruchtbare  und  anregende  Tätigkeit  entfaltet.  —  Dr.  Wortmann, 
Profe.ssor  und  Direktor  der  Geisenheimer  Lehranstalt,  wurde 
zum  Geheimen  Kegierungsrat  ernannt,  nachdem  er  einen  Ruf 
als  Direktor  der  kaiserlichen  biologischen  Anstalt  für  Land- 
und  Forstwirtschaft  (als  Nachfolger  Dr.  Aderholds)  abgelehnt 
hatte.  —  Rausch,  Garteninspektor  der  Flora  in  Köln  und 
Reinhardt,  Cl arten arohitekt  in  Wiesbaden,  haben  dasOeschäft 
des  (iartenarchitekten  J5arthels  in  Köln  übernommen.  —  Müller, 
Prof.  Dr.  Carl,  Dozent  an  der  Königlichen  Gärtnerlehranstalt 
Dahlem  und  an  der  Technischen  Hoc^hschulc  in  Charlottenburg, 
ist  am  13  Juni  d.  .Is.  gestorben.  —  Ohrt.  Heinrich,  Hofgarten- 
direktor in  tMdenburg,  der  am  1.  November  v.  .1.  sein  .'lOjähriges 
Dienstjubilaum  gefeiert  hatte,  ist  am  .").  Juli  d.  Js.  im  Tfi.  Lebens- 
jahre gestorbert.  —  Kellermann^  Stadtgärtner  in  Neu!!, 
ist  zum  Stadtgartoninspektor  ernannt  worden.  —  Sieber,  In- 
spektor dos  botanischen  Gartens  in  Marburg,  beging  am  l..Iuni 
d.  Js.  sein  2.">jähriges  Dienstjubiläum.  —  Keerl,  F.,  Garten- 
bauingenieur in  Mannheim,  dem  die  technische  Leitung  der 
Gartenbauausstellung  obliegt  und  welcher  das  reizvolle  Schwarz- 
waldidyll dortselbst  geschaffen  hat,  ist  durch  Verleihung  des 
Ritterkreuzes  IL  Klasse  vom  Zähringer  Löwen  ausgezeichnet 
worden.  —  Veiten,  Wilh.,  Mitinhaber  der  Firma  Gebr.  Veiten, 
Mannheim,  ist  gestorben. 


Berichtigung. 

In  der  Unterschrift  unter  der  ,\bbildung  Seite  Ki!)  (Juli- 
Nummer)  muß  es  heißen;  B.  Schulhof,  Turnhof  und  Schul- 
garten. —  Auf  Seite  14li  sind  die  Unterschriften  unter  den 
beiden  Abbildungen  vertauscht.  H. 


Für  die  Redaktion  verantworllicli:  Stadt-Qartondirektor  Heicke,  Frankfurt  a.  M.  —  Verlag  von  Qohrüder  Borntraeger,  Berlin  SW.  11, 

GrofsbeerenstralHu  9.  —  Druck  von  A.  W.  Hayn's  £rben,  Potüdam. 


IX,  u 


DIE  GARTENKUNST 


171 


Städtische  Miet.^iiirteu  in  Miiiidicii. 

Nach  Jlitteilungeu  vom  .StIUlt    Baiianitnuinn  L.  Schachner,  ^liimhen. 

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Lageplan  der  Münchener  Mietgarten-Anla>;e.     Von  L.  Schachner,  stildt.  Bauamtrnann,  München. 


Die  großen  Felder  wurden  hier  in  einzelne  Patronate 
zu  je  12  —  15  Mietern  zerteilt,  von  denen  jeder  in  den 
erstgenannten  Anlagen  zirka  250  qm,  in  der  Jungfern- 
heide 300  qm  Land  bekommt,  wofür  pro  Woche  nur  der 
geringe  Betrag  von  20  Pt'g.  Miete  erhoben  wird.  E>er 
Mietpreis  berechnet  sich  hieraus  jährlich  pro  qm  auf  nur 
zirka  2  Pfg.  Die  Mieter  rekrutieren  sich  in  der  Haupt- 
sache aus  Arbeitern.  Aus  den  Reihen  der  Mieter  werden 
Vertreter  gewählt,  welche  im  Verein  mit  den  Patronats- 
vorständen  (meistens  E»amen  und  Herren  der  höheren  Gesell- 
^'  Schaftskreise)  die  Verwaltung  der  einzelnen  Gruppen  führen 
und  deren  Interessen  wahrnehmen.  Auf  die  iMUzelheiten 
der  Organisation    einzugehen    würde  hier  zu  weit  führen. 


er 
er 


Auf  dem  Grundstücke  in  der  Jungfernheide  hat  der 
Antialkoholverein  vom  Grünen  Kreuz  eine  Verkaufsstelle 
für  Milch.  Backwaren  und  alkoholfreie  Getränke  errichtet, 
welche  sich  nach  den  gewordenen  Jlitteilungen  gut  be- 
währt haben  soll. 

E>er  Vaterländische  Frauenverein  hat  auch  eine  größere 
Anzahl  Parzellen  Gartenland  zu  je  zirka  250  qm  Größe  nach 
Umfrage  bei  Fabriken,  Werkstätten  und  Armenpflegen  ver- 
lost und  kostenlos  abgegeben,  wobei  besonders  kinder- 
reichen Familien  der  Vorzug  gegeben  wurde. 

Auch  trug  der  genannte  Verein  auf  seinen  Grund- 
stücken für  die  Schaffung  von  Spiel-  und  Turnplätzen 
Sorge.     Die  näheren   Angaben    über   die  Verpachtung  und 


er 


172 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  9 


Bewirtschaftung  der  Gärten  sind  in  No.  8  der  Zeitsrhrift 
für  Armenwesen  Seite    12 — 14   gegeben. 

Abgesehen  von  den  aus  der  Gartenverpachtung  und 
Bebauung  resultierenden  Vorteilen  bietet  der  Verein  seinen 
Pächtern  auch  eine  Reihe  Vergünstigungen  in  wirtschaft- 
licher Beziehung  durch  Unterstützungen,  billige  Beschaffung 
von  Kohlen,  sowie  durch  Einrichtung  von  Sparkassen  tisw. 

Ein  Vergleich  zwischen  den  Schrebergärten  in  Leipzig 
und  den  Laubenkolonien  in  Berlin  und  Umgebung  läßt  die 
Verschiedenartigkeiten  in  vielen  Beziehungen  erkennen. 
Während  in  Leipzig  von  Anfang  an  zuviirderst  die  Für- 
sorge der  Stadtgemeinde  und  deren  spezielles  Eingreifen 
in  der  Ausgestaltung  der  Gartenanlagen  wahrzunehmen 
ist.  sind  die  Berliner  Laubenkolonien  aus  den  Arbeiterkreisen 
heraus  entstanden  und  hat  sich  hier  erst  im  Laufe  der 
Zeit  eine  rege  Anteilnahme  weiterer  Ivreise  der  Bevölke- 
rung an  der  Ausgestaltung  —  wohl  angeregt  durch  das 
Leipziger  Vorbild  —  herausgebildet.  Indes  in  Leipzig  nach 
der  Entwickelung  die  Pflege  des  Jugendspieles  und  die 
Schaffung  von  Spielplätzen  die  Grundlage  gab,  war  es  in 
Berlin  der  Wunsch  des  Arbeiters,  ein  Grundstück  für  sich 
zu  bebauen.  In  Leipzig  wurden  die  meisten  Anlagen  als 
länger  dauernde  Einrichtungen  ins  Leben  gerufen,  während 
ihnen  in  Berlin  mit  seiner  gewaltigen  Entwickelung  nach 
der  Lage  der  Verhältnisse  mehr  die  Erscheinung  des 
Provisoriums  anhaften  mußte  (mit  Ausnahme  einiger  Au- 
lagen,   so  der   letztgenannten  Anlage    des  Roten  Kreuzes). 

Im  allgemeinen  machen  auch  die  Leipziger  Anlagen 
mehr  den  Eindruck  des  Wohlgeordneten  als  die  Mehrzahl 
der  Berliner  Laubenkolonien. 

Es  wird  nun  für  .München  auf  Grund  der  gemachten 
Wahrnehmungen  und  gepflogenen  Verhandlungen  die  An- 
lage von  Mietgärten,  sowie  der  Betrieb  derselben  durch 
die  Stadtgemeinde  empfohlen.  Bezüglich  der  Ausgestaltung 
selbst  möge  von  vornherein  gewarnt  sein  vor  einer  un- 
zweckmäßigen Sparsamkeit  und  Primitivität.  Besonders 
aus  der  Entstehungs-  und  Entwickelungsgeschichte  der 
Leipziger  Schrebergärten  läßt  sich  erkennen,  wie  man  sich 
allmählich  von  den  primitiven  Einrichtungen  mit  nicht  un- 
erheblichem Kostenaufwand  zu  größerem  [\omfort  durch- 
rang. Gar  mancher  Pfennig  der  aus  freiwilligen  Beiträgen 
und  Schenkungen  oder  sonstwie  a  fond  perdu  floß,  tritt 
wohl  großenteils  bei  dem  Gesamtkostonaufwand  nicht  in 
Erscheinung,  so  daß  Vorsicht  bei  der  Vergleichung  der 
Anlagekosten  und  auch  der  Mieten  sehr  geboten  erscheint. 

Es  wird  in  Vorschlag  gebracht,  für  den  Fall  der  Er- 
richtung von  Mietgärten  in  München  näher  getreten 
werden  sollte,  die  äußeren  Umzäunungen  des  Areales  aus 
Hannichel  oder  Prügelzäunen  herzustellen,  da  die  Draht- 
netzzäuno  —  wenn  sie  auch  etwas  billiger  bei  der  Be- 
schaffung sind  —  oft  schon  in  kiirzestor  Zeit  und  leicht 
Deformierungen  und  Beschädigungen  unterworfen  sind  und 
dann  einen  recht  unschönen  Anblick  gewähren.  Auch 
ästhetische  Gründe  sprechen  gegen  Itrahtzäune,  da  ihnen 
die  Eigenschaft  des  Raumabschließens  fohlt,  hie  Anlage 
guter,  kiesunterlogter,  gewalzter  WegverbindungiMi  er- 
scheint gleichfalls  notwendig.  Man  lasse  sich  ja  wegen 
der  anfänglichen  Kostenersparnis    nicht    dazu    bi'slininn'n, 


Wege  nur  durch  Ausstreuen  von  Sand  und  Kieseln  auf 
Grasboden  herstellen  zu  wollen.  Die  Instandhaltungskosten 
sind  im  letzteren  Fall  bi'deutend  und  die  Wege  bleiben 
stets  schlecht.  Beim  Oktoberfeste  dahier  hat  man  ähnliche 
Erfahrungen  gemacht  und  ist  mit  der  Zeit  an  die 
Schaffung  fester  Straßen  und  Wege  gegangen.  Auch 
kann  aus  hygienischen  Gründen,  sowie  wegen  der  unaus- 
bleiblichen gegenseitigen  Belästigung  durch  Geruch  unter 
keinen  LTuiständen  die  Anlage  einzelner  Aborte  auf  den 
Gartengrundstücken  begutachtet  werden.  Es  empfiehlt 
sich  hiergegen  die  Errichtung  einer  größeren  Abortanlago 
nach  der  Art  der  auf  dem  Oktoberfest  bestehenden  Be- 
dürfnisanstalten, welche  den  einzelnen  Garteninhabern  zur 
kostenlosen  Benutzung  freistehen  soll.  Liie  Anlage  einer 
Spiel-  und  Unterkunftshalle  erscheint  schon  im  Hinblick 
auf  den  Spielplatz  geboten;  die  Einrichtung  einer  Wächter- 
stube ist  im  Interesse  der  Sicherheit  und  Ordnung  als 
auch  Wogen  der  Bewachung  der  Anlage  notwendig.  Ob 
und  in  welchem  Umfange  ein  kleiner  Wirtschaftsbetrieb 
mit  Flaschenbier  tisw.,  die  Abgabe  von  kohlensaurem 
Wasser  und  der  Handel  mit  Obst,  Brot,  Zuckerwaren 
wünschenswert  und  zulässig  erscheint,  dürfte  die  Zeit 
lehren,  jedenfalls  sollte  von  vornherein  die  Einrichtung 
einer  gemeinsamen  Wirtsstube  oder  eines  Wirtsgartens  aus- 
geschlossen sein.  Für  eventuelle  Festlichkeiten  könnten 
Stühle,  Tische  und  Bänke  auf  den  Spielplätzen  und  um 
dieselben  herum  Aufstellung  finden.  Schließlich  sei  noch 
darauf  hingewiesen,  daß  im  Interesse  der  Sauberkeit  und 
Ordnung  die  Herstellung  der  Umzäunungen  der  Gärtchen 
durch  die  Stadt  gelegen  ist.  Bei  der  Vergebung  großer 
Längen  von  Zäunen  ist  die  Stadt  in  der  Lage,  dieselben 
billiger  herzustellen,  als  wenn  der  einzelne  für  seine  Um- 
friedung, wenn  auch  in  einfachster  Weise,  sorgen  muß. 
Eiamit  ist  auch  der  Vorteil  verbunden,  daß  recht  unschöne 
und  mehr  als  einfache  Gartenumgrenzungen,  wie  sie  des 
öfteren  in  Leipzig  und  besonders  in  Berlin  angetroffen 
wurden,  vermieden  bleiben,  was  doch  im  allgemeiner 
Interesse  gelegen  sein  dürfte.  Es  ist  durchaus  nicht  zu 
befürchten,  daß  hierdurch  eine  Uniformierung  und  unan- 
genehme Gleichmäßigkeit  in  die  Gesamtanlage  gebracht 
wird.  Die  verschiedene  Gestaltung  der  Gärtchen,  der  An- 
lagen und  An])flanzungen  in  denselben  sorgt  genügend 
hierfür,  so  daß  eher  einige  Gleichmäßigkeit  in  manchen 
Einrichtungen  von  Vorteil  sein  dürfte. 

Zum  Schlüsse  sei  besonders  die  Einrichtung  von  Miet- 
gartenanlagen  in  verschiedenen  Stadttculen  unter  An- 
gliederung  von  Jugendspielplätzen  wärmstens  befürwortet. 
Solche  Anlagen  sind  in  hygienischer  Beziehung  von  ganz 
hervorrager  Bedeutung,  sowohl  wegen  der  Erholung  und 
Beschäftigung  in  freier  Luft,  als  auch  wegen  der  Ab- 
lenkung vom  Wirtshausbosuch,  in  wirtschaftlicher  Hinsicht 
besonders  wegen  der  Fh-höhung  des  Sparsinnes  umi  der 
Erweckung  des  l'^igentumsgefühles,  in  ethischer  Beziehung 
wegen  der  Stärkung  des  Familiensinnes  und  nicht  zum 
mindesten  in  kuliureller  Beziehung  durch  liie  Erweckuni;- 
des   Interesses  an   den  Vorgängen   in   der  Natur. 

l»ios(!  Momente  sollten,  abgesehen  von  anderen,  aucii 
die  Stadtgeiiieinde   veranlassi'u,   für    die   Anlage    von   Miet- 


IX,  9 


DIE    GARTENKUNST 


173 


gärten  baldmöglichst  Sorge  zu  tnin'on,  zumal  sich  ein  Bo- 
dürfnis  nach  solchen  bereits  in  lu'i'iton  Scliichton  dos 
Volkes  kundgegeben  hat.  — 

Gleichzeitig  mit  diesem  Bericht  gelangte  im  März 
1906  ein  Entwurf  des  Bauamtmanns  Schachner  zur  Vor- 
lage, der  die  Einrichtung  einm-  Miotgartenanlage  auf  einem 
städtischen  Gelände  im  Nordosten  der  Stadt  vorsah,  wo 
bereits  Straßenbahnverbindung  und  Wasserleitungsanschlufi 
vorhanden  war.  Der  Entwurf  wurde  zur  weiteren  Prüfung 
einem  Ausschusse  überwiesen,  dem  unter  andern  auch 
Stadtgärtendirektor  Heiler  und  Gemeindebevollmächtigter 
B  u  c  h n  e r  angehörten. 

Nach  längeren  Verhandlungen  in  diesem  Ausschusse, 
im  Magistrat  und  im  Gemeindekollegium,  bei  denen  in 
der  Hauptsache  eine  wesentliche  Herabminderung  der 
ursprünglich  auf  4'6  OUO  Mark  veranschlagten  Kosten 
unter  Vereinfachung  der  geplanten  Ausstattung  der  Gärten 
herbeigeführt  wunle,  fand  der  Schachnersche  Entwurf 
die  definitive  Genehmigung. 

Auf  Seite  171  ist  der  Lageplan  der  ganzen  Aidage 
wiedergegeben.  Über  die  bei  der  Einrichtung  und  für 
den  Betriel)  mangebenden  Grundsätze  ist  zu  berichten: 

[»ie  Anlage  umfaßt  eine  Fläche  von  49  U9S  qm  mit 
180  einzelnen  Gartenteilen  im  Ausmaße  von  mindestens 
120  und  höchstens  270  qm;  einige  Gärten  an  den  Ecken 
sind  noch  größer  und  eri-eichen  ein  Plächenausmaß  bis 
zu  440  qm. 

Sie  zerfällt  durch  die  im  Interesse  der  Jugend  not- 
wendige, von  Nord  nach  Süd  verlaufende  Spielplatzanlagc 
mit  Brunnen,  Bedürfnisanstalt  und  Unterstandshalle  in 
zwei  Teile.  Die  Ostseite  umfaßt  104  Gärten,  die  West- 
seite 70  Gärten.  Ein  Teil  der  Gärten  ist  von  einem 
Verein  ,,Heimgartenbund",  einige  sind  von  der  Portbildungs- 
schule für  Gärtner  ermietet,  der  Rest  von  anderen  Inter- 
essenten. 

Selbstverständlich  werden  diese  Gärten  nicht  zu 
gewerblichen  Zwecken,  auch  nicht  zur  Errichtung  von 
festen  Bauwerken  bzw.  zu  Wohnzwecken   vorgeben. 

Nach  dem  Projekte  übernimmt  die  Stadtgemoinde: 

a)  die  Kosten  für  die  Bereitstellung  der  Mietgärten 
und  die  Anlage  von  Wegen  innerhalb  des  Miet- 
garten.areals; 

b)  die  Kosten  für  die  Anlage  von  Spielplätzen  und 
die  Herstellung  von  Baumpflanzungen,  von  Brunnen, 
die  Aufstellung  von  Bänken  innerhalb  des  Spiel- 
platzareals; 

e)  die  Kosten  für  die  Wasserzuleitung  (jeder  Garten 
.     erhält    seine    eigene    Wasserzuleitung,    Steigrohr 
und  Auslau fhahn)    und    für  die  Anlage  der    not- 
wendigen  Abort-   und  Versitzgruben; 
d)  die     Koston    für    die    Bedürfnisanstalt     und    die 

damit  verbundiMie  offene  Halle. 
Zu  den  Kosten  11t.  a  zählt  insbesondere  die  Um- 
friedung des  gesamten  Areals  mit  Hannichelzaun,  die 
ebenso,  wie  die  einzelnen  Gartenabschlüsse,  nach  den  Er- 
fahrungen in  anderen  Städten  einheitlich  und  solid  her- 
zustellen ist  und  demnach  den  einzelnen  Mietern  oder 
auch  oinem  Verein  nicht    überlassen  werden  kann,    wenn 


nicht  schon  das  äußere  Ansehen  der  ganzen  Kolonie 
beeinträchtigt  werden  soll.  Die  Gehwege  innerhalb  der 
Kolonie  sind  von  den  Kolonisten  zu  unterhalten,  weil  sie 
dem  Verkehr  in  der  K(donie  dienen,  ihre  erstmalige  An- 
lage obliegt  der  Unternehmerin,  also  dor  Stadtgemeinde, 
die  auch  das  gesamte  Grundstück  vorher  durch  Pflügen  usw. 
für  die  gärtnerische  Benutzung  herzurichten  hat. 

Die  Spielplatzanlagn  ist  84  m  lang  und  32,50  m 
breit;  sie  umfaßt  eine  Fläch((  von  6861  ([m  und  ist  von 
einer  Doppelallee  eingerahmt,  die  auch  später  einmal 
blcdlien  kann,  wenn  die  gauzeAnlage  der  Bebauung  zugeführt 
werden  sollte.  L>ie  Benutzung  des  Spielplatzes  ist  nur 
den  Kolonisten  gest.attet.  Die  Aufsicht  und  die  Bedienung 
dor  Bedürfnisanstalt  ist  den   Kolonisten   überlassen. 

Der  Bestand  der  Anlage  ist  vorerst  auf  15  Jahre  in 
Aussicht  genommen.  Der  Mietpreis  beträgt  für  die  ersten 
Pächter  16  Pf.  pro  qm,  später  sollen  18  Pf.  gezahlt  werden. 
Es  ergibt  dies  eine  Rente  von  rund  5500  Mark,  die  für 
Verzinsung  und   Unterhaltung  vnllkommen  ausreicbt. 

Damit  dürfte  auch  für  München  der  Anfang  gemacht 
sein,  die  Neigung  zum  Gartenleben  in  denjenigen  Kreisen 
neu  zu  beleben,  denen  sie  mangels  eigenen  Besitzes  und 
sonstiger  tielegenheit  zur  Betätigung  nach  und  nach  ab- 
h.anden  gekommen  war,  ähnlich  wie  dem  Maulwurf  das 
Sehen.  Die  Bedenken,  in  den  Kreisen,  auf  welche  der- 
artige Einrichtungen  berechnet  sind,  sei  kein  Bedürfnis 
und  Verlangen  danach  vorhanden,  da  der  echte  Münchener 
lieber  auf  den  Keller  anstatt  in  den  Garten  gehe,  sind 
bereits  widerlegt,  indem  die  vorgesehenen  180  Gärtchen 
alsbald  nach  Bekanntwerden  des  Planes  fast  sämtlich  ver- 
geben worden  konnten  und  bereits  eine  Vereinigung 
„Heimgartenbund"  zur  Förderung  dor  Sache  entstanden 
ist.  So  darf  erwartet  werden,  daß  dieses  von  der  Stadt 
gegebene  Beispiel  vorbildlich  sein  und  anregend  auf  weite 
Kreise  wirken  werde. 

Zum  Schlüsse  bleibt  mir  noch  übrig,  Herrn  Bauamt- 
msmn  Schachuer,  München,  für  das  mir  freundlichst 
überlassene  Material  zu  diesem  Berichte  verbindlichst  zu 
danken.  Heicke. 


Das  ßaumaterial  der  heutigen  (lartenkunst. 

Von  Frhr.  von  Engelhardt. 

(Vortrag    in    der  Sitzung    der  Gruppe  Kheinland,    gehalten   am 
11.  August  1907  in  Benrath.) 

Meine  Herren!  Die  heutige  Gartenkunst  stelle  ich 
nicht  in  Gegensatz  zu  der  ganzen  bisherigen  Gartenkunst, 
als  lüitte  unsere  Zeit  etwas  Besonderes  und  Neues  ent- 
deckt und  geschalten.  Wohl  aber  stelle  ich  das  Wort 
„heutige  Gartenkunst"  in  Gegensatz  zu  der  jüngst  ver- 
gangenen Zeit  und  ähnlichen  Zeitabschnitten  der  Ge- 
schichte, deren  Park-  und  Gartenanlagen  davon  Zeugnis 
ablegen,  daß  unsere  Kunst,  wenn  auch  mit  Ausnahmen, 
auf  ungesundem  Boden  stand,  daß  ihre  Blüten  meist  ver- 
bildet und  ohne  E>u{t,  ihre  Früchte  gröDtenteils  unreif  und 
charakterlos,  geschmacklos  und  daher  für  feiner  gebildete 
Sinne  untjenießbar  blieben.  —  Schuld  daran  war  seitens 


174 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  9 


der  Gartenkünstler,  im  besten  Fall,  Unklarheit  über 
den  Sinn  und  Zweck  der  gestellten  Aufgaben  und  dem- 
gemäß Ratlosigkeit  bei  der  Ausgestaltung  des  Werkes,  — 
im  schlimmsten  Fall  bequeme,  gedankenlose  und  unter- 
schiedslose Anwendung  einer  angelernten  Schablone,  ge- 
paart mit  kunstfeindlichen  Handelshiteressen.  Schuld 
daran  war  ferner  seitens  der  Auftraggeber,  im  besten 
Fall,  widerstandsloses,  gleichgültiges  Mitmachen  der  Mode 

—  im  schlimmsten  Fall 
unaufrichtiges  Scheinwesen 
und  Protzentum,  jenes  un- 
versiegbare Quellengebiet 
ästhetischer  Taktlosig- 
keiten. 

Nicht  wir  allein  — 
nein,  wohl  alle  angewand- 
ten Künste  waren  gegen 
Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts auf  gleichen  Ab- 
wegen. Zum  Ausgangs- 
punkt in  gesunde  Bahnen 
wurde  der  Gedanke  an  den 
Zweck  und  die  Gebrauehs- 
fähigkeit  des  zu  schatten- 
den Werkes.  Die  klare 
Einstellung  unserer  Sinne 
auf  diesen  Brennpunkt 
angewandter  Kunst  hat 
auch  uns  Gartenkünstler 
in  gesunde  Bahnen  gelenkt. 
Eine  charakteristische  Be- 
gleiterscheinung solcher 
Richtungsänderung  (auch 
auf  anderen  Gebieten)  ist 
die  hier  und  da  auftretende 
Frage:  Ja,  was  für  Gärten 
sind    denn    jetzt    modern? 

—  wie  soll  man  einen  Park 
und  Garten  heute  machen? 
Darf  denn  der  landscdiaft- 
liche  Garten  gar  nicht 
mehr  vorkommen?  u.  dgl. 
m.  Es  spricht  aus  solchen 
Fragen  der  Wunsch,  sich 
wieder  an  ein  neues  Dogma 
oder  eine  Schablone  klam- 
mern zu  können,  die  beim 
Versagen  der  eigenen  Ge- 
staltungskraft Rat  und 
Stütze  bieten  könnte.  Es  ist 

ein  Irrtum,  m.  H.,  wenn  jemand  glaubt,  di(!  regelmäßige, 
architektonische  Anordnung  sei  jetzt  allein  an  der  Tages- 
ordnung. Dieser  Irrtum  ist  nur  daduridi  entstanden,  ibili 
unsere  Vergehen  in  der  kleinen  (iartenanlago  am  Hause  be- 
sonders schw(^rvviegend  waren,  weil  wii"  (b^n  Wolinzweck  dort 
fast  ganz  außer  acht  gelassen  hatten  und  der  Architekt,  der 
?twas  früher  als  wir  aus  dem  Schablononschlaf  aufgewacht 
war,  uns  auf  diese  Fehler  aufmerksam  gemacht  hatte.  Außer 


dem  Wohnzweck  können  aber  auch  andere  Zwecke  in 
Frage  kommen  —  ich  nenne  als  Beispiel  den  Nutz- 
garten zur  Erziehung  von  Gartenfrüchten  aller  Art,  das 
Arboretum,  das  Alpinum,  die  lebendige  Stauden- 
sammlung, das  Rosarium,  schließlich  den  botanischen 
Garten  zum  Studium  für  den  Liebhaber  oder  den  Fach- 
mann;   ich    nenne    ferner  die  Schmuckanlage,    die  — 


wie  das   Wort    schon    sagt 


',k'- 
>i,  k>- 


den  Hauptzweck  hat,  ein 
Gebäude  oder  ein  E>enk- 
mal  durch  Pflanzenschmuck 
in  seiner  Schrmheit  zu 
steigern  —  oft  leider  auch 
seine  Häßlichkeit  zu  ver- 
decken. Auch  die  gärtne- 
rische Behandlung  der 
Straßiui  in  Stadt  und 
Land,  die  m.alerische  Ver- 
vollkommnung      eines 

L  a  n  d  s  c  h  a  f  t  s  I3  i  I  d  e  s 
durch  gärtnerische  Ein- 
griffe, um  etwa  von  der 
Veranda  eines  Gutshauses 
einen  angenehmen  Ausblick 
zu  haben  ....  Sie  sehen, 
es  gibt  so  viele  Zwecke, 
denen  unsere  Arbeit  zu 
dienen  hat,  daß  es  schwer 
f;illt,  sie  alle  aufzuzählen. 
In  jedem  Fall  aber 
wird  der  Zweck  uns  bei 
der  Wahl  der  Gruntlfnrm, 
der  Tonart  einer  Anlage 
in  erster  Linie  leiten 
müssen.  Und  wenn  wir 
dann  über  das  Gesetz  ins 
Klare  gekommen  sind  — 
über  das  besondere  Ge- 
setz, was  bei  dieser  einen 
Ausgestaltung  zur  Geltung 
kommen  soll  —  so  tritt 
die  Frage  an  uns  heran: 
Mit  welchem  Material  baut^i 
wir  am  besten  das  Werk, 
das  uns  vorschwebt,  wel- 
ches Baumaterial  wird  am 
besten  diesen  besonderen 
Zweck  erfüllen  und  di(<sinn 
besonderen  Gesetz  ge- 
horchen? 

Mit  dieser  Frage  komme 
»as  P.aiiinaterial   der  heu  I  igen 

*)  Es  sind  liier  mir  :ds  Beispiel  einige  Gohölzartcn  ge. 
naiint,  welclie  die  von  der  l''ormel  bestimmte  Kollo  übcM-nehmen 
könnten,  ich  lielidlte  es  mir  vor.  dieses  Verzeichnis  ovent.  zu 
vervollstilndigeii  und  dabei  besonders  das  nötige  Baumaterial 
aufznzählon,  welches  bisher  nur  selten  oder  g:i.r  nicht  :ingeb(iten 
wurde. 


Tafel  1.    Die  Kiisel. 

Gehölzbeispiele:*) 
Tilia,    Ulmus,    Oarpinas,   Populus,  Crataegus.  Prunus. 
Picea  oxcelsa,  Lauras  nobilis,  Buxns. 
unbrauchbar, 
unbrauchbar. 

Buxns,   Ta.xus,  Thuja  occ.  globosa,  Laurns,  Crataegus, 
Lisnstrum. 


ich  zu  meinem  Thema: 
Gart  e  n  k  u  n  s  t. 


IX  0 


DIE  GARTENKUJJSl^ 


175 


Der  Stein,  die  Pflanze,  das  Twr  stellen  uns  zu 
Diensten.  Diese  Naturprodukte  wei'den  wir  ,a;emäß  der 
gewählten  Gestaltungsart  entweder  umbilden,  so  weit 
es  in  unserer  Macht  steht,  oder  aber  sie  in  ihrer  natür- 
lichen, oft  gar  individuellen  Eigenart  zum  Bau  ver- 
wenden. Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  der  Stein  das  bild- 
samste Material  von  den  dreien  ist,  das  wir  zum  Gehor- 
sam unter  das  geprägte 
Sondergesetz  zwingen  kön- 
nen. Zeigt  doch  der  Stein 
seine  Fügsamkeit  in  dn- 
Menschenhand  vom  herr- 
lichsten Marmorbikhveik 
bis  hiimnter  zum  zermali'- 
nen  Kies  aul'  dem  Garten- 
weg. Auch  das  Wasser, 
eins  der  notwendigsten 
Baumaterialien  dieser 

Gruppe,  leiten  wir  ent- 
sprechend seinem  Aggre- 
gatzustand in  mannigfaltig- 
ste Formen.  Weniger  füg- 
sam zeigt  sich  die  Pflanze. 
Sie  setzt  unserem  Herr- 
schertum  ihre  lebendigen 
Eigenheiten  entgegen  und 
unterwirft  sich  nur  sehr 
bedingungsweise  der  i'c- 
gelnden  Menschenhand . 
Und  in  noch  weit  höherem 
Maße  beansprucht  das  Tier 
weitgehendste  Wahrung 
seiner  Lebensbedingungen, 
weim  wir  es  ungebunden 
an  unsere  Anlagen  fesseln 
wollen.  Wenn  wir  uns 
heute  auf  die  Besprechung 
der  Pflanzen  —  insbeson- 
dere der  Gehölze  im  E»ienste 
der  heutigen  Gartenkunst 
—  beschränken,  so  stellen 
wir  zunächst  fest,  daß,  je 
kraftvoller  und  je  aus- 
gebildeter |die  individuelle 
Eigenart  dieses  lebendigen 
Baumaterials  ist,  um  so 
schwieriger  die  Abände- 
rung oder  Umbildung 
dieser    Eigenart     für     die 

z  weckentsprechende 
Eiienstleistung  in  unserer  Anlage.  Wer  ihren  stetigen 
\\'iderstand  zu  brechen  imstande  ist,  den  sie  mit  ihrem 
Lebensgesetz  unserem  Kunstgesetz  entgegenbringt,  nur 
der  allein  darf  es  wagen,  das  Pflanzenleben  in  den  E>ienst 
architektonischer  Gestaltungsart  zu  stellen.  Wer  aber 
ihren  lebendigen  Widerstand  nicht  brechen  kann,  der  hüte 
sich  davor,  seine  Anlage  auf  eingebildete  Herrscherkraft 
zu  gründen.     Wieviele  Beispiele  zeugen  von  der  häufigen 


|k' 


bk' 


Verkennung    dieser    Warnung    und    stellen    den    Bositzei 
oder  SclK'ipfiT  der  Anlage  als  Nichtkönner  bloß. 

Weit  weniger  Herrscherkraft  beansprucht  diejenige 
Park-  oder  Gartenanlago,  welche  aus  solchen  Pflanzen  auf- 
gebaut ist,  die  vermöge  ihrer  natürlichen  oder  gar  indi- 
viduellen Eigenart  der  Aufgabe  gewachsen  sind,  die  der 
Gartenkünstler  ihnen  stellt.     Xur  ein  guter  Pflanzenkenner 

ist  daher  imstande,  sein 
Baumaterial  seinem  Zweck 
entsprechend  zu  wählen. 
Wer  aber  die  Lebensbedin- 
gungen der  Pflanze,  ihre 
Wachstumsart  und  -Schnel- 
ligkeit, die  Zeit  der  Blüte 
und  ihre  Farbe,  kurz,  ihr 
Itesonderes  Sein  und  Wer- 
den nicht  kennt,  der  hüte 
sich  davor,  die  Rollen  zu 
verteilen,  die  die  Pflanzen 
übernehmen  sollen.  Sein 
inszeniertes  Schauspiel 

wird,  statt  mit  gesteigertem 
Zusammenhang,  mit  einer 
jämmerlichen  Konfusion 
enden.  Wer  kennt  nicht 
die  Anlagen,  in  denen  die 
bedauerlichen  Folgen  sol- 
cher Unkenntnis  und  ge- 
dankenloser Rollen  vortei- 
lung nur  allzu  deutlich 
zutage  treten'.' 

E)ie  Frage,  in  welchen 
Fällen  das  regelmäßig  um- 
gebildete —  in  welchen 
das  natürlich  individuelle 
Pflanzenmaterial  zum  Bau 
verwendet  werden  soll,  diese 
Frage  läßt  sich  überhaupt 
nicht  allgemein  beantwor- 
ten; darüber  entscheidet  in 
jedem  Einzelfall  der  Zweck 
der  Anlage  und  der  künstle- 
rische Takt.  Wenn  aber 
unsere  heutige  Gartenkunst 
beide  Bauarten  in  ihrer 
Eigenart  deutlicher  als 
bisher  auszuprägen, 
charakteristischer  aus- 
zugestalten, zweck- 
dienlicher als  bis  her  an- 
zuwenden bestrebt  ist,  wenn  sie  sich  bemüht,  die  deut- 
liche LIntorscheidung  und  zugleich  angemessene  Ver- 
bindung der  beiden  Tonarten  innerhalb  einer  zusammen- 
gesetzten Anlage  im  .Vuge  zu  behalten,  so  ist  das  m.E.  als  ein 
bedeutsamer  Fortschritt  zu  begrüßen.  E)ieser  Portschritt 
bringt  neueAnsprüche  mit  sich.diewir  an  unsere  Baumaterial- 
lieferanten stellen  müssen.  Wir  müssen  uns  daher  in  engere 
Vorbindung  mit  ihnen  setzen  und  sagen,  was  wir  wollen: 


K  M'  m  )K' 


Tafel  -2.    Die  Kugel. 

G  e  h  o  1  z  b  e  i  s  p  i  e  1  e : 
Aesculus,   Acer,   Quercus,  Ca.stanea,  Platamis,  Sorbus, 
Alans,  Rosen,  edle. 

Ellmus,    Betida,     Fraxinus,     Alnus,     Acer    campestre, 
A.    titLiricura,      A.    pseudoplataiius,      Sali.v,     Robinia, 
Gleditschia,  Pruiiusartea. 
dgl. 

Berberis,  Philadelphus,  Ootoneaster,  Cytisus  capitatus, 
Spiraea  media,  Prunus  fruticosa. 


1% 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  9 


Erstens  für  den  regelmäßigen,    zweitens    für  den  na-  und    der    lange    beschroiljonde    Text    auf    die    sachlichste 

türlichen    Ausbau    unserer    Anlagen    brauchen     wir    vor-  Kürze    oingesciiränkt    sein.     Rin    Ausrufungszeichon  oder 

schiodenartiges,  charakteristisches  Pi'lanzenmatcrial,  welches  gesperrter  Druck  würden  genügen,  um  einzelne  Gewächse 

von  Jugend    auf    für   bestimmte  Lebensaufgaben  geschult  innerhalb    einer    bestimmten  Verwendungsgruppe    als   be- 

und    erzogen    sein    muß,    um   je  nach  seinen  natürlichen  sonders  geeignet  zu  bezeichnen.     Eine  solche  sachgemäße 

Fähigkeiten  oder  seiner  künstlichen  Erziehung  Verwonduns  Übersichtlichkeit    wird    wenigstens    uns  Fachleuten    mehr 


"4  •-.'*.«%> 


w  •-.■■/.  .. 


.*-.%>A 


finden  zu  können. 

Zunächst  einige  Worte 
über  die  einjährigen  Kräu- 
ter   und    Stauden:    Für 
die  regelmä  ßige  .\  nlage 
sind  uns  orwünsclit :  S  t  a  n  d  - 
Ortsänderung      vertra- 
gende    Gewächse     mit 
verschiedenen,   ausge- 
prägten, sattenBlumeii 
und      B 1  a  1 1  f  a  r  b  e  n      für 
alle  Zeiten  der  Vegeta- 
tionsperiode, von  mög- 
lichst   langer    BUiten- 
dauer,  die  nicht  durch 
langsames,      häßliches 
Abblühen  gestört  wird. 
Für  die  natürlichen 
Anlagen      sind      uns     er- 
wünscht :  0 i  n j  ä h  r i  g  0  B 1  ü- 
her  undStauden.welche 
sich     unserer    Wiesen- 
und     Sumpfflora,     dem 
sterilen  Boden  und  dem 
Felsgeröll,      insbeson- 
dere der  trockenen  und 
feuchten  Schattonflora 
ohne     die     schützende 
Pflege    der    Menschen- 
handeinzugliedern im- 
stande   sind.     Auf  diese 
beiden  Gruppen  sollten  un- 
sere   Handelsgärtner     viel 
mehr    als    bisher   Gewicht 
legen  —  auch  von  diesen 
Gesichtspunkten     aus     in 
erster  Linie  die  Neuheiten 
beurteilen,   weil   ihnen  da- 
bei am  ehesten  ein  Massen- 
vertrieb gesichert  ist.   Des- 
halb   braucht  ja  nicht  die 
reiche  Mannigfaltigkeit  der 
Gewächse  für  den  Hchnitt- 
blumengarten,  dasAlpinum 
oder  den  botanischen  Garten 
eingeschränkt  zu  werden.     Es  scheint  mir  wünsihenswcrl. 
daß  auch  in    der  Anordnung    der  Preisvcrzoichnis.se  darin 
Wandel   geschaifen  wird:    statt  der  oft   ühertricbtMien   An- 
preisung des  „prächtigen",   „iierrüchen",  „nnübertrollenon" 
Blumenflors   sollte   mehr  die  Vorwon  dnngsmögli  cli  k<^it 
betont  und    demnach  dii-  Arten  gruppii'rt  werden 


jw^ 


bw 


Tafel  3.    Die  Waiidform. 

GeliOlzb  ei  spiele: 

—  Tilia,  Oar]>iniis,  Plataniis,  "ülmus. 

—  unbrauchb;ir. 

n 

—  Taxus,    Biixus,    Cydonia,  Orataegu 
piniis  u.  a,  Heckengehölze. 

—  fast  unbrauchbar. 


"   \v'    — 
bw'    - 


entgegenkommen,  als  die 
nicht  selten  ans  Amerika- 
nische grenzende  Anprei- 
sung der  Ware,  deren  Ab- 
nahme aus  Geschäftsrück- 
sichton  besonders  erwünscht 
ist. 

Wir  Fachleute  werden 
unsererseits     darauf     aus- 
gelien    müssen,    uns,  jeder 
;in     seinem     Arbeits-    oder 
Wohnort,     ein      Areal    zu 
schatten,      welches  uns  die 
Möglichkeit    gibt,     Proben 
von    ^nnuellen    und    Stau- 
den  anzupflanzen,    um    sie 
in  all  ihren    Eigenschaften 
zu    jeder    Jahreszeit     vor 
Augen  zu   haben    und    da- 
durch    sowohl     ein     selb- 
ständiges Urteil    über   ihre 
Verwendbarkeit      zu      ge- 
winnen,    als    auch     durch 
dieses  stetige  Studium  auf 
neue    und    bessere    Kom- 
binationsmöglichkeiten    zu 
verfallen.    f)er  Besuch   der 
Handelsgärtnereien  ist  nur 
ein    schwacher    Notbehelf, 
der  uns  die  eigene  Farben- 
und   Formensammlung  nie 
und  nimmer  ersetzen  kann. 
Wer  in  der  Lage  ist  —  sei 
es  als  Beamter  einer  Kom- 
mune,   sei    es    als   Privat- 
mann  — ,    dii'ses    für   ge- 
deihliche Weiterarbeit  not- 
wendige Hilfsmittel  sich  zu 
schatTen.wirdderFörderuug 
unserer  Gartenkunst  einen 
wesentlichen  Dienst  leisten. 
Es    wäre    mir   interessant, 
zu  erfahren,    wo  derartige 
reiche      Pi-ebesammlungen 
schon       vorhanden       sind, 
mir   fiMMinillichst  darüber  Mitteilung  zu   machen, 
lioinine    nun     zu    den   (iehöjzen,    die    ich     vom 
aus    beluuideil    wissen   möchte,    wie 
Wir  lirauchen  für  die  regel- 


aucli  Tilia.  <  'ar- 


Ich   liitti 
Ich 
selben  Gesichtspuniit 
die  Annuellen   und  Stauden 
mäßigi^  Anlage:  durch  II  ec  li  en  seh  n  i  1 1  verschieden  ge- 
formtes (ieiiölzmatei'ial   in   verschiedenen  Größen. 


U  C  L  U  II  U      UHU       VI  t'  IJl  II  <l  V,  11      W  1  '  •      n  1    L  i.  li      f^  i    U  ^'  I'  i  '     I    u       ,»    V.'  *   vj  ,-  11.  ,  .  .  i    i..   ^  .    .-       -....-.,,...... - 

Die  tabellenartige  Darstellung  sollte  im  Katalog  bevorzugt      Ich  nenne  als  Beisi)iül  die  Kugel,   die  Wand,  die  Säule,  die 


IX,  !J 


DIE   GARTENKUNST 


177 


Pyramide,  dio  Hängoform,  die  Daelii'orin,  sowolil  auf  ge- 
radem, freien  Stamm,  als  audi  oimo  Stamm  buseliig  auf 
der  Erde  stellend.  Wir  brauchen  für  die  natürliche 
Anlage:  ungeschorene,  vor  allen  Dingen  ihren  indi- 
viduollen Charakter  zeigende  Gehölze  in  ähn- 
lichen Hauptformen,  wie  die  genannten,  auf  ge- 
raden, krummen  und 
vorzweigt  krummen 
Stämmen,  sowie  in 
Buschform.  Um  für  diese 
mannigfaltigen  Grundfor- 
men kurze  Bezeichnungen 
brauchen  zu  können,  will 
ich  Ihnen  Formeln  vor- 
schlagen, die  bei  Gehölz- 
bestellungen, in  Beptlan- 
zvmgsplänen,  in  Erläute- 
rungen einer  Anlage,  auch 
in  l'reisverzeichnisson  be- 
quem anzuwenden  wären. 
Inbezug  auf  die  Krunen- 
form  möchte  ich  folgende 
Bezeichnungen  angewendet 
sehen : 

k   =   Kugel, 
w  =  ^\'and, 
s  =^  Säule, 
p  =   Pyramide, 
h   =   Hängeform, 
d   =   Dachform. 
In      bezug     auf     den 
Stanun  des  Gehölzes  wähle 
icli  folgende  Zeichen: 
I  =   ein  gerader 

Stamm, 
',   =   (.'in   krummer 

Stamm, 
*,)  =  verzweigter  krum- 
mer Stamm, 
b  =  stammlose  Busch- 
form. 
Für  regelmäßige  Form- 
gohölze  und  anderseits  in- 
dividuell erzogene  Gehölze 


|S^ 


bs"^ 


wie  oben. 


schlage  ich  in  der  Formel 
die  Exponenten  r  und  i  vor: 

r  =  regelmäßig, 

i  =  individuell. 

Zunächst  lasse  ich 
einige  Formeln  als  Bei- 
spiele folgen: 

|W''  3  m 

bedeutet   eine    3  m  hohe, 

geradstämmige,  regelmäßig  geschorene  \\'and. 


bs' 


dgi. 

Juiiiperus   virginiana 


Anm.:  Diese  Fonubezeichming  könnte  man  nach  Bedarf 
vermetiren,  indem  auch  die  Obstbaumformen,  miteinbegriffen 
werden:  z.  B.  f  =  Fächer,  e  =  Eiform. 


bp''  2  m  bedeutet  eine  2   m  hohe,    stammloso,    also  busch- 

förmige,  regelmäßig  geschorene  Pyramide. 

V  ->50  ">     ->  eine    'i'/a  m     hoho,     verzweigt    krumm- 

stäm.mige  Dachform,   individuell  erzogen. 

')  s'  i,,v,i  m      „  eine  l'/j  m  hohe,  krummstämmige  Säule, 

indiviiluell  erzogen. 

Ich  meine,  die  Formel 
wäre       existenzborochtigt, 
da  sie  mit  wenigen  Zeichen 
verhältnismäliig    viel   sagt. 
Die  Listen    unter  den 
Abbildungen     bringen    ein 
Verzeichnis  aller  möglichon 
Kombinationen,   von  denen 
viele    unbrauchbares    oder 
nur     selten      anwendbares 
Baumaterial         bezeichnen 
(vgl.  die  Formeln  in  kleiner 
Schrift).     .Man    wird    z.  B. 
eine     verzweigt      krumm- 
stämmige,        regelmäßige 
Pyramide    ('I,p'')     nie     an- 
wenden.     Es    haben    sich 
aber  bei   der  durchgeführ- 
ten   Kombination    Möglich- 
keiten ergeben,  die  wir  bis- 
her     ungenutzt      gelassen 
haben,  so  z.  B.  die  busch- 
förmige,  stammlose,  indivi- 
duolle    Hängeform     (bh'); 
denken     wir     uns     Ulmus 
montana  pendula  oder  Be- 
tula  pendula  ,Youngi  etwa 
U,8 — 0,5  m   hoch  veredelt, 
so    haben     wir    für    steile 
Puttermauern,      Terrassen 
und    ähnliche    Lagen    ein 
sehr    wertvolles  Schmuck- 
material.    Auf   den  beige- 
gebenen Skizzen    habe  ich 
versucht,  die  gebräuchlich- 
sten Formen  als  Silhouetten 
im    Maßstab    von    1  :  100 
wiederzugeben       und     im 
Hintergrunde   die '  Verwen- 
dungsart anzudeuten.    Die 
Horizontallinien    geben    in 
Abständen  von  50  cm  die 
Höhen     der      Silhouetton- 
zeichnung  an,  wie  sie  mir 
durchschnittlich     bei     der 
Leferung  erwünscht  schei- 
nen.      Zu      den      Skizzen 
gehören  die  angeschlossenen  Tabellen,   in  denen  jede  mir 
brauchbar  erscheinende  Form  durch  fettere  Schrift  hervor- 
gehoben ist,   unter  Beifügung  von  einigen  Gehölzarten,  die 
der  Aufgabe  gewachsen  sein  dürften,  die  die  Formel  aus- 
drückt.    E)ie    genannten  Gehölzarten    könnten   gewiß  voll 


Tafel  4.    Die  Säule. 

Gehölzbeispiele: 
Taxus,     .Juniperiis,    Thuja,    Charaaecyparis,    Quercus, 
Lauras,  Populus,  Ulmus. 
unbrauchbar. 


|S'    —  Populus  pyramidalis,  Ulmus  exonien.sis,  Quercus  ped. 
pyr.  Itobinia,  Salix  hehx  pyr. 

-  dKl. 


fastigiata,    Juniperus   hibernica. 


17S 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  9 


ständiger  zusammengestellt  sein,  doch  kam  es  mir  hier 
nur  auf  typische  Beispiele  an.  Sollte  die  vorgeschlagene 
Methode  in  der  Praxis  Anklang  finden,  so  wird  die  Arten- 
tabelle von  selbst  vervollständigt  werden. 

Es  wäre  mir  wertvoll,    zu   erfahren,    wie  die  Herren 
Handelsgärtner      sich     zu 
meinen  Ausführungen  stel- 
len.      Die    Arbeit    in    der 
Baumschule    würde    durch 
meine   gesteigerten  Forde- 
rungen in  manchen  Punk- 
ten    erschwert,     teilweise 
jedoch  erleichtert   werden. 
Nicht      nur      der     stetige 
Heckenschnitt  regelmäßiger 
Pormgehölze,  sondern  auch 
besonders    die   individuelle 
Pflege  malerischer  Gehülz- 
formen    beansprucht  mehr 
und  gebildetere  Hilfskräfte 
und  vielleicht  größere  Kul- 
turflächen als  bisher.    1  »em 
entsprechend     hätten     wir 
eventuell  Preissteigerung!' n 
zu   gewärtigen.     Dom   ge- 
genüber   ist    aber    zu    be- 
tonen,   daß  bisher  verwor- 
fenes     Baumaterial,       wie 
krumme,  schiefgewachsoni' 
Gehölze,    einseitig    ausge- 
bildete   Kronen    und    der- 
gleichen „Brackware"  heute 
gerade  gesucht  sein  wird, 
wo  es  sich  darum  handelt, 
der     Lage      entsprechend 
malerische  Szenen  zu  bauen. 
Das  war  uns  bisher  so  gut 
wie    unmöglich,    weil    die 
sogenannte     „gute    Baum- 
schulware"für  diesen  Zwekc 
absolut  untauglich  war  und 
die  krummen  Gehölze  und 
der  Brackvorrat  nicht  ver- 
schult worden   war.     Wer 
es  wagte,  mit  diesem  Ma- 
terial eine  Wildnis   zu   in- 
szenieren,      machte     sich 
lächerlich,    weil    es    viele 
Jahre  dauerte,  bis  die  Baum- 
schuldressur     verschwand 
und  die  Individualität  zum 
Durchbruch  kam.     Beson- 
ders haftet   dieser  Mangel 
den   größeren  Bäumen  an, 


IP' 

SP' 

<<,P' 

bp> 


bei  denen  der  gerade  Alleestamm  durch  allzu  frühzeitige 
Aufastung  seine  jugendliche  Dehnungselastizität  verliert, 
wobei  das  geschwächte  Kindonwachstum  den  Baum  korsett- 
artig einschnürt    und    am  frischen  Gedeihen   hindert.     Ich 


weiß  sehr  wohl,  daß  diese  getadelte  Methode  einfacher 
durchführbar  und  für  den  Kaufmann  vorteilhafter  ist,  als 
die  geforderte  Erziehungsart.  Der  Baum  muß  aber  natur- 
gemäßer behandelt  werden,  wenn  er  seine  natürlichen 
Fähigkeiten  nicht  verlieren  soll,    die  wir  ja  gerade  in  den 

Dienst   der   Anlage   stellen 
wollen. 

Doch  dies  nur  neben- 
bei, die  Hauptsache  ist, 
daß  wir  bisher  nur  selten 
Bäume  von  individuell  na- 
türlichem Charakter  bezie- 
hen konnten.  Diesem  Übel- 
stand wird  aber  gewiß  ab- 
zuhelfen sein.  Insbesondere 
verspreche  ich  mir  viel  vom 
Connex  zwischen  unserer 
Gesellschaft  für  Garten- 
kunst und  dem  neuen  Bund 
deutscher  Baumschulbo- 
silzer.  Es  werden  sich  da- 
durch im  Laufe  kurzer 
Zeit  die  Fragen,  die  ich 
hier  tlüchtig  gestreift  habe, 
immer  mehr  klären  und 
genauer  beantworten  lassen, 
so  daß  Angebot  und  Nach- 
frage dann  auch  in  gesun- 
dem Gleichgewicht  stehen 
können. 

Wenn     ich     auch    in 
meinen  Ausführungen  mein 
Thema     längst     nicht    er= 
schöpfen  konnte,  wenn  ich 
sogar  einzelne  große  Grup- 
pen   unseres   Pflanzenbau- 
materials,    wie    z.    B.    die 
Schlingpflanzen      und     die 
schönen     Blütensträucher, 
ganz  außer  acht  ließ,  weil 
es  da  nichts  besonderes  zu 
erwähnen  gab,  so  hoffe  ich 
doch,  einige  wichtige  Dinge 
berührt    zu    habon,  die  zu 
fruchtbarem   Meinungsaus- 
tausch Anlaß  geben  könn- 
ten.    Um  eventuellen  Miß- 
verständnissen     vorzulieu- 
gen,      betone      ich      zum 
Schluß,     daß     die     vorge- 
schlagenen     l''nrnieln     die 
Gefahr    einer    scliablonen- 
lia.rten         Gehrilzerziehung 
durchaus         nicht         ein- 
sogar     das    Gegenteil:      die 
Erziehung     soll     ja   gerade 
charakteristischere      Mannig- 


Tafel  5.    nie  Pyramide. 

Gehölzbeispiele: 

—  Ulmus     moaumentalis    (!),     Tilia    argentea,     Populvis 
laurifolia,  Platanus,  Piriis  communis. 

—  unbrauchbar. 

-  Ulmus,  Uarpinus,  Oornus  raas,  Hex,  Buxus,  Crataegus, 
Picea  excelsa,  Taxus,  Lauras  nobilis,  Tliuja  Warreana, 
Acer  monspessulanum.. 

fast  alle  Abiesarten  und  Piceaartcn. 

--  die  Arten  von  s*  breit  gewachsen. 

—  dgl. 
—   Junipcrus   communis  und  wie  oben. 


schließen, 
gewünschte 
darauf       ausgehen, 
faltigkeit    als    bishei 


eh      liehanpte 
indi  V  iduel  le 
uns 


zu 


bieten,    während    anderseits   der 


IX,  0 


DIE  GAETENKUNST 


ITU 


regolmäßige  Schnitt  präziser  durchgoarbeitete  Form- 
bäume als  früher  liefern  soll.  Die  gefürchtete  Formel  hat 
aber,  wie  bereits  angedeutet,  den  Vorzug,  dorn  Garton- 
künstler bei  seiner  Anlagenkomposition  eine  kurze  Schreib- 
melhodo  an  die  Hand  zu  geben,  wenn  er  in  seinem  Ent- 
wurf Notizen  darüber 
machen  will,  wie  die  räum- 
liche Ausgestaltung  eines 
im  Grundriß  vorgesehenen 
Gehölzgruppenfleckes  ge- 
dacht ist.  Schreibt  er  sich 
z.  B.  die  Formeln  in  den 
Grundriß,  wie  die  Grundriß- 
skizze  zuTaf  .y  zeigt,so  ist  da- 
mit eine  Gruppe  in  der  Form 
derauf  Taf.  9  S.  182  entwor- 
fenen leicht  und  bequem  an- 
gedeutet. Die  Gehölzarten, 
denen  er  diese  besonderen 
vorgeschriebenen  Rollen  zu- 
erteilen wird,  können  dann 
bequem  später  entsprechend 
der  Formol  gewählt  werden. 
wenn  nur  die  räumliche 
Ausgestaltung  der  regel- 
mäßigen oder  natürlichen 
Anlage  dui'ch  Gehölze  im 
allgemeinen  vorher  durch 
die  Formel  festgelegt  ist. 
Ich  lasse  es  bei  diesem 
einen  Beispiel  der  Formel- 
anwendung bewenden  und 
schließe  mit  der  Bitte  um 
Kritik  der  Durchführbarkeit 
oder  praktische  Abänderung 
meiner  Vorschläge. 


yr>- 

<5,h>- 

bh'- 


XX.  Hauptversammlung 

der 

Deutschen  Gesellschaft 

für  Gartenkunst, 

Mannheim, 
27.— 31.  Jlüi  1907. 

Die  20.  Hauptversamm- 
lung der  D.  G.  f.  G.,  welche 
vom  27. — 31.  Juli  d.  .J.  in  der 
Ausstellungsstadt  Mannheim 
stattfand,  bedeutet  einen 
vollen  Erfolg  nach  jeder 
Richtung  hin.  Sowohl  der 
äußere  Verlauf  der  ganzen 
Veranstaltung,  wie  auch  der 
innere  Gehalt  der  Darbietun- 
gen  und   die  Ergebnisse   der 

Verhandlungen   lassen   diesen   Ausspruch    als  nicht  übertrieben 
erscheinen. 

Schon  am  Abend  des  27.  Juli  waren  soviele  Teilnehmer  in 
Mannheim    eingetroffen,    daß    das    als  Zusammenkunftsort    be- 


<  h'  -  dgi. 


((  hi 


zeichnete  Teichrestaurant  in  der  Ausstellung  voll  besetzt  war, 
und  am  Nachmittag  des  28.  Juli  waren  es  gegen  100  Mitglieder, 
die  an  dem  Besuche  des  Schwetzinger  Parkes  unter  Führung 
von  Hofgärtner  Unselt  teilnahmen,  abgesehen  von  denen,  die 
es  vorgezogen  hatten,  nach  Heidelberg  zu  gehen. 

Programmgemäß  trat  der 
Ausschuß  der  Gesellschaft 
vormittags  '/2  9  Uhr  am 
28.  .Juli  zur  Erledigung  ge- 
schäftliclier  Angelesenbeiten 
zusammen,  deren  dringlichste 
die  Wahl  eines  II.  Vorsitzen- 
den und  Versammlungsleiters 
bildete,  indem  der  Vorsitzende 
der  Gesellschaft,  HerrGarton- 
direktor  Trip,  durch  schwere 
Erkrankung  am  Erscheinen 
verhindert  und  der  IL  Vor- 
sitzende, Parkdirektor  Ohrt- 
Bremen,  kurz  zuvor  von 
seinem  Postenzurückgetreten 
war.  Die  Wahl  des  Aus- 
schusses fiel  auf  Herrn 
Gartendirektor  Encke-Köln, 
der  demzufolge  die  Leitung 
der  Hauptversammlung  über- 
nahm. 

Die  Sitzung  des  Aus- 
schusses dauerte  mit  kurzer 
Unterbrechung  bis  zum 
Abend.  Den  wichtigsten 
Gegenstand  ihrer  Tagesord- 
nung bildete  die  Angelegen- 
heit der  Zeitschrift.  Von 
der  Verlagshandlung  Gebr. 
Bornbraeger  war  der  die  Zeit- 
schrift betreffende  Vertrag 
gekündigt  worden.  .\uf  Grund 
der  dadurch  erforderlich  ge- 
wordenen Verhandlungen  ge- 
langten Vorstand  und  Schrift- 
leitung zu  der  Ansicht,  daß 
es  vorzuziehen  sei,  die  Zeit- 
schrift in  eigenen  Verlag  zu 
nehmen  und  nur  die  technische 
Herstellung  zu  vergeben,  den 
Anzeigenteil  gesondert  zu 
verpachten  und  den  Versand 
durch  Postvertrieb  zu  bewir- 
ken. Der  Ausschuß  stimmte 
diesen  Vorschlägen  zu.  Da- 
gegen konnte  der  Leiter  der 
Zeitschrift  die  Mehrheit  des 
Ausschusses  nicht  von  der 
Zweckmäßigkeit  des  von 
ihm  beantragten  vierund- 
zwanzigmaligen  Erscheinens 
der  „Gartenkunst"  überzeu- 
gen. Er  zog  deshalb  seinen 
diesbezüghchen  Antrag  zu- 
rück; insbesondere  waren  es  finanzielle  Bedenken,  die  einen 
Teil  des  Ausschusses  zu  ablehnender  Haltung  veranlaßten. 

Am  Montag,  den  29.  Jiüi,  9  Uhr  vormittags,  eröffnete  Herr 
Gartendirektor  Encke   im  Saale  der  „Loge  Karl  zur  Eintracht" 


Tafel  6.    Hie  Hängeform. 

Gehölzbeispiele: 
Ulmus   montana  und  campestris  pendula  sowie  andere 
Trauerbäume,  die  regelmäßig  am  Behang  gesclmitten 
in  Parterres  verwendet  werden  könnten, 
unbrauchbar. 


die  Hängeformen  von  Acer  dasycarpum,  Aesculus 
rubic,  Alnus  incana.  Betula,  Garagana,  Carpinus, 
Prunus  Cerasus,  Crataegus,  Fagus,  Fraxinus,  Malus 
Ouercus,  Ulmus. 


dgl. 

dgl.,  Philadelphus  Lomoinei.  Lycium,  Celastrus, 


180 


DIE  GARTENKUNST 


IX  9 


die  öffentliche  Hauptversammlung.  Der  zweihuudertfünfzig 
Sitzplätze  enthaltende  Saal  war  überfüllt,  alle  Zugänge  waren 
noch  von  Personen  besetzt,  welche  den  Verhandlungen  stehend 
beiwohnen  mußten.  Unter  den  Erschienenen  befanden  sich 
neben  zahlreichen  Fachleuten  aus  allen  Teilen  des  Reiches  und 
der  Nachbarländer  die  Vertreter  der  badischen  Staats-  und 
Mannheimer  städtischen  Behörden  und  vieler  Stadtverwaltungen, 
letztere  so  zahlreich,  wie  noch  nie  zuvor. 

Es  folgten  die  offiziellen  Begrüßungsansprachen. 
Im  Namen  des  Groß- 
herzoglichen Bezirksamtes 
sprach  Oberamtmann  Dr.  Le- 
vinger,  im  Namen  der  Stadt 
Mannheim  Bürgermeister 
Ritter.  Er  gedachte  dabei 
in  besonders  herzlicher 
Weise  des  erkrankten  Vor 
sitzenden  Trip,  an  den  auf 
Anregung  Enckes  ein  Be- 
grüßungstelegramm abge- 
sandt wurde. 

Der      Vorsitzende      ver- 
kündete     alsdann      die      Er- 
nennung    des      Oberbürger- 
meisters  Dr.    Beck    und  des 
Bürgermeisters       Ritter      zu 
Ehrenmitgliedern      der     Ge- 
sellschaft, brachte  den  Jahres- 
und Kassenbericht  zurKennt- 
nis     der   Versammlung     und 
erteilte  dem  Königlichen  Lan- 
desbau rat    und   Professor  an 
der  Technischen  Hochschule 
zu      Charlottenburg,      Herrn 
Th.  Goecke,  das  Wort  zum 
ersten     Vortrage :     Garten- 
kunst und  Städtebau.  In 
fast  einstündiger,  glänzender 
Rede,  unterstützt  durch  zahl- 
reiche Lichtbilder,  fesselteder 
Vortragende  die  Aufmerksam- 
keit   der  Versammlung    und 
fand  am  Schlüsse  seiner  Aus- 
führungen rauschenden   Bei- 
fall.    Da    die    Vorträge    alle 
teils    in    Sonderheften,    teils 
in  der  Gartenkunst  im  vollen 
Wortlaut    und    unter   Beifü- 
gung   der     Lichtbilder     und 
Abbildungen    zum    Abdruck 
kommen,    so    kann    auf    ein 
Eingehen  auf  den  Inhalt  hier 
verzichtet  werden:    nur    ein 
Passus    aus     dem     Vortrage 
Prof.    Goeckes    sei    des    be- 
sonderen Interesses  wegen  hier  schon  wörtlich  wiedergegeben. 
„Was  heißt  nun  landschaftlicher  Garten?    Die  Natur  über- 
zieht   die  Erdoberfläche   mit  Grün,    so  wie  sie  ist.     Legt  dann 
der    Mensch   Wege    hindurch,    grenzt    hier    eine    Baumgruppe 
schärfer  ab,  schließt  dort  eine  Lücke  in  den  Laubmassen,   wie 
es  seinem  Schönheitsgefühle   entspricht,    oder   legt    eine  Fern- 
sicht mit  Aussichtsplätzen  an,  setzt  gar  zum  Kontrast  ein  Bau- 
werk hinein,  als  Maßstab  für  hochragende  Felswände  usw.,  so 
gestaltet  er  je  nach  Art  und  l'mfang  der  Korrekturen  die  Natur 


|d' 


bdr   ^  wie 


oben  und   alle  Heckenstrliucher. 


zu  einem  mehr  oder  weniger  bescheidenen  Kunstwerke  um. 
Verwendet  er  nun  aber  die  einzelnen  Elemente  der  Landschaft 
zu  einer  neuen  freien  Komposition,  etwa  so,  wie  der  Land- 
schaftsmaler die  der  Wirklichkeit  entnommenen  Motive  zu  einem 
in  seiner  Seele  erschauten  Bilde,  so  kopiert  er  so  wenig  wie 
dieser  die  Natur,  steigert  sie  auch  nicht  nur,  sondern  scliafft 
mit  ihrer  Hilfe  ein  aus  seiner  Phantasie  geschöpftes  einheit- 
liches Kunstwerk,  dessen  Erscheinung  wieder  wesentlich  davon 
bedingt    sein    wird,    ob  und  wie  die  Gestalt  der  Erdoberfläche 

benutzt  und   behandelt   wor- 
den ist." 

Von  der  in  diesem  Worte 
liegenden  Anerkennung  der 
Landschaftsgestaltung  als 
Kunst  aus  dem  Munde  einer 
Autorität,  wie  Prof.  Goecke, 
darf  mit  besonderer  Genug- 
tuung Kenntnis  genommen 
werden. 

Nach  einer  kurzen  Pause 
folgte  als  Korreferent  Garten- 
diroktor  Encke-Köln  mit 
seinem  gleichfalls  durchLicht- 
bilder unterstützten  gehalt- 
vollen Vortrage,  wobei  er 
sicli  mit  der  gartenkünstleri- 
sohen  Ausgestaltung  der  für 
das  .Stadtbild  in  Betracht 
kommenden  Anlagen  und 
Pflanzungen  befaßte. 

Nach  Schluß  dieses  Vor- 
trages mußte  die  Fortsetzung 
der  Verhandlungen  wegen  der 
bei  der  ÜbertüUung  doppelt 
empfindlichen  Schwüle  nach 
einem  geräumigeren  Lokale, 
dem  von  Bürgermeister  Ritter 
bereitwilligst  zur  Verfügung 
gestellten  Versanunluugssaal 
des  Rosengartens,  verlegt 
werden. 

Hier     wickelte    sich    im 
Anschluß    an    die    Vorträge 
eine  lebhafte  Diskussion  ab, 
an    der     sich     vorzugsweise 
von  Engelhardt  -  Düsseldorf, 
Kube  -  Posen,        Hoemann- 
Düsseldorf,    Heicke  -  F'rank- 
furt   a.    M.    u.  a.    beteiligten 
und    in  der   mit  besonderem 
Nachdruck    gefordert  wurde 
daß  die  in  den    beiden   Vor- 
trägen    dieses    Tages     zum 
Ausdruck  gebrachton  Grund- 
sätze   mit    allen    Mitteln    in 
die    breiteste    Öffentlichkeit    gebracht    werden    müßten,   damit 
den  groben  Verstößen  wirksam  künftig  vorgebeugt  werde,  denen 
man  in  großen  und  kleinen  Städten  auf  dem  besprochenen  Ge- 
biete fast  überall  begegnet. 

Hiernach  gelangte  der  von  Heicke- Frauklurt  a.  M.  gestellte 
und  begründete  Antrag: 

„Die  Hauptversammlung  wolle  einen  Ausschuß  ernennen, 
der  beauftragt  wird,  zunächst  mit  dem  Herausgeber  des 
Statistischen  Jahrbuches   deutscher  Städte   in  Verbindung  zu 


Tafel  7.     Üie  Datlilonn. 

Gehölzbeispiele; 

—  Tilia,    Quercus,    Platanus,     Fagus,     Carpinus,     Flnuu 
Morus,  Crataegus,  Catalpa  Bungei. 

—  unbrauchbar. 


IX,  9 


DJE  GARTENKUNST 


181 


treten,  um  zweckdienliche  Erhebungen  übor  das  Gartenwesen 

deutscher    Städte    zu    gewinnen,    dann    aber   auch   sonstigen 

statistischen  Aufgaben  seine  Aufmerksamkeit  zu  widmen  und 

alljährlich  über  da.s  Ergebnis  seiner  Arbeit  zu  berichten" 

zur  Verhandlung.     Der  Antrag  wurde  angenommen  und  mit  der 

Bearbeitung    der  M.aterie    die  Gruppe  Brandenburg   beauftragt. 

Glogau-Hannover     begründete     den     Antrag     der    Gruppe 

Hannover: 

.,Die  Hauptversammlung  wolle  beschließen,  daß  die  Frage 
der  Ausbildung  des  Garten- 
künstlers und  der  Regelung 
des  Prüfungsweseas  erneut 
aufgenommen       und       ein 
Ausschuß    zur    Erörterung 
dieser    Angelegenheit    ge 
wählt  werde." 
Bei  der  Besprechung  dt^ 
Antrages     machte     sich    zu- 
nächst die  Neigung  geltend, 
eine  Kommission   zu   bilden. 
in  der  die  bestehenden  höhe- 
ren    Gartenbauschulen     ver- 
treten sein  sollten.  Da  jedoch 
weniger     ein     Ausbau    oder 
eine     Umgestaltung      dieser 
Anstalten,   sondern    eher  ein 
Loskommen    von   ihnen   das 
Ziel  sein  kann,  nachdem  hin- 
gestrebt    werden    muß,     so 
wurde    ohne    Rücksicht    auf 
sie    der    Ausschuß    mit    der 
Befugnis     der     ZuwahJ     be- 
stehend aus  Encke-Köln,  von 
Engelhardt    und     Hoemann- 
Düsseldorf  gewählt. 

Am  Nachmittag  vereinigte 
ein  Festmahl  im  Foyer  des 
Rosengartens  die  Versamm- 
lungsteilnehmer, und  der 
Rest  des  Tages  war  der  Aus- 
stellung gewidmet. 

Das  Thema  des  2.  Tages 
der  öffentlichen  Hauptver- 
sammlung bildete  die  Frage: 
Heimatschutz  und  Lan- 
des verschöne  rung.Hierzu 
sprachen  als  Referent  der 
Schriftführer  des  Bundes  Hei- 
niatschutz,  Robert  Mielke- 
üharlottenburg,  und  alsKorre- 
ferent  Gartendirektor  Kube- 
Posen.  Während  ersterer 
ganz  allgemein  die  unter  den 
„Heimatschutz"  fallenden  Be- 
strebungen besprach  und  im 
besonderen  sich  über  _Land- 
schaftspflege"       —      anstatt 

„Landesverschönerung"  —  äußerte,  wies  Kube  die  Wege  und 
Gelegenheiten  nach,  mittelst  denen  die  D.  G.  f.  G.  erfolgreiche 
Mitarbeit  leisten  könne  und  müsse.  In  der  sehr  anregenden 
Diskussion  wurde  die  Forderung  gestellt,  daß  in  jedem  Gruppen- 
bezirk und  Landesteile  eine  Persönlichkeit  aus  dem  Kreise  der 
Mitglieder  bestellt  werde,  die  auf  die  einschlägigen  Angelegen- 
heiten ihr  besonderes  Augenmerk  zu  richten  habe.    Schließlich 


I  £  ß  <ß  m 


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bd' 


einigte  man  sich   dahin,   die  Angelegenheit  dem  Vorstande  und 
.Ausschüsse    der  Gesellschaft  zu  überlassen. 
Danach  gelangten  die  Anträge  Heicke: 

„Die  Hauptversammlung  wolle  beschließen,  dafi  alljähr- 
lich für  die  Mitglieder  der  Gesellschaft  ein  Wettbewerb  zur 
Erlangung  künstlerischer  Aufnahmen  von  Gegenständen  aus 
allen  Tätigkeitsgebieten  der  Gesellschaft  veranstaltet  werde. 
Die  gewonnenen  Bilder  sollen  zur  Ausstattung  der  Zeitschrift 
und  zur  .Anfertigung  von  Lichtbildern  für  Vorträge  (ent- 
sprechend dem  Antrage  der 
Gruppe  Rheinland  (Verwen- 
dung finden.  Zur  Ausar- 
beitung der  Bestimmungen 
wird  ein  Ausschuß  gewählt, 
der  seine  Arbeit  so  zu  be- 
schleunigen hat,  daß  der 
erste  Wettbewerb  noch  im 
Laufe  dieses  .lahres  statt- 
finden kann" 
und  Gruppe  Rheinland: 

„Die     Hauptversamm- 
lung   in    Mannheim    wolle 
eine    Kommission    wählen, 
die  veranlaßt,  daß  zu  Vor- 
tragszwecken   für    die  Ge- 
sellschaft   eine   Sammlung 
von       Photographien      für 
Lichtbildervorträge     ange- 
schafft  wird,  die  den  Vor- 
tragenden gegen  eine  ent- 
sprechende        Leihgebühr 
überlassen  werden" 
zur  Annahme.     Die  Bearbei- 
tungder  Angelegenheit  wurde 
dem    Vorstande    der    Gesell- 
schaft    unter     Hinzuziehung 
des    Leiters    der    Zeitschrift 
übertragen. 

Die  Beratung  und  Be- 
schlußfassung über  die  Än- 
derung der  Grundsätze  für 
das  Verfahren  bei  öffent- 
lichen Wettbewerben  auf 
dem  Gebiete  der  Garteukunst 
mußte  der  vorgerückten  Zeit 
wegen  auf  den  folgenden 
Tag  verschoben  werden. 

Nachmittags  fand  der  vor- 
gesehene Besuch  der  Strebel- 
werke, eine  Rundfahrt  durch 
den  großartigen  Mannheimer 
Hafen  unter  freundlicher  Füh- 
rung des  Herrn  Stadtbaurat 
Eisenlohr  und  abends  Zusam- 
menkunft im  Friedrichspark 
statt. 

Am  dritten  Verhandlungs- 
zunächst  der  von  der  Gruppe  Frankfurt 
Ergebnisse  der  Beratungen  in  den  übrigen 


Tafel  8.     l»le  Dachform. 
Gehölzbeispiele: 
Platanus,  Tiha,  Fagus,  Ulmus,  Pinus,  Cedrus, 


Crataegus,  Acer 


—  (i>uercus 
Castanea . 

—  Rhus  typhina,    Sambucns,    Carpinus 
campestre,  Laburnum. 

—  Magnolia.  Malus. 

—  Juniperus    Sabina,    Cotoneaster    horizontalis,    Catalpa 
Bungei. 


tage,  31.  Juli,  wurde 
a.  M.  auf  Grund  der 
Gruppen  aufgestellte  Entwurf  für  die  Wettbewerbsbestimmungen 
beraten  und  mit  einigen  Abänderungen  genehmigt,  im  An- 
schlüsse daran  auch  eine  Neubearbeitung  der  Gebührenordnung 
der  Gruppe  Rheinland  übertragen. 

In  der  darauf  folgenden  geschlossenen  Mitgliederversamm 


182 


DIE  GARTENKUNST 


XI,  ü 


lung  wurde  gemäß  der  bereits  im  vorigen  Jahre  in  Nürnberg 
getroffenen  Verabredung  Potsdam  als  Ort  der  nächstjährigen 
Tagung  gewählt  und  der  Voranschlag  für  das  Geschäftsjahr  1908 
genehmigt. 

Gartendirektor  Heicke  als  Leiter  der  Vereinszeitschrift 
referierte  sodann  über  die  vom  Ausschusse  gutgeheißene  künf- 
tige Gestaltung  der  Verhältnisse  der  Zeitschrift  und  trug  die 
Entwürfe  der  über  die  technische  Herstellung  der  „Gartenkunst" 
und  über  die  Verpachtung  des  Anzeigenteils  abzusclilieI3enden 
Verträge    vor.      Die   Vorschläge    fanden    die    Zustimmiinir    der 


Hausgartens.  Es  sprachen  Professor  Widmer-Karlsruhe 
niid  Kurgärtner  Singer  -  Kissingen  Ersterer,  ein  Freund 
Läugers,  besprach  dessen  Sondergarten  auf  der  Ausstellung, 
letzterer  übte  Kritik  an  den  Gärten  der  Ausstellung,  dabei  be- 
sonders auf  die  Gärten  von  Schultze-Nauniburg,  Länger  und 
Behrens  eingehend.  Man  muß  sagen,  daß  sich  Singer  seiner 
schwierigen  Aufgabe  mitgroßem  Geschick  entledigte.  Er  würdigte 
unbefangen  und  rückhaltlos,  was  ihm  an  den  „Professorengärten" 
gefallen  habe  und  tadelte  ebenso  freimütig  ihre  Schwächen.  Sein 
Vortrag  hinterließ  ei  nen  tiefgehenden  Eindruck  und  zeugte  von  dem 
sachlichen  Bestreben,  der  Kunst  zu  dienen  unterHintansetzung 
aller  kleinlichen  Rücksichten  auf  Fachgrenzen  und  Sonder- 
interessen.  In  diesem  Sinne  verlief  auch  die  sich  anschließende 
Debatte.  —  Gegen  1  Uhr  mittags  schloß  der  Vorsitzende,  Garten- 
(lirektor  Encke,  die  würdig  verlaufene  Tagung.  Ein  Teil  der 
Mitglieder  blieb  noch  in  Mannheim,  die  Ausstellung  mit  all 


T/iP:  9. 


Tatel  '.I  (zu   „Baumaterial  der  heutigen  Gartenkunst"). 


Versammlung  und  es  wurde  der  Vorstand  zur  Vollziehung  der 
Verträge  ermächtigt. 

Die  Anträge  der  Gruppe  Rheinland:  „Die  Hauptversamm- 
lung in  Mannheim  wolle  beschließen,  daß  die  Verhandlungen 
der  Hauptversammlungen  einschliel31ich  der  Ausschußberatungen 
ev.  ohne  Vorträge  wieder  veröffentlicht  werden,  da  abgesehen 
von  dem  bleibenden  Wert  der  Veröffentlichung,  hierdurch  auch 
das  Interesse  der  Mitglieder  an  dem  Vereinsleben  wachgehalten 
wird"  und  der  Gruppe  Brandenburg  (Abänderung  der  Satzungen 
§  20  e  und  §  '22  a):  „Die  Hauptversamndung  möge  beschließen, 
daß  bei  Behinderung  von  Ausschußmitgliedern  seitens  der 
Gruppen  mit  gleichen  Rechten  ausgerüstete  Vertreter  ent- 
sandt werden  können"  fanden  debattclos  einstimmige  Annahme. 

An  der  nun  folgenden  letzten  öffentlichen  Sitzung  kam  es 
zu  einer  hochinteressanten  Aussprache  zwischen  Architekt  und 
Gartenkünstler  über    die    künstlerische    Gestaltung    des 


ihren  Einzelheiten,  Planausstellung,  Friedhofskonkurrenz  usw., 
welche  bei  manchem  zu  kurz  gekommen  waren,  eingehend  zu 
besichtigen,  ein  Teil  ließ  sich  durch  die  Bahn  nach  dem  Schwarz- 
wald entführen,  wo  die  Teilnehmer  hoffontlich  angenehme  Tage 
erlebt  und  recht  viel  Schönes  gesehen  haben  werden. 

Was  diese  trockene  Aufzählung  der  Tatsachen  nicht  geben 
kann,  ist  eine  Schilderung  des  Tones,  der  die  ganze  Tagung- 
beherrschte  und  des  Eindruckes,  den  sie  auf  die  Teilnehmer 
gemacht  hat.  Auch  läßt  sich  daraus  noch  nicht  erkennen,  welche 
tatsächlichen  Folgen  sich  aus  der  Tagung  ergeben  werden. 
Jedenfalls  hat  der  ganze  Verlauf  bewiesen,  daß  die  Deutsche 
Gesollschaft  für  Gartenkunst  auf  dem  richtigen  Wege  ist,  nicht 
um  irgend  jemandes  Einzelinteresse  wahrzunehmen,  sondern 
um  ihrem  großen  Ziele  „Förderung  der  Garteidiunst  im  weitesten 
.Sinne"  gerecht  zu  werden.  Möge  sie  auf  diesem  Wege  erfolgreich 
fortschreiten!  


IX,  9 


DUO  GARTENKUNST 


18:5 


ScIllofM  Ito^alin.  sein  l'ark  und  seine  Eichen. 

Von  Kiehl,  Saaleck  I).   KöKon, 

Schloli  Hogaliii  in  der  Provinz  Posrn  dürfto  wulil  last 
allon  LescM-n  der  Gartenkunst  unl)ckannt  sein,  und  diich  ist 
es  mit  der  beachtenswerteste  Punkt  der  ganzen  Provinz. 
Doch  wie  wenige,  selbst  geborene  Posener,  haben  etwas 
davon  gehört,  geschweige  denn  gesehen.  Es  müssen  die 
Fremden  kommen,  um  den  Posenern  zu  sagen  und  zu  zeigen, 
daß  auch  ihre  Provinz  nicht  arm  ist  an  Kunstwerken 
und  Xaturschönheiten,  die  sich  den  Ri'izeii  anderer  von 
Natur  und  Kunst  reicher  bedachten  Gegenden  gi'trost 
an  die  Seite  stellen 
ki'innen.  IhreSchiin- 
hüiten  wollen  nur 
gesucht  sein,  zu 
finden  sind  sie,  und 
der  suchende  \\'an- 
derer  wird  oft 
überreich  belohnt 
für     die      zuweilen 

anstrengenden 
Märsche;  denn  wan- 
dern muli  man 
kiinnen,  auch  muli 
man  zufrieden  sein 
mit  einem  einfachen 
ländUchen  Butter- 
brod  und  einer 
meist  tadellosen 
Grätzer,  diesem 

Posener  Erzeugnis. 
Wie  oft  bildete 
dies  unser  Mittags- 
brot,  und  wie  oft 
sind  wir  dadurch 
gestärkt  weiter- 
gezogen. Ja,  einige  Male  bot  uns  der  Wald  selbst  mit  seiner 
überreichen  Fülle  an  Erd-  und  Heidelbeeren  ein  er- 
frischendes Mahl.  Iiahor  ist's  Wandern  in  Posen  auch 
billig.  Ein  weiterer,  mir  sehr  willkommener  Umstand  ist 
der,  daß  man  während  des  ganzen  Tages  fast  nie  einen 
Menschen  trifft,  mit  Ausnahme  einiger  Landleute,  die  sehr 
erstaunt  sind,  daß  sich  in  ihre  Gegend  auch  einmal  ein 
Städter  verirrt.  Doch  von  den  Wanderungen  durch  Posen 
vielleicht  ein  andermal  und  zurück   nach  Rogalin. 

Von  der  Provinzialhauptstadt  Posen  führt  uns  die 
Bahn  in  ca.  30  Minuten  nach  dem  Landstädtchen  Moschin 
am  Obrakanal;  von  hier  geht  es  über  die  Bahn  hinweg 
durch  Felder  und  Wiesen  und  zuweilen  durch  lichten 
Kiefernwald  bis  zur  Wartlie,  die  sich  jetzt  im  Sommer 
als  etwa  10 — 20  m  breites  ruhiges  Flüßchen  durcli  die 
teils  flache,  teils  leicht  bewegte  Landschaft  schlängelt. 
Von  drüben  grüßt  freundlich  das  kleine,  bescheidene  Holz- 
kirchlein des  Fischerdorfes  Rogalineg  (Abi).  1).  Man  könnte 
fast  glauben,  in  einem  der  kleinen  Fischerdörfer  an  der  Ostsee 
zu  sein,  wenn  es  nicht  an  der  Warthe  wäre,  so  breit  und  flach 
und  sandig  ist  hier  das  Ufer.     Am  alten  Heiligenstein  vorbei, 


Abb.  1.     Kirche  zu  Roaraliaee. 


leiclit  bergan,  geht  nun  der  Weg  anfangs  über  kahle 
Flächen  etwa  eine  Viertelstunde  entlang,  bis  der  Wald- 
park von  Rogalin  erreicht  wird.  Wie  ein  ehrwürdiger 
\\'ächtor  steht  gleich  am  Eingang  zum  Park  eine  mächtige 
Eiclie,  in  deren  Stamm  ein  kleines  Madonnenluldchen  ein- 
gelassen ist.  Auf  sauberem,  gut  gehaltenem  Wege  geht 
es  nun  weiter:  immer  zahlreicher  werden  jetzt  die  riesigen 
Eichen.  Einen  Schatz  von  ungeheurem  Wert  birgt  dieser 
Park  in  seinen  Eichen.  Es  gibt  wohl  kaum  in  ganz 
Deutschland  einen  Ort,  wo  in  so  großer  Zahl  und  in  so  ge- 
sundem Zustande  und  so  sorgfältig  gehütet  derartige 
Baumriesen  vorhanden  sind.  Hier  wird  Naturdenkmals- 
schutz in  vollende- 
ter Weise  betrieben. 
Alle  diese  Eichen 
sind  gleich  male- 
risch und  üljer  alles 
schön  uiul  einzig  da- 
stehend in  unseren 
deutschon  Wäldern 
und  Gärten  (Abli.  2 
U.3.  S.  184  u.  18.5). 
Ich  habe  Rogalin  im 
Sommer  und  im 
Winter  liesucht.  und 
ich  weiß  nicht, 
welche  Jahreszeit 
ich  für  den  Besuch 
vorziehen  soll.  Im 
Sommer  sind  (\s 
die  gewaltigen 

dunkelgrünen  Laub- 
massen, die  über- 
raschen, im  Winter 
steht  man  staunend 
vor  diesem  unend- 
lichen Astgewirr. 
.Man  merkt  sofort,  daß  diese  Bäume  dem  Besitzer  Rogalins, 
dem  Grafen  Raczynski,  wie  seinen  Vorfahren  ans  Herz  ge- 
wachsen sind.  Jeder  abgestorbene  Ast  wird  sorgfältig 
entfernt,  die  Wunde  wird  mit  Dachpappe  geschützt  oder, 
wenn  sie  tiefer  geht,  ausgemauert.  Iveiner  der  Bäume 
wird  gefällt  des  Geldes  wegen,  sie  alle  gehen  schließlich 
nur  an  „Altersschwäche"  zugrunde.  Der  älteste  und 
stärkste  Stamm,  leider  nur  noch  eine  Ruine,  hat  sogar 
ein  vollständiges  Ziegeldach  erhalten  und  ist  am  ganzen 
Leib  geflickt,  nur  um  sein  Leben  so  lang  als  möglich  zu 
erhalten  (Abb.  4,  S.  185).  E»ieser  Stamm  hat,  einen  halben 
Meter  über  den  Boden  gemessen,  reichlich  4  m  Durchmesser. 
Wie  winzig  der  .Mensch  dagegen  aussieht,  zeigt  die  Abbil- 
dung. Stämme  von  3  m  E>urchmesser  sind  sehr  zahlreich  vor- 
handen, 2 — 2'/2  ni  sind  die  meisten  stark,  und  Kronen- 
durchmesser von  30 — 40  m  sind  ebenfalls  recht  häufig. 
Trotz  des  hohen  Alters  der  Bäume  ist  ihr  Aussehen 
noch  so  gesund  und  ihre  Entwickelung  so  urwüchsig,  wie 
die  verschiedenen  Abbildungen  im  belaubten  und  kahlen 
Zustande  zeigen.  Ein  Fußweg,  noch  schöner  als  der 
eben      geschilderte     Fahrweg,      geht     gleich     hinter    der 


184 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  9 


Kirche  in  Rogalineg  durch  die  Wiesen  an  dem  hier  ziemlich 
stark  abfallenden  Gelände  des  Parkes  an  langgestreckten 
Wasserflächen  vorbei,  und  ich  möchte  behaupten,  daß 
dies  der  schönste  Teil  der  ganzen  Besitzung  ist.  Hier 
wächst  ein  Eichenhain  in  einer  Pracht  und  Ausdehnung, 
wie  er  einzig  dastehen  dürfte,  eine  echt  deutsche  Land- 
schaft. Viehherden  geben  diesem  Bilde  einen  unbeschreib- 
lichen Reiz  (Abb.  7,  S.  187).  Allmählich  führt  uns  nun  der  Weg 
aus  dieser  freien  Landschaft  in  den  eigentlichen  Park,  der  in 
der  Regel  für  Fremde  gesperrt  ist,  jedoch  fast  ausnahms- 
los auf  vorherige  Anfrage  bei 
dem  Generalbevollmächtigten, 
Herrn  Szubert,  bereitwilligst 
geöffnet  wird,  selbst  während 
der  Anwesenheit  der  gräflichen 
Familie,  wie  es  bei  unsorm 
Besuch  der  Fall  war.  Nur 
das  Schloß  selbst  ist  dann 
unzugänglich. 

Gehen  wir  nun  zurück 
zu  dem  anfangs  betretenen 
Hauptfahrwege,  auf  dem  wir 
bald  das  Dorf  erreichen. 
Überall  sind  die  Häuser  in 
gutem,  auffallend  sauberen 
Zustande,  die  meisten  von 
kleinem  Garten  umgeben,  in 
dem  die  alten  schönen  Stock- 
rosen und  die  Sonnenblumen 
die  Hauptrolle  spielen  und 
leuchtender  Mohn,  denn  der 
Pole  liebt  in  allem  einu  oft 
glühende  Farbenpracht,  die 
sich  besonders  in  dem  Hoch- 
zeitsgewand einer  polnischen 
Bäuerin  äußert.  Auf  Schritt 
und  Tritt  begleiten  uns  die 
riesigen  Eichen,  bis  wir  an 
das  Ende  dos  Dorfes  ge- 
langen. 

Eine  prächtige  Allee 
wohl  hundertjähriger  Birken, 

deren  Zweige  stellenweise  bis  auf  den  Boden  hängen,  führt 
von  hier  zur  einfachen  Dorfkneipe,  wo  es  wieder  eine 
gute  Grätzer  und  ein  ausgezeichnetes  Schinkenbrot,  zu- 
sammen für  25  Pfennige,  gibt,  allen  Besuchern  Rogalins 
bestens  empfohlen.  Nach  rechts  zweigt  jetzt  der  Weg 
zum  Schlosse  ab.  In  weitem  Halbkreis  legt  er  sich  um  einen 
großen  freien  Platz.  Das  Schloß  ist  Endo  1700,  Anfang  ISOO 
im  neuklassischon  Stil  erbaut  (Abb.  b,  S.  186).  An  den 
hohen  Mittelbau  schließen  sich  zwei  niedrige,  im  Viortel- 
kreis  geschwungene  Flügel  .in.  Das  Innere  birgt  zahl- 
lose alte  und  neuere  Gemälde,  Statuen,  prachtvolle  Kron- 
leuchter aus  Porzellan,  eine  reiche  Waffonsammlung  und 
kostbare  alte  Möbel.  In  dem  runden,  nach  der  Garten- 
seite gelegenen  Waffonsaal  wurde  am  13.  Dezember  1806 
der  Friede  zwischen  Prankreich  und  Sachsen  geschlossen, 
wie  eine  hier  angebrachte    französische    Inschrift    besagt, 


und  1848  lagerte  hier  Krauthofer.  An  das  Schluß  schließt 
sich  nach  der  Gartenseite  zu  eine  breite  Terrasse  an, 
deren  Stutzmauer  dicht  mit  Efeu  berankt  ist.  In  der 
Achse  des  Schlosses  liegt  om  großes  Parterre,  das  vielleicht 
in  früheren  Zeiten  reichen  Blumensclimuck  nach  franzö- 
sischem Muster  gehabt  hat.  Alte,  prächtig  entwickelte 
Linden  rahmen  <liesen  Platz  ein.  Noch  zahlreiche  Statuen 
vor  dunklen  Taxuspyramiden  lassen  die  einstige  Pracht 
ahnen.  Dieses  Parterre  begleiten  zu 
schorene  Hainbuchensänji-e, 


beiden  Seiten  ge- 


Abb.  2.    Eichen  im  Park  von  Rogalin 


die  jetzt  wieder  gut  gepflegt 
und,  wo  nötig,  durch  Nach- 
pflanzungen ergänzt  worden. 
In  bestimm tenZwischenräumen 
erweitern  sich  diese  Gänge 
zu  kloinen,  etwa  10 m  breiten 
und  20  m  langen  Höfen  (Abb. 6, 
S.  180).  Auch  hier  stehen 
noch  zahlreiche,  doch  stark  be- 
schädigte Sandstoinfiguren.  In 
den  Achsen  dieser  Gänge  sind 
stets  einige  Pyramidenpappeln 
gepflanzt,  die  dem  Bilde  einen 
eigentümlichen  Abschluß  ge- 
ben. Etiesem  Parkteil  wird, 
wie  schon  bemerkt,  seit  eini- 
gen Jahren  wieder  die  ihm 
gebührende  Pflege  zugewen- 
det, und  es  wäre  zu  wünschen, 
daß  diese  in  der  Provinz 
Posen  einzig  erhaltene  Anlage 
im  französischen  Geschmack 
wieder  in  altem  Glänze  er- 
stehen möchte,  zumal  dem  Be- 
sitzer große  Reichtümer  zurVer- 
fügung  stehen.  Es  fehltschein- 
bar  nur  an  einer  tüchtigen, 
beratenden  gartenkünstleri- 
schen Kraft.  Der  weiter  sich 
anschließende  Park  birgt  man- 
chen Baumriosen,  darunter 
prächtig  entwickelte  Fichten, 
Gleditschien,  Ailanthus,  Linden 
und  Schwarzpappeln  und  die  zahllosen  Eichen.  Allmählich 
geht  der  Park  in  freie  Wiesen-  und  Auonlandschaft  über, 
die  schon  zu  Anfang  geschildert  wurden.  An  verschiedenen 
Stellen  führen  hier  einfache  Holzsteige  über  den  den  Park 
und  die  Wiesen  durchziehenden  Wasserlauf,  den  zahllose 
Wasserrosen  und  gelbe  Mummeln  stellenweise  vollständig 
bedecken,  zur  Zeit  der  Blüte  ein  wundervoller  Anblick. 

Auf  der  anderen  Seite  des  Schlosses  grenzt  an  die 
breite  Auffahrt  ein  von  gerader  Kastanionalleo  begrenzter 
Rasenplatz,  an  den  Si'iten  und  Ecken  mit  dichtem  Flieder- 
gebUsch  bestanden.  Weiter  in  der  Achse  liegt  auf  eincnn 
Hügel  zwischen  hohen  Bäumen  das  Mausoleum.  Es  ist 
ein  antiker  Tempel,  und  zwar  eine  Nachltildung  der 
„Maison  quareo"  zu  Nimes.  Eine  breite  Erritrcppr,  auf 
deren  Wangen  Löwen  ruhen,  führt  zu  ilcr  von  li  Säulen  ge- 
tragenen  Vn^hi^lU^    i'hie    scliwere    l'iichentür    schließt    das 


IX,  9 


DIH  GARTENKUNST 


185 


und   Liebe    geschaffen,    zu    dem   wir  danii- 
bar   aufblicken   müssen. 


Abb.  3.     Eichen  im  Park  von  Kogaiin. 

Innere  ab.  Die  Grabkapelle  ist,  wie  eine  fnsclirift  auf 
dem  Giebelfelde  sagt,  dem  heiligen  Marzellino  geweiht, 
und  eine  weitere  Inschrift  gilit  1820  als  das  Baujahr  an. 
Unter  der  Kapelle  beflmlet  sich  die  eigentliche  Grabstätte, 
eini^  dreischiffige,  gotische  Krypta,  deren  hervorragendster 
Schmuck  die  Marmorstatue  des  Grafen  Roger  Raczynski, 
des  Sohnes  des  Erbauers,  bildet,  von  Rauch  geschatien. 
L»iese  groß  angelegte  Besitzung  verrät  in  allen  Teilen 
das  hoho  Kunstempfinden  der  Grafen  Raczynski.  Eile 
Stadt  Posen  verehrt  in  dem  Grafen  Eduard  R.  einen  ihi-er 
größten  Wohltäter  und  Gönner.  Die  ebenso  reichhaltige 
wie  kostbare  Bibliothek  ist  samt  dem  säulengetragenen 
Prachtbau,  der  sie  birgt,  Eigentum  der 
Stadt  geworden.  E'io  berühmte  Raczynski- 
sche  Gemäldegalerie,  die  bis  vor  kurzem 
in  Berlin  aufbewahrt  wurde,  ist  jetzt  im 
Posener  Kaiser-Priedrich-Museum  unter- 
gebracht. Nicht  weit  davon,  in  derWilhelms- 
alloe,  steht  der  Prießnitzbrunnen,  vom 
Grafen  Eduard  R.  zur  Erinnerung  an  den 
Arzt  Prießnitz,  durch  dessen  Behandlung 
seinem  Sohne  das  Leben  gerettet  wurde,  ge- 
stiftet, gleichzeitig  eine  Ausflußstelle  der 
ebenfalls  vom  Grafen  geschaffenen  Wasser- 
leitung. Elen  Abschluß  dieser  ersten,  jetzt 
nur  noch  teilweise  bestehenden  Leitung 
bildet  eine  Nachbildung  der  Sixtinischen 
Madonna  in  Bildhauerarbeit,  zu  deren 
Füßen  in  einer  kleinen,  gotischen  Halle 
der  Wasserstrahl  hervorsprudelt. 

Ein  edles  Geschlecht  hat  sich  durch 
seine  Wohltätigkeit  und  durch  seine  lümst- 
und  Naturliebe  in  Stadt  und  Provinz  Posen 
ein    bleibendes    Denkmal    der     Verehrung 


Kino  heikle  Kraffc. 

In  Mannheim  war  ich  in  die  1 1 ;ingel<om- 
mission  für  die  Planausstellung  gewählt  worden 
und  .sollte  zugleich  als  Preisrichter  fungieren. 
Es  war  das  erste  Mal,  daß  ich  hier  in 
I'eutschfand  einer  solchen  Aufgabe  gegen- 
über stand.  Eine  Menge  Pläne,  Iiilder,  Modelle 
l:if;on  vor,  welche  die  verschiedenartigsten 
.\nlagen  darstellten.  Wir  gingen  an  die  I^o- 
sichtigung.  Ich  musterte  zuerst  fliiclitig,  dann 
genauer,  veitiefte  mich  baid  in  dieses,  bafd  in 
jenes  Projekt  —  dann  kam  die  Frage:  Aus- 
schi'idcn  oder  Zulassen'.'  Diese  Frage  war 
sehr  schwierig  zu  beantworten,  weil  ein  Ueneral- 
niaß  fehlte,  wie  es  bei  einem  gemeinsamen 
Wettbewerb,  bei  einer  bestimmten  Aufgabe, 
wenn  auch  nicht  ohne  weiteres,  so  doch  elier 
ausfindig  gemacht  werden  kann.  Ich  IraRte 
mich  weiter:  Streng  oder  milde  urteilen .'  und 
entschied  mich  für  „streng".  Ich  notierte  mir 
die  Pläne,  die  ich  nach  bestem  Empfinden 
glaubte  zulassen  zu  können.  Es  erwies  sich,  daß  die  Auswahl 
weniger  als  die  Hälfte  der  eingelaufenen  Arbeiten  betrug. 
Schon  schien  es  mir,  als  hätte  ich  allzu  „subjelitiv"  und  hart 
geurteilt,  denn  es  wurden  mir  Vorstellungen  gemacht:  es  ginge 
doch  nicht  an,  so  viele  zurückzuweisen,  vor  den  Kopf  zu  stoßen, 
es  bliebe  ja  auch  nichts  übrig,  die  Ausstellung  würde  zu  klein 
und  —  —  es  würde  sehr  übel  gedeutet  und  als  persönliche 
Kränkung  aufgenommen  werden,  wenn  diese  oder  jene  Pläne 
ausscheiden  müßten  —  es  sei  auch  nicht  Sitte,  so  scharf  z\i 
urteilen,  man  schädige  damit  den  Ruf  und  das  Geschäft  eines 
Kollegen.  Diese  und  ähnliche  Einwände  brachten  mich  dazu 
gegen  mein  Empfinden  zu  handeln,  obgleich  ich  mit  einem  Mit- 
glied der  Kommission  im  strengen  Urteil  übereinstimmte.   Aber, 


Abb.  -i.     Eiche  im  Park  von  Kogaiin. 


186 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  9 


Abb. 


Sclilul.l   lloiiuliii. 


dav.an  lerne.  Anregung  bekUmc  und  auf 
iliesem  Gebiet  weiter  gebildet  werde.  Wenn 
das  richtig  ist,  so  liegt  es  auf  der  Hand, 
dalj  für  die  Zulässigkeit  nur  dieser  eine 
genannte  Zweck  maßgebend  sein  kann  und 
jode  persönliche  oder  gar  geschäft- 
liche Rücksichtnahme  durchaus  wei- 
clien  mul.5.  Scheint  dieses  Prinzip  einer 
Ausstellungsleitung  zu  hart  —  nun  so  mögen 
alle  eingelaufenen  Pläne  ohne  Hänge- 
komniission  zugelassen  werden.  Es  darf 
aber  weder  von  der  Ausstellungsleitung  noch 
von  den  Ausstellern  das  Ansinnen  an  eine 
Uängekommission  gestellt  werden,  das  sach- 
liche, künstlerische  Urteil  durch  andere 
Rücksichten  irgendwie  zu  beeinträchtigen. 
Es  sollte  ferner  m.  E.  die  Beurteilungs- 
inethodo  zuerst  in  einer  Gruppierung  be- 
stehen: und  zwar  kämen  zur  Auswahl  zu- 
iiächst  die  besten  einwandfreien  Pläne; 
daran  würden  sich  anschließen  die  allen- 
fallszulässigen und  als  dritte  Gruppe  die 
iliirchaus  nicht  einwandfreien,  sowie 
viertens  die  schlimmen  Stümperarbeiten. 
Nach  dieser  Gruppierung  würde  es  sich 
fragen,  ob  außer  der  ersten  Klasse  nur 
die  zweite  oder  auch  die  dritte  Auswahl  zugelassen  werden  soll. 
Die  vierte  fällt  ja  selbstverständlich  fort.  Bei  dieser  Frage 
glaube  ich  für  strenge  Beurteilung  stimmen  zu  müssen  und 
daher  aus  der  dritten  Grupiie  möglichst  viele  Pläne  ausscheiden 
zu    lassen.     Ist    aber    die  Wertdistanz   zwischen  der  ersten  ev. 


zur  Gegenäußerung  zu  bewegen,  damit  unter  uns  durch  solchen 
Meinungsaustausch  eine  im  Prinzip  einheitliche  Stellungnahme 
zu  dieser  „heiklen  Frage"  erzielt  werde.  Meiner  Ansicht  nach 
ist  der  Zweck  solcher  Ausstellungen  doch  wohl,  dem  Publikum 
zu  zeigen,  was  wir  heute  als  wirklich  gute,  künstlerisch 
durchgearbeitete  Leistungen    anerkennen,    damit  das  Publikum 


wie  gesagt,  ich  gab  nach;  es  wurden  nur  wenige  Pläne  aus- 
geschieden und  viele  aufgehängt,  mit  denen  ich  nur  zum  Teil 
mich  einverstanden  erklären  konnte. 

Man  wird  fragen,  weshalb  ich  das  alles  hier  mitteile' 
Antwort:  Ich  teile  es  deshalb  mit,  um  das  Endresultat  meines 
Zwiespalts  den  Lesern    vorzulegen    und    um    Andersdenkende      reichhaltigen  Gruppe  und  der  zweiten  auffallend  groß,  so  würde 

vielleicht  auch  diese  letztere  mit  geringen  Ausnahmiui  in  Weg- 
fall   kommen  müssen.     Kurz  gesagt:    „non  multa,  sed  mul- 
tum",  sei   das  Leitmotiv  unserer  Hängekommissionen. 
Das   mag  sehr  hart  klingen  —  aber  wir  sind  es  unserer  Kunst 
schuldig.     Jeder  einzelne  und  wir,  als  Gesellschaft  für  Garten- 
kunst,   können  in    der    Selbstkritik    nicht    streng  genug 
sein.     Wenn  vi-ir  das  nicht  sind,   so  werden 
wir   von   außen    um  so  heftiger  angegriffen 
und  um    so    schärfer    beurteilt  werden,   wie 
es    uns   die   letzten   Jahre    deutlich    gezeigt 
haben. 

Meine  Äußerungen  werden  bei  manchem 
Leser  vielleicht  weitere  Fragen  wachrufen: 
Welche  Kommission  hat  denn  das  Recht,  so 
streng  zu  urteilen.'  Welcher  Fachmann 
hält  denn  von  seinem  Urteil  so  viel,  daß 
er  den  verwegenen  Mut  hat,  die  anempfohlene 
Strenge  walten  zu  lassen'.'  Etwa  der  Ver- 
fasser dieser  Zeilen,  der  so  skruppellos  da- 
für plädiert?  Muß  man  nicht  viel  eher  tole- 
rant, sein  und  auch  gelten  lassen,  was  einem 
nicht  gefällt.'  Wer  wird  dann  überhaupt 
noch  ausstellen':  — All  diese  Einwandfragen 
•-ind  sehr  verständlich  und  werden  gewiß 
jc'ilcs  .Mitglied  einer  llängekonimission  he- 
w  eL;en  und  das  Richtoramt  sehr  erschweren. 
mitunter  gar  unmii^lich  machen.  Ich  will 
versuchen,  kurz  zu  s;igi'n,  wie  ich  zu  diesen 
l'.edenken  glaube  Stellung  nehmenzu  müssen  : 
Erstens,  jede  Kommission  hat  das  Recht 
—  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen 
Abb.  (i.     Von  Hecken  umgebener  Garteidicji  im   Park   von  Uogalin.  natürlich    —    streng    zu    urteilen,    denn    sie 


IX.  <) 


DIE  GARTENKUNST 


1S7 


hat  sich  nicht  selbst  zum  Richter  gemacht,  sondern 
man  hat  sie  gewälüt  nnd  ihr  dadurch  ein  gesundes 
Urteil  zugetraut  —  ob  mit  Recht  oder  Unrecht,  bleibt 
dahingestellt;  die  nachteiligen  Folgen  fallen  dann  auf 
die  Wähler  zurück;  sie  tragen  in  erster  Linie  die 
Schuld  für  eine  schiefe  Beurteilung.  —  Zweitens : 
Der  Fachmann  wird  den  Mut  haben,  streng  zu 
urteilen,  der  den  Mut  hat,  sich  selbst  einer  strengen 
Kritik  zu  unterstellen  und  der  bei  den  Ausstellern 
den  gleichen  gebildeten  und  allein  bildsamen  Stand- 
punkt voi-aussetzt;  er  wird  in  Konflikt  geraten,  wenn 
er  erfährt,  daß  dieser  oder  jener  Aussteller  eine 
empfindsame  Persönlichkeit  ist  und  eine  strenge  Be- 
urteilung persönlich  übel  nimmt.  Er  wird  dann,  wenn 
auch  mit  einiger  Überwindung,  den  Konflikt  sachlicli 
zu  entscheiden  bemüht  sein.  Jeder  ernst  arbeitende 
Mensch  wird  bestrebt  sein,  das  eigene  Urteil  zu  kläreji, 
d.  h.  unterscheiden  zu  lernen.  Wieweit  er  in  diesem 
Streben  gelangt  ist,  wird  er  selbst  schwer  entscheiden 
können.  Wer  ihn  zum  Richter  wählt  und  ihm  damit 
Urteilskraft  zutraut,  kann  davon  nicht  mehr  ver- 
langen, als  wie  vorhanden  ist.  Und  was  schließlich 
die  Toleranz  betrifft  und  das  (Jeltenlassen,  so  ist  mein 
Standpunkt:  Jeder  urteile  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen 
so,  wie  er  beurteilt  sein  will:  sachlich,  streng,  gerecht. 
Toleranz  und  Geltenlassen,  die  mitleidiger  Schonung  gleich- 
kommen, bedeuten  für  mich  FörJennig  des  Rückstandes  — 
und  ilen  wünsche  ich  weder  mir,  noch  meinen  Fai-hgenossen, 
noch  unserer  Gartenkunst.  Frhr.  von  E  n  ü;elhardt. 


Abb. 


Landsrliaftsbild  aus  der  Umgebung  von  Rogalin. 


Bücherschau. 

„Grofs-Berlin"  nennt  sich  die  jüngst  von  der  Vereinigung 
Berliner  Architekten  und  dem  Architektenverein  zu  Berlin 
herau.sgegebene  Broschüre,  welche  Anregungen  zur  Erlangung 
eines  Grundplanes  für  die  städtebauliche  Entwickelung  von 
Groß-Berlin  geben  will. 

Haben  auch  die  Fach-  und  Tageszeitungen 
hin  und  wieder  kurz  berichtet  über  die  schon  im 
September  1905,  wo  die  Anregung  zur  Bildung 
eines  Ausschusses  gegeben  wurde,  begonnenen 
Vorarbeiten  und  Beratungen,  so  kann  doch 
als  erste  zusammenfassende  .Schrift  diese 
Broschüre  angesehen  werden.  Sie  bildet  gleich- 
zeitig den  Abschluß  eines,  wenn  auch  nur 
geringen  Teiles  der  gewaltigen  Vorarbeiten  und 
ist  als  Denkschrift,  mehr  vielleicht  noch  als 
Propagandaschrift,  bestimmt,  zu  wirken  in  den 
weitesten  Kreisen,  aufzurütteln  auch  wohl  die 
Gemüter,  die  bisher  dem  großen  Gedanken 
wenig  Interesse  entgegenbrachten. 

Der  erste  Abschnitt  macht  uns  mit  den  von 
den  herausgebenden  Vereinen  im  .Januar  1907 
angenommenen  Leitsätzen  bekannt.  Diesen 
schließen  sich  an:  Berlins  Wachstum  und 
bauliche  Zukunft  von  Regierungsbaumeister 
Emanuel  Heimann;  Wald-  und  Parkgürtel, 
eine  Anregung  für  Groß-Berlin  von  Landes- 
b.aurat  Professor  Goecke.  der  als  Mitbegründer 
und  Herausgeber  der  Zeitschrift  „Der  Städte- 
bau" auch  in  unserne  Fachkreisen  wohl  be- 
kannt     ist;       Groß-Berlin      als      wirtschafts- 


politischer, verkehrsteclinischer  und  baukünstlerischer  Organis- 
mus von  Architekt  Albert  Hofmann,  dem  Redakteur  der 
„Deutschen  Bauzeitung" . 

Diese  drei  Abhandlungen  legen  klar  und  deutlich  dar,  wie 
zwingend  notwendig  es  ist,  nun  endlich  dieser  brennend.sten 
aller  Fragen  näher  zu  treten:  „Wie  soll  Berlin  sich  gestalten 
bei  gleichem  Fortschreiten  der  Bevölkerungszunahme  wie  bis- 
her?" Die  angeführten  statistischen  Nachweise  und  Zahlen 
reden  eine  gewaltige  Sprache.  „Sechs  Millionen  Einwohner  in 
.SO  Jahren  und  damit  noch  kein  Ende!  Der  Gedanke  hat  etwas 
Erschreckendes."  Man  vergegenwärtige  sich  nur  einmal  diese 
schier  endlose  Häusermasse,  die  diese  Menge  aufzunehmen  nötig 
ist,  man  denke  sich  einmal  das  Bild  Sonntagsausflügler  Berlins 
in  80  Jahren,  wähle  zum  Vergleich  eine  zum  Grunewald  führende 
Straße  der  .Jetztzeit  oder  den  Bahnhof  eines  beliebten  Ausflugs- 
ortes.   Scheint  eine  iSteigerung  auf  das  Doppelte,  auf  das  Drei- 


Abb.  y.     Parklandschaft  in  der  Umgebung  von  Rogahn. 


188 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  9 


lache  überhaupt  noch  möglich,  sollte  es  nicht,  trotz  stetig 
fortschreitender  Verbesserungen  der  Verkehrsverhliltnisse,  fast 
zu  den  Unmöglichkeiten  gehören,  all  die  Hunderttausende 
am  Abend  heimzubefördern '?  Wald- und  Parkgürtel,  welche  den 
dichten  Kern  der  Häusermassen  umschließen,  werden  die  Er- 
holung Suchenden  auf  viele  Gebiete  verteilen,  werden  kürzere 
Wegestrecken  zurücklegen  lassen,  leicht  und  schnell  erreichbar 
sein  und  somit  dem  schädlichen  Einfluß  der  Großstadt  auf 
die  körperliche  Entwickelung  der  Einwohner  hemmend  ent- 
gegentreten. Nicht  Wald  allein  und  Park  und  Wiese  sollen  inner- 
halb   des    großen    Kreises,    der    mit  dem  Potsdamer    Platz  als 


unter  B  dahin  gekennzeichnet,  daß  a)  die  grundsätzliche 
Regelung  der  Ansiedelung  auf  dem  vom  Anbau  noch  nicht 
(■rreichton  Gelände  und  b)  die  möglichen  Verbesserungen  in 
den  bereits  bebauten  Teilen  Borlins,  seiner  Nachbarstädte  und 
Vororte  ins  Auge  gefaßt  werden  müssen,  beides  in  wohldurch- 
dachter, von  künstlerischem  Geiste  getragener  Form 
um  im  Zusammenklang  mit  der  Landschaft  aus  dem 
(iroß-Berlin  des  XX.  Jahrhunderts  eine  wirtschaft- 
lich-technische und  künstlerische  Einheit  zu  machen. 
Der  Weg,  der  zur  Erreichung  dieses  Zieles  beschritten 
werden    soll,    ist   ein  Wettbewerb  zur  Erlangung  eines  Grund- 


Gfliei/.tes  Basbiij  im  Botanischen  Garten  Gießen.     Aus  Henkel,  das  Bucli  der  Nyniphäaceeu. 


Mittelpunkt  25  km  Radius  hat,  liegen,  sondern  auch  die  durch 
die  Bebauung  immer  weiter  hinausgedrängten  Spielplätze, 
Arbeitergärten  usw.  Festgelegt  für  immer,  r.nveräußerlich  und 
nicht  ein  Spekulationsobjekt  darstellend,  seien  auch  diese 
Plätze,  genau  so  wie  Wald,  Wiese,  Wasser  ein  gemeinsamer 
Besitz.  Die  Wald-  und  Wiesengürtel  Wiens  könnten  hierfür  vor- 
bildlich sein,  auch  die  großen  Parkanlagen  amerikanischer  Städte. 

Das  hohe  Ziel,  da.s  man  sich  gesteckt  hat,  findet  seinen 
Abschluß  nicht  in  diesen  Forderungen  allein,  die  Ausführungen 
von  Albert  Hofmarm  enthalten  ein  Programm,  in  dem  Wirt- 
schaftspolitik, Verkehr  und  Kunst  hervorleuchten.  Zimi  Ver- 
gleich werden  herangezogen  die  großartigen  Umgestaltungen 
in  Paris  unter  Haußmann;  die  Vorschläge  von  Christopher- 
Wren  für  den  Wiederaufbau  von  Ijondon  nach  dem  großen 
Brande  von  1666;  die  Vorschläge  für  Pariser  Straßendurch- 
brüche  von  E.  Henard. 

Das  Endziel  der  gewaltigen  Aufgabe  ist  in  den  lieitsäty.pn 


planes  für  Groß-Bcrlin.  Wer  dieses  Programm  durchliest, 
wird  sich  des  Gedankens  nicht  erwehren  können,  dat!  es  alles 
enthält,  was  nur  irgend  gefordert  werden  kann,  daß  <!S  a>uh, 
weit  in  die  Zukunft  schauend,  aufgestellt  ist. 

Die  mit  mehreren  Plänen  im  Buntdruck  und  Tcxtaliliildungen 
ausgestattete  Broschüre  ist  im  Verlag  von  lernst  Wasmuth. 
A.-G.,  Berlin  W.  8  erschienen.     Preis  2  Mk.  Z. 

Das  Buch  der  Nymphaen  oder  Seerosengewäclisc.  \'on 
F.  Henkel,  F.  lielinelt  und  L.  Dittmann.  Eigentum  und 
Verlag  Fr.  Henkel,  Neuwiesc-Darmstadt.  —  Die  Vorliebe  für 
das  Geschlecht  der  Seerosen  ist  nicht  neu.  Schon  seit  langer 
Zeit  hat  es  PfianzcnlVeundo  gegeben,  die  an  diesen  schönen 
Gewächsen  ihren  besonderen  Gefallen  gefunden  hatten,  oder 
Künstler,  die  den  eigenartigen  Reiz  liebten,  der  im  Kontrast 
zwischen  den  die  Horizontale  einer  Wasserfläche  nachdrücklich 
betonenden  Nyniphaonblättern  und  den  senkrechten  Linien 
anderer    am    Ij'ferraudo    aufstrebender    und     sich     im    Wasser 


IX,  9 


DIE  GARTENKUNST 


IhO 


spiegelnder  Gewächse  liegt.  Neu  ist  aber  die  Fülle  der  Formen 
und  Farben,  welche  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  in  Kultur  ge- 
nommenen oder  durch  Kreuzungen  entstandenen  Arten  und  Spiel 
arten  der  Seerosen  aufweisen.  Neu  ist  ihre  weitgehende  Ver- 
wendungsmöglichkeit auf  dem  Gebiete  der  Landschattsgärtnerei. 
Wer  die  aul'serordentlich  reizvollen  Teichanlagen  von  Fr.  Henkel 
auf  den  Gartenbauausstellungen  der  letzten  Jahre  gesehen  und 
Gelegenheit  gefunden  hat,  in  Gärten  und  Parkanlagen  Teiche 
zu  bewundern,  die  mit  der  farbenpräclitigeii  Fülle  der  neuen 
Seerosenarten  beviilkert  sind,  z.  B.  im  Park  der  Kruppschen  Villa 
Hügel,  der  wird  nicht  gern  darauf  verzichten  wcillen.  sie  selbst 


insbesondere  Henkels,  durch  eigene  Beoliachtung  an  den  zahl- 
reichen dort  gepflegten  Arten  gewonnen  wurden  sind.  Dazu 
kummeii  die  nach  allen  Ländern  der  Erde  gehenden  Be- 
ziehungen, welche  die  Firma  Henkel  unterhält  und  die  die  Ver- 
fasser instand  setzten,  sich  die  Mitwirkung  von  Kennern  und 
Sachverständigen  in  aller  Welt  zu  sichern. 

Das  so  zustande  gekommene  Werk  enthält  aul'ser  einer 
kurzen  geschichtlichen  Einleitung  eine  eingehende  Beschreibung 
aller  bekannten  Nelumbien,  Kabomboideen  und  Nymphäen  und 
ihre  systematische  Einteilung,  gibt  genaue  Anweisungen  für 
die  gärtnerische  Kultur  und   Winke  für  die  zweckmäCsige  Ver- 


Tropische  Nymphäen  und  \'iktoriaregia  im  Stadtgarten  zu  Karlsjulie.     Aus  Henkel,  das  Buch  der  Nymiihäaceeu. 


bei  passender  Gelegenheit  zu  vorwenden  und  die  schonen 
Wirkungen,  welche  sich  mit  ihnen  erzielen  lassen,  sich  nutzbar 
zu  machen. 

Da  ist  es  nun  höchst  dankenswert,  daCs  Henkel  in  seiner 
Gärtnerei  zu  Neuwiese  bei  Darmstadt,  deren  Besuch  ich  jedem 
Pflanzenfreunde  nicht  dringend  genug  emi>fehlen  kann,  eine 
kaum  jemals  versiegende  Bezugsquelle  für  Nymphäen  und  alle 
sonstigen  Wasserpflanzen  geschaffen  hat,  dal's  er  aufserdem  aber 
auch  in  dem  vorliegenden  Buch  der  Nymphäen  jedem  Lieb- 
haberein wertvolles  Hilfsmittel  an  die  Hand  gibt,  um  die  Kultur 
dieser  herrlichen  Pflanzenarten  zu  betreiben  und  sich  vor  Mifs- 
erfolgen  zu  schützen. 

Was  diesem  Buche  Wert  verleiht,  ist.  dals  sein  Inhalt  nicht 
lediglich  aus  alten  Werken  verschiedener  Autoren  zusammen- 
getragen und  an  Hand  von  Herbarmaterial  und  einzelnen  Neu- 
beobachtungen ergänzt  wurde,  sondern  dal's  die  Unterlage  da- 
für in    den  ausgedehnten  Wasserpflanzeukulturen   der   Autoren 


Wendung.  Auch  Angaben  über  die  Einrichtung  von  Behältern. 
Kästen  und  Häusern  für  die  Kultur  der  Wasserpflanzen,  An- 
gaben über  das  Abdichten  von  Teichanlagen  u.  dgi.  findet  man 
in  dem  Werke. 

Einen  grofsen  Wert  hat  das  Buch  durch  seine  zahlreichen 
bildlichen  Darstellungen  erhalten.  Mittelst  Photographie  und 
Federzeichnung  ist  eine  Fülle  von  allerbestem  neuen  Bilder- 
material beigebracht:  Abbildungen  einzelner  Pflanzen  und  ihre 
Bestandteile  geben  Aufschlufs  über  botanische  Einzelheiten, 
Gruppen-  und  Schaubilder  ganzer  Wasserpflanzenanlagen  zeigen 
die  reizvollen  Gruppierungen,  die  sich  mit  einigem  Geschick 
aus  diesem  ausgezeichneten  Pflanzenmaterial  bilden  lassen  und 
die  Konstruktionszeichnungen  ausgeführter  Gewächshausbauten 
für  Wasserpflanzenkulturen  geben  Anleitung  über  die  zweck- 
mäßige Anordnung.  H. 

Camillo  Karl  Schneider,  Illustriertes  Handbuch  der 
Laubliolzkunde.     Siebente  Lieferung.     (Zweite  Lieferung  des 


190 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  9 


zweiten    Bandes.)      Vtrlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena.     Aus- 
gegeben  am  15.  Mai  1907. 

"Wieder  liegt  eine  neue,  inhaltvolle  Lieferung  des  Schneider- 
schen  Werkes  vor.  Das  AVerk  nochmals  zu  empfehlen  ist 
eigentlich  überflüssig;  die  bisherigen  Lieferungen  haben  ja  be- 
reits allseitige  und  gebührende  Anerkennung  gefunden.  Man 
kann  nur  sagen:  auch  dieses  Heft  macht  in  Te.xt  wie  Illustra- 
tion den  gleichen  Eindruck  der  Gründlichkeit,  Wissenschaft- 
lichkeit und  Zuverlässigkeit.  Es  bringt  außer  den  letzten 
Leguminosensträuchern  der  Gattungen  Lespedeza  und  Pueraria 
in  der  Hauptsache  die  bei  uns  winterharten  Geholze  der 
Rutaceen  ;Skimmia,  Ptelea,  Phellodendron !),  Siniarubaceen 
(Ailanthu.sO  Buxaceae  (Buxus);  Anacardiaceen  (Cotinus,  Rhus), 
Aquifoliaceen  (Hex),  Celastraceen  (Evonymus,  Celastrus) 
Staphyleaceen  und  insbesondere  den  gi-ußten  Teil  der  Aceraceen. 
Acer  mit  seineu  mannigfachen  Schönheiten  in  Blatt.  Blüte  und 
Frucht,  die  die  Abbildungen  klar  und  treffend  veranschaulichen. 
—  Die  nicht  erwähnten  Familien  und  Gattungen  des  Buches 
wird  der  praktische  Gartengestalter  als  Ballast  empfinden ; 
ihre  Besprecliung  war  aber  für  den  dendrologischen  Botaniker 
und  Spezialisten  natürlich  notwendig.  Das  Buch  vom  rein 
wissenschaftlichen  Standpunkt  £us  zu  kritisieren,  halte  ich 
mich  nicht  für  kompetent:  das  ist  eine  Aufgabe  für  einen 
Professor  der  systematischen  Botanik.  Der  Gartengestalter  er- 
hofft besonders  viel  von  der  in  der  „Landschaftlichen  Garten- 
gestaltung" angekündigten  praktischen  Gehölzkunde  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  der  künstlerischen  Verwendung. 
Wer  wäre  wohl  geeigneter  zur  Abfassung  eines  solchen  not- 
wendigen Werkes  als  Camillo  Karl  Schneider,  nach  einer 
solchen  Vorarbeit,  mit  seinem  vielseitigen,  lebhaften  Interesse 
und  feinem  Verständnis  für  die  Gartenkunst'?!  —  Einstweilen 
aber  ist  auch  für  den  praktischen  Gartengestalter  Schneiders 
Laubholzkunde  von  den  großen  Dendrologien  wegen  ihrer 
praktischen  Vorzüge  (Bestimmung  nach  Blatlmerkmalen  usw.!) 
als  die  geeignetste  zu  emi  fehlen.  W.  li. 


Personal  nach  richten. 

Stefen,  Heinr.  Jos.,  Gartendirektor  der  Stadt  Essen  f. 
Fern  von  seinem  Wirkungskreis,  im  Sanatorium  Schloß  Mar- 
bach  am  Bodensee  hat  sein  an  Arbeit  und  Erfolgen  reiches 
Leben  am  Morgen  des  5.  August  sein  Ende  gefunden.  — 
Stefen  ist  im  Jahre  1852  zu  Haumberg  (Bez.  Düsseldorf)  als 
Sohn  des  Prinzlich  HohenzoUernschen  Schloßgärtners  Jakob 
Stefen  geboren.  Seine  erste  gärtnerische  Ausbildung  erhielt 
er  in  der  Schloßgärtnerei  Gerath  bei  Bearath.  Nach  ilinr  Be- 
endigung und  nachdem  er  seiner  militärischen  Dienstpflicht 
genügt  hatte,  ging  er  1876 — 1879  nach  England,  l'rankreich 
und  Belgien,  wo  er  in  den  bedeutendsten  Gärtnereien  tätig 
war;  1879  — 1881  hielt  er  sich  in  Süddentschland  und  Österreich 


auf.  Nachdem  er  noch  größere  Studienreisen  nach  Italien  und 
Spanien  beendet  hatte,  wurde  ihm  im  Jahre  1883  die  Stelle 
des  Stadtgärtners  der  Stadt  Essen  übertragen,  die  er  fast 
25  Jahre  bekleidete  und  in  der  er  sich  allzeit  als  pflichttreuer 
Beamter  und  gewissenhafter  Förderer  aller  gartenkünstlerischeu 
Bestrebungen  bewährte.  Was  er  während  dieser  Zeit  in  Essen 
geschaffen  hat,  weiß  nur  der  recht  zu  würdigen,  der  Essen 
vor  25  .fahren  gekannt  liat.  Der  Stadtgarten,  der  Nord-  und 
Ostpark  geben  Zeugnis  von  seiner  schöpferischen  Tätigkeit. 
In  Anerkennung  seiner  Verdienste  ernannte  ihn  die  Stadt  Essen 
zum  städtischen  Gartendirektor. 

In  die  große  Öffentlichkeit  ist  Stefen  fast  nie  getreten,  er 
gehörte  zu  denen,  die  im  stillen  wirken.  Wer  aber  Gelegen- 
heit hatte  ihn  kennen  zu  lernen,  wird  ihn  als  einen  ge: 
fälligen,  liebenswürdigen  Menschen  und  Kollegen  im  Ge- 
dächtnis behalten  haben,  wer  ihm  nälier  gestanden  hat,  ver- 
liert in  ihm  einen  treuherzigen,  biederen  Freund:  seinen  Unter- 
.gebenen  war  er  ein  luimaner  Vorgesetzter,  der  jedem  mit 
ßat  und  Tat  zur  Seite  stand. 

Von  seiner  Beliebtheit  bei  Fachgenosseu  und  Bürgerschaft 
zeugte  das  zahlreiche  Trauergefolge,  welches  ihm  zu  seiner 
letzten  Ruhestätte  auf  dem  Ostfriedhofe,  einer  seinerSchöpfuugen 
geleitete.  H. 

Geheimrat  Hermann  Ende  f.  Der  langjährige  Präsident 
iiuil  zuletzt  Ehreniiräsident  der  Königlichen  Akademie  der 
Künste  in  Berlin,  Geh.  Regierungsrat  Professor  Hermann  Ende, 
Mitglied  der  D.  G,  f.  G,  ist  am  10.  August  d.  J.  in  seiner 
Villa  in  Wannsee  gestorben.  Er  war  geboren  am  4.  März  1830 
in  Landsberg  a.  d.  W.  und  hat  sich  in  unermüdlichem  .Streben 
vom  einfachen  Architekten  zum  Senator  und  Akademiepräsidenteu 
emporgerungen.  Er  war  der  Mitbegründer  der  bekannten  Archi- 
tekturfirma Ende  &  Boeckmann.  Seine  besten  Werke  sind  im 
Stile  der  deutschen  und  italienischen  Renaissance  gehalten. 
Von  großem  Einfluß  auf  die  Baukunst  der  letzten  Jahrzehnte 
war  neben  seinem  praktischen  Schaffen  seine  Lehrtätigkeit  an 
der  Technischen  Hochschule  zu  Gharlottenburg,  wo  er  seit 
1877  eine  Professur  bekleidete  und  seit  188.")  ein  Meisteratelier 
für  Architektur  leitete.  Vielfache  Ehrungen  wurden  ihm  zu 
seinem  75.  Geburtstage  zuteil. 

Perring, Wilhelm,  Kgl. Gartenbaudirektor,  lns|jektordesbo- 
tanischen  tJartens  zu  i)ahleiu,  ist  am  24.  August  d.  J.  gestorben, 
—  Geboren  am  2.  September  1838  zu  Ampfurth  (Magdeburg), 
hat  er  seine  Ausbildung  vorzugsweise  in  botanischen  (Tärten  er- 
halten und  war  181)8 — 1876  Obergärtner  des  bekannten  Pflanzen- 
und  Gartenfreundes  Killisch  v.  Hörn  in  Pankow.  1877  wurde  er 
unter  Prof.  Eichler  als  Universitätsgärtner  und  am  1.  .Januar 
1882  als  fns]iektor  des  Kgl.  bot.  (iartens  angestellt.  Was 
Perring  in  dieser  Stellung  und  besonders  bei  der  in  den  letzten 
Jahren  bewerkstelligten  Verlegung  des  botan.  Gartens  nach 
Dahlem  geleistet  hat,  ist  bekannt.  Seine  Beliebtheit  in  Fach- 
kreisen kam  bei  seinem  zu  Anfang  dieses  .Jahres  gefeierten 
Dienstjubiläum  unzweideutig  zum  .\usdruck. 


Für  die  Redaktion  veraiitwortndi;  .SUult-Gnrtpndirektor  Heicke,  Frankfurt  a.  M.  —  Vorlag  von  Gebrüder  Borntraeger,  Berlin  SW.  11, 

Grofsbeeren  Slrnfsu  9.  —  Druck  von  A.  W.  Hayn's  Erben,  Potsdam. 


IX.  10 


DIE  GARTENKUNST 


191 


Abb.  1.     Aus  den  Sondergilrten  des  Prof.  M.  Läuger  auf  der  Mannheimer  Garfcenbauansstellung: 

Blick  iu  den  Garten  am  Badehau.s. 


Die  SoiKlei'sJii'teu  des  Prof.  M.  Langer  auf  der  Mauiilieimer  (Tarfenbauausstelluug. 


LIBRARY 

NEW  YORK 

ßOTANICAL 

GARDEN. 


V'ortrag.  gehalten  auf  der  XX.  Hauiitversamtniung  der  D.  (J.  f.  G.. 

von  Prof.  Widmer,  Karlsruhe. 


-:!l.  Juli   U)ü7.  in  Mannheim, 


Meine  verehrten  Damen  und  Herren!  Ge.statten  Sie 
mir,  daß  ich  das  kün.stlerische  Problem  des  Hau.sgartens 
an  einem  einzelnen  konkreten  F'all  behandle,  nämlich  an 
den  auf  der  hiesigen  Ausstellung  vertretenen  Gärten,  die 
Professor  Max  Läuger.  der  künstlerische  Leiter  der  Ge- 
samtausstellung geschaffen  hat,  also  an  den  sogenannten 
Läugerschen  Sondergärten.  Damit  wir  die  Aufgabe,  die 
sich  der  Künstler  gestellt  hat,  richtig  auffassen,  müssen 
wir  von  vornherein  festhalten,  daÜ  Professor  Läuger  nicht 
einen  einzelnen  Garten,  etwa  zu  einem  gedachten  Haus 
wie  Schultze-Naumburg  entwerfen  wollte,  sondern  daß  er 
eine  möglichst  vielseitige,  verschiedenartige  Anregungen 
und  Gedanken  gebende  Gruppe  von  Einzelbeispielen 
schaffen  wollte,  so  daß  seine  Gärten  also  ein  Komplex 
verschiedener  Ausstellungsgärten  sind,  die  mehr  oder 
minder  selbständig  gedacht  sind.  Es  sind  fünfzehn  solcher 
Einzelgärten,  von  denen  sich  allerdings  einzelne  nieder 
zu  äußeren  Gruppen  zusammenordnen.  Das  schließt  na- 
türlich nicht  aus,  daß  diese  Gärten  nach  einem  einheit- 
lichen Plan  angelegt  sind  und  daß  wir  aus  diesen  ver- 
schiedenen Einzelbildern  schließlich  wieder  das  Resultat 
eines  harmonischen,  in  sieh  abgerundeten  Gesamtbildes 
erhalten  sollen.  Aber  diese  Tatsache,  daß  hier  nicht  ein 
einziger  Großgarten  gedacht  ist.    sondern    ein  Gartenkom- 


plex,  das  ist  für  die  richtige  Auffassung  der  Sache  durch- 
aus notwendig. 

Professor  Läuger  ist  als  Maler,  als  Künstler  zu  der 
Ausgestaltung  der  Gärten  gelangt,  er  ist  also  unbedingter 
Anhänger  des  modernen  Prinzips.  Seine  Gärten  sind 
durchaus  Stilgärten.  Der  Hausgarten  ist  ja  selbst  eine 
Portsetzung  des  Hauses,  er  pflanzt  die  Innenräume  ge- 
wissermaßen nach  außen  fort,  er  dient  auch  Zwecken, 
die  denen  des  Hauses  vorwandt  sind,  er  dient  dem  Aufent- 
halt von  Menschen,  allerdings  mit  der  Beschränkung,  wie 
sie  eben  dem  Aufenthalt  im  Freien  durch  die  Natur  von 
selbst  gesetzt  sind.  Steht  das  Haus  in  einer  freien  Land- 
schaft als  Villa,  so  hat  der  Garten  die  Aufgabe,  zwischen 
Architektur  und  Landschaft  zn  vermitteln,  er  soll  als  eine 
architektonisch  gepflanzte  Natur  allmählich  in  die  freie  Natur 
überleiten.  Steht  das  Haus  in  einer  Stadt,  etwa  in  der 
vorgartengeschmückten  Straße  eines  modernen  Villen- 
quartiers, dann  hat  der  Garten  etwas  andere  Aufgaben: 
er  soll  dem  Bewohner  die  Natur  durch  den  künstlich  ge- 
ptlanzten  Garten  bis  zu  einem  gewissen  Grad  ersetzen,  er 
soll  das  Haus  damit  zugleich  von  der  Straße  isolieren, 
die  Abgeschlossenheit,  die  Intimität  des  Wohnens  erhöhen. 
E>arin  sind  uns  die  Engländer  voraus.  Der  Engländer  ist 
überhaupt    ein  großer  Gartenfreund    und    hat  die  Kultur, 


1^2 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


M." 


mmr?.ww7r\:^ti't^^^mi 


0  3  10  (5  m 


Sondergiirten  des  Prof.  M.  Länger  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung:  Lageplan.    (Die  eingeschriebenen  Zahlen  ent8|.recUen  den  Biuiem.) 


die  ästhetische,  aber  auch  die  praktische  Seite  des  Garten- 
baues in  ganz  besonders  hohem  Maße  entwickelt.  Der 
Engländer  hat  es  sich  nicht  nehmen  lassen,  und  ist  nicht 
durch  Polizeivorschriften  gehindert,  seinen  Garten  mit 
einer  hohen  Mauer  oder  einer  Buchswand  von  der  Straße 
abzuschließen,  so  daß  er  mit  seinem  Garten  gewisser- 
maßen in  einem  großen  Räum  eingoschlossen  und  von 
der  Straße  abgeschlossen  ist.  Ohne  Zweifel  ist  das  ein 
schöneres,  jedenfalls  vom  Standpunkt  des  Bewohners 
empfehlenswerteres  Prinzip,  und  wir  müssen  bedauern, 
daß  uns  unsere  Polizeivorschriften  zwingen,  die  Garten- 
umzäunung  so  nieder  zu  halten,  daß  man  von  der 
Straße  in  den  Garten  hineinsehen  kann.  Ich  erinnere 
auch  an  die  südlichen  Gärten,  an  die  orientalischen,  an- 
tiken Gärton,  die  sich  auch  auf  diese  Weise  durch  eine 
hohe  Mauer  von  der  Straße  abschließen. 

Also  der  Garten  ist  seinem  Zweck  nach  eine  Art  von  er- 
weitertem Haus,  also  ein  Werk  von  Menschenhand,  der  Garten 
ist   eine  Art    von  Architektur,    die    allerdings    mit    einem 
lebenden    und    wachsendem  Material    schafft    und  folglich 
auch  die  architektonischen  Gesetze  in  einem  etwas  freieren 
Sinne    auffassen    kann.     Man    braucht    nicht    so   weit  zu 
gehen,  wie  etwa  das  17.  oder  18.  Jahrhundert,    das  nun 
jeden    Baum     in    eine    Kugel    oder  Pyramide  verwandeln 
wollte.      Man    kann   dem    freien   Wachstum   der   Pflanzen 
bis  zu  einem  gewissen  Grade,  den  das  künstlerische  Takt- 
gefühl vorschroil)en  muß,    schon    freien   Spielraum  lassen. 
Aber  der  Grundgedanke  einer  Gartenanlage    und    spezioll 
einer  Hausgartenanlage,    die    sich    eng    an  das  Haus  an- 
schmiegt,   muß  ein  architektonischer  sein.     Es    mag  sich 
anders  gestalten,  wenn  der  Giirten  zum  Park  wird,  wenn 
der  Garten  immer    mehr   in  die  Natur,    in    die    wirklichem 
Landschaft  hinauswächst;  dann   natürlich  lockern  sich  mit 
der  Entfernung    vom   Haus  und   mit  der  Ausdidinung  des 
Gartens    zum  Park  auch  diese  Gesetze.     Also  mit  andern 
Worten:    der    Garton    soll    nicht    die   Natur  imitieren  mit 
allen  ihren  ^\'iilkürlichkeiten,    er    soll  nicht  freie   und   un- 


gebundene Natur  geben,    sondern    nach  architektonischen 
Gesetzen  gebundene  Natur,    stilisierte   Natur,    eine  Natur, 
welche  das  Einwirken,  das  Bauen  der  menschlichen  Hände 
in  allen  Formen  zeigt.     Denn  Stil    ist   in    letzter  Hinsicht 
die  Unterwerfung  der  Natur  unter  die  Gesetze  des  mensch- 
lichen Geistes,    Stil   ist    das  Aufprägen    menschlicher  Ge- 
danken auf  das  von  der  Natur  gelieferte  Material.     Diese 
Art  von  Garten,    der  Stilgarten,  der  architektonisch  emp- 
fundene Garten    war   ja    das  Erbe   einer    uralten    Kultur. 
Diese  Kultur  reicht  viele  tausend  Jahre  zurück  bis  zu  den 
alten  Ägyptern  und  Assyriern,    also  soweit  wir  überhaupt 
menschliche    Kultur    verfolgen    können.      Diese    Tradition 
hat    nur    vorübergehend    Unterbrechungen     erfahren,    zu 
Zeiten,  wo  der  Geschmack  verwildert    ist    und   diese  alte 
Tradition    dem    naturalistischen    Landschaftsgarten    schon 
in  früherer  Zeit  vorübergehend  Platz  gemacht  hat.     Aber 
im  großen  und  ganzen  geht  der  Paden  dieser  Tradition  und 
diese  alte  Kultur  durch  die  Jaln-tausonde  hindurch  beinah 
ununterbrochen,    bis  sie  vor  hundert    Jahren    sehr    rasch, 
beinah  unvermittelt  abbrach.     Auf  den  letzten  Zeugen  der 
alten  Gartenkultur,   den   Rokokogarten    folgte  der  moderne 
Landschaftsgarton.       Daneben     führte     der    Stilgarten    im 
Biedermeiergarten  noch  eine  Zeitlang  ein  bescheidenes  Da- 
sein   fort.     Seine  letzton  Ausläufe  finden   wir  noch  heute 
in  manchen  Bauorngärten.     1  »ie  neue  Botschaft,    daß    der 
Garten    die    Wiederholung    der    wilden     Landschaft,    der 
freien  Natur  im  kleinen  sein   soll,    kam  damals  von  Eng- 
land herüber:  das  wissen   Sie  ja  alle,   das  ist  ja  alles  alt- 
bekannt: die  neue  Gartenform  wurde  darum  der  englische 
Garten  genannt    und    es    ist   bezeichnend,    daß  nun  auch 
die  Wiedoranknüpfung  an  die  alte  Tradition  dos  Stilgartons 
von  demselben  England    herübergekommen    ist.     Wie  die 
Dingo  heute  liegen,    sind    aber    unsere   Berufsgärtner    im 
wesentlichen  noidi   hartnäckige  Anhänger  dos  Landschafts- 
gartens.    Die   neuentdeckte    Kultur    dos    Stilgartons    ver- 
danken wir  Nichtgärtnorn,    nicht   eigentlichen   Fachleuten. 
In  England  waren    es  Architekten    wie    zum  Beispiel  der 


XI,  10 


DIE  GARTENKUNST 


193 


2.  Gartenhof  mit  Zierbrunnen. 


8.  Vorhof  mit  Pergola  und  Marraorbelag. 
Aus  Jen  Sondergärten  des  Prof.  M.  Länger  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


194 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  10 


große  Künstler  Voysey   und  andere.     Die  haben  zu   ihren      sind  es  im  allgoiuoinen  Nichtgärtner:    Maler,  Architekten, 
Landhäusern  auch  gleich  die  entsprechenden  arcliitektonisch      Leute  wie  Olbrich,  Peter  Behrens  und  Schultze-Naumburg. 
empfundenen    Gärten    geschaften.     Auch    in    Heutschland      Es  ist   auch  bezeichnend,  daß  Bilder,    unmittelbare  Schöp- 
fungen der  Malerei,  Anregungen 


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gegeben  haben  und  geben.     Ich 
erinnere    Sie    nur    an    ein    Bild 
von  Böcklin:  die  Laube,    wo  die 
beiden  Alten  in  dem  Gartenhause 
sitzen.      Da    hat    Böcklin    einen 
alten    Biedermeiergarten  heraus- 
gegriffen als  künstlerisches  Motiv 
für  sein  Bild.     Also    die    Maler, 
die     Ivünstler    haben    zu     allen 
Zeiten    die   Schönheit    des  alten 
Stilgartens     begriffen     und    für 
ihre  Ivuust    vorwertet.     So  geht 
also  diese  ganze  Bewegung  aus 
von  Künstlern.     Es  ist  eine  ab- 
solute  Parallele,  ein  Seitenstück 
zu  der  Art,   wie  überhaupt  unser 
heutiges  Kunsthandwerk  wieder 
entstanden  ist,  denn  wir  können 
schließlich  auch  die  Gärtner  unter 
die  Reihe  der  Kunsthandwerker 
rechnen.       Das    alte   Kunsthand- 
werk   ist    aus    dem    Handwerk 
selbst  hervorgegangen,  das  haben 
Handwerker  geschaffen:  Schrei- 
ner,  Glaser,   Schlosser  usf. :    das 
moderne    mußten    Künstler    erst 
wieder  schaffen,  sie  mußten  das 
Handwerk  erst  wieder  zur  lumst 
erziehen,     l'nd    so    ähnlich    ist's 
auch  mit    dem    modernen     Stil- 
garten    gewesen.      J<]r    ist    eine 
Schöpfung  moderniM-  Kunst. 

Um  also  von  diesen  allge- 
meinen Betrachtungen  auf  unse- 
ren Läugergarten  zurückzu- 
kommen, so  ist  der  Ijäugcrgarton 
in  seinem  ganzen  Charakter  ein 
Stilgarten;  er  ist  architektonisch 
empfunden  in  der  Gosamtanlago, 
architektonisch  empfnndi'n  im 
einzelnen,  architektonisch  em- 
pfunden vom  großen  bis  ins 
kleinste.  E>io  Gesamtanlago  er- 
innert in  gewissem  Sinn  an  die 
Anlage  eines  großen  Hauses. 
Der  Mitti*lpunkt,  oder  wie  Sie 
wollen,  der  Kopf  der  ganzen  An- 
lage ist  dasBad  (S.  195).  Von  hier 
ordnen  sich  die  einzelnen  (lärten  in 
;-}  große  parallele  Fluchten.  Sie 
la-gern  sich  vor  dem  llaiiso  her, 
nud  das  Freibad,  das  sieh  da- 
hinter anschließt,  bildet  dann 
eiiu!   Art    von  GarteidKil.      Dioso 


IX,  lü 


DIE  GARTENKUNST 


195 


-1.  Vorderansicht  des  Badehauses. 


5.  Rückseite  des  Badehauses. 
Aus  den  Sondergärten  des  Prof.  M.  Länger  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


196 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


3  parallelen  Fluchten  enthalten  etwa  15  Gartcninteriours, 
Gartenräume,  die  wie  gesagt,  zum  Teil  voneinander  ganz 
unabhängig  sind,  sich  aber  doch  alle  einem  gewissen  Plan 
unterordnen,  tier  Vergleich  mit  dem  Bilde  des  antiken 
nimischen  Wohnhauses  liegt  nicht  fern.  Man  kommt  vorn 
durch  den  ersten  Garten  wie  durch  ein  Vestibül,  dann 
kommen  Räume,  die  an  das  Atrium  mit  seinen  Fort- 
setzungen  und  Seitenflügeln  erinnern  usw. 

Bei  der  Anlage  der  einzelnen  Gärten  haben  wir  nun 
eine  wechselvollo  Reihe  verschiedenartiger  Bilder.  Wir 
haben  Gärten,  die  sich  im  wesentlichen  in  der  Fläche 
ausdehnen  und  so  Durchblicke  gestatten,  wo  man  von 
einem  Garten  in  den  andern  über  niedere  Mauern  hin- 
wegsehen kann,  so  daß  ganz  besonders  Bedacht  genommen 
ist,  dui'ch  die  Perspektive  reizvolle  Bilder  zu  schafl'en. 
also  verschiedene  Gärten  wieder  zu  Gartengruppen  zu- 
sammenzufassen, andere  sind  in  sich  abgeschlossen.  Das  ist 
bei  dem  Freibad  der  Fall  (Bild  1,  Seite  191).  Hier  ist  das  ja 
ganz  von  selbst  gegeben  in  dem  praktischen  Zweck  des  Frei- 
bads. Es  ist  auch  in  dem  kleinen  Gärtchen  der  Fall,  wo  die 
Sphinx  von  Beermann  steht  (Bild  13,  Seite  203).  Das  Prinzip, 
den  Garten  durch  Entwickelung  in  die  Höhe  abzuschließen,  ist 
besonders  wichtig  für  Leute,  die  in  einer  Stadt  dem  Bau- 
gelände Platz  für  einen  Hinterhausgarten  abgewinnen. 
Viele  unserer  Hmterhausgärten  haben  den  Fehler,  daß 
der  genügende  Abschluß  fehlt.  Da  hat  man  von  seinem 
Garten  den  prosaischen  nüchternen  Blick  in  Nachbarhöfe, 
auf  Hinterhäuser,  und  die  große  Belästigung,  daß  man 
von  allen  Seiten  beobachtet  wird.  Man  sollte  bei  diesen 
Gärten  prinzipiell  mehr  Wort  darauf  legen,  daß  der  Blick 
nach    außen   und  von  außen  abgeschlossen  ist, 

Soviel   über  die  Gesamtanlage. 

E)as  architektonische  Prinzip  des  Gai'tens  zeigt  sich 
dann  auch  in  der  Ausgestaltung  der  einzelnen  Gärten  in 
sich.  Der  künstlerische  Charakter  des  Gartens  ist  bedingt 
durch  die  Absicht,  Natur  und  Kunst  so  innig  wie  mög- 
lich miteinander  verwachsen  zu  lassen.  Es  zeigt  sich  das 
zunächst  in  der  Verwendung  der  Elemente,  aus  denen 
sich  der  Organismus  des  Gartens  aufbaut:  neben  der 
Pflanze  treten  Architektur,  Plastik  und  Keramik  gleich- 
bedeutend auf. 

Auch  die  Plastik  ist  natürlich  nach  streng  arcbitek- 
tonischen  Gesichtspunkten  angebracht.  Manchmal  bildet 
eine  Plastik,  wie  der  Hirsch  in  dem  einten  Garteninterieur. 
eine  Art  Mittelpunkt,  steht  —  ich  fürchte  da  nicht  miß- 
vorstanden zu  werden  —  fast  wie  der  Altar  in  einer  Kirche, 
an  einem  ganz  bestimmten,  architektonisch  gegebenen  Pia.tz 
(Bild  12,  Seite  203).  In  anderen  Gärten,  wie  dem  Freibad 
ist  die  Plastik  hermenartig  verwendet;  da  bilden  vor  den 
Thujawänden  diese  Hermen  eine  Reihe,  die  etwa  an  die 
Sphinxalleen  vor  den  altägyptischen  Tempeln  erinnert  usf. 
Also  die  Plastik  ist  immer  nach  streng  architoktonischon 
Gesichtspunkten  angeordnet,  wie  Länger  für  seine  Gärten 
auch  durchaus  archit(!ktonisch  empfundene  Plastik  ver- 
wendet hat  (Bild  7,  Seite   197). 

Die  Keramik  findet  in  dem  Garten  ihre  natürliche 
Verwendung  vor  allem  als  Brunnen  durch  den  reichlichen 
Bedarf    von  Wasser.     Dann    als    Blumenkübel   ii.   il:;-!.   für 


Pflanzen,  die  nur  Sommers  im  Freien  stehen  usf.  So  ist 
auch  die  K'eramik  hier  reichlich  verwendet.  Sie  liegt 
ja  besonders  nahe  einem  Künstler,  dessen  ganze  künstle- 
rische Rntsvickelunc,-    von    der  Keramik    ausgegangen  ist. 

Dann  ist  noch  ein  Wort  zu  sagen  über  die  Verwen- 
dung des  Pflanzenwuchses,  der  Bäume  und  der  Blumen. 
Ich  möchte  zugeben  —  um  gewisse  Mißverständnisse  zu 
vermeiden  — ,  daß  nach  meiner  Ansicht  und  auch  nach 
der  des  Künstlers,  der  Blumenschmuck  den  Intentionen 
des  Künstlers  nicht  ganz  nachkommt.  Er  war  von  dem 
Künstler  selbst  wohl  reicher,  üppiger  geplant;  er  ist  ein 
bißchen  mager  ausgefallen.  Die  Absichten,  die  der  Künstler 
verfolgt,  werden  sich  ja  aus  dem  ganzen  Plane,  aus  der 
ganzen  Anlage  für  den,  der  sich  hineinzudenken  versteht, 
sehr  leicht  ergeben.  Aber  der  unmittelbare  Eindruck, 
namentlich  auf  das  weitere  Publikum,  auf  die  Laien,  wird 
ohne  Zweifel  darunter  leiden,  dass  die  Fülle  des  Blumen- 
schmucks fehlt.  Wen  soll  man  hier  anklagen?  Es  ist 
eben  das  Unglück  unserer  häuslichen  Gartenkunst,  daß 
sie  im  wesentlichen  auf  Ausstellungen  angewiesen  ist.  In 
England  liegt  die  Sache  besser.  Da  können  wir  die 
Gärten  bei  den  Häusern  suchen.  Bei  uns  in  E)eutschland 
finden  wir  moderne  Stilgärton  im  wesentlichen  nur  auf 
Ausstellungen,  sie  führen  auf  Ausstellungen  noch  eine 
Art  von  Treibhausextstenz,  wie  heute  die  Dinge  liegen. 
Und  daß  eben  bei  Ausstellungsgärten  die  Kürze  der  Zeit 
ein  sehr  bedenkliches  Wort  mitspricht,  das  weiß  jeder. 
Wenn  ein  Garton  angelegt  wird,  hört  man  ja  immer: 
Man  muß  abwarten,  bis  die  Zeit  gekommen  ist,  bis  sich 
alles  ausgewachsen  hat.  Das  macht  sich  auch  bei  den 
Läugergärten  in  vielen  L>ingen  geltend.  Es  ist  nicht  alles 
so  gekommen,  wie  es  sich  der  Künstler  gedacht  hat. 

Soviel  über  die  verschiedenen  Elemente,  aus  denen 
sich  der  Läugersche  Garton  aufbaut.  Wir  haben  also  da 
eine  sehr  mannigfaltige  Skala  von  Gartenbauelementen: 
Pflanze,  Architektur,  Plastik,  Wasser,  zu  einem  einheit- 
lichen, in  sich  fest  gegründeten  Organismus  zusammen- 
gebaut. 

Sodann  zeigt  sich  natürlich  der  architektonische  Ge- 
danke des  Gartens  in  der  Formenbehandlung.  Alle 
Formen  sind  auf  architektonische  zurückgeführt.  Es  sind 
durchgehende  geradlinige  Achsen,  nicht  der  Natur  nach- 
geahmte, krumme  und  gewundene  Wege.  Es  sind  Flächen, 
auf  dii>  ursprünsTic.liste  nrchitoktonisehe  Form,  auf  das 
Rechteck  zurückgeführt.  Wir  haben  Rasenflächen,  wir 
haben  Blumenflächen,  wir  haben  Wasserflächen  immer  auf 
knnstmäßige,  architektonische,  geometrische  Art  geformt. 
Auch  hier  ist  es  der  ausgesprochene  Gegensatz  zum  Na- 
turalismus des  Landschaftsgartens,  dei-  /..  U.  aus  eiiuMu 
Bassin,  statt  es  als  ein  von  Menschenhänden  geschaffiMUis 
keramisches  oder  in  Stein  gefaßtes  Becken  zu  gestalten, 
einen  kleinen  Si'e  machen  will:  Kaskaden,  wo  künstliche 
Wasserstürze  tlielien,  in  einen  natürlichen  einer  Schwarz- 
waldlandschal't  al)geschanten  Wasserfall  verwandeln  will. 
Auch  in  die  lirilu^  haben  wir  die  Entwickelung  nach  archi- 
tektonisehen  (iesetzen:  also  die  Bäume  ni(Oit  zu  Banm- 
gruppen  zusammengefaßt,  wie  sie  in  einem  wirklichen 
\\':M     etwa    stehen,      sondern     zu     Alleen    g(^ordnet,    die 


IX,  10 


DIE  gartp:nkunst 


197 


G.  Blick  in  einen  Einzelsrarten. 


7    Hermen  im  B:idehansgartrn. 
Aus  den  fSondergiirten  des  Prof.  M.  Liinger  auf  der  Mannheimer  Uartenbauausstellnug. 


198 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


Sträucher,  die  Thuja  usw.  ebenfalls  zu  architektonischen 
Formen,  zu  Wänden  und  Mauern  usf.  ausgebildet.  Also 
das  architektonische  Prinzip  vom  großen  bis  ins  kleine. 

Und  nun  den  eigentlichen  Träger  der  künstlerischen 
Wirkung  haben  wir  in  einer  fein  ausgerechneten  Pro- 
portionalität, also  in  der  feinsten  Beachtung  der  Vor- 
hältnisse. Da  liegt  der  eigeiitlicho  Reiz  der  Sache,  da 
müssen  wir  die  eigentliche  Schönheit  suchen,  in  der  Pro- 
portionalität auf  Grund  sachlicher  Einfachheit.  Es  liegt 
auch  hier  eine  eigentümliche  Parallele  zu  dem  modernen 
Kunsthandwerk.  Wir  haben  keine  Schnörkel,  keine 
Spielereien,  wie  wir  sie  so  oft  finden,  also  z.  B..  daß 
Blumen  in  einen  künsthchen  Korb  gefaßt  werden,  oder, 
daß  Zwerge.  Rehe  usw.  aus  gefärbtem  Ton  aufgestellt 
werden.  Wir  haben  keine  Imitation  wirklicher  Grotten, 
wirklicher  Felsen  usf.  I.>er  Garten  gibt  sich  als  das,  was 
er  ist,  er  ahmt  keine  Theatorszenerio  nach,  kein  Panop- 
tikum mit  Wachsfiguren,  keine  Kunststücke,  die  uns  ein 
Stück  Natur  vortäuschen  wollen.  Wir  haben  überall 
strenge  Sachlichkeit.  Die  Schönheit  liegt  in  den  not- 
wendigen Linien,  ganz  parallel  zu  dem  Gegenstand  des 
modernen  Kunsthandworks.  Denn  hier  haben  wir  auch 
den  eigentlichen  Grundgedanken,  nach  dem  sich  der  mo- 
derne Stil  des  Handworks  entwickelt  hat.  Früher  war 
ein  Schrank  womöglich  die  Kopie  einer  Renaissance- 
fassade, Jeder  Gabel-,  jedor  Löffelstiel  mußte  bedeckt 
sein  mit  Renaissance-  oder  Rokokoornamentchen.  Heut- 
zutage erfreuen  wir  uns  an  der  einfachen  Zweckform. 
Der  Schrank  bleibt,  was  er  ist.  Die  unnötigen  Profile 
verschwinden,  die  aufgeschraubten  und  aufgeleimten  Leisten, 
Simse,  Pilaster,  Säulen,  Giebel  fallen  weg.  Glatte  Wände, 
glatte  Flächen,  alles  zurückgeführt  auf  das  notwendige, 
und  so  vom  großen  bis  ins  kleinste,  bis  zu  jedem  Löffel 
und  kleinen  Instrument  herab,  einfachste  und  natürlichste 
Zweckform.  Also  das  Gesetz  sachlichster  Einfachheit,  bei 
dem  die  Schönheit  in  den  notwendigen  Linien  und  ihren 
Verhältnissen  liegt.  Dasselbe  Prinzip  geht  durch  diese 
Gärten  hindurch.  Insofern  berührt  sich  der  Geist  dieser 
Gärten  mit  dem  allgemeinen  Geist  des  modernen  Kunst- 
handwerks. 

Selbstverständlich  spricht  neben  der  Form  auch  die 
F'arbe  ein  gleich  gewichtiges  Wort.  Es  sind  Farbenakkorde 
versucht  worden,  die  uns  auch  nach  dieser  Richtung  hin 
ein  möglichst  vielseitiges  Bild  von  der  künstlerischen  Ver- 
wertung der  Pflanze  geben  sollten.  Ich  betone  hier  noch 
einmal,  daß  das  Versagen  des  eigentlichen  gärtnerischen 
Teils  der  Aufgabe  allerdings  diese  Seite  der  Sache  etwas 
beeinträchtigt  hat.  Wenn  wir  Läuger  als  Farbenkünstler 
kennen  lernen  wollen,  gehen  wir  am  besten  in  das  Innere 
des  Bades  hinein,  wo  er  sich  nach  freiem  h]rmessen  be- 
wegen konnte  und  wo  wir  ein  außerordentliches  Kunst- 
werk von  Parbenschönheit  iiiul  -harmonio  verwirklicht 
haben. 

Selbstverständlich  gibt  einen  weiteren  ausschlag- 
gebenden Wert  dieser  ganzen  Gartenschöpfung  der  per- 
sönliche Geist  des  Künsilers,  der  ihn  gescha,l1'eii  hat.  Wir 
lesen  da  auch  die  Handschrift  einer  künstlerischen  Indi- 
vidualität heraus,    es    atmet  da  die  Seele  einei-  künstleri- 


schen Porsiinlichkeit.  Und  Läuger  ist  ja  seiner  ganzen 
Persönlichkeit  nach  bestimmt  für  eine  feine,  liebenswürdige 
Klassizität.  In  dem  Geiste  vornehmer,  fein  abgewogener 
Einfacbhoit  liegt  aber  eben  die  Übereinstimmung  mit  der 
allgemeinen  Richtung  der  modernen  Kunst. 

Wir  müssen  im  Auge  behalten,  daß  es  sich  bei 
allem  dem  um  etvvas  Neues,  Bahnbrechendes  ha-ndelt,  um 
den  Versuch  handelt,  Traditionen  wieder  mm  anzuknüpfen, 
also  aus  gewohnten  Geleisen  herauszugehen.  L»aß  dabei 
auch  Irrtümer  vorkommen  können,  auch  Fragen  aufge- 
worfen werden,  die  damit  noch  nicht  ein  für  allemal  ge- 
löst sind,  daß  man  im  einzelnen  vielleicht  auch  noch  da 
und  dort  etwas  aussetzen  mag,  daß  nicht  jeder  sagt:  das 
ist  das  letzte  und  endgültige  Resultat,  das  ist  selbstver- 
ständlich; darauf  kommt  es  auch  nicht  an  für  die  Wert- 
schätzung aller  dieser  Schöpfungen,  sondern  die  Frage  ist 
hauptsächlich  die:  Lst  das  Prinzip  richtig':  E>aß  das  Prinzip 
richtig  ist,  diese  Antwort  gibt  mir  der  Zusammenhang 
nicht  nur  mit  unserer  ganzen  heutigen  künstlerischen 
Kultur,  der  wieder  erstehende  und  wieder  gefundene  An- 
fang und  Faden  einer  großen  lebenumfassenden  künstle- 
rischen Kultur,  mit  der  diese  Gärten  zusammengehen  als 
ein  Teil  eines  großen  Ganzen.  Es  gibt  mir  die  Antwort 
darauf  auch  die  Übereinstimmung  mit  dem,  was  zu  allen 
früheren  Zeiten  künstlerischer  Kultur  als  recht  gegolten 
hat.  Darin  sehe  ich  vor  allem  die  Bedeutung  der  Gärten. 
Sie  helfen  mitbauen  an  einem  Stück  Boden  für  einen 
neuen  Stil,  für  eine  neue  künstlerische  Kultur  unserer 
Zeit. 


Über  kiiiistlei'i.sclie  Ge,staltuiif!;  de.s  Haus^arteus. 

V'orti'ag,  auf  der  XX.  Hau[itversammliing  der  D.  G.  f.  G.  in 
Mannheim  gehalten  von  W.  Singer.  Bad   Kissingen. 

Zugleich  mit  der  Einladung,  von  diesem  Platze  aus 
über  die  künstlerische  Gestaltung  dos  llausgartons  zu 
sprochen,  wurde  mir  von  unserm  verehrten  Vorstande 
mitgeteilt,  daß  vor  mir  b  Herren  das  gleiche  Thema  unter 
Bezugnahme  auf  ihre  in  der  gegenwärtigen  Aus.stellung 
geschaffenen  Sondergärten  behandeln  sollten:  tla  deuchte 
es  mir  rechtens  wahrscheinlich,  daß  ich  als  letzter  der 
langen  Reihe  mehrfach  Gesagtes  wiederholen  würde,  wollte 
ich  auf  Einzelheiten  der  Hausgartengestaltung  eingehen; 
ich  beschloß  deshalb  mich  auf  2  generelle  Fragen  zu  be- 
schränken, die  augenblicklich  im  lelihaftesten  Streite  der 
Meinungen  stehen: 

1.  Soll  der  llausgart(Mi  ausschließlich  uml  streng 
architektonisch,  d.  h.  in  vermenschlichton,  unser 
Herrenrecht  über  das  der  Natur  entlehnte  Material  dar- 
stellenden Kunstformen,  od(>r  landsc^haftlich,  d.  h.  in 
freien,  der  Natur  nachgebildeten  Formen  oder  schließlich 
in  einer  Vermischung  dieser  zwei  so  verschiedenen  Kunsl- 
prinzi]iien   gestaltet  werden'.' 

2.  Wer  soll  den   I lausgarten  gestalten'? 

Eine  Wüi'digung  der  ephemeren  Ausstellungsgärten 
ergibt  sich  dabei  von  selbst.  —  Jetzt  aber  höre  ich, 
daß     die    meisten   der    vorgemerkten     KünsIliM-     ihre    Vor- 


IX,  10 


DIE  GAKTENKUNST 


199 


8.  Niedrige  Mauer  mit  Holzwerk  als  Abschluß  zwischen  einzelnen  Gärten. 


10.  Laube. 
Aus  den  Sondersarten  des  Prof.  M.  Länger  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


200 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


träge  abgesagt  und  dadurch  meine  Voraussetzungon  illu- 
sorisch gemacht  haben.  Trotzdem  kann  und  will  ich  nicht 
plötzlich  eine  völlige  Änderung  der  einmal  gewählten 
Eiisposition  vornehmen,  ebensowenig  wie  mich  die  so  hoch- 
interessanten Ausführungen  des  Herrn  Vorredners,  Pro- 
fessor Widmer,  der  uns  die  Ziele  und  Absichten  dos 
Schöpfers  der  Läugergärten  mit  geradezu  liebevollem  Ver- 
ständnis geschildert  hat,  in  meinem  Urteile,  das  sich  einzig 
unter  dem  Eindrucke  des  tatsächlich  Vorhandenen,  nicht  alier 
des  vom  Künstler  Gewollton  gebildet  hat,  beeinflussen  dürfen. 

„Aus  der  Jugendzeit,  aus  der  Jugendzeit  klingt  ein 
Lied  mir  immerdar",  so  möchte  ich  bei  der  P)eleuch- 
tung  so  mancher  modernen  Bestrebungen  zur  künstleri- 
schen Ausgestaltung  des  Hausgartens  singen,  ich,  der  ich 
aufgewachsen  bin  in  einem  kleinen,  fernab  vom  lauten 
Weltgetümmel  und  Weltverkehr  gelegenen  Badeorte,  wo 
in  herrlicher  Landschaft  zwischen  buchenumwipfelten 
Bergen  ein  feinfühliger  Geist  die  ganz  regelmällig  geord- 
nete Gruppe  einfacher  Kurhäuser  quer  durch  d;is  Wiesen- 
tal, von  Hang  zu  Hang  gebaut  hatte,  verbuiulen  durch 
beschnittene  Alleen  und  durch  heckenumgrenzte  Gärten 
voll  all  der  gemischten  Blütenpracht  der  Bieilermeierzeit; 
nur  das  silberklare  Bergflüßchen  war  in  seirier  landschaft- 
lichen Form  belassen  mit  einer  Beptlanzung,  von  der  man 
nicht  wußte,  hatte  die  Natur  oder  der  Künstler  sich  selbst 
übertroffen.  Die  Hauptachse  wurde  von  dem  einfachen 
Schlosse  beherrscht,  zu  dem  mehrere  ausgedehnte  Terrassen 
mit  reichem  Blumenschmucke,  Obst-  und  Gomüseanlagen 
emporführten.  Das  Ganze  war  nach  einheitlicher  Idee 
komponiert  und  voller  \\ohlklang.  nur  der  mächtige,  an 
sich  meisterhaft  in  heroischen  Formen  gebaute  lüirsaal 
stand  wie  ein  riesenhafter  Fremdling  in  der  ländlichen 
Idylle;  dort  sah  ich  als  Kind  noch  Reifröcke  und  altväter- 
liche Fräcke,  Krückstöcke  und  Zylinder  und  einfach  und 
harmlos  wie  die  ganze  Szenerie  waren  die  Menschen  und 
ihr  Getriebe.  Die  folgenden  Jahre  in  klosterlicher  Abge- 
schlossenheit des  landstädtischen  Gymnasiums  waren  nicht 
darnach  angetan,  <lie  Eindriick(^  der  K'indheit  zu  vor- 
wischen, deren  Bild  heute  noch  klar  in  der  Erinnerung 
des  Mannes  dasteht,  nur  wenig  getrübt  durch  die  and(n-- 
artigen  Einflüsse  der  fachmännischen  Lern-  und  Arbeits- 
jahre, die  allerdings  als  zwingende  Folge  der  Allherrscherin 
Mode  eine  Abkehr  von  der  ererbten  Kunst-  und  Geschmacks- 
richtung brachten.  Aus  diesem  Entwickelungsgange  heraus 
ist  es  wohl  zu  verstehen,  daß  ich  wie  nur  irgend  einer 
freudig  und  gierig  den  Worten  jener  neuzeitlichen  Kunst- 
reformer lauschte,  die  eine  Wiederbelebung  der  (Jarten- 
kunst  im  Sinne  meiner  Jugenderinnerungen   erstrebten. 

„Zurück  zur  Natur"  war  einst  das  Schlagwort,  die 
Richtschnur  der  führenden  Geister  nach  Jean  Jacques 
Rousseau,  wonach  wohl  die  großen  Meister  landschaft- 
licher Gartenkunst  herrliche,  in  allen  Entwickelungsstadien 
befriedigende  Parklandschafton,  aber  wonach  auch  minder 
große  Nachfolger  schließlich  in  spielerischer  Nachäfhing 
der  Natur  wahre  Zerrbilder  voll  l'nkunst  und  Schund- 
kunst geschaffen,  die  trotzdem  wegen  ihrer  glänzenden 
Aufmachung  mit  all  den  kostbaren  Requisiten  der  Land- 
schaftsgärtnerei   den  Beifall    der   breiten   Menge  gefunden 


haben.  r)as  war  selbstverständlich  für  eine  Änderung 
des  herrschenden  Grundprinzips  gartenkünstlerischer  Ge- 
staltung ein  gewaltiges  Hemmnis,  genau  so  wie  auf  allen 
Kunstgebieten  namentlich  aber  in  der  Baukunst  die  zeit- 
liche Modcricbtung  eine  Besserung  sehr  erschwerte.  Und 
es  bedurfte  wirklich  der  fast  überlauten  Rufer  im  Streite, 
die  anfänglich  als  schreckliche  Störenfriede  der  ausge- 
fahrenen Geleise  alltäglicher  Gewohnheit  empfunden  wurden, 
die  aber  heute  von  allen  ernst  und  redlich  Denkenden 
dankbar  als  Pfadflntler  aus  dem  weglosen  Sumpfe  geist- 
loser Naturnachahmung  gefeiert  werden.  Diese  Worte 
freudiger  Aneikennung,  die  ich  aufrichtig  und  gerne 
Männern  wie  Schultze-Naumburg,  Lichtwark,  Muthesius 
und  anderen  widme,  vorflichten  mich  jedoch  durchaus 
nicht,  die  Offenbarun.n'en  jener  gedankenlos  nachzubeten, 
sie  waren  mir  al)er  Wegweiser  zur  Vertiefung  in  die 
Kunst  der  alten,    luuien   und  auch  der   künftigen  Zeit. 

Ich  komme  nun  zur  ersten  Frage:  Sull  der  Haus- 
garten architektonisch  oder  landschaftlich  gestaltet  werden? 
Aus  dem  einzigen  Vortrage  über  Gartenkunst,  den  ich 
vom  alten  Jühlko  in  Potsdam  gehört,  ist  mir  der  Satz  in 
Erinnerung  geldieben:  „L'er  Garten  ist  die  Sonnenwohnung 
des  Menschen".  Jühlke  hatte  dieso  Auffassung  wohl  noch 
aus  der  alten  Zeit  übernommen,  uns  Jungen  war  damals 
der  ^^'ohnbegl■iff  für  den  Garten  leider  sehr  nebensächlich 
geworden.  Inzwischen  aber  ist  dies  Wort  von  der  er- 
weiterten Wohnung  zu  außerordentlicher  Bedeutung  für 
die  Gartengestaltung  gelangt  und  darnach  ziemlich  allge- 
mein und  mit  Recht  anerkannt  worden,  daß  der  Haus- 
garten wenigstens  in  kleineren  Verhältnissen  im  Grund- 
riß streng  regelmäßig  an  die  Architektur  des  Hauses  an- 
zugliedern ist;  ganz  selbstverständlich  ist  dies  für  den 
Vorgarten  und  den  Gartenhof.  —  So  sehr  ich  selbst  den 
regelmäßigen  Hausgarten  liebe  und  die  gedrängte  Über- 
sicht über  die  gesamten  tektonischen  Gebilde  und  die 
ganze  Flora  des  h^rdballs  in  einem  kleinen  Hausgärtchen 
verurteile,  so  muß  ich  doch  offen  die  Meinun.ti;  bekennen, 
daß  bei  größerer  räumlicher  Ausdehnung  und 
namentlich  da,  wo  bereits  ein  wirkliches  Stück  Land- 
schaft: Wald,  Wiese,  Wasser  usw.  vnrliaiKlcn  ist,  die 
regelmäßige  Gliederung  auf  die  L'mgebung  des  Hauses 
und  den  eigentlichen  Wohngarten  beschi'änkt  wertlen 
kann,  ja  daß  sogar  die  landschaftliche  Gestaltung  ganz 
nahe  an  das  Gebäude  herantreten  darf,  immer  unter  der 
strikten  Vorauss('tzung,  daß  in  allen  Fällen  eine  scharl'e 
Abgrenzung  der  architektonischen  Teile  von  dem  Land- 
schaftsgarten eri'ichtet  wird,  soi  es  durch  eine  Mauer, 
Hecke,  dui'ch  Gitter  oder  Böschungen,  und  daß  namentlich 
auch  alle  aus  dem  laiulschaftlichen  in  den  regelmäßigen 
Teil  einmündenden  Wege  durch  Tore,  Pfeiler,  Gitterwork 
usw.  rhythmischen  7\nschluß  an  ilii^  (lebäudearchitektur 
erhalten:  nicht  daß  durch  solche  Abgrenzungen  der  land- 
schaftliche Garten  als  etwas  Fremdes,  Unlogisches  von  dem 
Hause  geschieden  werden  soll,  nein,  die  deutliche  Ihiter- 
scheidung  soll  nur  jeder  der  hier  gleichbei'echtigt(>n 
Formen,  Architektur-  und  Landschaftsgarten,  die  notwen- 
dige geschlossene  Einheitlichkeit  wahren. 

L)ur(dl     den    Hinweis     auf   die   Zulässigkeil    landschaft- 


IX,  10 


DIE  GAKTENKUNST 


201 


9.  Gärtchen  mit  Laube. 


^  11.  Gärtchen  mit  Plastik  und  Silberpappeln. 

Aus  den  Sondergärten  des  Prof.  M.  Länger  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung 


202 


UIE   GARTENKUNST 


XI,   10 


lieber  Gestaltung  des  Hausgartens  unter  gewissen  Ver- 
hältiüsst'ii  iioinme  ich  von  selbst  auf  die  Verwerfung  des 
landschcaftlichen  Prinzips  in  der  Gartenkunst  durch  die 
meisten  der  modernen  Reformer,  die  da  sagen,  daß  die 
Nachahmung  der  Natur  überhaupt  nicht  unter  den  Be- 
grifl"  „Kunst"  falle.  Nun,  die  Kunstbegrifle  sind  ja  durch- 
aus nicht  ewige,  unwandelbare  und  es  hat  Zeiten  ge- 
geben —  sie  liegen  noch  gar  nicht  so  lange  hinter  uns  — , 
in  denen  der  Naturalismus  als  oberstes  Gesetz  in  der 
Kunst  galt.  Die  Frage  ist  schon  bei  unserer  vorjährigen 
Tagung  mehrfach  besprochen  worden  und  bildet  in  allen 
neuzeitlichen  Abhandlungen  über  Gartenkunst  den  sprin- 
genden Punkt.  Ich  will  deshalb  nur  das  eine  als  aller- 
wichtigsten  Grundsatz  festlegen,  dali  der  landschaftliche 
Hausgarten  keine  sklavische  Nachahmung  von  Natur- 
szenerien darstellen  soll  und  darf,  sondern  dalS  wir  in  den 
Werken  der  Landschaftskunst  den  individuellen  künstleri- 
schen .\usdruck  der  Naturan.schauung,  der  Vertielung 
in  den  logischen,  ge.setzmäßigen  Zusammenhang  der  or- 
ganischen Gebilde,  des  eingehenden  Studiums  der  geo- 
logischen und  tloristischen  Verhältnisse  sehen  müssen,  be- 
schränkt, einerseits  durch  die  praktischen  Bedürfnisse  und 
die  räumliche  Ausdehnung,  anderseits  aber  unendlich 
steigerungsfällig  durch  die  Phantasie  des  Künstlers,  der 
demnach  in  seinem  Landschaftswerke  so  gut  wie  im  archi- 
tektonischen Garten  eine  ganz  bestimmt  gewollte  und  be- 
wußte Darstellung  der  Vermenschlichung  von  Naturbildern 
in  die  Erscheinung  treten  läßt.  —  Und  dann,  meine 
Herren,  so  sympathisch  mir  persönlich  die  Wiederbelebung 
des  Biedermeierstils  durch  Schultze-Naumburg  ist,  so  muß 
ich  doch  sagen:  „Andre  Zeiten,  andre  Sitten"!  Damals 
hatte  der  behäbige  Bürger  wohl  Zeit  und  Muße,  nach 
Feierabend  vor  den  Toren  der  Stadt  Natur  zu  sehen  und 
zu  genießen;  in  unseren  modernen  Großstädten  bei  dem 
beklagenswerten  Hasten  und  Drängen  nach  Erwerb  und 
Vergnügen  sind  dem  Großstadtkinde  die  Werke  des  Land- 
schaftskünstlers oft  das  einzige,  wenn  auch  unwahre 
Stückchen  Natur,  das  er  alltags  schauen  kann,  und  da- 
her ist  wohl  die  Liebe  zum  Landschaftsgarten  so  tief  in 
die  Herzen  unseres  Volkes  eingewurzelt.  Schon  deshalb 
werden  wir,  abgesehen  von  den  rein  künstlerischen  Rück- 
sichten, gezwungen  von  der  Macht  der  Verhältnisse,  auch 
Hausgärten  landschaftlich,  schon,  angenehm  und  lehrreich 
zugleich  gestalten  müssen.  Zwar  ist  da  ein  beliebtes 
Schlagwort:  „der  Künstler  soll  vorbildlich,  erzieherisch 
wirken,  er  soll  den  Stil  der  Zeit,  Geschmack  und  Mode 
des  Volkes  bestimmen"! 

„Eng  beieinander  wohnen  die  Gedankc^n,  doch  hart 
im  Räume  stoßen  sich  die  Sachen";  wenn  irgendwo,  gilt 
hier  das  Dichterwori! 

Ich  brauche  Ihnen  als  Fachmännern  nicht  zu  er- 
zählen, welche  Anforderungen  häufig  vom  Bauherrn  an 
den  Gartengestalter  gestellt  werden,  und  wie  schwer  es 
hält,  nur  die  allei'tollstim  l'^ntgleisungen  zu  vermeiden, 
wenn  da  einer  auf  seinem  bißchen  Grund  und  Boden  eine 
ganze  Musterkollektion  von  Landschaftsbildern  aus  allen 
Zonen,  die  mit  Rocht  so  geschmähton  Thoatcrszenei'ien 
des  sogenannten  Landschaftsgärtners  aufgebaut  wissen  will. 


Was  da  tun?  Es  ist  nicht  jeder  wirkliche  Künstler  in 
der  glücklichen  Lage,  derartige  Zumutungen  rundweg  ab- 
zulehnen, da  sicherlich  irgend  ein  anderer  die  Aufgabe 
sogar  mit  Behagen  zu  liisen  versuchen  wird,  wenn's  nur 
gut  bezahlt  wird.  Der  Künstler  wird  meines  Erachtens 
zunächst  dem  Bauherrn  einen  Vortrag  über  die  eigene 
Auffassung  in  bezug  auf  die  Gartengestaltung,  über  die 
engen  Beziehungen  zwischen  der  Architektur  des  Hauses 
und  des  Gartens  halten,  bei  manchem  auch  das  Wort 
„neueste  Mode"  recht  kräftig  wiederholen,  was  ja  öfters 
leider  mehr  zieht,  als  die  tiefsinnigste  Entwickelung 
künstlerischer  Notwendigkeiten.  So  wird  wohl  manchmal 
ein  voller  Erfolg,  meistens  aber  nur  ein  mehr  oder  minder 
günstiges  Kompromiß  errungen.  Ein  praktischer  Fall  aus 
jüngster  Zeit:  Ein  Architekt,  der  auch  anderen  Künsten 
huldigt,  überreichte  mir  eine  selbstgefertigte  Skizze  für 
seinen  eigenen  Hausgarten  im  Landschaftsstil  mit  einer 
ganzen  Speisekarte  von  Wünschen:  neben  einem  Gemüse- 
und  Obstgarten  ein  Waldidyll,  dazu  eine  Wiese  mit  Blut- 
buchen, Blautannen,  bunten  Ahorn  und  allen  iniiglichi'n 
sonstigen  Bäumen  und  Sträuchern.  r»ie  verfügljaren 
Mittel  waren  gei'inge,  liie  Situation  die  denkbar  ungün- 
stigste: das  Haus  ohne  Gliederung  nach  der  Gartenseite, 
das  ganze  Erdgeschoß  Bureauräume  und  der  Zugang  zu 
dem  Garten  nur  durch  das  einzige  als  Hofraum  verwend- 
bare Teilstück  führend.  Ich  war  zufrieden,  a,ls  ich  zu- 
nächst einmal  eine  regelmäßige  Gestaltung  einzelner 
Gartentoile  und  der  ganzen  Wegeführung  durchgesetzt 
hatte,  mich  im  Stillen  der  Hoffnung  hingebend,  so  wenigstens 
einer  späteren  befriedigenden  Umgestaltung  vorgearbeitet 
zu  haben:  wie  dieser  Fall,  so  liegen  wohl  viele,  aus 
denen  später  dem  Gartengestalter  Vorwlirfe  über  die  An- 
wendung landschaftlicher  Formen  bei  einem  viel  zu  kleinen 
Räume  gemacht  werden. 

Und  dann:  hat  es  künstlerischen  Wert  und  Zweck 
einen  in  Form  und  Bepllanzung  vollendeten  Biodermeier- 
garten zu  schaffen  für  irgend  jemanden,  der  die  intimen 
Reize  des  feinsinnigen  Kunstwerks  gar  nicht  verstehen 
kann  und  der  nur  für  aufdringliche  Pracht  in  seiner 
ganzen  Lebenshaltung  Geschmack  hat,  oder  genügt  ein 
streng  architektonischer  Garten  den  W'iinschi'n  eines  philn- 
sophierenden  Naturfrinindes,  dei-  in  der  Pflanze  mehr  sehen 
will,  als  die  sti'onge  Form  und  nur  in  di'r  Beobachtung 
des  ewigen  Werdens  und  Vergehens  geistige  uml  künstle- 
rische Befriedigung  findet'.'  Garten  sowohl  wie  Haus 
ki'iiinen  eben  nur  dann  a,ls  wahre  Mei.sterwerke  gölten, 
wenn  nicht  allein  die  Gestaltungskraft  ihres  SchöpiVu's, 
sondei'n  auch  Geist  und  Stil  des  Besitzers  siiuifälligen 
Ausdruck   darin  gefunden  haben. 

Und  nun  zur  Unterfrage:  ist  im  regelmäßigen  Garten  die 
Anwendung  freier  NaturforuKMi  gestattet'.'  —  In  der  land- 
schaftlichen Raumkunst  ist  die  Komiiosition  des  Aufrisses 
die  Hauptsache,  im  architektonischen  Garten  dagegen  kommt 
eine  gleich  hohe  Bedeutung  dem  Grundrisse  zu;  während 
ich  für  diesen  die  Anwendung  freier  Formen  im  Hausgarten 
möglichst  beschränkt  wissen  möchte,  glaube  ich  für  den  Auf- 
riß auch  im  regelmäßigen  Hausgarten  die  Verwendung 
nalürlicher     Foi'meii     sehr     Wdbl     begründen     zu     ki'innen. 


IX,  10 


DIE  GAliTENKUNST 


203 


12.  Gäitchen  mit  dem  Elch. 


13.  Gartcheu  mit  der  Sphinx. 
Aus  den  Sondergärteii  des  Prof.  M.  Länger  auf  der  Mannheimer  Gartenbau-Ausstellung. 


204 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


Sicher  kann  man  architektonische  Gärten  ausschliol3- 
lich  aus  Kunstformen  in  ganz  vollendeter  Weise  zu- 
sammensetzen, wie  es  ja  z.  B.  die  Meistorwerke  der  Barock- 
gartenkunst, in  der  das  absolute  Herronrocht  des  Menschen 
über  die  Formen  der  Natur  am  stärksten  zum  Ausdruck 
gebracht  wurde,  deutlich  liewcisen.  Ich  aber  möchte  den 
herrlichen  Rhythmus,  der  dem  freien  Ptlanzenwuchse 
inne  wolint,  nicht  aus  der  Nähe  des  Menschen  vorbannen, 
und  selbst  die  grüßten  Fanatiker  für  die  Vermensciilichung 
der  Nalurfurmen  im  Garton  lassen  z.  B.  die  Sciilingpflanzen 
an  Häusern  und  Pergolen  als  lieblichen  Gegensatz  zu  den 
strengen  Linien  der  Architektur  gelten  und  wer  möchte 
einseitiger  Kunstanschauung  zuliebe  einen  malerischen 
Lindenbauni  missen,  unter  dessen  Krone  es  sich  oft  wohliger 
als  in  der  Gartenlaube  sitzen  läßt  und  der  im  Wechsel  des 
Tages  und  der  Nacht  die  verschiedensten  Schattenbilder 
auf  Weg  und  Rasen  malt,  die  aus  dem  einen  Gartenbild 
eine  ganze  Menge  herrlicher  Eindrücke  hervorzaubern  und 
den  starren  Linien  wundervolles  Leben  einhauchen  7 

Wer  möchto  auf  den  reichen  Flor  von  Flieder,  Jas- 
min, Spierstrauch,  Wildrosen  und  wie  sie  alle  heißen,  die 
schön  blühenden  Gehiilze  verzichten,  nur  um  aus  ihnen 
eine  Hecke,  eine  Kugel  oder  einen  Würfel  zu  formen? 
Wer  kennt  nicht  Bauwerke,  die  an  sich  häßlich,  durch 
den  Zauber  einer  schönen  Baumgruppe,  durch  den  wohl- 
tätigen Schleier  aus  Epheu  oder  Geißblatt  ein  geradezu 
malerisches  Aussehen  erhalten?  LTnd  hat  nicht  gerade 
Schultze- Naumburg,  der  rechtens  so  gefeierte  Vorkämpfer 
des  regelmäßigen  Stils  im  Hausgarten  in  seinen  „Bei- 
spielen" recht  lehrreich  die  Wirkung  freien  Pflanzen- 
wuchses auf  die  scharfen  Linien  dos  kalten  Gesteins  ge- 
zeigt? Beschneiden  Sie  einmal  dorten  die  Pflanzen  und 
Sie  erhalten  vielleicht  die  kräftigsten   „Gegenbeispiele"! 

Die  Folgen  und  Wirkungen  dos  Alters,  die  so  mild 
und  lieblich  den  Ausdruck  manch  eines  Menschenwerkes 
verschonen,  sind  sie  nicht  eigentlich  eine  Rückbildung  der 
menschlichen  Kunst  in  die  Naturformen V  Flechte,  Moos 
und  Mauerbrech,  die  den  toten  Stein  beleben,  Regen  und 
Frost  in  ihren  Kniwirkungen  auf  Holz  und  Stein,  die 
Patina  auf  dem  Broncestandbikl,  arbeiten  sie  nicht  alle  in 
meinem  Sinne,  ohne  daß  ihre  Arbeit  jemals  als  unkünstUv 
risch   verurteilt  worden  wäre? 

iJie  Verwendung  freier  Naturformen  im  Kimstgarten 
leitet  mich  über  zur  hiesigen  Ausstellung,  die  Sie  ja  nun- 
mehr alle  kennen.  Den  Ausstellern  stand  (Mn  großes  Ge- 
lände mit  mehr  oder  minder  schönem  Baumwuchs  zur 
Auswahl  frei;  da  ist  es  denn  eigentlich  sehr  vorwunder- 
lich, daß  kein  Fachgonosse  die  Idee  faßte,  einen  Haus- 
garten unter  Nobeneinanderstellung  der  architektonischen 
und  landschaftlichen  Formen  zu  gestalten,  ebenso  auf- 
fällig wie  es  ist,  daß  die  beiden  einzigen,  unregelmäßigen 
—  ich  sage  nicht:  landschaftlichen  —  Gärten  keinen  An- 
spruch darauf  erhoben,  irgend  etwas  zur  Lösung  der  uns 
bewegenden  Kunstfragen  beizutragen,  denn  der  eine  der 
Aussteller  hatte  lediglich  das  geschäftliche  Intei'esse,  für 
sein  Slaudenmaterial  einen  Platz  zu  schaffen,  auf  dem  die 
einzelnen  Pflanzensorten  für  sich  gut  zur  Geltung  gelangen 
sollten,   während  der  andere  wohl  ebenfalls  in  der  Haupt- 


sache mehr  seine  großen  und  schönen  .Sammlungen  von 
Wasserpflanzen,  Dekorationsmaterial  und  japanischen  Stein- 
laternen unter  Entwickelung  recht  wirkungsvoller  Einzel- 
bilder dem   Publikum  zeigen   wollte. 

Von  den  regelmäßigen  Gärten  interessieren  uns  na- 
türlich am  meisten  die  sogenannten  Professorengärten,  mit 
denen  ich  mich  hierausschließlicli  unter  Verzicht  auf  eineWür- 
digung  der  tektonischen  Gärten  unserer  engeren  Fachgenossen 
beschäftigen  will,  soviel  des  Anregenden  es  auch  über  di(^ 
Sondergärten  Brahe,  Büchner  und  Roethe  zu  plaudern  gäbe. 

Schultzes-Naumburg  Biedermeiergarten  soll  uns 
wohl  weniger  eine  neue  Gartenkunst  offenbaren  als 
vielmehr  zur  Wiederbelebung  der  einfachen  bürger- 
lichen Gartengestaltung  der  Zeit,  in  der  Großvater  die 
Großmutter  freite,  beitragen  und  ich  darf  sagen,  daß  mit 
verhältnismäßig  geringen  Mitteln  ein  wohltuendes  Bild  eines 
vernünftigen  zweckmäßigen  Gartens,  mit  Platz  für  alle  uns 
anmutenden  Gewächse  unter  geschickter  .Ausnutzung  der 
gegebenen  Verhältnisse  und  mit  allem  diesem  feinsinnigen 
Künstler  innewohnendem  Geschmacke  geschaffen  worden 
ist:  die  hohe  Mauer  mit  dem  ordentlich  zum  Eintritt  ein- 
ladenden Tore  gibt  dem  Ganzen  einen  weltabgeschiedenen 
klösterlichen  Anstrich,  so  recht  geeignet  zur  Sammlung 
und  Erholung  vom  Getriebe  des  Alltagslebens,  gut  ange- 
ordnete Sitzplätze,  der  einfache  Weingang,  das  gemütUche 
Gartenhaus,  der  schöne  Baumbestand  muten  traulich  an, 
die  Form  und  Anordnung  der  Blumenrabatten  mit  ihrer 
altväterlichen  Bepflanzungsweise  aus  buntom  Gemisch  aller 
möglichen  Blumen  bilden  ein  treflliches  Gegenbeispiel  zu 
so  vielen  überladenen  Hausgärten  mit  ihren  gekünstelten 
Schniirkelbeeten,  die  meist  nur  wenigen  Blumensorten 
Raum  bieten.  Nicht  befriedigt  hat  mich  das  allzugroße 
Wasserbecken  und  seine  Umrahmung  und  gewundert  hat 
sich  mit  mir  wohl  mancher,  daß  der  Künstler  nicht  an 
Steile  des  Rasens  seine  von  ihm  selbst  so  hoch  gepriesenen 
Gemüsebeete  gesetzt  hat.  Ich  will  hierzu  gestchen,  daß 
mir  in  seinem  kritischen  Werke  „Gärten"  dies  Lob  des 
Gemüsegartens  am  wenigsten  gefallen  hat  und  Schultze- 
Naumburg  scheint  hier  selbst  zwischen  Theorie  und  Praxis 
einen  harten  Gegensatz  gefunden  zu  haben.  \\'ohl  soll 
in  geeigneten  Fällen  ein  kleiner  Gemüsegarten  mit  den 
so  prächtig  zierenden  Blumenrabatten  nicht  fehlen,  doch 
muß  liedacht  werden,  daß  die  Zeiten,  in  der  ein  joder 
Bürger  notgedrungen  sein  besseres  Gemüse  selbst  ziehen 
mußte,  längst  vorbei  sind  und  man  heute  sogar  in  kleinen 
Städten  seinen  Bedarf  besser  und  billiger  auf  dem  Markte 
kaufen  kann.  l'nd  so  reizend  es  aussieht,  wenn  ein 
Schmetterling  über  die  Wieso  gaukelt,  die  Schnecke  samt 
ihrem  Hause  am  Buchenstamme  klebt:  im  Gemüsegarten 
wird  aus  diesen  Insekten  eine  Plage  und  die  übelriechen- 
den Düfte  des  Mistes  und  der  Jauche,  die  nun  einnuil  un- 
entbehrlich zur  Gemüsekultur  sind,  gehören  nicht  gerade 
zu  den   ,\nnehmlicl)keiten  des  Lebens. 

Die  Pill  inj;'' sehen  Beete  kann  ic'h  übergeluMi.  sie 
iliirflen    Wdbl   .■i.llueineiu   als   niißlungen   bezeichnet   wcn-deu. 

Professor  Behrens  stellt  ein  Gartentheater  aus:  im 
allgemeinen  gefällt  mir  seine  Schöpfung  viel  besser  als 
ji'ue   in   Düsseldorf  trotz   des  damaligen   reichen   und   kost- 


IX,  10 


DIE  GARTENKUISST 


205 


IT — rMl^'?^r~"-'  L3^'  "T^"  'D     Ja  fil^ 


-^ 


i^rxsM~ll!| ' j  .     lu] 


"i^    Hl    Bk, 


14.  (iäi tchen  mit  Gartenhaus  und   l'kistiken. 


15.   Rückseitiger  Abschluß  des^Badehausgartens. 
Aus  den  Soudergärtea  des  Prof.  M.  Läua-er  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


206 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


liehen  Beiwerks  an  Architekturen  und  Plastiken ;  vor  allem 
finde  ich  die  straffe  Gliederung  wohls;elungen.  dagegen 
dürften  die  allzu  aufdringliche  Verwendung  weißen  Spa- 
lierwerks und  das  in  seinen  Abmessungen  ins  Riesenhafte 
übertriebene  Beet  blauer  Lobelien  auch  auf  anderer  Leute 
Augen  die  gleiche  unangenehme  Wirkung,  wie  auf  die 
meinen  ausüben  und  die  K'osten  für  die  Wasserkünste  in  den 
Kulissen  wären  meines  Erachtens  besser  für  einen  reichen 
Blumenschmuck  verwendet  worden. 

Als  man  in  den  Vorberichten  über  die  Mannheimer 
Ausstellung  verschiedentlich  gelesen  hatte,  daß  Professor 
Länger  eine  ganze  Reihe  von  Einzelgärten  um  ein  kostbares 
Badehaus  herum  anlegen  werde,  da  wird  wohl  mancher 
nach  Uhland  gedacht  haben: 

„Und  rings  von  duft'gen  Gärten  ein  blütenreichor 
Kranz,  Lirin  sprangen  frische  Brunnen  im  Regenbogen- 
glanz." —  Für  mich  ist  der  Begriff  Hausgarten  fast  un- 
trennbar mit  dem  Worte  „Blume"  verknüpft  und  nach 
dem  Beispiele  der  letztjährigen  Künstleri'arbengärten  hatti.^ 
ich  von  dem  durch  seine  farbenprächtigen  Werke  berühmten 
Keramiker  Gärten  erhofft,  schwelgend  im  Rhythmus  ihn' 
Formen  und  in  volltiinigen  Farbenakkorden;  leider  bin  ich 
in  letzterer  Beziehung  enttäuscht  worden!  Als  ich  vor 
4  Wochen  zum  ersten  Male  hier  zum  Ausstollungsbesuche 
landete,  hing  der  Himmel  voller  Wolken,  bleiern,  düster, 
regenschwer  und  bald  auch  öffnete  er  seine  Schleusen 
zu  einem  Dauerregen;  ich  selbst  war  infolge  mehrmonat- 
licher Krankheit  körperlich  und  seelisch  herabgestimmt 
und  diesem  Zusammentreffen  so  ungünstiger  Bedingungen 
schrieb  ich  damals  einen  Teil  meines  Unbehagens  beim 
Durchwandern  des  Läugergartens  zu,  um  so  mehr  tat  ich 
dies,  als  ich  zu  Hause  die  Julinummer  der  „Kunst"  mit 
den  außerordentlich  glücklich  gewählten  Bildern  aus  dem 
Garten  sah,  wo  Sonnenlicht  und  Schatten  das  tote  Material 
in  köstlichem  Leben  zeigen.  Ich  kam  dann  wieder  hier- 
her und  durchwanderte  den  Garten  in  anregendster  Ge- 
sollschaft, am  hellen  Tage  und  bei  gedämpftem  Abend- 
lichte, aber  auch  jetzt  ließ  bei  aller  Freude  über  so  manch 
trelTliches  Bild  der  Mangel  an  Blumen  und  Farben  in 
mir  die  rechte  Befriedigung  nicht  aufkommen.  —  Ich  kann 
es  dem  Künstler  menschlich  gut  nachfühlen,  daß  er  seinen 
Bauten  und  Plastiken  zuliebe  den  Vorgarten  zu  dem  im 
Äußern  wie  im  Innern  gleich  gelungenen  ßadehause  so 
i'infach  und  ruhig  gestaltete,  um  <las  ihm  besonders  am 
Herzen  liegende  Bauwerk  vorteilhaft  herauszuheben;  da- 
mit ist  aber  die  Verfehlung  des  Gartenzwecks,  den  Be- 
sitzer außer  durch  bequem  gestaltete  Wohnräume  im  Freien 
vor  allem  durch  ein  farbenfrohes  Blumen-  und  Pflanzen- 
bild zu  erfreuen  und  zu  zerstreuen,  noch  lange  nicht  ge- 
nügend begründet. 

Bei  den  vielen,  unter  sich  scdiarf  abgegi-enzti'ii  Einzid- 
gärten  hätte  sehr  wohl  eine  reiche  Sammlung  künstle- 
rischer Ideen  für  die  verschiedenartigsten  Hausgärten,  vom 
Sonnenbad  des  prachtliebonden  Millionärs,  vom  Garton  des 
Künstlers,  des  Philosophen,  der  Blumenfreundin  bis  herab 
zum  einfachen  Gartenhof  und  zum  schmalen  Vorgärtchen 
der  Großstadt  nebeneinander  Platz  gehabt.  So  finden  wir 
zwar  eine  Häufung    herrlicher  Plastiken    und    glücklicher 


Baulichkeiten  und  eine  Anzahl  klarer  Grundrisse  mit  sehr 
beachtenswerten  Einzelbildern,  aber  das  Gefühl,  im  trau- 
lichen Hausgarten  zu  lustwandeln,  überkommt  uns  selten, 
bieten  doch  die  1.5  Gärten  von  den  Tausenden  von  Blumen- 
sorten nur  eine  ganz  armselige  Auslese:  Knollenbegonien, 
Lobelien,  bunte  Pelargonien,  Fuchsien  und  Zinien.  Ange- 
nehm belebt  wird  das  Bild  durch  die  schönen  alten  Bäume, 
welche,  die  allzu  strenge  Regelmäßigkeit  der  Kunstgärten 
wohltuend  unterbrechend,  willkommene  Ruhepunkte  für 
das  ermüdete  Auge  und  zugleich,  besonders  am  Badhause, 
ein  ebenso  vortreflliches  Zeugnis  für  den  aufs  Malerische 
gerichteten  Sinn  des  Künstlers  wie  ein  greifbares  Beispiel 
für  die  Verwendung  freier  Naturformen  im  Kunstgarten 
bilden.  Über  die  zur  Erzielung  tiefer  Perspektive  baum- 
schulartig  im  Einmeterverband  angepflanzten  Silberpappeln, 
diesen  gigantischen  Parkbäumen  (Bild  11  Seite  2(Jl).  über  die 
Häufung  von  buntem  Ahorn  mit  gelben  Ulmenhecken,  die  An- 
l)flanzung  edler  Clematis  auf  der  Nordseite  der  Mauern  oder 
im  Schatten  der  Kastanien  könnte  man  als  Fachmann  eigent- 
lich stillschweigend  hinwegsehen,  handelte  es  sich  nicht 
darum,  daß  diese  Beispiele  von  manchen  Fliferern  als  neue 
Ütl'eubarungon,  als  lehrreiche  Muster  dem  rückständigen 
berufsmäßigen  Gartenkünstler  vorgestellt  werden,  doch  als 
solche  muß  ich  sie  ablehnen,  so  sehr  ich  anderseits  eine 
vermehrte  Mitwirkung  genialer  Künstler  von  der  Art 
Läugers  bei  den  Werken  der  Gartonkunst  auf  das  Freu- 
digste und  E)ankbarste  begrüße,  immer  aber  auf  der  selbst- 
verständlichen Grundlage  des  Studiums  der  für  die  Garten- 
gestaltung maßgebenden  Materialien  und  Bedingungen, 
sonst  könnte  die  für  den  Düsseldorfer  Behrensgarten  ge- 
prägte Aufschrift; 

„Natur  trieb  oft  ihr  Spiel  mit  Dir, 
Nun  Künstler,   spiele  Du  mit  ihr!" 
womit    sicherlich    des     Künstlers     Horrenrecht     über     die 
Natur  betont  werden  sollte,    leicht  einen  anzüglichen  Bei- 
geschmack erhalten! 

Die  beiden  Läugerschen  Rosengärten  auf  dem  Wasser- 
turmplatz haben  in  ihrer  allgemeinen  E)isposition  wohl  An- 
spruch auf  unseren  Beifall;  wenn  schon  verfehlte  Einzel- 
heiten (die  zu  tiefe  Lage  der  Gartenhäuser,  die  mißglückte 
V^erwendung  von  Koniferen)  etwas  stören,  so  bleibt  doch 
ein  guter  Gesamieindruck,  denn  da  ist  neben  wohlge- 
gliederter Raumeinteilnng  wirkliches  Blumenleben  und 
üppige  Farbenpracht.  —  Wenn  ich  nun  zurückblicke  auf 
all  die  reizvollen  Eiuzelmotivo,  die  vielen  guten  Bau-  und 
Bildwerke,  und  dagegen  den  unbefriedigenden  Gesamtein- 
druck abwäge,  so  muß  ich's  lebhaft  beklagen,  daß  Pro- 
fessor Länger  nicht  den  Versuch  gemacht  hat,  einen 
künstlerisch  ebenbürtigen  Gartongestalter  als  Mitarbeiter 
zu  gewinnen,  um  d(un  ganzen,  so  groß  angidegten  Werke 
eine  wahrhaft  vollendete   r)ur(diführung  zu   sichtnai. 

Diese  Betrachtungen  vermitteln  den  Übergang  ziii' 
Frage,  wem  eigentlich  die  künstlerische  Gestaltung  des 
llausgiirtons  zukommt?  Die  ersten  Gärten  wurden  sicher- 
lich von  den  Eigentümern  selbst  gemacht,  die  damals  zu- 
ghnch  auch  Baumeister  in  eigener  Person  waren,  womit  die 
Einheitlichkeit  zwischen  Haus  und  Garten  und  zwischen 
der    ganzen   Lobensgestaltung    von    selbst    gegeben    war. 


IX,  10 


DIE  GARTENKUNST 


207 


1.   I'urtie    aus  dein  Rosengartrii  links  vom  Eingmig. 


2,  (Tartenhaus  im  Rosengarten  links  vom  Eingang. 
Aus  den  Rosengllvten  auf  der  Mannheimer  Gartenbauaustelhmg. 


208 


DIE  GAETENKUNST 


IX,  10 


.öT^^-en 


Zweifelsohne  wäre  es  auch  heute  noch  der  Idealzustand,  könnte 
jedermann  sich  sein  Haus  und  seinen  Garten  nacli  eigenem 
Geschmacke  selbst  gestalten;  die  außerordentlich  intensive 
Arbeit  der  Jetztzeit  läßt  aber  dem  Einzelnen  nicht  mehr 
Muße,  einen  größeren  Teil  seiner  Lebensbedürfnisse  eigen- 
händig herzustellen  und  hat  zu  einer  weitgehenden  Speziali- 
sierung in  allen   Fächern  geführt. 

Wenn  Muthesius  in  seinem  neuen,  sehr  leseuswei'ten 
Werke  „Landhaus  und  Garton"  die  Gestaltung  des  Gartens 
für  den  Archi- 
tekten in  An- 
spruch nimmt 
und  scheinbar 
richtig  sagt : 
„der  Grund 
gedanko  einer 
Schöpfung  muß 
aus  einem 
Kopfe  entsprin- 
gen, wenn  diese 
ein  einheit- 
liches Gepräge 
tragen  soll", 
so  möchte  ich 
ihm  entgegen- 
halten, daß  bei 
der     logischen 

Weitorent- 
wickelung  die- 
ser Sentenz  ein- 
zig und  allein 
der  Bauherr, 
also  weder  der 

Architekt 
noch  der  Gar- 
tengestalter 
den  Grund- 
gedanken für 
Haus  und  Gar- 
ten angeben 
muß,  denn  der 
K'unstwert  des 
Hauses  ist  doch 
nicht  Zweck 
an     sich,    hier 


faßlichem  Ausdruck  gebracht  haben,  auch  zwischen  Ar- 
chitekt und  Gartenkünstler  eine  ersprießliche  Verständigung 
über  Haus-  und   Gartengestaltung   zu  erzielen   sein. 

Haben  wir  doch  z.  B.  wiederholt  schon  bei  unseren 
Wettbewerben  ein  sehr  förderliches  Zusammenwirken 
zwischen  Raum-  und  Gartenkünstler  erlebt,  häufiger  nodi 
zwischen  Architekt  und  Plastikcr  und  zwischen  Architekt 
und  Ingenieur.  Zwar  will  ja  auch  Muthesius  den  Gärtner 
als    Hilfskraft    Ijei    der    Gestaltung    des  Gartens    gelten 

lassen,  ich 

meine  aber, 
Muthesius  ver- 
kennt liier  voll- 
kommen das 
Zweckprinzip 
(lesGart('ns,ibm 
ist  die  Form 
alles,  der  In- 
halt etwas  Ne- 
bensächliches, 
während  beim 
Garten  Form 
und  Inhalt  un- 
trennliar  sind 
und  für  eine  be- 
friedigende Ge- 
samtwirkung 
den  gleich  ho- 
henWerthaben. 
Jetzt  worden 
leider     in     den 

Architekten- 
gärten aus  dem 
unermi'lilichen 
Schatze        von 

Pflanzenfor- 
m(ui,  den  uns 
Natur  und  Men- 
schenfleiß so 
wundervoll  ge- 
schenkt, nur 
weiiig(^  prun 
ki'nde  LMelstei- 
ne  gefaßt,  so 
daßderBlumen- 


Liigeiiliin  des  Eosongartens  links  vom   Eingang  auf  der  M:i,nnheimei-  (iiiitoiib:\ii;iiisstellung. 
Entwurf  von   Prnf.  M.  Lilugcr,  bepflanzt  von   T.  Boulun-Oheikassel. 


wie  beim  Garten  steht  in  erster  lanie  eine  glückliche  Fin- 
kleidung  der  Bedürfnisfragen  in  eine  künstlerische  Form, 
ein  liebevolles  Eingehen  auf  die  ganze  Ideenwelt  und 
Lebensweise  des  Bauherrn,  eine  Vertiefung  in  all  die 
sonstigen  Wechsel!)ezi(!hungen  zui'  ganzen  .Umgebung,  lia 
worden  denn  der  Architekt  sowohl  wie  der  Gartenkünstler 
recht  häufig  ein  Kompromiß  zwischen  den  eigenen  Kunst- 
anschauungen und  jenen  di'S  Bauherrn  und  alle  drei  unter- 
einander schließen  müssen,  und  icli  meine,  wenn  die  beiden 
Künstler  den  Anforderungen  der  Zeit  gewachsen  und  von 
gutem  Willen  beseelt  sind,  dann  sollte  bei  dem  Reichtum 
unserer  Muttersprache,  in  der  die  größton  Denker  und 
Dichter    ihre    oft  sehr  verschlungenen  Gedankengänge  zu 


freund  schließlich  stall  d.  r  ewigen  Blütenpracht,  der  Mannig- 
faltigkeit der  l'llanzenformen  iles  La,ndschaftsgarlens  eine 
gähnenile  Eintiinigkeit  im  tektonischen  (iarten  linden  wird, 
die  beim  lebens-  und  farbenfrohen  Menschengeschlochto 
nicht  rechte  Freude  an  der  a.ngestrelilen  neuen  Kichlung 
aufkommen   läßt. 

Warum  soll  es  nicht  uiöglicli  si'in,  daß  sich  ein 
tüc!itig(n'  Baukünstler  mit.  einem  gleichwertigen  Garten- 
künstlei-  zu  gemeinsamem  Katen  und  Taten  verl)i!ulot?  Wo- 
möglich   in   einei'   h'irma,  geeint    wiii'den   sie  sowojd   künst- 


lerischen   wie 

Naumljur 

erstrebt, 


;-eschäftlicb(Mi    lü'lolg    eri'ingen! 


Schultze- 


hat    schiui,    wie   i(h   hörte,    .\hnliches  dadurch 
laß    er  junge    Gartenkünstler    als   .Mitarbeiter  in 


IX,  10 


DIE  GARTENKUNST 


209 


3.  ^[ittelpartie  des  UoseDgartfUS  links  vom  Eingang. 


4.  Partie  aus  ileiu   Rosengarten  links  vom  Eingang. 
Ans  den  Hosengärten  anf  der  Mannlieimer  Gartenbanansstellnng 


210 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  10 


ajin  Atelier  aufgenommen  hat.  Ein  weiterer  Sehritt  in 
dieser  Sache  wird  getan  sein,  wenn  die  Bild iingsf rage  des 
Gartcnkünstlars  endlich  einmal  in  meinem  Sinne,  so,  wie 
ich's  bereits  auf  unserer  Elberfelder  Hauptversammlung 
vorgeschlagen  habe,  gelöst  wird. 

Eigentlich  sollte  es  ja  gleichgültig  sein,  wo  und  wie 
einer  seinem  Kunst  erlernt  hat,  wenn  er  überhaupt  nur  ein 
wirklicher  tüchtiger  Künstler  geworden  ist,  wozu  manchem, 
dem  die  natürliche  Begabung  fehlt,  selbst  die  allerbeste 
Schule  nicht 
helfen  kann. 
L»och  bei  uns  in 

E»eutschland 
und  namentlich 
im  öflenllichen 
nüenste  fragt 
man  Icidci' nicht 
zuerst,  was 
einer  kann, son- 
dern    welche 

A  u  s  b  i  1  d  u  n  g 
er  genossen  hat 
und      nur     ein 
mehrfach      ge- 
prüfter        und 

gewappeltor 
Künstler      gilt 
als    vollwertig. 
Aus        diesem 
Grunde  und  da 

tatsächlich 
ganz        außer- 
ordentlich viele 

Berührungs- 
punkte       zwi- 
schen Bau-  und 

Gartenkunst 
bestehen,  sollte 
die  Ausbildung 

der  jungen 
Gartengestalter 
nicht  auf  einer 
wie  immer  ge- 
arteten Fach- 
schule        oder 

Pachhochschulo,  sondern  gemeinschaftlich  mit  den  Archi- 
tekten auf  der  technischen  Hochschule  erfolgen;  sind  doch 
Gi'undgesetze  der  Kunst,  Rliythnius  und  Harmonie,  für 
Bau-  und  Gartonkunst  die  gleichen  uiul  luii'  die  Unmög- 
lichkeit, in  unserer  raschlebigen  Z(iit  all  die  unzähligen 
technischen  Kenntnisse  und  Erfordernisse  der  beiden 
Künste  zusammen  in  sich  aufzunehmen  und  geistig  zu 
vorarbeiten,  verlangt  neben  der  grundlegenden  gemeinsaincai 
noch  eine  spcziollo  fachliche  Ausbildung. 

Dann  worden  die  beiden  Schwesterkünstc;  auch 
äußerlich  vollkommen  gleichberechtigt  sein;  wenn  dann 
Bau-  und  Gartonkünstler  ohne  Noid  und  Eifersüchtelei, 
getragen    von    dem    edlen    Geiste   echter  Kunst  uml  dem 


ernsten  Willen,  nur  dieser  und  damit  dem  Mitmenschen 
zugleich  zu  dienen,  einträchtig  zusammenarbeiten,  unter 
gegenseitigem  Vertiefen  in  die  fteilanken  des  amlcren  drn 
Blick  fortwährend  auf  die  künstlerische  Einheitlichkeit  und 
Gesetzmäßigkeit  des  Ganzen  richten,  und  wenn  noch  der 
Plastiker  als  Dritter  im  Bunde  zu  freudiger  Mitarbeit  sich 
findet,  ja  dann  wird  eine  neue,  glückliche  und  ei-sprieß- 
liche  Epoche  für  uns  hereinbrechen,  der  neue  Stil  als 
wahrer  Ausdruck  unseres  Zeitgeistes  von  selbst  heraus- 
wachsen und 
ein  goldenes 
Zeitalter       der 

Gartenkunst 
die  Menschheit 
mit    dem   ewig 
und  unver- 

gänglich 
schönen  Wohl- 
klang aus  Natur 
und   Kunst  be- 
glücken! 


Lngejdan  des  Rosengartens  rechts  vom  Eingang  auf  der  Mannlieimcr  (JartcnlKiiunissti 
Entw.  v.  Prof.  M.  Läuger,  bepfl.  von  Peter  Lambert,  Trier. 


uuin'. 


Roseiigäi'ieii. 

Von 

Heieke-Erank- 

furt  :i.  M. 

Ich  habe 
seither  nie  be- 
snnderen  Ge- 
fallen an  Rosen- 
gärten gefun- 
den. ^\"arum? 
Weil   wii'  keine 

Rosengärten 
hatten,  snndern 

„Rosarien". 
Es  ist  ein 
Unterscliied  in 
dem,  was  beide  Worte  bezeichnen.  Rosarium  —  sihon 
die  lateinische  Wortbildung  deutet  etwas  exakt-methodisches, 
fast  möchte  ich  sagen  wissenscjiaftliches  an.  l'nd  das  trifft 
auch  in  gewissem  Sinne  avif  unsere  Hosarien  zul  Sie 
sind  keine  Rosengärten,  sondern  Rosensainmlungen. 
Sammeleifer  und  Sortenfexerei,  die  Feinde  jeder  künstle- 
rischen Gestaltung,  geben  ihnen  das  Gepräge.  Des  Roson- 
IVeundes  Ehrgeiz  gipfelt  darin,  recht  viele,  möglichst  alle 
erreichbaren  Rosonsorten  zusammen  zu  liekinnnien  und 
die  Findigkeit  und  Rührigkeit  unserer  Rosenzücliter  sorg(^n 
dafür,  daß  dieser  Sammeleifer  nicht  erlahmt,  indem  alljähr- 
lich zahlreiche  noue  Sorten  mit  mehr  oder  minder  glän- 
zenden Eigenschaften   in   den    llamlid  gebracht  werden. 


IX,   10 


DIE  GARTENKUNST 


1211 


5.  Durchblick  durch  die  Pergola  nach  dem  Gartonhansc  im  Rosengarten  links  vom  Eingang. 


6.  Partie  aus  dem  Rosengarten  rechts  vom  Eingang. 
Aus  den  Rosengärten  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


212 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  10 


Infolge  des  Vielerleis  an  Sorten  geht  den  Kosarien 
jede  ruhige  und  einheitliche  Wirkung  ab  und  die  Stim- 
mung, welche  sich  uns  unwillkürlich  mit  dem  Worio 
Rosengärten  verbindet,  ist  in  der  Wirklichkeit  in  diesen 
Rosarien  selten  vorhanden.  Die  Farben  der  Rosenblumen 
durchlaufen  zwar  die  ganze  Stufenleiter  vom  tiefsten 
Schwarzrot  bis  ins  zarteste  Weißrusa  mit  Gelb  und  \\'eiü 
in  allen  denkbaren  Abtönungen,  aber  gerade  hier  gilt 
das  Wort:  Weniger  wäre  mehr!  und  zwar  erheblich  mehr. 
E>ie  Blütezeit  ist  ziemlich  einheitlich,  wenn  auch  nicht 
ganz;  dafür  aber  weisen  dio  Sorten  in  Wuchs,  Haltung 
und  Belaubung  wieder  dio  denkbar  größten  Verschieden- 
artigkeiten auf.  Überhaupt  sind  die  meisten  unserer  Rosen 
als  Strauch  betrachtet  fast  häßlich.  Sie  bauen  sich  schlecht 
auf,  sperrig  strecken  sie  ihre  Zweige  von  sich  und  durch 
den  fortgesetzten  Schnitt  wird  das  noch  verschlimmert. 
Die  einen  machen  zudem  nur  ganz  wenig  Holz,  sind 
sehr  schwachwüchsig,  andere  wieder  sind  äußerst  stark- 
wüchsig  und  kaum  zu  bändigen;  wonige  nur  bilden  einen 
Strauch,  der  durch  seine  Form  an  sich  befriedigt.  Am 
unvorteilhaftesten  macht  sich  diese  Eigenschaft  bemerk- 
bar beim  Rosenhochstamm.  Überhaupt  diese  Rosenboch- 
stämme!  Sind  sie  nicht  schon  au  und  für  sich  eine  Ge- 
schmacksverirrung? Eine  lange,  dünne  Rute,  kaum  finger- 
stark, so  daß  sie  des  Haltes  an  einem  Fichtenstab  gar 
nicht  entbehren  kann,  und  oben  daran  ein  Büschel  ein- 
seitig und  sperrig  gewachsener  Zweige,  das  man  stolz 
die  „Krone"  nennt!  Aber  man  hat  sich  so  daran  ge- 
wöhnt, daß  man  die  Häßlichkeit  dieses  gärtnerischen 
Kunstproduktes  kaum  noch  empfindet.  Ich  habe  in  meiner 
Berufstätigkeit  noch  nie  einen  Rosenhochstamm  verwendet! 

Und  nun  dio  Anordnung  der  Rosarien!  Über  die 
beiden  typischen  Grundrißanordnungen  in  Meyers  Lehr- 
buch der  schönen  Gartenkunst  Tafel  15  und  Niethners 
gärtnerischem  Skizzenbuch  Tafel  49  ist  man  seit  40  Jahren 
nicht  hinausgekommen,  wenigstens  ist  mir  keine  Anlage 
bekannt  geworden,  die  in  wesentlichen  Punkten  davon  ab- 
wich. Lange  schmale  Rabatten,  in  der  Mitte  eine 
Reihe  „Hochstämme"  in  den  verschiedensten  Höhonabstu- 
fungen,  dazwischen  die  Strauchrosen  in  endloser  Sorten- 
fülle und  buntem  Durcheinander,  wobei  natürlich  auch 
Abnormitäten  und  .Monstrositäten,  wie  z.  B.  die  berühmte 
grünblühende  Rose  u.  dgl.  nicht  fehlen  dürfen.  An  den 
Rändern  der  Beete  stehen  die  Monatsrosen.  Schmale 
Wege  trennen  die  einzelnen  Beete,  dio  sich  um  einer 
Laube  aus  gerissenem  Eichenholz  oder  dergl.  ordnen.  Wo 
das  Geld  dazu  nicht  reicht,  pflegt  statt  deren  oin  rundos 
Beet  den  Schwerpunkt  der  Anlage  zu  bilden,  das  mit 
Stammroson  bepflanzt  ist,  die  fein  säuberlich  nach  dor 
Mitte  hin  ansteigen.  Die  sogenannten  botanischen  Rosen- 
arten bilden  rundum  den  Übergang  zu  den  Baum-  und 
Strauchgruppen  der  anderen  Garten-   und   Parkteile. 

In  der  Aufzählung  dor  Fehler  stocken  auch  schon  die 
Fingerzeige  für  die  Verbesserung!  Fangen  wir  mit  dem 
letzten  an:  Muß  ein  Ro.songarten  wirklich  durch  die  Vormitte- 
lung einer  Pflanzung  von  Wildrosen  in  den  Park  oder  Garton 
allmählich  übergehen?  Ich  finde  nicht  nur,  daß  das  über- 
flüssig ist,  sondern  halte  os  für  einen  Fehler.    Ich   wende 


nicht  gern  das  Wort  „intim"  an.  Es  ist  ein  Wort,  mit 
dem  Unfug  getrieben  wird.  Aber  wenn  es  nirgendwo  am 
Platze  i.st,  dann  hier.  Ein  Rosengarten  muß  „intim" 
wirken  und  um  das  zu  erreichen,  muß  ein  Abschluß 
da  sein,  der  sofort  die  Empfindung  erweckt,  daß  hier 
etwas  Besonderes  geboten  wird,  ohne  den  erforder- 
lichen Zusammenhang  mit  der  Umgebung  zu  zer- 
stören. Das  kann  eine  Hecke  sein,  eine  Baumieihe,  oine 
Mauer,  oin  Spalier  —  die  Läugorgärten  und  die  Rosarien 
auf  der  Mannheimer  Ausstellung  geben  da  mehr  als  ein 
gutes  Beispiel  —  das  kann  sogar  der  Saum  von  Gehölz- 
partien sein,  kurz  es  kann  auf  die  verschiedenste  Art  ge- 
macht worden  und  muß  sich  aus  dem  Zusammenhange 
im  einzelnen  Falle  ergeben;  es  darf  nur  nicht  zu  störender 
Trennung  ebensowenig  zum  „vermittelnden"  Übergang 
werden,  der  die  beabsichtigte  Wirkung  zerflattern  und 
keine  Stimmung  aufkommen  läßt. 

Rosengärten  und  nicht  Rosarien!  Also  bei  der  Be- 
pflanzung  Rücksichtnahme  auf  die  Wirkung,  nicht  auf  den 
Sammelsport.  Mit  hundert  Rosen  in  fünfzig  Sorten  kann 
man  keine  Wirkung  erzielen,  aber  wenn  man  die  Auswahl 
unter  Berücksichtigung  des  Wuchses  und  der  Blütenfarbe 
auf  wenige  Sorten  beschränkt,  dann  wird  es  schon  sehr 
viel  besser.  Jedenfalls  geben  uns  auch  in  dieser  Richtung 
die  Mannheimer  Rosengärten  beachtenswerte  Anregungen. 
Dio  Bepflanzung  größerer  Flächen  mit  Sorten  von  ein- 
heitlicher Farbe  und  übereinstimmendem  Wüchse  hat  aus- 
gezeichnete Wirkung  gehabt,  ohne  daß  dadurch  Eintönig- 
keit zustande  gekommen  wäre.  Noch  mehr  kann  in  dieser 
Hinsicht  geschehen,  denn  in  dem  von  Boehm  bepflanzten 
Garten  finden  wir  immer  noch  ca.  100  Sorten,  davon 
rund  4500  Stück  niedrige  Strauchrosen  in  ca.  40  Sorten, 
also  von  jeder  durchschnittlich  100--120  Stück  und 
200  hochstämmige  Rosen  in  ca.  60  Sorten. 

Wer  sehen  will,  dem  kann  an  diesem  Beispiel  in 
Mannheim  gar  nicht  entgehen,  welche  wohltuimde  Wirkung 
gerade  die  Beschränkung  in  der  Sortenzahl  und  die 
Anwendung  großer  Mengen  einer  Sorte  bei  den  niedrigen 
Ro.sen  zur  Folge  gehabt  hat.  Wer  die  Beete  mit  Caroline 
Testout,  Gruß  an  Teplitz,  Farbenkönigin,  Van  Houtte, 
Mad.  Levavasseur,  Mad.  Jules  Grolez,  Frau  Karl  Iiruschki 
in  Blüte  gesehen  hat,  der  wird  mir  unbedingt  beipflichtiMi, 
wenn  ich  die  große  Sortenzahl  unserer  Rosarien  als  ein 
Hauptgrund  ihrer  unbefriedigenden   Wirkung  bezeichne. 

r)io  Wirkung  der  Beschränkung  in  der  Sortenzahl 
wird  noch  wesentlich  gesteigert,  wenn  bei  der  Auswahl 
der  Sorten  Wert  auf  gofälligon  Wuchs  gelegt  wird.  Über- 
lasse man  doch  den  Liebhabern  großer  Sortiments  alle 
die  zahlreichen  Sorten  von  schlechtem  Wuchs,  \ind  suche 
sich  statt  dessen  dic^jenigen  Sorten  aus,  welche  neben 
einer  gut  gef'ormton  Blüte  und  wirkungsvoller  Farbe  die 
Eigenschaft  besitzen,  einen  Strauch  von  gefälliger  Form 
zu  bilden. 

Und  daini,  wie  schon  gesagt,  die  llochstännnci  Will  man 
mit  ihnen  wirken,  und  daß  man  es  unter  Umständen  kann, 
ist  ja  nicht  zu  bezweifeln,  dann  muß  auch  bei  ihnen  Vorsicht 
in  der  Sortenwahl  beobachtet  werden.  Noch  mehr  als 
bei  den  Slraiichroson   hängt   der  l"]rfolg  von   giitnii  Wuchs 


IX,  10 


DIE  GARTENKUNST 


213 


ab  und  man  sollte  allo  Sorten  von  schlochtom  Wüchse 
von  der  Anzucht  als  Hochstämme  ausschließen.  Die 
Kronen  müssen  geschlossen,  dicht  und  gleichmäßig  ge- 
formt sein,  der  Stamm  gerade,  nirht  zu  dünn  und  vor 
allen  Dingen  die  Stammhüho  niul!  gleichmäßig  sein:  nicht 
als  ob  ich  fordern  wollte,  daß  in  einem  Rosengarten  nur 
Stämmchen  von  einer  bestimmten  Stammhiihe  verwendet 
werden  sollen  —  nein,  das  verlange  ich  nicht.  Aber  es  geht 
doch  nicht,  an.  daß  auf  einer  schnurgeraden  Rabatte  in  ganz 
willkürlicher  Reihenfolge  Stämme  von  den  verschiedensten 
Hiihenabmessungen  einander  folgen.  Will  man  wechseln 
in  der  Kronenhcihe,  dann  muß  es  in  bestimmten  Inter- 
vallen geschehen,  so  also,  daß  dann  auf  je  zwei  Halb- 
stämmo  ein  Hochstamm  folgt  und  so  fort.  Im  allgemeinen 
möchte  ich  überhaupt  den  Halb-  oder  Niederstämmen, 
d.  h.  den  Ivronenbäumchen  von  kurzem  Stamm  (etwa  bis 
75  cm  Höhe),  eher  das  Wort  reden,  afs  den  höheren  und 
letztere  vorzugsweise  für  Trauerrosen,  d.  h.  hochstämmig 
gezogene  Schlingrosen,  vorbehalten.  Aber  auch  in  letzter 
Hinsicht,  d.  h.  in  der  Verwendung  der  Schlingrosen  als 
sog.  Trauerrosen  sollte  man  sich  rechte  Zurückhaltung 
auferlegen.  So  schön  an  rechteni  Platz  ja  einmal  eine 
solche  Trauerrose  sein  kann,  ebensosehr  verliert  ihr 
Anblick,  wenn  man  ihr  zu  oft  begegnet.  Die  herrlichen 
Schlingrosen,  welche  wir  heute  besitzen,  köinnen  doch 
unendlich  viel  reizvoller  am  Spalier,  an  der  Laube  oder 
Pergola  wirken,  statt  mit  herabhängenden  Zweigen  auf 
hohem  Stamm  als  sog.  Krone.  Gerade  in  ihnen  ist  uns 
neuerdings  ein  Schatz  von  ungeahnter  Wirkungsmöglich- 
keit gegeben.  Wenn  wir  unseren  Rosengärten  etwas  von 
dem  märchenhaften  Dornröschenzauber  geben  wollen,  dann 
können  wir  es  nur  mit  Hilfe  unserer  Polyantha-  und 
Schlingrosen.  Ich  erinnere  an  die  herrlichen  Wichurajana- 
hybriden  und  ähnliche  Sorten.  Sie  sollten  uns  viel  zu 
gut  sein,  um  sie  in  ganz  widersinniger  Weise  als  hoch- 
stämmige „Trauerrosen"  zu  verwenden. 

Was  nun  endlich  die  Form  und  Anlage  der  Rosen- 
gärten anbelangt,  so  möchte  ich  warnen  vor  jeder 
Schablonen-  und  Regelhaftigkeit.  E)ie  Erfindungsgabe  und 
Phantasie  mag  sich  bei  ihnen  betätigen  und  Lösungen  zu 
finden  suchen,  die  dem  jeweils  vorliegenden  F'alle  ent- 
sprechen, nicht  aber  sich  bemühen  einen  „Typus"  für 
den  Rosengarten  zu  erfinden.  Wenn  man  tunlichst  voraus- 
setzungslos an  die  Aufgabe  herantritt,  dann  wird  es  auch 
andern  als  Prof.  Läuger  gelingen,  gute  Lösungen  und 
neuartige  Beispiele  zu  finden.  Ehe  ich  schließe,  möchte 
ich  einen  in  Mannheim  vorgeführten  Rosengärten  noch  einige 
Worte  widmen.  Die  Gärten  in  ihrer  Ausführung  ent- 
sprachen nicht  ganz  den  Plänen.  Hierbei  fällt  zunächst 
auf:  die  Ausstattung  mit  Bildwerken,  Architekturen, 
Bänken,  Brunnen  u.  dgl.  ist  bei  weitem  weniger  reich- 
haltig ausgefallen,  als  es  geplant  war  und  das  ist  sehr 
schade,  denn  es  sah  an  manchen  Stellen  geradezu  dürftig 
aus.  Wir  können  ja  nicht  untersuchen,  ob  die  Aus- 
stellungsleitung hier  falsche  Sparsamkeit  hat  walten  lassen 
oder  ob  die  Aussteller  es  haben  an  sich  fehlen  lassen. 
Jedenfalls  hat  es  keinen  Sinn,  Sitzplätze  vorzusehen  und 
nachher    die    Bänke    fortzulassen    und    ähnliches.      r»as 


andere,  was  auffällt  ist,  daß  die  vorhandenen  Bäume  nicht, 
wie  es  geplant  war,  zu  strengen  Formen,  ivugeln  u.  dgl. 
verschnitten  worden  sind  und  das  ist  sehr  gut.  An 
einigen  hat  man  es  zwar  versucht,  aber  der  Schnitt  ist 
wieder  verwachsen,  die  Mehrzahl  hat  man  in  ihrer  zwang- 
losen Form  gelassen  und  so  erfreuen  wir  uns  an  dem 
malerischen  Kontrast  zwischen  der  strengen  Grundriß- 
anordnung und  Architektur  der  Gärten  und  den  regellos 
malerisch  sich  entfaltenden  Baumkronen,  die  dazwischen 
stehen. 

Die  Architektur  hat  manchiin  .Vnlaß  zu  ironis(di- 
kritisehen  Bemerkungen  gegeben.  Ich  will  gern  bekennen, 
daß  auch  ich  beifällig  gelächelt  habe,  als  jemand  beim  Anblick 
der  weißen  Pfeiler  des  von  Boehm-Oberkassel  bepflanzten 
Rosengarten  zitierte:  „In  den  öden  Fensterhöhlen  usw." 
Es  schien  nicht  ganz  unzutreffend,  und  ebenso  pflichtete 
ich  bei,  wenn  man  den  von  Lambert-Trier  bepflanzten 
Rosengarten  bevorzugte,  weil  nicht  soviel  aufdringliche 
weiße  Architektur  darin  war  und  die  Aufteilung  des 
Gartens  durch  eine  grüne  Efeuwand  bewirkt  war.  Allein 
je  mehr  die  Anpflanzungen  sich  entwickelten  und  nament- 
lich Schlingrosen  und  wilder  Wein  das  harte  Weiß  ein- 
zuspinnen tortfuhren,  desto  reizvoller  wurde  die  Sache  und 
ich  habe  mich  in  jenem  Garten  ganz  im  Gegensatz  zu  den 
anderen  förmlich  verliebt.  Gewiß  kann  man  über  manche 
Anordnung  zweierlei  Meinung  sein,  so  dürfte  z.  B.  sich 
darüber  streiten  lassen,  ob  die  Höherlegung  dos  Bodens 
zwischen  den  beiden  Pfeilerstellungen  nicht  zweckmäßiger 
einer  Senkung  gewichen  wäre.  Auch  kann  man  einwenden, 
daß  die  zweimalige  Aufteilung  des  Gartens  durch  die  pergola- 
artigen Pfeileranordnungen  etwas  des  Guten  zuviel  geworden 
sei  —  gewiß,  aber  daß  sich  durch  sie  eine  Menge  höchst 
reizvoller  Bilder  ergaben,  das  kann  nicht  bestritten  werden. 
Ich  habe  beide  Rosengärten  auf  das  eingehendste  mit 
der  Kamera  durchforscht  und  während  sich  in  dem  einen 
ganz  ungesucht  mir  die  Bilder  fast  an  jeder  Ecke  auf- 
drängten, ist  es  mir  kaum  gelungen,  eine  leidlich  be- 
friedigende Aufnahme  in  dem  andern  Garten  zustande  zu 
bringen.     Das  will  doch  sehr  viel  besagen. 


Verschiedene  Mitteilungen. 


Preisausschreiben  Friedhof  Stahnsdorf.  Die  Berliner 
Stadtsynode  ei'liiljt  mit  l'rist  zum  1.  Februar  1908  ein  Preis- 
aussclireiben  zur  Erlangung  von  Entwürfen  für  die  Einrichtung 
des  Südwestfriedhofes  bei  Stahnsdorf  (Kr.  Teltow).  Das  Aus- 
schreiben ist  offen  für  deutsche  Architekten  und  Gartenkünstler. 
Unterlagen  versendet  gegen  Einsendung  von  .5  Mark,  die  bei 
Einreichung  eines  Entwurfs  zurückerstattet  werden,  der  ge- 
schäftsführende Ausschuß  der  Berliner  Stadtsynode.  Berlin  C  2, 
Neue  Friedrichstraße  69.  Drei  Preise  sind  ausgesetzt  in  Höhe 
von  6000,  4000,  2000  Mark.  Weitere  Entwürfe  können  für 
1000  Mark  angekauft  werden.  Unter  den  9  Preisrichtern  be- 
finden sich  neben  i  Laien  1  Bildhauer,  2  Architekten  und 
2  Gartenkünstler  (A.  Weiß  und  Vogeler). 

Das  in  Frage  kommende  Gelände  ist  rund  110  ha  groß, 
etwa  zu  zwei  Dritteln  mit  Kiefern  in  Altersklassen  von  20  bis 


214 


DIE  GARTENKUNST. 


IX,  10 


80  Jahren  bestanden  und  weist  Höhenunterschiede  his  rund 
8  Meter  auf. 

Im  Programm  wird  es  als  wünschenswert  bezeichnet,  dal.! 
sich  für  die  Bearbeitung  Architekten  und  Gartenkünstler  ver- 
einigen, da  die  Lösung  der  gestellten  Aufgabe  (Grundplan» 
Höhenschichtenplan,  Plan  eines  Beerdigungsblockes,  Ansichten, 
Grundrisse  und  .Schnitte  der  erforderlichen  Baulichkeiten)  teils 
auf  dem  Gebiete  der  Baukunst,  teils  dem  der  Garteukunst  liegt 
und  der  Entwurf  die  Gesamtanlage  darstellen  soll.  Der  Ein- 
druck des  öffentlichen  Parkes  soll  vermieden  werden,  die 
Anlage  soll  einfach  und  würdig  sein  und  eine  weitgehende 
Verwertung  des  Geländes  ermöglichen.  Es  gilt  in  diesem 
Wettbewerb  „künstlerische  Ausdrucksmittel  für  eine 
Friedhofsanlage  zu  erhalten,  die  dem  Empfinden  der 
evangelischen  BevölkerungNorddeutschlands  zusagt 
und  vertraut  ist". 

Der  geschäftsführende  AusschidJ  der  Stadtsynode  behält 
sich  das  Recht  vor,  eine  zusammenfassende  V^eröffentlichung 
einiger  oder  aller  preisgekrönten  oder  sonst  erworbenen  Ent- 
würfe zu  veranstalten.  H. 

Obergärtnerprüfung  an  der  Gartenbauschule  zu 
Dresden.  lOinera  lange  gehegten  Wunsche  entsprechend  ist 
nunmehr  auch  für  Besucher  der  Gartenbauschule  des  CJarten- 
bauverbandes  für  das  Königreich  Sachsen,  die  bekanntlich  un- 
längst in  Laubegast  ein  neues  Heim  bezogen  hat,  die  Möglich- 
keit geschaffen,  die  Obergärtnerpräfung  abzulegen.  Unter  dem 
7.  September  d.  Js.  hat  das  Kgl.  Sachs.  Ministerium  des  Innern 
zu  Dresden  die  Prüfungsordnung  für  das  Obergärtnere.\amen 
genehmigt. 


Personalnachrichten. 

Stadtgartendirektor  Julius  Trip.f  Die  Nachricht  von 
dem  Hinscheiden  des  Vorsitzenden  der  D.  G.  f.  G.  hat  uns 
nicht  unerwartet  getroffen.  Man  wußte,  daß  er,  der  noch  im 
vorigen  .Jahre  die  Hauptversammlung  der  Gesellschaft  in  Nürn- 
berg in  gewohnter  Frische  und  Rüstigkeit  geleitet  hat,  von 
einer  schweren  Erkrankung  befallen  war,  die  in  seiner,  keine 
Rücksicht  auf  die  eigene  Person  kennenden  rastlosen  Tätigkeit 
auf  den  verschiedensten  Gebieten,  ihren  Ursprung  gehabt  haben 
dürfte.  War  auch  den  Näherstehenden  seit  einigen  Wochen 
bekannt,  daß  sein  Zustand  hoffnungslos  geworden  war,  so  hat 
trotzdem  die  Nachricht  von  seinem  am  18.  September  d.  Js. 
eingetretenen  Tode  überall  erschütternd  gewirkt  und  das  Gefühl 
schmerzlichster  Teilnahme  erweckt.  Unwillkürlich  legt  sich 
jeder  die  Frage  vor,  was  hätte  dieser  erst  50jährige  Mann  bei 
seinen  Fähigkeiten  und  glänzenden  Eigenschaften  noch  alles 
leisten  können,  wenn  ihm  eine  längere  Lebensdauer  beschieden 
gewesen  wäre.  Die  Lücke,  welche  .sein  Scheiden  hinterläßt,  wird 
nur  schwer  auszufüllen  sein. 

Diesen  Empfindungen  hat  der  M.agistrat  der  Kgl.  Ilaupt- 
und  Residenzstadt  Hannover  in  seinem  Beileidschreiben  an 
Frau  Stadtgartendirektor  Trip  Ausdruck  gegeben,  in  welchem 
hervorgehoben   wird,    daß  der  Verstorbene  im  nie  ermüdenden 


Schaffensdrang  sein  mit  vornehm  künstlerischem  Geschmacke 
gepaartes  reiches  Können  der  Verschönerung  Hannovers  dienst- 
bar gemacht  und  Kunstwerke  von  unvergleichlichem  Wert  habe 
entstehen  lassen,  die  seinem  Namen  einen  Ehrenplatz  in  der 
Geschichte  der  Stadt  sichern.  Das  Schreiben  schließt  mit  der 
Mitteilung,  daß  die  städtischen  Kollegien  beschlo.ssen  haben, 
in  Anerkennung  seiner  grol.'ien  Verdienste  auf  dem  Stöckener 
Friedhofe  und  zwar  in  dem  schönen  als  Heidepartie  ausge- 
bildeten Teile,  die  eine  Lieblingsschöpfung  des  Verstorbenen 
war,  ein  Erbbegräbnis  unentgeltlich  zur  Verfügung  zu  stellen. 
Dort  ist  er  um  die  Mittagsstunde  des  21.  September  zur 
letzten  Ruhe  bestattet  worden,  als  erster  auf  dem  von  ihm 
geschaffenen  neuen  Friedhofsteile.  Außer  zahlreichen  Mit- 
gliedern der  Behörden  und  Vereinigungen,  denen  er  angehört 
hatte,  gab  ihm  der  Vorstand  und  eine  große  Anzahl  von  Mit- 
gliedern der  Deutschen  Gesellschaft  für  Gartenkunst,  deren 
Förderung  ihm  von  jeher  am  Herzen  gelegen  und  für  die 
er  besonders  in  den  letzten  Jahren  zielbewußt  und  mit  unver- 
kennbarem Erfolge  seine  ganze  Kraft  eingesetzt  h.atte,  das 
Geleite.  Heicke. 

Dr.  Höstermann,    Assistent    am    botanischen  Institut  der 
landwirtscliaftlichon  Akademie  in  Poppeisdorf  bei  Bonn,  ist  als 
Nachfolger  Dr.  K.  Müllersf  zum  Lehrer  der  Botanik  und  Vor- 
steher der  pflanzenphysiologischen  Versuchsstation  an  die  Kgl. 
Gärtnerlehranstalt   nach  Dahlem    berufen.    —  Lindemuth,  H., 
Dozent    an    der  landwirtschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin,    ist 
zum  Kgl.  Gartenbaudirektor  ernannt  worden.  —  Hartnauer,  R. 
seither  in  Berlin,  übernalun  die  Leitung  der  Ga,rtenanlagen  der 
Flora  in  Köln-Riehl.  —  Lukas,  Fr.,  Kgl.  Ökononderat,  Besitzer 
und    Leiter    des    pomologischen  Instituts   zu  Reutlingen,  feiei't 
am  28.  September  d.  Js.  sein  SOjähriges  Berufsjuhiläum.     Geb. 
30.  Okt.  1843  zu  Regensburg,    wo    sein  Vater,    der    nachherige 
Gründer    des    in    Obstbaukreisen    hochangesehenen  Reutliuger 
Institutes,  Dr.  Ed.  Lucas,  damals  Obergärtnor  war,  eignete  sich 
Fr.  Lukas  seine  ersten  gärtnerischen  Kenntnisse  bei  Hofgärtner 
Müller  auf  der  Wilhelma  bei  Stuttgart  und  bei  Benary,  Erfurt, 
1858 — 1861    an.     Später    war    er    bei   Baltet  Freres    in   Troyes 
und   seit  Herbst  18(i7    im  väterlichen  Geschäft  tätig,    in  dessen 
Besitz    und  Leitung    er    1882    seinem  Vater    folgte.     Sein  Vor- 
dienst   auf    dem  Gebiete  des  Obstbaues  und   seine  erfolgreiche 
praktische    und    literarische  Tätigkeit    sind    allgemein  bekannt 
und  allseitig  anerkannt.  —  Hellemann,  Baumschulenbesitzer  in 
Moorende  bei  Bremen,  langjähriges  Mitglied  der  D.  G.  f.  G.  ist 
im  Alter   von  54  .lahren    nach   langer  Krankheit  gestorben.  — 
Karich,  Th.  G.,   Bremen,  erhielt  auf  der  Jubiläumsausstellung 
des  Gartenbauvereins    für  Bremen    und  Umgegend    in  der  Ab- 
teilung  „Gartenkunst"    die    große    goldene    Staatsmedaille    des 
Senates   der  Freien    und     Hansestadt    Bremen.    —  Ledien,  F., 
Inspektor    des    Botan.  Gartens   zu    Dresden,   ist   als  Nachfolger 
Perrings  zum  Inspektor  des   Kr>nigl.  Botan.  Gartens  in   Dahlem 
ernannt    worden.    —    Löbner,  Max,    Obergärtner   und  Lehrer 
an    der  Schweizerischen    Gartenbauschule    zu   Waedonswil,   ist 
als  Inspektor  des  Botan.  Gartens  nach  Dresden  berufen  worden. 
—  Richter,    llofgärtner  in  Dessau,    ist  am   1.  Oktober  d.  .1.  in 
den    linhestatul    getreten.    —    Diermaycr,  M.,   seither  bei  der 
.Jnbiläumsaus.stellung     in     Mannheim    tiitig,     wurde    als    städt- 
Gartenbauingenieur  nacli   Kattowitz  O.-Schl,  berufen. 


KUr  riie  Redaktion  verantwortlieh:  Stadt-Oartendirektor  Heicke,  Frankfurt  a.  M.    -   Verlag  von  Gebrüder  li «  rn  t  r  aege  r ,  Berlin  SW.  11, 

GrofMbeeren  .Sirafse  9.  —  Druck  von  A.  W.  Uayn's  Erben,  Potsdam. 


IX.   11 


DIR   GARTENKUNST 


215 


1.   IJlick  über  den  Teich  nach  der    Pergola. 
Aufnahmen  aus  dem  Sondergarten  von  Fr.  Henkel-Darmstadt  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstelhinc 


Von  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung  1907. 


Ob  Gartenkünstler  oder  Kunstgiirtner.  die  Wort- 
spielerei tut's  hier  nicht,  der  Henkeische  Garten  muß  jeden 
interessieren,  ganz  gleich,  zu  welcher  Riclitung  er  schwort 
und  ob  er  dem  lieben  Gott  oder  dem  Menschen  den 
größeren  Anteil    an    der  Gestaltung   von   Gärten  einräumt. 

Spreche  ich  hier  .lusschlioülich  von  dem  Henkeischen 
Garten,  so  bin  ich  gezwungen,  auch  jene  Leistungen  zu 
streifen,  die  im  großen  und  ganzen  die  Mannheimer  Aus- 
stellung ausmachen  sollten.  Ich  meine  die  Läugerschen 
Gärten,  die  programmäßig  den  künstlerischen  Mittelpunkt 
des  Ausstellungsgeländes  in  gärtnerischer  Beziehung  bilden 
sollten,  gleichsam  mit  der  Voraussage:  sie  sollten  zeigen, 
wie    heute  Gartenkunst    gcpfle.gt   werden    müsse  —  viel- 


II.  Her  Soiulersaiteii  von  Fiv  Henkel,  Darmstadt. 
V..n  Otto  Schulze,  f;iberfeld. 

sehen  Garten  schließe  ich  hiervon  nicht  aus,  denn  die 
gewichtigsten  Stimmen  klingen  darin  zusammen,  daß  die 
Gärten  L>armstadts  1U05  nicht  erreicht,  geschweige  denn 
übertrotten  worden  seien.  Ich  neige  zu  derselben  An- 
sicht, ohne  mich  aber  auch  der  anderen  verschließen  zu 
wollen,  daß  die  gärtnerische  Gesamtleistung,  mit  .ganz 
geringen  Ausnahmen,  in  Mannheim  die  von  Eiarmstadt 
1905  überragte,  und  das  nicht  bloß  im  Sinne  der  räum- 
lichen Abmessungen  genommen.  Nicht  alle  ExperFmonte 
schlagen  gleich  gut  aus.  Wenn  Maler  und  Architekten 
neue  Raumkunstprobleme  heraufholton  und  überwiegend 
mit  großem  Geschick  lösten,  so  war  damit  noch  nicht  zu 
erwarten,  daß  dieselben  in  anderen  E)ingen  von    gleichem 


leicht  in  der  Erwartung,  daß  die  die  Musterbeispiele  um-  Glücke  begünstigt  sein  würden.  Es  ist  doch  noch  lange 
gebenden  Gärten  von  lümstgärtnern  und  den  neueren  Garten- 
künstlern schlechthin  der.  Beweis  erbringen  würden,  wie 
man  es  eben  nicht  maclien  solle!  L)as  ist  nun  nicht 
alles  so  eingetroflen;  es  haben  gewisse  Verschiebungeij 
stattgefunden,  die  neue  Perspektiven  schufen  und  damit 
auch   neue  Standpunkte  forderten. 


nicht  gleich,  ob  meine  Phantasie  Totes  belebt,  was  iloch 
in  der  gesamten  bildenden  Kunst  unbedingt  der  Fall  ist, 
oder  ob  diese  selbe  Phantasie  Lebendiges  tötet,  was  in  bezug 
auf  den  Begriff  „Garten"  bisher  noch  überwiegend  der 
Fall  gewesen  ist. 

Ich  kann    die  Läugerschen  Gärton    in  Mannheim  nur 


Wirklich  große  Leistungen  im  Fordern  der  Garten-  als  Gartenhöfe  und  Brunnenhfife,  als  Introduktionen,  als 
kunstbewegung  hat  keiner  der  m  Mannheim  beteiligten  Übergänge  zu  wirklichen  Gärten  ansprechen.  Was  sind  sie 
Berufenen    und   Unberufenen    gezeitigt,    auch    den   Henkel-      weiter,   was  kiUmcn  sie  uns  weiter  sein,  da  sie  doch  dem, 


äi6 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  11 


dem  sie  den  Boden  bereiten  sollten,  das  AUm-notwendio-ste 
der  Lebensbedingungen  genommen  haben.  Ich  lasse  hier 
nur  den  Badhaus,a:arten  heraus,  und  den  finden  wir  so 
oder  doch  sehr  ähnlich  in  jeder  früheren  Kulturepoche 
auch,  ob  wir  deswegen  bei  uns  oder  in  größeren  Fernen 
Rundschau  halten:  je  schöner,  je  mehr  wir  uns  dem 
Süden  nähern  und  nicht  schlechter,  wenn  wir  in  1  >eatsch- 
land  bleiben.  Nennen  wir  doch  endlich  mal  wieder  die 
I»inge  bei  ihrem  richtigen  Namen,  erinnern  wir  uns  doch 
im  Weichbilde  des 
Mannheimer  Rosen- 
gartens, daß  Schwet- 
zingens noch  immer 
schöner  und  inter- 
essanter Park  nicht 
weit  al)liegt.  Es  tut 
mir  leid,  ich  kann 
hier  nicht  mittun,  so 
lieb  mir  sonst  Läuger- 
sche  Kunst  immer 
gewesen  ist. 

So  lange  die 
Gartenkünstler  die 
Lebensbedingungen 
aus  ihren  Kunst- 
gärten bannen,  resp. 
sie  zwischen  all  den 
Steinen  und  Künste- 
leien, zwischen  Kies- 
schüttungen,  Latten- 
gorüsten und  unar- 
chitektonischen 
weißen  Mauern  nicht 
aufkommen  lassen, 
so  lange  kann  von 
einer  Gartonkunst  in 
dem  schon  oft  be- 
rührten Sinne  nicht 
die  Rede  sein.  Zwei 
Reihen  Birkenstämm- 
chen,  die  sich  ge- 
genseitig ersticken 
müssen,      und     eine 

Skulptur  zweiten 
Ranges,  die  machen  "s 


Lageplan  zum  Sondergarten  von  Pr.  Heukcl-Dai-mstadt  auf  der 
Mannlii-iiiicr  (1  arten  baiiaii  stell  im  "■. 


nicht  aus.  Weshalb  hat  sich  Läugcr  in  seinen  beitlen 
Rosarien  von  einer  bedeutend  vortoilhalteien  Seite  gezeigt? 
Ich  weiß  es;  die  Gärtner,  die  ihm  dafür  ihre  Lieblinge 
hergeben  mußten,  werden  gesagt  haben:  „Schon,  lieber 
Herr  Professor,  —  aber  unsere  Rosen  wollen  und  sollen 
blühen,   das  aber  überlaßt  uns!" 

Und  drüben  bei  den  Steinen  uml  Hasen  streifen  sind 
sie  zu  Willen  gewesen,  haben  es  wenigstens  sein  wollen 
und  haben  gemeint:  Was  schert's  uns?  Taxuswände  von 
6 — 8  m  gibt  es  nicht,  aber  auf  ein  [lutzend  Birken- 
stämmchon  und  —  doch  —  eingehende  Lebeiisbäume 
und  dergleichen  soll  es  uns  nicht  ankommen.  Diesen 
Gärtnern  mache  ich  den  Vorwin-f,  daß  sie  Professor  Läuger 


zu  sehr  zu  Willen  gewesen  sind,  [.»ann  doch  lieber  sagen: 
„E)azu  gebe  ich  meine  Kraft,  mein  \Mssen  und  Können 
nicht  her.  Hier  handlangere  ich  mal  nicht."  Und  somit 
streiche  ich  wehmütig  den  Begriff  Garten  aus  der 
Mannheimer  Ausstellung,  die  anderen  an  sich  netten 
Leistungen  von  Brahe,  Behrens,  Schultze-Naumburg,  weil 
nichts  Neues  bietend,  übergehend.  Es  ist  auch  nicht 
meine  Aufgabe,  hier  darüber  zu  sprechen,  ich  bin  erstaunt 
über    alle    die    \Mdersprüche,     die    sich    hier    gegen     die 

Forderungen  der 
neueren  Bewegung 
hervordrängen.  Sol- 
len nicht  Haus  und 
Garten  eine  architek- 
tonische Einheit  sein? 
Wie  kann  ich  aber 
eine  Einheit  gewin- 
nen, wenn  ich  die 
Teile  abtrenne.  Frü- 
her machte  man  der 
hohen  Kunst  so  oft 
zum  Vorwurf,  daß 
sie  Werke  liefere,  die 
sich  schwer  oder  gar 
nicht  in  Räume  ein- 
gliedern ließen.  Ja, 
ist  es  denn  nicht  das- 
selbe, den  kleinen 
Garten,  hier  sogar 
Kunstgarten  benannt, 
als  einzelnes  Ge- 
schehen zu  bringen, 
lo.sgelöst  von  allem 
Zugehörigen?  Läu- 
gers  Badhaus  ist  in 
unmittelbarer  Nähe 
eines  Wohnhauses 
nicht  zu  denken, 
denn  es  ist  ein  Tus- 
kuliim  für  sich:  es 
kann  nur  in  dem 
verschwiegenen  Teile 
eines,  wenn  auch 
kleinen,  Parkes  ge- 
dacht wenlen.  |ti(> 
anderen  Gärten  Läugers  fordern  aber  geradezu  die  Nähe 
von  Architekturen,  zum  mindestens  beslimmt  angedeutete 
Nachbarschaften,  aus  denen  l'borgänge  gefolgert  werden 
kiinnen.  Auch  als  Atisschnitte  größerer  Anlagen  gedacht, 
sind  sie  zu  klein,  zu  maßstablos.  Btu  Henkels  Garten  trill't 
ilas  ni(-ht  zu,  (M'  kann  nur  der  Aussehnitt  eiiii-r  großen 
Anlage  sein. 

E)er    hier    mit    einer    l\(>ihe    guter    Abliildunu-en    zur 

V(>röffinitlichuili;-      keininellde      lli'llkelselie    (lai'ten,      so      \(ill 

und  ganz  es  sich  auch  in  ihm  um  eine  .Meisterleistung 
großen  Stils  handeln  mag,  ich  stehe  unter  diesem  Ein- 
druck, ist  auch  kein  Garton  jener  „höheren"  künstlerischen 
Art,    will    auch     nu'iiu's   Wissi'us    tcar    kein    solcher    sein. 


IX,  n 


DIE   GARTENKUNST 


217 


2.  Eingangspartie  mit  l'avillon. 


3    Brücke. 
Anlnahmen  aus  dem  Souderffarten  von   Fr.  Henkel-Darmstadt  auf  der  Manuheimer  Garteubauausstellnng. 


218 


DIE   GARTENKUNST 


IX,   II 


4.  Sitzplatz;  seitlich  im  Gebüsch  eine  japanische  Steinlaterne. 


.').   Kleiner  'J'i'ich  mit  japanischem  Pavillon. 
Aufnahmen  ans  dein  Sonderkarten   von   I'r.   llenkel-üarmstadt  auf  der  Mannlieimer  Gartenbanansstellui 


IX,  11 


DIE  GARTENKUNST 


M!) 


6.  Blick  iü  die  Pergola. 


7.  Pergola  von  außen  gesehen. 
Aufnahmen  aus  dem  Sondergarten  von  Fr.  Henkel-Darmstadt  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


220 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  11 


sondern  ein  Pai'kausschnitt,  ein  Pai'k\vini<el  einer  sroli- 
herrschaftlichen  Anlage,  oder  —  oline  seine  Steinliunst 
—  ein  Teil  einer  botanisch- wissenschaftlichen  Siedelunir, 
einer  Floragesellschaft  und  dergleichen.  Kein  Mensch 
würde  sich  ein  gleich  großes  Gelände  gärtnerisch  so  auf- 
teilen lassen,  auch  wenn  die  natürlichsten  Vorbedingungen 
dazu  geboten  schienen. 

Und  doch  haben  wir  es  in  und  an  sich  mit  einer 
Leistung  zu  tun,  der  wir  neben  dem  aus  der  Kritik  ver- 
bleibenden Lobe  nur  Bewunderung  zollen  können,  [»a 
mag  vieles  auf  den  ersten  Blick  etwas  exotisch  anmuten, 
man  denkt  an  Japan,  Indien  und  Slam,  um  beim  Anblick 
der  mächtigen  deutschen  Laubkronon  wieder  in  die  Hei- 
mat zurückzukehren.  Kein  anderer  Gartenkünstler.  be- 
halten wir  dieses  Wort  getrost  bei,  hat  sich  wohl  mit 
dem  Gelände  und  seinem  Vegetationsbestand,  namentlich 
an  schönen  alten  Bäumen,  so  abzufinden  gewulit  wie 
Henkel.  Natürlich  haben  größere  Erdbewegungen  und  Neu- 
pflanzungen stattfinden  müssen,  um  ein  so  geschlossenes 
Bild  üppigsten,  strotzendsten  Wachstums  zustande  zu 
bringen.  Hier  hat  das  Werden  eine  ebenso  große  Rolle 
gespielt  wie  das  Erhalten  in  der  Gestaltung.  Der  Gärtner 
sieht  hierbei  die  Zukunft  in  der  Gegenwart:  der  Auch- 
gärtner  wartet  ab,  was  daraus  worden  möchte;  mit  vielen 
Rissen  ist  auch  him-  nicht  geholfen.  Ist  es  schon  eine 
große  Kunst,  sich  mit  Vorhandenem  in  der  Natur  alizu- 
flnden,  sein  Daseinsrecht  zu  respektieren,  so  eine  noch 
viel  größere,  das  Hinzukommende  maßstäblich  damit  in 
Übereinstimmung  zu  liringen.  Als  ich  kürzlich  in  unserer 
Zeitschrift  meine  kh'ine  Studie  über  „Die  Szenerie  in  der 
Gartenkunst"  veröflentlichte,  da  dachte  ich  noch  nicht  an 
Mannheim  und  seine  Überraschungen.  Hier  fand  ich  viele 
Einzelheiten  bestätigt:  mehr  als  das:  ich  fand  eine 
Steigerung  wie  wohl  nur  wenige  auf  die  Dauer  sie  aus- 
zuhalten vermöchten.  Aber  Henkel  tat  recht  daran,  er 
mußte  darauf  bedacht  sein,  die  stärksten  Eindrücke  zu 
hinterlassen.  So  will  es  die  Ausstellungskunst,  mit  der 
eine  berühmte  Großgärtnerei  in  die  Schranken  zu 
treten  hat. 

Henkel  hat  an  dem  jungen  Architekten  Kurt  Hoppe 
in  Mannheim  einen  tüchtigen  Mitarbeiter  gefunden,  der 
sich  eben  so  sehr  in  die  Absichten  des  Gärtners  hinein- 
fand, wie  dieser  selbst  in  die  ^^'ünsche  des  Architekten. 
An  manchen  Stellen  des  märchenhatten  Gartens  hat  man 
zwar  das  Gefühl,  daß  ein  überaus  angespanntes  Messen 
der  Kräfte  stattgefunden  habe,  bei  dem  wechselnd  der 
Gärtner  oder  der  Architekt  einen  besonderen  Trumpf  als 
Sieger  ausspielte:  mir  will  es  scheinen,  als  habe  dieser 
wie  jener  oft  mit  zu  vollen  Händen  gespendet.  Die  Kunst 
im  Garten  muß  auch  hier  wörtlich  genommen  werden. 
Sie  bildet  auch  hier  das  Zugegebene,  das  in  die  Natur 
Hinoing(itragono.  Vielleicht  hätte  manches  Steinmonument 
herausbleiben  können  zugunsten  der  an  sich  ganz  reiz- 
vollen kleinen  Architekturen,  die  zum  Genießen  der  An- 
lage aufforderten;  die  Gesamtanlago  würde  damit  noch 
gewonnen  haben  an  Größe  und  I'^inhoit,  in  der  Zusanunen- 
ziehung  einzelner  Partien.  Man  glaubt  gar  nicht,  wie 
wonig  ein  echter  Garten  an  hineingetragener  Kunst  bedarf. 


Aber  die  Architekturen  selbst  waren  glücklich  gewählt, 
geschickt  gelöst  und  äußerst  vorteilhaft  verteilt.  Hier 
zeigte  der  Architekt  in  allem  eine  glüeklifho  Hand.  L)ie 
ausged(5hnto  Pergola,  die  den  Henkel-G:irten  nach  deni 
Kaffeegarten  des  Zillertals  mit  dem  ekeihnfton  Hnmni'n 
abschloß,  war  ein  Schachzug  ersten  Ranges,  um  das  gi'oße 
Gesamtbild  zur  Ruhe  zu  bringen  und  nach  Belieben  partien- 
weis  wieder  aufzulösen. 

Daß  der  Garten  nach  den  übrigen  Seiten  offen  lilieb, 
ist  mit  Recht  zu  tadeln,  denn  er  ging  stellenweise  zu  sehr 
in  das  übrige  Gelände  über  und  zeg  Teile  damit  zu  sich 
heran,  die  nicht  immer  zu  ihm  paßten.  Aber  Henkel 
durfte  sieh  diese  Freiheiten  eher  leisten  als  irgend  ein 
anderer.  Wäre  Schultze-Naumburgs  Garten  ohne  die  hohe 
Mauer  gewesen''  Sie  schloß  einen  Rest  schöner  Er- 
innerung ein:  mehr  nicht.  Der  Henkeische  Garten  würde 
noch  mehr  gewonnen  haben,  wenn  er  ganz  zwischen  großen 
Baummassen  mit  starkem  Unterholz  hätte  eingebettet 
werden  können.  Jenseits  der  Pergola  konnte  es  dann 
auflichten,  in  niedrige  Bepflanzung  mit  Wiesenflächen 
übergehen.  Wir  sehen  darn,us,  daß  trotz  aller  ehrlichen 
Anstrengung  immer  noch  manches  übrig  bleibt,  das  der 
Kritik  Angritl'spunkto  gewährt.  Lieferten  wir  stets  \'ol- 
lendetes,  wo  bliebe  der  Fortschritt.  Sei  das  auch  ein 
Trost  tür  die,   die  uns  in  Mannheim  enttäuschten. 

Henkel  hat  seine  Kulturen,  die  aufzuzählen  über  den 
Rahmen  dieses  kleinen  Aufsatzes  weit  hinausgehen  würde, 
mit  seltenem  Geschick,  mit  liebevollster  Hingabe,  ja  mit 
zum  Teil  raffiniertem  Egoismus  ans  Lieht  zu  bringen  ge- 
wußt, die  damit  gesteigerte  Pflege  nicht  scheuend.  Hier 
berührten  sich  Gegensätze,  stießen  einander  nicht  ab;  es 
war  eben  die  Ausstrahlung  gärtnerischer  Kunst  bis  in  die 
feinsten  Lebensbedingungen  hinein.  Trotz  der  Wasser- 
flächen keine  grellen  Lichthärten,  die  Baunischatten  dämpfton 
wieder,  das  satte  Grün  ließ  Blütensterne  aufleuchten  in 
allen  Farben.  Vor  der  mächtigen,  wie  in  Gold  getauchten, 
mit  Grün  und  Blüten  behangenen  Pergola  breitete  sich 
der  Teich,  dahinter  gliederten  sich  die  Baumgruppen, 
bargen  sich  die  eingebetteten  kleinen  Arciiitekturen.  \\'ar 
man  von  Sonnenglanz  begünstigt,  dann  waren  der  Phan- 
tasie keine  Grenzen  gezogen ;  und  stiegen  abends  die 
webenden  Dünste  vom  Wasser  auf,  dann  bauten  sie  den 
Träumen  Brücken. 

Das  mag  eitel  Sinnen  sein,  und  tlorli  ist  es  ki'ins. 
Und  doch,  geht  nicht  all'  unser  Wünschen  auf  eine  Spanne 
Land,  über  die  sich  ein  Stückchen  Himmel  W(ilbt''  Und 
mochten  wir  daim  dai'auf  nicht  lieber  Blumen  denn  Steine 
haben,  nicht  lielier  lasteinle  Zweige  denn  ragende  Götzen! 
Und  miiehten  wir  dann  das  Ganze  nicht  lieber  Garten 
denn  Hot  nennen'.'  Was  macht  der  lia.uei'  aus  seinem 
Garten,  was  machen  wir  dar.aus.  In  den  Stuben  starrt 
uns  dann  etwas  Ähnliches  an,  aber  kein  Leben,  nichts  aus 
Gottes  gütiger  Hand,  das  wir  pflegen  und  lieben  kömiten. 
L>amals,  wir  vermögen  es  kaum  nachzudenk<Mi,  als  dei- 
Garten  sich  an  unsere  Häuser  heraiulrängli'.  sich  vom 
Acker  trennte,  bat  ov.  man  miige  ihm  doch  die  Steine 
nehmen.  Heule  w(M'fen  wir  sie  wiedei' hinein  uml  nennen 
das  Kunst. 


IX,  11 


DIE  GARTENKUNST 


221 


[>M\n  lieber  den  üarleii  in  seiner  iMnfalt,  keinen  mit  lieinen.  Iieslia.lli  will  ieli  eine  Schilderuns;'  dem  Ijcvser  er- 
l'ranw  üi'diii'er  Kunst  geseli\viini;'erten  lieiliü;en  Ilain,  dui'ch  sparen,  her  (lai-ten  des  Prof.  Schultze-Xanmliurj;-,  hat 
dessen  Fu.ijen  im  steingopt'lasterten  lief  sich  Grasspitzen  mich,  wie  wohl  die  meisten  Besucher,  in  eine  wohltuende, 
und  Keime  zwäng'en,  um  ans  Licht  zu  kommen.  —  Ge-  angenehm-ruhi.ge  Stimmung  versetzt.  Das  lauschig  Ab- 
wili.    der  Henkeische  Garten  gehört  denen,    die    mit  sechs      geschlossene,  das  Einfache  und  Ungewollte,  das  Aufrichtige 

und  Selbstverständliche,    das    Zweckmiifsige    und    liarmo- 


NuUen  rechnen  und  stärkerer  Reize  bedürfen  als  wi 
.\ber  denen,  die  ihn  gesehen  haben,  ist  er  in  Erinnerung 
gelilieben  in  seiner  Größe  und  sinnlichen  l'racjit.  Er  liai-g 
doch   Leben  zwischen  Erde  und   Himmel. 


nische,  das  dieser  Schöpfung  innewohnt,  findet  W'ieder- 
hall  in  unserem  Innern  und  gibt  uns  jene  Stimmung,  die 
ich  überall  diu'chklingen  hiire.  wo  ich  Äufserungen  über 
diesen  Garten    in  Wort    und   Schrift    l)egegneto.    —    Was 


iuBi^um5=nu5STELLuns  rnnnnnEi[D' 


5nRTEnnBTEIL  B  undC. 


"  rnnszsTOB  i^zoo- 


^^^(^/o-'^^^'^m^ÄmC,  . 


Lageplan  zum  Soudergarteu  des  Prof.  P.  Schultze-Mauraburg  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


III.  Die  Soudersäi'ten  des  Prof.  P    Scliiiltze  Nauuiburg 
und  des  Prof.  P.  IJelireiis.') 

Wer  die  beiden  Gärten  mit  eigenen  Augen  gesehen 
hat,  wird  die  zahlreichen  hier  beigefügten  Bilder  dankbar 
begrüfsen.  E)enn  sie  helfen  uns,  den  Eindruck,  den  wir 
dort  gewonnen  haben,  wieder  zu  beleben  —  uns  der 
Empfindung  zu  erinnern,  die  uns  beim  Aufenthalt  in 
diesen  Gärten  überkam.  Wir  prüfen  dann  noch  einmal 
in  Gedanken  das  Gesehene,  der  eine  fühlt  sich  noch 
mehr  hingezogen  —  vielleicht  mancher  abgestofsen.  Wer 
die  Gärten  nicht  besucht  hat.  wird  in  den  Abbildungen 
nur  geringen  Ersatz    finden,    in    einer    Beschreibung    gar 


■'■)  Wir  verweisen  außerdem  auf  die  im  vorigen  Hefte 
unserer  Zeitschrift  abgedruckten  Ausführungen  von  W.  Singer- 
Kissingen  in  seinem  auf  der  Mannheimer  Hauptversammlung 
der  D.  G.  f.  G.  gehaltenen  Vortrage  (Gartenkunst  IX,  Seite 
200—204). 


ist  der  Grundton  dieses  stimmungsvollen  Akkords?  — 
Es  ist  die  Wehmut.  Wehmütig  klingt  es  aus  dem  „Garten 
unserer  Kindheit",  „aus  der  Jugendzeit":  „Es  war  ein- 
mal!" —  Wehmütig  klingt  die  Sehnsucht  nach  dem  alten 
Gärtchen  vor  Grofsmutters  Haus,  die  Erinnerung  an  das 
liebe  alte  Pastorat  auf  dem  Lande,  an  stille  Stunden 
friedlicher  Mufse.  Sie  sind  dahin.  Werden  sie  wieder- 
kehren? Oder  sind  sie  wirklich  noch  da?  —  —  Dort  in 
jener  kleinen  Stadt  findest  du  ein  altes  Häuschen  mit 
verblichenen  Fensterläden;  zwei  Lindenbäume,  ehrwürdige 
Veteranen,  ragen  hinter  der  hohen  efeubedeckten  Mauer 
hervor;  ein  Pförtchen  mit  zwei  abgetretenen  Stuten  da- 
vor gestattet  uns  einen  Einblick  in  das  stille  kleine  Para- 
dies mit  den  geraden  Buchsbaumhecken  an  langgezogenen 
Kieswegen.  Rittersporn  und  Eisenhut  wuchern  dort  — 
weiterhin  auch  einige  Peuerlilien  unten  bei  der  Laube, 
deren   altersgraues    morsches  Holzwerk,    das    einst    schön 


222 


DUO  0  A  KT  ICN  KUNST 


IX,   11 


2.  Wasserbecken,  Wandbninnen  und  Gartenhaus  mit  Torrasse. 
Aufnahmen  aus  dum  Sondergarten  des  Prof  P.  Schultze-Naumburg  auf  der  Mannhciinor  Gartenbauausstellung. 


IX.   II 


DIK  GARTKNKl'NST 


223 


:3.   Ivasenstück  mit  Obstbäiimea  und  Bhiinenrabatteii. 


4.  Seitenweg  an  der  Mauer  entlang. 
Aufnahmen  aus  dem  Sondergarten  des  Prof.  P.  Schultze-Naumburg  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


224 


DIE  GAETENKUNST 


IX,  11 


weifs  gewesen  sein  mag,  von  dem  Tauwerk  ilicker  ge- 
drehter Gaisblattstämme  aufrecht  gehalten  wird.  A\'ir 
treten  ein  wenig  näher,  wir  sehen  die  langen  Hecken 
entlang,  die  den  schmalen  Weg  wie  in  einen  Schacht 
einschliei'sen,  der  sich  im  Stammwerk  der  Apfelliäume 
verliert    —    dahinten,    wo  die  kleine  Bank  steht.     Sie  ist 


Ich  habe  dieses 
lieser  Stadt 


~^. 


vor  Alter  schon  ganz  schief  geworden. 
Fleckchen  Erde  gesehen,  es  ist  das  letzte  in 
—  und  wenn  die  alte  Haus- 
hälterin, die  dort  einen  freund- 
lichen Lebensabend  verbringt, 
ihre  Augen  geschlossen 
haben  wird,  wer  wird  das 
Häuschen  mit  dem  ihm  ans 
Herz  gewachsenen  Garten 
dann  noch  lieben'.'  .'Vngstlich 
guckt  es  unter  dem  schützen- 
den Schirm  der  weit  über- 
hängenden Lindenzweige  her- 
vor, als  wollte  es  sagen : 
„Ich  passe  nicht  mehr  zu 
euch,  ihr  hohen,  roten  Häuser 
mit  greisem  Zierat,  ich  bin 
was  anderes,  ich  verstehe 
eure  Sprache  auch  nicht  — 
schafft  mich  'fort  —  meine 
Zeit  ist  dahin."  -  —  Vie- 
len solchen  altehrwürdigen 
Stätten  hat  fade  Geldgier  und 
ungesundes  Strebertum  den 
Garaus  macht  —  in  kleinen 
Städtchen  und  draufsen  auf 
dem  Lande  sind  sie  noch  zu 
finden,  aber  je  grölser  die 
Städte,  um  so  weniger  woi-sen 
sie  uns  Reste  dieser  guten 
Zeit  auf.  Sie  pafsten  ja 
auch  nicht  mehr  hinein,  weil 
die  Menschen  so  anders 
geworden  sind  und  wie  die 
xMenschen  sind,  so  sind  auch 
ihre  Häuser,  ihre  Gärten. 
Das  lauschig  Abgeschlossene 
wurde  abgeschafft,  vielleicht 
weil  es  der  Oberflächlichkeit 
von  heute    zu  langweilig  ist, 

allein  zu  sein,  —  das  Einfache,  das  Ungewollte  ist  immer 
seltener  geworden,  weil  so  viele  es  praktischiM-  finden, 
sich  marktschreierisch  bemerkbar  zu  machen,  —  das 
Aufrichtige  und  Selbstvorsländlicho  droht  verloren  zu 
gehen,  denn  man  meint  klug  zu  sein,  wenn  man  in  sich 
und  anderen  das  Scheinwosen  fördert,  wenn  man  das 
Selbstverständliche  als  zu  gewöhnlich  und  als  rückständig 
gering  achtet.  Kann  man  es  solchen  Leuten  verargen, 
dafs  ihnen  das  als  zweckmäfsig  gilt,  vi'as  solches  Streben 
begünstigt,  und  das  als  harmonisch,  was  solcher  Lebens- 
auffassung sich  anpafst'.'  Verargen  —  nein,  aber  wir 
werden  doch  nicht  mitmachen,    uns   nicht   in   ihrrn   Iiicnst 


Gk 


Lageplan  zum  Sondergarten  des  Prof.  Behrens  auf  der 
Mannheimer  GartenbauauastelluuK. 


stellen,  wenn  wir  sie  ohne  Kompals  irren  sehen.  Prof. 
Schnitze,  Naumburg,  ist  es  gelungen,  in  seinem  Garten 
einen  Ton  anzuschlagen,  der  viele  von  solchen  Irrenden 
zur  Besinnung  gebracht  hat  durch  jene  anklingende  Seite 
der  Wehmut.     Ist    das    nicht    bei    jedem   Kunstwerk    so? 

—  Dafs  unsere  Umwelt  so  selten  das  beste  unseres 
Innenlebens  sättigt,  macht  uns  wehmütig.  Htmgrig  nehmen 
wir    die    selten    gebotene    Speise    in    uns    auf.      Gestärkt 

freuen  wir  uns  der  Verwirk- 
lichung einer  Idee,  die  unserem 
besten  Inneren  zu  entstam- 
men scheint,  und  in  dieser 
Freude  steigert  sich  das  Be- 
wurstsein:  „Zu  was  besserem 
sind  wir  geboren"  — ■  wir 
sollen,  wir  wollen  mithelfen, 
dieses  Bessere  zu  erlangen. 
So  hat  der  Garten  des  Prot. 
Schnitze -Naumburg  zu 
mir  gesprochen. 

Anders  spricht  Prof. 
Behrens,  denn  er  will  uns  was 
andex-es  sagen.  Wir  wollen 
vorsuchen,  es  aufzufassen, 
wie  es  gegeben  ist.  Wollte 
maa  ein  Theater  danach  be- 
urteilen, wie  bequem  sich 
darin  wohnen  läfst,  so  würde 
die  Kritik  wohl  ungünstig 
ausfallen.  Wir  müssen  den 
Zweck  im  Auge  behalten. 
Prof.  Behrens'  Garten  wird 
nicht  nur  in  der  Ausstel- 
lung, sondern  auch  in  einem 
alten  Schlofspark,  wo  er  m. 
E.  hingehört,  als  „Sonder- 
garten" gelten  und  so  auf- 
gefafst  werden  müssen.  Es 
liegt  etwas  Festliches  in  solner 
Prägung.  Die  hierzu  er- 
forderliche Steigerung  seiner 
gut  gewählten  Ausdrucks- 
formen zu  einem  starken  — 
vielleicht  allzustarken  Pathos 
nötigt  mir  Bewunderung  ab. 
Ich  schätze  diese  festliche 
Tonart  und  hcire  ihr  gern  mitunter  zu.  Nur  mag  ich 
nicht  immer  mitsingen.  Man  kann  nicht  andauernd  fest- 
lich gestimmt  sein  uinl  das  wird  uns  der  Künstler  wohl 
auch  nicht  zumuten  wolbdi.     Ich  sagte:  allzustarkos  Pathos 

—  vielleicht  mag  der  massige  im  Steinmaterial  übertrieben 
wuchtige  Bau  mit  der  Zeit  durch  üppiges  Schlinggewächs 
in  seiner  Härte  gemildert  werden.  Das  blendend  weifse 
Gittorwerk  dürfte  trotz  seiner  schönen  Proportionen  noch 
nicht  ganz  abgestimmt  sein.  Die  blühenden  Clenuitis- 
ranken  sollten  in  volleren  tiefvioletten  Akkorden  den 
kalten  Rhythmus  der  Architektur  melodisch  begleiten. 
l.)or  einfarbig  Mane   Blmnenieppich   wii'kt    zu    frostig-feier- 


IX,   11 


DIE  GARTEN  KUIS  ST 


1.  Sitzplatz  mit  Pergola   und  Wasserbecken  rechtsseitig  vom    Gartenhause. 


11  Ij  f 

.!■!  II  \ 

i  ii  r 

II  II  I 


■ 


2.  Durchblick  durch  die  Spalierbogen. 
Aufnahmen  aus  dem  Sondergarten  des  Prof.  Behrens  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


226 


DIE   GAKTENKUNST 


IX,   11 


lieh  —  er  könnte  ohne  Schaden  heiterer  abgestimmt  sein. 
Donlven  ^s•i^  uns  dann  diesen  Gartentheatersaal  beleiht  von 
bunter,  aber  ausgesuchter  Gesellschaft  in  festlichen  Ge- 
wändern, so  freut  sich  die  Phantasie  des  farbonfnihon 
Bildes,  -welches  m  dieser  künstlerisch  gestalteten  Umwelt 
in  diesem  durch  aul'serordentlich  ansprechende  Raum- 
gliederung so  wohlgelungene  Sondergarten  zur  Wirklich- 
keit, werden  kann.  W.  Frhr.  v.  Eui;tlharLlt. 


Die  aiisdaiK'i'iuleii  Stauden  und  ihre  Bedeutung  im 
anierikauisclieu  Gai'teu. 

Von    Richard    Rothe    iu    Northeast    Haiiiur.    Maine,    Verein- 
Staaten  N.-A. 

In  einem  Lande,  in  dem  es  in  ganz  hervorragendem 
Maße  allgemeinster  Brauch  ist.  die  Innenraumo  des  Heimes 
zu  jeder  Jahreszeit  mit  Blumen  reichlich  zu  schmücken, 
ist  das  winterharte  Staudengewächs  im  Garten  eine  Not- 
wendigkeit. Da  die  Amerikanerin  ihre  Vasen  selbst  füllt 
und  auf  Haltbarkeit  der  Blumen  starkes  Gewicht  legt, 
braucht  sie  lange,  straffe  Stiele,  und  diese  geben  ihr  im 
Sommer  viele  blühende  Perennen.  Lieshalb  räumt  sie  den- 
selben schon  aus  Gründen  der  Nützlichkeit  einen  bevor- 
zugten Platz  ein.  Xun  erwächst  aber  dem  Nützlichkeits- 
gedanken weit  häutiger  der  Wunsch  nach  auserlesener 
Qualität,  als  der  Liebhaberei;  vereinigen  sich  jedoch  beide 
Beweggründe,  dann  erscheint  das  beste,  in  wiederum  voll- 
kommenster Ausbildung,  gerade  gut  genug  für  den  Haus- 
garten. 

Die  in  Deutschland  nicht  gerade  seltene  Empfehlung, 
nach  welcher  diese  oder  jene  Staude  mit  jedem  Boden 
vorlieb  nimmt,  in  jeder  Lage  gedeiht,  ohne  jede  besondere 
Pflege  alljährlich  einen  reichen  Flor  erzeugt  und  die  dann 
nur  zu  häufig  zu  der  Meinung  verleitet,  als  ob  man  aus- 
dauernde Staudengewächse  eben  nur  in  den  Boden  zu 
stecken  braucht,  um  einen  alljährlich  wiederkehrenden 
reichen  Blütensegen  recht  mühelos  zu  haben,  gibt  man 
hier  glücklicherweise  den  winterharten  Stauden  nicht  mit 
auf  den  Weg. 

Man  weil.)  also  allgemein,  dal.1  gerade  Perennen 
zum  ungestörten  Wachstum  und  bester  Bntwickelung  ein 
weit  reichlicher  gedüngtes  und  sorgfältiger  vorbereitetes 
Erdreich  am  richtigen  Standort  bedürfen,  als  die  kurz- 
lebigeren Sommei'gewächse,  und  e.s  braucht  demnach  bei 
der  Amerikanerin,  die  nun  einmal  in  neun  aus  zolin 
Fällen  für  den  Garten  die  ausschlaggebende  Stimme  hat, 
keiner  grotien  Überredungskunst,  um  die  erforderlichen 
Mittel  bewilligt  zu  erhalten. 

Unter  diesen  Verhältnissen  ist  es  erklärlich,  daLi  wir 
besonders  hier  im  Osten  und  vorzugsweise  'in  den  weniger 
heißen,  nördlich  gelegenen  Neuenglandstaaten  alljähi'lich  einen 
selten  schönen  und  reichen  I'''l(ir  der  vei-schiedensten  Pe- 
rennen aufzuweisen  haben  inid  daß  die  Nachfrage  nach 
Pflanzenmaterial  mit  joder  Saison  eine  regere  wird.  Nicht  nur 
das  dem  Nützlichkeitsprinzip  entspringende  Verlangen,  die 
besten  Resultate  in  der  Blumengewinnung  zu  erzielen,  son- 
dern noch  nu;hr  die  gesunde  Rivalität  der  Gartenbesit/.erinnen 


in  bezug  auf  die  Vnllknninienheit  ihrer  Lieblinge,  wirkt 
ungemein  belebend  auf  den  allgemeinen  landschaftsgärtne- 
rischen Geschäftsgang.  Durch  das  tägliche  Anordnen  ihrer 
Blumen  wird  die  Amerikanerin  nicht  nur  gründlicher  mit  den- 
selben bekannt,  sondern  sie  eignet  sich  auch  mit  der  Zeit 
einen  sehr  ausgeprägten  Farbensinn  an.  Gerade  den  letzteren 
haben  wir  hier  in  Bar  Harbor  und  Northeast  Harbor,  jenen 
beiden  Sommerressorts,  die  neben  Newport  alljährlich  einen 
grotien  Teil  der  ersten  Gesellschaftsklassen  des  Landes  ver- 
einigen, im  unmittelbaren,  persönlichen,  geschäftlichen  Ver- 
kehr   mit    denselben    zu  bewundern    vielfach    Gelegenheit. 

Dieser  feine  Geschmack  im  Zusammenstellen  von  Farben- 
einheiten oder  Kontrasten  bekundet  sich  auch  heute  bereits 
vielfach  in  der  Anordnung  der  Staudenanpflanzungen.  Ich 
muß  da  unwillkürlich  an  jene  Fahrt  auf  kleinem  schnellen 
Motorboot  zurückdenken,  die  ich  vergangenen  Sommer,  dem 
Rufe  eines  begüterten  Newyorkers  folgend,  nach  dessen 
mehrere  Meilen  ozeanwärts  entfernter,  klippenumsäumter 
Waldinsel  unternahm.  Ich  hatte  den  zum  Schutze  gegen 
Sprühwellen  umgehangenen  Gummimantel  und  Südwester 
abgelegt  und  erklomm  das  hohe  felsige  Ufer,  und  das  erste, 
was  ich  seitlich  des  freigelegten  Rasenplatzes  vor  dem 
Landhause  erblickte,  waren  mehrere  ausgedehnte  Stauden- 
gruppen,   die  sich    an    einen    nahen  Waldrand    anlehnten. 

Zu  diesen  Staudenanpflanzungen,  die  im  besten  Flor 
standen,  führte  mich  später  die  anmutige  E'ame  des  Hauses 
und  ich  war  eben  im  Begritf,  ihr  zu  ihren  Kulturerfolgen  zu 
gratulieren,  als  sie,  auf  Parbenzusammenstellung  kommend, 
ausrief:  „Nun  sehen  Sie  aber  jetzt  einmal  an,  wie  sich  hier 
die  Farben  gegenseitig  geradezu  beleidigen !"  —  Und 
richtig,  da  blühten  dunkelviolette  .\conitum  neben  feurig- 
rotem Phlox;  das  lebhafte  Blau  des  L)elphiniuin  formosum 
lag  im  Streit  mit  dem  leuchtenden  Rosa  gefüllter  Malven; 
Lilienarten  safrangelb  und  tief  orangefarben  hatten  das 
Weinrot  der  Incarvillea  rosea  neben  sich.  ,,E»iese  F'arben- 
dissonanzen  sind  nachgerade  unerträglich  für  meine  Augen 
Lassen  Sie  uns  Harmonie  in  das  Ganze  bringen.  Stellen 
Sie  mir  bitte  einen  Bepflanzungsplan  zusammen,  in  welchem 
aut  die  Farben  Rücksicht  genommen  wii'd,  und  lassen  Sie 
denselben   während  der  nächsten  Verjtflanzzeit  ausführen." 

Ich  könnte  diesem  einen  Beispiel  noch  eine  ganze  An- 
zahl ähnlicher  hinzufügen,  die  mehr  oder  weniger  dartun, 
wie  unerläßlich  es  für  jeden  Landschaftsgärtner  ist,  der 
für  Gesellschaft.sklassen  mit  feinerem  Geschmack  arb(üten 
will,  gerade  bei  der  Gi'uppierung  V(in  blühenden  Stauden- 
anpflanzungen die  (jrundregeln  der  Fai'benlehre  zu  be- 
obachten. 

Unwillkürlieh  denkt  man  d,i  zurück  an  die  überaus 
feinen  Winke,  die,  in  bezug  auf  Schattierungen  und 
Ivontraste.  die  Altmeister  d(n'  deutschen  Gartenkunst 
für  die  Ki)mi)üsition  von  natürlichen  Gehölzpll.inzungen 
uns  hinterlassen  haben.  Die  Gegenwart  ist  fai-benfreudiger 
geworden.  Neueinführungen  unter  den  Hliitenslräuchern 
sowohl  als  auch  besonders  unter  di'ii  Siaudengewächsen, 
sobald  sie  sich  diu'ch  einen  reichen  Floi-  und  reine  Farben- 
töne auszeichnen,  linden  erstaunlich  schnelle  Verbreitung 
und  verdrängen  das  Alte.  Die  Folge  davon  sind  stärkere 
l^llekte    und    bei    unricliligei'    Zus;inimenslellung    der  'rön(^ 


IX,  11 


DiK  GA  iiti:nkunst 


3.  Blick  in  den   Garten  vom  Sitzplatz  (Bild  1)  ans 


4.  Der  von  Spalierwerk  nmschlossene  Platz  vor  der  Gartenbühne. 
Aufnahmen  aus  dem  Sonderkarten  des  Prof.  P.  Behrens  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


228 


DIE  GARTENKUNST 


]X,  11 


HyaciiitUus  candicaus.     Aufnahme  aus  einem  Privatgarteii  in  Nortlieast  Harbor, 

Maine,  V.  St. 


verschärfte  dns  verfeinerte  Auge    empfindlich  Ijeleidigende 
Gegensätze. 

Wh'  sind  uns  klar  geworden,  dali  jener  Grad  von 
Farbensinn,  der  in  der  Zusammenstellung  von  Teppich- 
beetanlagen oder  unseren  heutigen  regelniäfligen  Sommer- 
blumenparterres nur  mit  unvermittelt  starken,  grellen, 
besonders  auch  für  die  Fernwirkung  berechneten  Tönen 
arbeitet,  für  die  Gruppierung  der  Blütensträucher  und  der 
zwar  immer  nur  vorübergehenden,  aber  unendlich  mannig- 
facheren Farben  der  Blumen  im  Ötaudengarten,  wo  es  oft 
mehr  auf  vermittelnde  Übergänge,  als  auf  starke  Kontraste 
ankommt,  nicht  mehr  genügt. 

Der  rein  hand- 
werksmäßige Land- 
schnftsgärtner  steht 
hier  drüben  dieser 
Tatsache  noch  vei- 

ständnis-  und 
ahnungslos  gegen- 
über. Wer  Stauden- 
gewächse und  ein- 
jährige Florbiumen 
für  den  Garten  des 
öfteren  offenen 

Auges  gruppiert 
und  beobachtet  hat. 
«■eißsie  schon  lan^'c 
zu  würdigen. 

Ich  bemerkte 
oben,  dal.i  im  ameri- 
kanischen ilairs- 
garten  der  Xützlich- 
keitsgedanke  viel- 
fach der  vor- 
wiegende    ist    und 


Del|ilnnium  fürmnsiiin   in    Kontrastwirkiinf^  mit  diinkelf^riineiii  Nadelluilz. 
Aufnalnne   aus  Noitliiast   llarbrir.   Maine    V.  St. 


daß  demzufolge  reichblühende  Stauden- 
gswächse  immer  schnelle  Aufnahme 
finden,  l'nd  so  gab  mir  denn  u.  a.  ver- 
gangenen Sommer  eine  vorübergehend 
hier  weilende  Dame  einen  Auftrag  zur 
Lieferung  einer  Anzahl  neuerer  Ein- 
führungen, von  denen  sie  je  10  und  20 
Stück  bestellte.  „Schicken  Sie  mir  aber 
bitte  diese  Sachen  sn.  daß  sie  in  der 
zweiten  Woche  des  Oktober  eintreffen. 
Ich  möchte  diesmal  beim  Ptlanzen  selbst 
zugegen  sein.  Meine  ganze  bisherige 
Überredungskunst  hat  meinen  sonst  aus- 
gezeichneten Gärtner  noch  nicht  dazu 
zu  bringen  vermocht,  die  Sorten  zu- 
sammen zu  pflanzen.  Er  verteilt  alles 
einzeln  über  den  ganzen  Garten  und 
wenn  ich  von  dieser  oder  jener  Farbe 
und  Blume  schneiden  will,  muß  ich  sie 
mir  erst  überall  zusammensuchen."  — 
Dieser  Zwischenfall  berührt  eine  alte 
Gepflogenheit  vieler  Pachgenossen,  die 
die  Amerikanerin  an  dieser  Stelle  aus 
rein  praktischen  Gründen  verurteilt.  E)em  praktischen  Grunde 
steht  aber  hier,  wie  ersichtlich,  ein  nicht  minder  beachtens- 
werter theoretischer  zur  Seite.  Dadurch  nämlich,  daß  wir 
truppweise  pflanzen,  verschaffen  wir  der  Farbe  des  Flores 
der  einzelnen  Varietät  augenfälligere  Wirkung.  Erst  nach- 
dem wir  im  kleinen  möglichst  zwanglos  die  geschlossene 
Einheit  hergestellt,  können  wir  Übergänge  und  wohlge- 
fällige Kontraste  in  die  Totalwirkung  größerer  gemischter 
Anpflanzungen  bringen.  Das  letztere  wird  hier  drüben 
vereinzelt  mit  mehr  oder  weniger  sichtbarem  Erfolge  ver- 
sucht, immer  aber  erzielt  man  im  freien  natürlichen  Garten. 
wo    die  Pflanze    nicht    zum    Dekorationsstück    für    leblose 

Architekturwerke 

herabgewürdigt 

wird,  sondern  in  der 

Hauptsache   um 
ihrer    selbst   will(>ii 
gepflegt      ist,      die 
weitaus  besten 

W'iikiingen. 

.Nirji'cndsbesser 
liißl  sich  dies  beob- 
aclilcn,  als  hier  an 
der  Küste  vonMount 
Ik'sert,  W(i  wir  für 
das  wundeiliarc 
Farhenspiel  som- 
merlicher Blüten- 
wo.n'cn  das  licri'- 
liclii',  fi'ische  Hlau- 
und  Dunkelgrün 
natürlicher  Nadel- 
waldungen .'ds 
Hintergrund  h.iln'ii. 
Daß      S(;inilcn      im 


IX,  11 


DIE  GARTENKUNST 


229 


Achillea   iitnrmic;i  Thf  l'farl.     Aufn;ihme  aus  dem  Stauden- [{evier 
Nursery,  Northeast  Harbor,  Maine  V.  St. 


architektonisc'hen 
Hausgarten  ge- 
radezAi  unentbehr- 
lich sind,  und  nuin 
besonders  mit  den 
liiiehwüclisigeren 
IVir  die  Zeit  des 
Flores  dort  eben- 
falls prächtige 
Bilder  schaffen 
kann,  wissen  wir 
aus  der  Praxis. 

^^'ir  wissen 
aber  auch.  dalJ  wir 
dann  innuer  mehr 
mit  .Massen  ar- 
beiten, d.  h.  die 
Farben  mehr  kon- 
zentrieren müssen. 
Nun  ist  die  Zeit- 
dauer des  Flores 
gerade  bei  den 
besten     Perennen 

eine  begrenzte  und  viele  davon  neiimen  schon  unmittelbar 
nach  dem  Verblühen  ein  nichts  weniger  als  anziehendes 
.\ussehen  an.  EMe  Folge  davon  ist  sehr  oft  nach  kurzer 
Herrlichkeit  eine  längere  Periode  des  krassen  Gegenteils 
und  und  es  bedarf  gründlicher  Kenntnis  des  Materials  und 
nicht  minder  eingehender  Erwägung  der  vielen  Eventuali- 
täten, von  sorgsamer  Kultur  gar  nicht  zu  reden,  um  nicht 
kläglich  zu  seheitern. 

Vor  meinem  geistigen  Auge  steht  da  wieder  jene 
iJame  in  Philadelphia  inmitten  ihros  kleinen  sehr 
geschmackvoll  angelegten  architektonischen  Gartens.  In 
einer  Zeitschrift  hatte  sie  die  durch  die  Camera  .geschickt 

festgehaltenen  wunderbaren  Ettekte.  die 

man  mit  gefüllten  Malven  und' mit  Pa- 
pa.ver  (irientale-  und  E)igitalisvarietäten 
er/.ielen  kann,  illustriert  gesehen  und 
halte  daraufhin  das  dort  Dargestellte 
kopiert  Es  war  im  .Vugnst.  In  der 
iMalvenecke  war  der  Pilz  eljen  da.bei. 
die  letzten  von  Bordelaiser  Brühe  blauen 
Blätter  zu  zerstören,  und  wie  Liigitalis 
und  orientalischer  Mohn  im  August  aus- 
sieht, braucht  nicht  erst  erklärt  zu 
werden.  „Nächstes  Jahr  ptlanze  ich 
wieder  Cannas  und  Pelargoniums.  Ich 
will  doch  einmal  sehen,  ob  ich  meinem 
Garten  nicht  während  des  ganzen 
Sommers  ein  nettes  und  reinliches  Aus- 
sehen geben  kann-'.  —  Dem  mit  der 
Menge  in  der  Praxis  täglich  in  un- 
mittelbare Berührung  kommenden  Pach- 
manne  sind  solche  Vorkommnisse  nichts 
neues.  Er  wird  sie  aber  jedesmal  be- 
dauern, wenn  er  sieht,  daß  der  Garten- 
und   Blumenfreund    aus  Unkenntnis  der 


Ltinge  Fehler  be- 
geht, deren  Polgen 
ihm  die  Prinuh^  a.n 
seiner  Liebhaberei 
verderben. 

i'bi'i'         den 
lidhen     W'iTt    der 

Perennen   als 
(iartenzierden  und 

Schnittbhnnen- 
erzougrr  lniuichc 
ich  Fachgeuiisson 
,i;-ogenüber  keine 
Worte  zu  ver- 
liei'cn.  Wir  kiiniu'n 
diesen  Wi'rt  rein 
kulturell.  s(i\vi(^ 
auch  diu'ch  si)r<;-- 
same,  die  Eiii'en- 
heiten  der  ein- 
zelnen Art  und 
Varietät  berück- 
sichtigende Grup- 
pierung um  ein  bedeutendes  erhöhen  und  deren  ,vereinzelte 
schwache  Seiten  weniger  bemerkbar  machen.  Endlich  lälit 
sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade,  durch  eingehende  Beach- 
tung der  Farbe  und  Zusammenpflanzen  in  kleine  Trupps 
oder  Gruppen,  sowohl  innerhalb  der  freien  natürlichen  Au- 
la,ge  als  auch  im  architektonischen  Garten,  ihre  blumistische 
Gesamtwirkung  erheblich  steigern. 

In  stark  augenfälliger  Weise  verallgemeinern  wird 
sich  ilie  letzte  Anordnungsweise  in  den  Vereinigten  Staaten 
nicht,  denn  je  efl'ektvoller  und  einheitlicher  die  Sache  durch- 
geführt werden  Sdll,  um  so  mehr  wird  man  sich  auf  die 
massenhafte  Verwiuuiuns:    wenis-er    Formen     und     Farben 


1er  Mnt.  Desert 


Paeouien  im  .Sortimentsgarten  der  Mt.  Desert  Nursery  in  Bar  Harbor, 

Maine  V.-St, 


230 


DIE   GARTENKUNST 


IX.  11 


beschränken  müssen.  Demgegenüber  steht  das  Nützlich- 
keitsprinzip,  nach  welchem  die  blühende  Staude  im  Haus- 
garten neben  ihrem  Zierwert  an  Ort  und  Stelle  zur  Er- 
zeugung von  Schnittblumen  aller  Art  l'iir  den  täglichen 
Gebrauch  da  ist! 

Ich  bin  mir  vollkommen  bewußt,  dal!  ich  mit  der 
Schilderung  der  hiesigen  Verhältnisse  den  im  praktischen 
Berufsleben  stehenden  Fachgenossen  in  meiner  alten  Heimat 
nichts  gesagt  halie,  was  nicht  dort  bei  dieser  odi^r  jener 
Gelegenheit  schon  erlebt  oder  wenigstens  ausgesprochen 
worden  ist.  Auch  die  beigegebenen  Illu«trationen,  für  die 
ich  die  Aufnahmen  gern  sämtlich  in  Hausgärten  gemacht 
hätte,  im  Drange  der  Geschäfte  aber  nicht  dazu  kam, 
geben  die  gesellige  Gruppierung,  wie  sie  für  das  stärkere 
Betonen  einer  einzelnen  Farbe  hierzulande  bisweilen  ge- 
bräuchlich, nur  andeutungsweise  wieder.  Der  Sortiments- 
garten einer  Nursery  und  das  Staudenbeet  eines  Frivat- 
gartens  sind  eben  doch  zwei  verschietlene  Dinge. 

Die  weiteste  Verbreitung  der  blühenden  Perenuen  und 
ihre  Verwendungsarten,  besonders  auch  im  kleineren  Haus- 
garten, ist  aber  für  den  Landschaftsgärtner  heute  ge- 
schäftlich so  wichtig  und  hat  für  den  Gartenbesitzer  und 
Blumenliebhaber  so  viele  Freuden  und  so  viel  Nutzen  im 
Gefolge,  daß,  von  deren  hohen  Zierwert  ganz  abgesehen, 
meiner  Ansicht  nach  nie  zu  viel  darüber  gesagt  werden  kann. 


Welclieii  speziellen  Pflanzeiniiaterials  bedarf  die  (Jarten- 
kiiust  moderner  Rieiitunft? 

(Das  Baumaterial  der  heutigen  Gartenkunst.) 

Der  im  .Juli  in  Mannheim  ins  Leben  getretene  „Bund 
deutscher  Baumschulenbesitzer"  hat  bereits  in  seiner  Gründungs- 
versammlung manche  für  den  Baumschulenbetrieb  wichtige 
Frage  entweder  eingehend  erörtert  oder  angeregt  und  gestreift. 
Einen  recht  breiten  Kaum  nahmen  die  Verhandlungen  über  das 
Thema:  „Welche  Pflanzen  und  Formen  sollen  gezogen  werden 
und  wie  sollen  sie  beschaffen  sein"  ein.  An  der  Lösung  dieser 
Frage  will  man  in  den  Verbänden  durch  lebhaften  Meinungs- 
austausch weiter  arbeiten  und  auch  die  Landschaftsgiirtner 
und  Gartenkünstler  veranlassen,  ihre  Wünsche  und  Erfahrungen 
kund  zu  gellen,  damit  der  Baumscluilenliesitzer  in  den  Stand 
gesetzt  wird,  solches  Material  zu  zielien.  wie  es  die  Garten- 
kunst von  heute  bedarf. 

Einen  sehr  wertvollen  Beitrag  zur  Klilrunf;  der  Krage 
lieferte  Herr  Freiherr  von  Engolhardt  in  seinem  in  der 
(lartenkunst  veröffentlichten,  in  der  Sitzung  der  Gruppe  Rhein- 
land am  11.  August  in  Benrath  gehaltenen  Vortrage:  Das 
Baumaterial  der  heutigen  Gartenkunst.  Im  allgemeinen  wird 
sich  auch  der  Baumschulbesitzer  mit  den  Ausführungen  des 
Herrn  von  Engelliardt  einverstanden  erklären  können,  in- 
dessen dürfte  es  sich  lohnen,  das  Gesagte,  soweit  es  in  das 
Gebiet  der  Anzucht  und  des  Handels  hinübergreift,  einmal  vom 
Standpunkt  des  Züchters  aus  zu  beleuchten.  Das  entspricht 
der  vom  Vortragenden  am  Schlüsse  ausgesprochenen  Bitte  und 
beide  Teile,  der  Züchter  und  der  Landschafter,  können  nur 
wünschen,  daß  durch  Aussprache  und  Vorschläge  von  möglirlist 
vielen  Seiten  eine  praktische  Grundlage  gewonnen  werde. 

Es  erübrigt  sich,  auf  die  wohldurchdachte,  si^hwungvolle 
Einleitung  näher  einzugehen,  da  der  Vortragende  im  Verlauf 
seiner  Rede  die  Konsequenzen  danuis  zieht  und  in  deutlichen 
Worten    sagt,     welches    Material    seiner    Auslebt    nach    in    die 


Gartenanlagen,  wie  man  sie  jetzt  zu  schaffen  pflegt,  hinein- 
paßt. Und  nicht  allein  das,  er  gibt  auch  Ratschläge  in  betreff 
der  Sortenwahl  und  schlägt  für  die  heranzuziehenden  Formen 
kurze  Bezeichnungen  vor,  die  in  den  Plänen  der  Landschafter 
als  aucli  in  den  Katalogen  der  Baumschulen  zur  schnellen  und 
leichten  Orientierung  dienen  sollen.  Die  von  ihm  aufgestellten 
Formeln  sind  ganz  annehmbar,  kurz  und  charakteristisch,  aber 
es  dürfte  doch  etwas  länger  dauern,  bis  sie  sich  allgemein  ein- 
gebürgert haben.  Bei  den  Baumschulbesitzern  würde,  wenn 
der  Bund  die  Saclie  in  die  Hand  nimmt,  die  Einführung  nicht 
schwierig  sein,  ob  aber  die  Herren  Gartenküustler  sich  sobald 
dazu  verstehen  werden'  Sie  aber  müssen  den  Anfang  machen, 
nach  den  Formeln  zu  bestellen,  der  Züchter  paßt  sich  dann  von 
selber  an,  er  wird  jedes  Mittel,  das  ihm  die  Abfassiina;  des 
Katalogs  erleichtert,  denselben  einfacher  und  über.siclitlirlicr 
gestalten  kann,  mit  Freuden  begrüßen,  ist  es  docli  (ilinehiu 
manchmal  sehr  schwer,  die  Beschreibungen  der  Pfanzeii  sn  ab- 
zufassen, daß  sie  wenigstens  nicht  alle  wie  naidi  der  Schablone 
geschnitten  erscheinen.  Gänzlich  entbebi-lich,  wie  der  Vor- 
tragende zu  meinen  scheint,  ist  der  beschreibende  Te.xt  für  ilen 
Katalag  nicht,  denn  der  Züchter  hat  nicht  immer  mit  Fach- 
männern, sondern  .auch  mit  pflanzenunkundigen  Privaten  und  oft 
auch  mit  Gärtnern  zu  tun,  denen  der  Wert  der  Pl'lanzc  erst 
klar  gemacht  werden  muß,  er  kann  deshalb  seine  Bemerkungen 
nicht  auf  die  Verwendungsart  allein  beschränken,  er  muß  auch 
andere  Eigenschaften  hervorheben.  Zugegeben  muß  allerdings 
werden,  daß  namentlich,  wo  es  sich  um  Neuheiten  handelt, 
der  Mund  etwas  zu  voll  genommen  wird,  aber  man  darf  doch 
auch  nicht  vergessen ,  daß  die  übergroße  Konkurrenz  den 
Züchter  zu  mancherlei  Gepflogenheiten  zwingt,  die  für  den 
Bestand  seines  Geschäfts  durchaus  erforderlich  sind,  er  muß 
sich  eben  der  Allgemeinheit  und  ihren  Bedürfnissen  anpassen 
und  kann  erst  dann  auf  spezielle  Wünsche  Rücksicht  nehmen, 
wenn  er  überzeugt  ist.  daß  sein  Geschäft  niclit  darunter  leidet. 
Man  bedenke  auch,  daß,  ehe  der  wahre  Wert  einer  Pflanze 
festgestellt  und  allgemein  anerkannt  ist,  der  den  meisten 
Gewinn  bringende  Teil  des  Geschäfts  schon  gemacht  ist:  die 
liebe  Konkurrenz  sorgt  schon  dafür,  daß  der  anfangs  günstige 
Artikel  rasch  entwertet  wird,  besonders  bei  solchen  Pflanzen, 
die  sich  rasch  und  leicht  vermehren  lassen. 

Ob  der  Besuch  einer  Baumschule,  um  die  Pflanzen  an  Ort 
und  Stelle  zu  besehen,  nur  ein  Notbehelf  ist,  wie  von  Engel- 
hardt  meint,  darüber  ließe  sich  streiten.  Allerdings  kann  sich 
der  Landschafter  ein  weit  sichereres  l'rteil  über  eine  neue 
Sorte  (besonders  Staude  oder  Annuelle)  bilden,  wenn  er  sie  eine 
ganze  Wachstumsperiode  hindurch  zu  beoabachten  Gelegenheit 
hat,  aber  sind  denn  unsere  Spezialisten  weniger  aufmerksame 
Beobachter,  sind  sie  nicht  auch  Kenner  genug,  um  den  Wert 
oder  Unwert  —  einer  Staude  z.  B.  —  für  diesen  oder  jenen 
Zweck  beurteilen  zu  krmneii.  zumal,  wenn  die  Landschal'ts- 
gärtner  und  Gartenküns  1er  ihnen  genau  sagen,  wehdie  An- 
forderungen sie  an  ihr  Material  stellen''  Zu  einem  reellen 
Züchter  sollte  man  das  Vertrauen  haben,  daß  er  über  die  von 
ihm  gezogenen  und  anpepriesenen  Pflanzen  keine  in  seinem 
Interesse  übertriebenen  Angaben  machen  werde. 

Das  Hauptinteresse  des  Baumschulbesitzers  an  dem  in 
Rede  stehenden  Vortrage  konzentriert  sich  naturgemiUJ  auf  die 
vorgescldagenen  und  durch  vortreffliche  Zeichnungen  zur  An- 
scliauung  gebrachten  l'drmen  und  auf  die  .Andeutungen  in  betrreff 
der  Soitenwahl  für  diese  Formen.  Diese  Andeutungen  können 
.als  Grundlage  für  eine  weitere  Verständigunp;  aufgesehen 
werden  und  der  liund  der  llaumschulenbesitzer  wäre  die  j^e- 
eignete  Instanz,  eine  allgenu'ine  Aussprache  in  die  Wege  zu 
leiten,  die  aber  erst  dann  fruclitbi'ingend  sein  wird,   wenn  aucli 


IX.  11 


DIE  GARTENKUNST 


2;il 


die  Landschaftsgärtner  und  (lartenkiinstler  ihre  Erfahrungen 
der  Öffentlichkeit  unterbreiten.  Die  gegebenen  Andeutungen 
lassen  sich  ja  leicht  erweitern.  Es  werden  z.  B.  jetzt  vielfach 
passende  Pflanzen  zu  Zierhecken  verlangt.  Große  Posten  von 
Ligu.strum  ovalifolium  ließen  sich  zu  diesem  Zweck  leicht 
heranziehen,  auch  .'■^piraeen,  Deutzien,  Forsythien  werden  stark 
begehrt,  und  diejenigen  Pflanzen  zu  kultivieren,  die  früher  in 
gewissen  festen  Formen  aus  Holland  bezogen  wurden,  jetzt 
aber  infolge  des  Zolles  nicht  mehr  in  Massen  einkommen, 
dürfte  für  unsere  Züchter  ein  gewinnbringendes  Geschäft  sein. 
Die  neuerdings  schon  mehr  angebotenen  Wildrosen  aus  den 
Klassen  Polyantha.  Kugosa,  Rubrifolia  und  anderr.  wie  auch 
deren  Bastarde  erfreuen  sich  scliou  jetzt  einer  allgemeinen 
Beliebtheit,  sind  aber  noch  nicht  in  genügender  Menge  vor- 
handen. Von  Koniferen  soll  nur  auf  die  schöne  hellgrüne 
Thuja  gigantea  (Lobbi)  und  auf  die  verschiedenen  breit  oder 
schmal  pj-ramidal  wachsenden  Formen  von  (Jhamaocyparis 
Lawsoniana  verwiesen  werden,  die  den  vom  Vortragenden  ge- 
stellten Anforderungen  vollauf  entsprechen  würden. 

Am  allgemeinen  möge  hier  schon  dazu  gesagt  werden, 
daß,  wie  der  Vortragende  selbst  andeutet,  die  Anzucht  der 
vorgeschlagenen  Formen  nicht  nur  mehr  geschulte  Arbeits- 
kräfte, sondern  auch  weit  grölJere  Kulturflächen  erfordern,  dit. 
vermehrten  Produktionskosten  also  auch  eine  Steigerung  der 
Preise  nach  sich  ziehen  würden.  Krumm  gewachsene  Gehölze 
aufs  Geratewohl,  so  wie  sie  den  Ausfall  der  Baumschule 
bilden,  zu  verpflanzen,  dürfte  eiii  sehr  gewagtes  Experiment 
sein;  solche  Pflanzen  haben  meist  im  Druck  gestanden,  es 
dauert  Jahre,  ehe  sie  wieder  in  Schuß  kommen,  und  auch 
dann  können  sie  meist  noch  nicht  den  Anspruch  auf  das  Prädi- 
kat gut  und  zweckdienlich  erheben.  Will  man  krumme,  schiefe 
oder  individuell  gewachsene  Pflanzen  ziehen,  so  mul3  die 
Anzucht  von  Jugend  auf  planmäßig  geschelien,  die  Pflanzen 
erfordern  nicht,  wie  man  annehmen  sollte,  weniger,  sondern 
weit  mehr  und  sorgfältigere  Pflege  und  vor  allem  mehr  Platz. 
Bei  den  durch  Schnitt  in  regelmäßige  Formen  gebrachten 
Sorten  erhöhen  sich  die  Ansprüche  und  Pflege  noch  bedeutend. 
Die  Notwendigkeit  der  Anzucht  von  Jugend  an  ist  ein  weiteres 
Moment,  weshalb  der  Baumschulbesitzer  nicht  ohne  weiteres 
an  diese  Kultur  herantreten  kann.  Ein  einjähriger  Obstbaum 
z.  B.  bildet  die  Grundlage  für  alle  Formen,  er  kann  auch  im 
Notfalle  noch  im  2.  und  3.  Jahre  in  jede  beliebige  Form 
gebracht  werden;  hat  man  aber  bei  einer  individuell  oder  krumm 
oder  als  Kugel  oder  Wand  heranzuziehenden  Pflanze  erst  die 
Anlage  gemacht,  so  ist  sie  eben  für  jede  andere  Form  un- 
tauglich. Der  Züchter  wird  jede  Gelegenheit,  die  ihm  Aussicht 
auf  gesteigerten  Absatz  bietet,  mit  Freuden  ergreifen,  er  wird 
sich  den  an  ihn  herantretenden  Wünschen  nach  Möglichkeit 
anzupassen  suchen  und  es  auch  da  an  Entgegenkommen  nicht 
fehlen  lassen,  wenn  es  sich  darum  handelt,  einzelne  Sachen 
heranziehen  zu  müssen,  bei  denen  wenig  oder  gar  kein  Gewinn 
zu  erzielen  ist,  aber  man  wird  ihm  nicht  verdenken,  wenn  er, 
bevor  über  die  zu  ziehenden  Sorten  und  Formen  nicht  völlige 
Klarheit  geschaffen  ist,  nur  zögend  an  die  Sache  herangeht. 
weil  er  befürchtet,  dai5  er  nach  4  oder  5  Jahren  vielleicht 
große  Vorräte  an  speziell  gezogenen  Pflanzen  anzubieten  in 
der  Lage  ist,  die  er  nicht  absetzen  kann,  weil  die  Richtung  in 
der  Gartenkunst  sich  inzwischen  wieder  geändert  hat  oder 
weil  die  von  der  Konkurrenz  angebotene  minderwertige  Ware 
den  Preis  gedrückt  hat  und  er  gezwungen  würde,  zu  einem  Preise 
zu  verkaufen,  der  den  Kosten  der  Anzucht  nicht  entspricht. 
Nur  dann,  wenn  die  Garantie  gegeben  wäre,  daß  für  die  ge- 
wünschten Formen  und  Pflanzen  angemessene  Preise  gemacht 
werden    krmnten    und   genügender   und    dauernder  Absatz   vor- 


handen ist,  nur  dann  wird  der  Baumschulbesitzer  in  der  Lage 
sein,  Kapit.-il  und  .Vrbeitskraft  im  größeren  Maßstabe  an  ein 
solches   l'nternohmen  zu  wagen. 

Es  wäre  nun  geradezu  lächerlich,  wollte  man  dem  Land- 
schaftsgärtner und  Gartenkünstler  zumuten,  diese  (iarantie  zu 
übernehmen.  Aui-h  sie  können  heute  noch  nicht  wissen,  was 
über  .')  oder  (i  .lahren  .verlangt  wird  und  nach  welclier  Ividitung 
hin  sich  der  Geschmack  weiter  entwickelt,  auch  sie  haben 
sich  den  \on  ihren  Auftraggebern  gestellten  Anforderungen 
anzupassen. 

Nicht  um  die  .Mengen  der  heranzuziehenden  Pflanzen 
liandelt  es  sich,  denn  ilarüber  ist  von  Fall  z\i  Fall  zu  ent- 
scheiden, sondern  um  die  .Vuswahl  der  Sorten  und  Formen, 
die  wii-  ziehen  snlh^n,  und  hierüber  uns  klar  zu  werden,  ist  die 
erste  Aufgabe,  die  nur  durch  enges  Zusammengehen  von 
Züchtern  und  Verbrauchern,  durch  eingeliendes  Studium 
seitens  aller  Beteiligten  und  vor  allem  durch  regsten  Meinungs- 
austausch gelöst  werden  kann.  Hierzu  anzuregen,  ist  nicht 
zum  wenigsten  der  Zweck  dieser  Zeilen. 

Langsur.  G.  J.  tiarrelts. 


Verschiedene  Mitteilungen. 

Axel  rintelmaiiD-Ehrung.  Vor  kurzem  wurde  auch  in 
dieser  Zeitsclirift  ein  .\ufruf  veröffentlicht  mit  der  Bitte,  Bei- 
träge einzusenden  für  eine  Ehrung  für  Axel  Fintelmann.  Der 
Aufruf  war,  wie  bei  der  Beliebtheit  Fintelmanns  nicht  anders 
zu  erwarten  stand,  auf  fruchtbaren  Boden  gefallen  und  es  haben 
die  eingegangenen  Beträge  bereits  die  Höhe  von  2327  M.  er- 
reicht, wie  in  der  Sitzung  des  Ausschusses  am  9.  Oktober  be- 
kannt gegeben  wurde.  In  der  Aussprache  über  die  Art  der 
Ehrung  wurde  der  Wunsch  geäußert,  zu  versuchen,  ob  es  nicht 
erreichbar  sei,  ein  Denkmal  oder  einen  Gedenkstein  an  öffent- 
licher Stelle  zu  setzen,  vielleicht  innerhalb  einer  Anlage,  die 
init  dem  Wirken  Fintelmanns  in  besonders  engem  Zusammen- 
hang steht.  Es  sollen  nach  dieser  Richtung  die  nötigen  Schritte 
unternommen  werden,  ohne  jedoch  den  ursprünglichen  Plan 
eines  Grabdenkmals  aus  den  Augen  zu  verlieren.  Da  es  in- 
sonderheit eine  Ehrung  aus  dem  Ivreise  der  Fachgenossen  ist, 
ergeht  an  alle,  die  mit  an  diesem  Werke  tätig  sein  wollen,  die 
Bitte,  dem  Ausschuß  durch  Einsendung  von  Zeichnungen, 
Skizzen  oder  sonstige  Hinweise  ratend  und  helfend  zur  Seite 
zu  stehen.  Dieser  Bitte  liegt  der  Gedanke  zugrunde,  daß  das 
Werk  an  Wert  gewinnt,  wenn  der  Entwurf  von  einem  Fach- 
genossen stammt;  gleichzeitig  aber  sei  die  Bitte  wiederholt, 
durch  weitere  Geldsendungen  die  Summe  zu  vergrößern.  Diese 
wie  auch  alle  übrigen  .Sendungen  sind  an  die  Firma  Gebr. 
Borntaeger,  Berlin  SW.  11,  Großbeeren  Straße  t),  welche  die  Ge- 
schäftsführung übernommen  hat,  zu  richten.  Zahn, 

Verein  ausländischer  Gärtner  von  Paris  und  Um- 
gebung. Der  Zweck  dieses  in  Paris  bestehenden  Vereins  ist 
es,  nach  dort  kommenden  Berufsgenossen  mit  Rat  und  Tat 
zur  Seite  zu  stehen  und  über  einschlägige  Verhältnisse  nach 
außerhalb  schriftliche  Auskunft  zu  erteilen. 

Die  Entwickelung  des  Vereins  ist  eine  gute,  er  zählt  zur- 
zeit gegen  .')0  Mitglieder,  besitzt  eine  reichhaltige  Bibliothek 
und  hält  die  gelesensten  Zeitschriften  der  verschiedenen  Länder. 

Von  interessanten  Studienfahrten  des  verflossenen  Halb- 
jahres sind  zu  erwähnen:  Ausfüge  nach  Orleans,  Versailles, 
dem  Park  von  Rotlischild  in  Ferrieres.  den  Kulturgärten  von 
Vilmorin   u*  a. 

Die  Geschäftsstelle  des  Vereins  befindet  sich  in  .Sceaux 
(Seine),  nie  Houdan  li. 


232 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  11 


Schlufs    der   Mannheimer   Jubiläumsausstellung.     Die 

Schlußfeier  der  Ausstellung  und  des  Stadtjubiläums  fand  am 
20.  Oktober,  nachmittngs  4  Uhr,  im  Musensaale  des  Rosen- 
gartens statt,  wo  auch  am  1.  Mai  der  feierliche  Eröffnungsakt 
sich  abgespielt  hatte.  Den  Saal  füllten  die  zur  Feier  Geladenen, 
unter  denen  der  badische  Staatsmiaister  v.  Bodmann  und  der 
Regierungspräsident  der  Pfalz,  v.  Neuffer,  sich  hefanden. 

Oberbürgermeister  Dr.  Beck  warf  einen  Rückblick  auf  die 
Jubiläumsveranstaltungen  und  wies  auf  die  wohlgelungenen 
Ausstellungen  hin,  deren  verdienstvollem  Leiter,  Bürgermeister 
Ritter,  er  dankte.  Letzterer  feierte  die  Ausstellung  als  künst- 
lerische, soziale  und  wirtschaftliche  Tat  und  konnte  verkündigen, 
daß  die  Zeichner  des  Garantiefonds  voraussichtlich  nicht  in 
Anspruch  genommen  zu  werden  brauchen. 

Minister  v.  Bodmann  dankte  der  Stadt  Mannheim  für  die 
Ausstellung  namens  des  badischen  Landes  und  gab  die  ver- 
liehenen   fürstlichen  PJhrenpreise    und  Staatsmedaillen    bekannt. 

Es  erhielten  fürgaitenkünstlerische  Leistungen  unter  anderen : 
Den  Elirenpreis  Sr.  Maj.  des  Kaisers  Fred.  Henkel,  i.  F.  Groß- 
giirtnerei  Henkel  G.  m.  b.  H.,  Darmstadt;  den  Ehrenpreis  des 
Prinzen  Arnulf  v.  Bayern  und  die  preußische  große  silberne 
Staxitsmedaille  Gebr.  Siesmayer,  Frankfurt  a.  JL;  außerdem 
ist  dem  Chef  der  Firma,  Kgl.  Garteubaudirektor  Phil.  Sies- 
mayer, die  II.  Klasse  des  badischen  Ordens  vom  Zähringer 
Löwen  verliehen  worden.  Die  preußische  große  bronzene  Staats- 
medaille erhielt  A.  Buchner,  München,  die  bronzene  Staats- 
medaille des  Herzogtums  Sachsen-Altenburg  Fr.  Brahe,  Mann- 
heim, die  des  Herzogtums  Sachsen-Meiningen  Gebr.  Roethe, 
Bonn. 

Mit  einem  Hoch  auf  den  Groiiherzog  Friedrich  II.  erklärte 
Minister  v.  Bodmann  die  Ausstellung  für  geschlossen.  Ernste 
Musik  eröffnete  und  schloß  die  Feier,  auf  deren  Programm- 
gestaltung die  herrschende  Landestrauer  naturgemäß  von  Ein- 
fluß gewesen  war. 

Draußen  in  den  Anlagen  der  Ausstellung  herrschte  an 
diesem  Schlußtage,  begünstigt  durch  das  herrlichste  Herbst- 
wetter, noch  einmal  ein  außerordentlich  lebhaftes  Treiben  und 
am  Abend  flammten  all  die  zahlreichen  Beleuchtungseffekte 
auf,   um  noch  ein  letztes  Mal  das  märchenhaft  schöne  Bild  er- 


stehen zu  lassen,  das  man  an  so  manchem  .Sommerabend  hatte 
bewundern  können.  Um  Mitternacht  aber  erlosch  die  ganze 
Herrlichkeit  endgültig. 


Preisausschreiben. 

Mit  einem  Wettbewerb  für  Hausgäi'ten  tritt  der  Verlag 
der  „Woche",  nachdem  er  vor  Jahresfrist  ein  recht  ergebnis- 
reich verlaufenes  Preisausschreiben  für  Entwürfe  von  Sommer- 
und  Ferienhäusern  veranstaltet  hatte,  jetzt  an  die  Öffentlichkeit. 
Ausgesetzt  werden  an  Preisen  im  ganzen  10  (lOl)  Mark. 
Davon  soll  die  Hälfte  in  Beträgen  von  (SOG — 1000  Mk.  als 
Preise  für  vollständige  Gartenentwürfe,  die  andere  Hälfte  für 
Zeichnungen  von  Gartenausstattungsstücken  in  Beträgen  von 
•">0 — 300  Mk.  vergeben  werden. 
Als  Preisrichter  fungieren: 

Chefredakteur  P.  Dobert,  Berlin, 

Gartendirektor  F.  Encke,  Köln, 

Gartendirektor   W.  Frhrr.    v.  Engelliardt,    Düsseldorf, 

Geh.  Reg.-Rat  Dr.  Ing.  H.  Muthesius,  Berlin. 

Professor  Bruno  Paul,  Berlin, 

Architekt  Richard   Riemerschmid.  München. 

Professor  Paul  Schnitze-Naumburg,  Saaleck  b.  Kosen. 
Aus  den  Bedingungen  ersehen  wir,  daß  nur  Einzelpersonen, 
keine  Firmen,  sich  beteiligen  dürfen,  daß  die  einzuliefernden 
Beiträge  Originalarbeiten  sein  müssen  und  sich,  wenn  irgend 
möglich,  auf  der  Wirklichkeit  entnommene  Fälle  beziehen 
sollen.  Die  zu  entwerfenden  Gärteu  sollen  sich  einem  frei- 
liegenden Landhause  anschließen  und  1000 — 2000  qm  Grund- 
fläche haben.  Für  die  besondere  Gestaltung  des  Gartens  sollen 
die  örtlichen  Verhältnisse  maßgebend  und  im  allgemeinen  die 
regelmäßige  Einteilung,  entsprechend  der  in  Aussicht  ge- 
nommeneu Größe  des  Gartens,  zu  bevorzugen  sein,  es  sei  denn, 
daß  die  natürliche  Bodengestaltung  auf  eine  andere  Art  der 
Lösung  hinweise.  Ausgeschlossen  sollen  sein  Nachahmungen 
von  Naturszenerien  in  kleinerem  Maßstabe,  wie  Felsschluchten, 
Waldseen  u.  dgl.,  besonders,  da  wo  sie  dem  Charakter  der  Urt- 
lichkeit  nicht  entsprechen. 


('anipanula  gloniei'ata  ilaliunca. 
Aufnahmen  aus  der  Mt.  Desert  Nursery,  Bar  Harbor,  Maine  V.-St. 


Kür  die  Redaktion  verantwortlich:  Stadt-Gartendirektor  Heicke,  P'ranlti'urt  a.  M,  —  Verlag  von  Gebrüder  Borutraeger,  Berlin  SVV.  II, 

Grofsbeeren  Strafne  9.  —  Druck  von  A.  W.  Hayn'B  Erben,  Potadum. 


IX,    12 


DIE  GAETENKUNST 


23n 


Von  der  Mannheimer  Gartenbauausstellunp^  1907. 

IX.  nie  Soiidci'^iiiteii  von  Fr.   Hnilic.  (M'lir.  Roetlic   iiihI  dcf  (larlniliof  der  (ielir.  Sie.siiiayer. 

Scliliirslx'trarlitiiiijieii. 


Äußere  l^mständo  sind 
die  Veranlassung,  daß  diese 
Gärten  erst  jetzt  einer  Be- 
sprecliung  unterzogen  werden. 
Die  Reihenfolge  soll  nicht 
etwa  als  Maßstab  diM-  Wert- 
schätzung gelten. 

Vielleieht  die  uugünstigste 
Stelle  des  Ausstellungsge- 
ländes für  die  Anlage  eines 
Sondergartens  hat  Fr.  Brahe 
in  Mannheim  zugewiesen  er- 
halten —  oder  hat  er  sie  sich 
ausgesucht,  um  zu  zeigen, 
was  man  daraus  machen 
kiinneV  Eine  sehr  häßliche, 
nur  teilweise  durdi  einigen 
Baumwuchs  gedecl<te,  hohe 
Backsteinbrandmauer  be- 

grenzte den  Platz  auf  der 
Südseite  und  entzog  einem 
großen  Teil  während  der 
meisten  Tagesstunden  die 
Sonne.  Auch  mußte  die  ganze 
Anlage  so  angeordnet  werden, 
daß  der  Beschauer  die  Sonne 
vor  sich,  also  im  Gesicht  hatte. 
Trotzdem  war  ein  reizen- 
des Gärtchen  zustande  ge- 
kiimmen.  Die  Gliederung  der 
i'und  1000  i^  m  umfassenden 
Fläche  ist  aus  der  hier  buige- 
gebenen  Skizze  ersichtlich: 
sie  ist  streng  geometrisch 
gehalten,    ohne    daß  dabei  in 


►jfe^^hl 


Ja^jgti 


orcHN'Tpflr? 


iflUSSTE-LLUNßSQFIRTEN-FR.  SRRHE  Dflm"ENRRCniTEnT  MflNNhEIM 


Ijageplan  des  Sondergarteus  von  Fr.  Brahe  auf  der 
Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


gesuchter  Weise  die  Formensprache  der  Modernsten  nach- 
geahmt ist.  Weshalb  Brahe  den  Garten  einen.,Römischen"ge- 
nannt  hat,  ist  mir  nicht  verständlich  geworden  —  riimischo 
Anklänge  habe  ich  nicht  gefunden.  Aber  es  braucht  doch 
auch  einer  Sache,  die  an  sich  gut  ist,  nicht  erst  durch 
'^  „Motive"  u.  dgl.  Bedeutung  beigelegt  zu  werden? 
.2:  Der  eigentliche  Zugang  zum  Garten  wurde  durch  ein 

(X>  Gartenhaus  (Seite  237)  gebildet,  das  an  die  vorbeiführende 
CSI  Lindenallee  sich  anlehnte.  Schade  war  es,  das  Br.  den 
dem  Garten  zugekehrten  erkerartigen  Ausbau  dieses 
Hauses  nicht  freigehalten,  sondern  zur  Aufstellung  des 
Modelies  einer  von  ihm  entworfenen  Gartenanlage  benutzt 
hatte.  Hier  würde  der  Beschauer  den  günstigsten  Stand- 
ort    für    einen    durch    die    Pensterumrahmunt"-    wirkunos- 


voll  zusammengehaltenen  Ge- 
samtüberblick über  den  Garten 
gehabt  haben. 

Als  eine  sehr  geschickte 
Li'isung  muß  die  Anord- 
nung des  Laubenganges  an 
der  dem  Gartenhause  ge- 
genüberliegenden Schmal- 
seite des  Gartens  bezeichnet 
werde,  weil  dadurch  der 
Blick  gefesselt  und  beschäftigt 
und  von  den  unschTmen 
kahlen  Giebohvänden  der 
Nachbarschaft  abgelenkt 

wurde. 

.\us  der  Gliederung  des 
Laubenganges  ergaben  sich 
rocht  hübsche  Einzelheiten, 
wie  sie  in  den  Bildern  Seite 
234u.  235  wiedergegejjen  sind. 
E>as  warme  Sandsteinrot 
der  das  weiße  Gebälk  des 
Laubenganges  tragenden  Pfei- 
ler ging  mit  dem  Grün  des 
Buschwerks  gut  zusammen 
und  rief  eine  behagliche 
Stimmung  hervor.  Diese 
wurde  noch  erhöht  durch 
die  maßvoll  gehaltene  Aus- 
stattung des  Gartens  mit 
.guten  Sitzgelegenheiten,  hüb- 
schen Plastiken,  Brunnen- 
anlagen u.  dgl.  Ein  größeres 
Wasserbecken  in  Marmor 
gefaßt  uud  mit  Kugelbuchs 
und  Säulenwacholder  seitilich  eingerahmt  lag  in  der  Mitte 
des  Laubenganges. 

L)ie  den  Jahreszeiten  entsprechend  wechselnde  Bepflan- 
zung  der  Blumenbeete  hätte  etwas  weniger  nach  dem 
üblichen  Schema  (rote Geranien,  Begonien  usw.) gehalten  sein 
können.  Diese  kleinen  Mängel  beeinträchtigten  aber  durch- 
aus nicht  den  harmonischen  Gesamteindruck  der  Garten- 
schüpfung. 

Eine  merklich  entschiedenere  Betonung  des  Modern- 
Geometrischen  drückte  sich  im  Sondergarten  der  Bonner 
Gartenarchitekten  Gebr.  Röthe  aus.  (Lageplan  Seite  238.) 
Auf  zwei  Seiten  durch  die  Ausstellungshalle,  an  der  dritten 
durch  die  Lindenallee  eingerahmt,  war  der  Garten  von  dem 
an   der  freien   Schmalseite  befindlichen    Eingang   aus   ent- 


234 


DIE  GARTENKUNST 


[X,  12 


wickelt.  (Bild  Seite  239).  Stufen  führten  zu  der  ver- 
tieft liegenden  von  lireiten  Kieswegen  begrenzten  Rasen- 
fläche, die  —  nach  manches  Beurteilers  Ansicht  —  in 
etwas  übertriebener  Strenge  jeglicher  Ausschmückung  ent- 
behrte. Dem  Eingang  gegenüber  an  der  anderen  Schmal- 
seite blickte  das  hochgelegene  Lusthaus  des  Darm- 
städters Jacob  Krug  aus  dem  Grün  der  Bäume  hervor, 
beiderseits  flankiert  durch  eine  mit  wildem  Wein  und 
Clematis  in   allen  Farben   bewachsene  Holzpergola. 

Dem    hier    im  Schatten    sitzenden    Besucher  bot  sich 
ein  reizvoller  Überblick  über  den  im  hellsten  Sonnenlicht  ge- 
badeten Garten.  Zu 
im  Grundriß  acht- 
eckigen     Nischen 

mit  Blumen- 
schmuck und  Sitz- 
gelegenheiten wa- 
ren die  vier  Ecken 
der  Gartenrtäche 
ausgebildet  (Bild 
S.  241).  Sie  fan- 
den  wegen    ihrer 

eigenartigen 
Anordnung  vielen 
Beifall.  Steil  ge- 
haltene und  mit 
Sorgfalt  augelegte 
Böschungen  ver- 
mittelten allseitig 
den  Übergang  zu 
den  höher  gele- 
genen Randpartien 
des  Gartens.  Vor 
der  Treppe  zum 
Lusthauso  war 
im  Rasen  ein 
kleine.?  Marmor- 
wasserbecken    mit 

plastischem  Schmucke  angeordnet;  auch  sonst  waren  noch 
anderweitig  Bildwerke  von  Juckoff  zur  Aufstellung  ge- 
langt. An  verschiedenen  kleinen  Architekturen,  Eingängen, 
Treppen,  Bänken  u.  dgl.  bot  der  Garten  anregende  Vorbilder. 
Und  nun  zu  Siesmayers  Gartenhot  vor  der  Kunst- 
halle. Eine  2'/2  '"  unter  dem  Niveau  der  Umgebung 
liegende  rechteckige  Fläche  von  98  und  56  m  Seitenlänge, 
an  der  einen  Seite  von  der  schmucklosen  Rückfront  der 
Gelegenheitsanbauten  an  die  Billingsche  Kunsthalie,  an 
den  drei  anderen  von  der  nüchternen  Absperrungsmauer  der 
Ausstellung  begrenzt,  zudem  noch  in  zwei  Teile  geschnitten 
durch  eine  höchst  überflüssige  Botonbrücko  —  daraus 
sollte  ein  Schmuckhof  gemacht  werden! 

Die  Aufgabe  ist  so  gut  gelöst  worden,  wie  es  unter 
den  obwaltenden  l'mständen  überhaupt  nur  denkbar  wai',  und 
ich  glaube,  dal)  mancher  .i;-|eich  mir  überrascht  oben  auf  der 
Treppe  der  vom  Friedrichsplatze  herführenden  Überbrlickung 
stehen  geblieben  ist,  um  das  schöne  Bild  zu  seinen  Füßen 
zu  bewundern,  als  er  zum  ersten  Male  seine  Schritte  zur 
Kunsthalle   lenkte. 


Ringsum  waren  die  Mauern  durch  eine  heekenartige 
Pflanzung  nach  Möglichkeit  verdeckt,  und  in  Straßenhöhe 
ein  breiter  von  Blumenrabatten,  wechselnd  mit  Kübelpflanzen, 
begleiteter  Weg  im  Viereck  um  die  vertiefte  Fläche  herum- 
geführt, wie  aus  der  beigegebenen  Skizze  S.  242  ersichtlich 
ist.  Zu  dieser  hinab  war  der  Übergang  durch  scharf  und 
sauber  herausgearbeitete Hasenliöschungen  vermittelt.  I'nten 
waren  farbige  Kiesstreifen  und  Blumenrabatten  in  den  Rasen 
eingeschnitten.  E)as  Ganze  war  in  seinen  \'erhältnissen 
so  glücklich  abgewogen,  in  seiner  Form  so  ruhig  und 
einfach  gehalten,  in  den  Farben    so  fein    abgestimmt,    daß 

seinem  Schöpfer 
die  rückhaltloseste 
Anerkennung  ge- 
zollt werden  muß; 
vor  allem  aber 
wegen  der  maß- 
vollen Beschrän- 
kung, die  sich  in 
der  ganzen  An- 
lage ausdrückte 
und  gerade 
hier  auf  einer 
Ausstellung,  wo 
alle  anderen  doch 
mit  vollen  Händen 
di(_>  Püllo  der 
gärtnerischen 
Schmuckmittel 
verschwendeten. 

Gewiß  gab  es 
auch  bei  dieser 
Anlage  mancher- 
lei, was  anders 
hätte  sein  können 
—  z.  B.  wären 
an  den  vier 
Ecken  der 
Anlage  mächtige  Taxuspyramiden  anstatt  der  Nord- 
mannstannen am  Platze  gewesen,  an  der  Mauer  entlang 
hätte  die  Pflanzung  noch  höher  und  dichter  sein  können. 
Wer  das  tadelt,  der  hat  wohl  kaum  einen  Begriff  von 
den  Koston,  die  die  Anlage  und  l'nterhaltung  dieser  übrr 
5200  O  m  großen  Fläche  erforderte.  Für  die  Bewertung 
der  künstlerischen  Leistung  waren  es  Nebensächlichkeiten. 
Viel  schwerer  fiel  die  abscheuliche  Betonbrücke  ins  Gewicht, 
die  in  höchst  störender  Weise  die  Anlage  zerschnitt  und  gegen 
die  Siesmayer  sich  seiir  entschieden,  aber  erfolglos  ge- 
wehrt hat.  Für  den  \'erkehr  war  sie  entbehrlich  und  als 
Ausstellungsobjekt  —  wir  waren  doch  auf  einer  Gartenbau- 
Ausstellung  —  durchaus   nicht  am   Platze. 

.\n  iliriH-  Stelle  wäre  lin  breiter  Kies-  oder  Mosaik- 
weg durch  die  Anlage,  zu  dem  beiderseits  breite  Frei- 
tri'ppcn  hiiiabfiihi'eii  konnten,  viel  wirkungsvoller  gewesen. — 
Wir  iniichteii  liin-niit  die  Besprechung  der  Mannheimer 
Gartenl)au-Ausstollung  s<^liließnn,  wenigstens  soweit  es  sich 
um  die  Würdigung  von  Einzdleistungen  handelt  und  nur 
noch    einige  Bemcrkiingi'n     allgemeiner   Natui'    anknüpfen. 


-Briinoennischu.     ^VuliKiluiif  aus  dein  .Sondergartea   von   Fr.  lir.th 
auf  der  Mannheimer  Gartenbauansstellung. 


IX.  i: 


Uli-;    GAllTKNKl'NS- 


•j:i." 


Mittelpartif    des  L;uibengiiuges  mit  Wasserbecken. 


3.  Laubeugang  —  Seitenteil. 
Aufnahmen  aus  dem  Sonderaarten  von  Fr.  Brahe  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung 


236 


DIE   GARTENKUNST 


IX,   12 


Am  Schlüsse  einer  solchen  Veranstaltung  drängt  sich 
naturgemäß  die  Frage  auf:  Haben  sich  die  daran  ge- 
knüpften Erwartungen  erfülltl  Es  kommt  darauf  an. 
welcher  Art  die  Erwartungen  waren,  die  derjenige  gehegt 
hat.  welcher  eine  solche  Frage  stellt.  Das  Interesse, 
welches  wir  naturgemäß  von  Anfang  an  an  der  Ausstellung 
genommen  haben,  galt  der  Frage:  Wird  sie  uns  garten- 
künstlerisch  weiterbringen''  Und  diese  Frage  möchte  ich 
für  meine  Person  mit  Ja 
beantworten. 

Andere  werden  Nein 
sagen!  Wenn  sie  die  Fragi' 
in  dem  Sinne  gestellt  hatti'U, 
als  solle  die  Ausstellung  dif 
Überlegenheit  der  Land- 
schaftsgärtner beweisen  und 
mit  einem  Fiaskn  dei- 
als  Gartengestalter  auf- 
tretenden Professoren  ab- 
schließen, und  dadurch  die 
Gartenkunst  gefordert  wer- 
den, dann  haben  sie  mit 
ihrem  Nein  allerdings  recht. 
In  dieser  Beziehung  hat  die 
Ausstellung  nichts  bewiesen. 

Ganz  gewiß  bot  sie  Ge- 
legenheit zu  sehr  lehrreichen 
Studien  und  Beobachtun- 
gen. Man  konnte  die  erfreu- 
liche W^ahrnehmung  machen, 
daß  die  neuzeitlichen  Kunst- 
bestrebungen einen  recht 
fühlbaren  Einfluß  auf 
gartenkünstlerischem  Ge- 
biete auszuüben  beginnen. 
Zwar  gab  es  auch  Vor- 
führungen, die  man  lieber 
nicht  hätte  zulassen  sollen, 
die       aber      immerhin      als 

Maßstab  zur  Feststellung  des  allgemeinen  Fortschrittes 
eine  zwar  unfreiwillige,  aber  doch  nicht  überflüssige  Auf- 
gabe erfüllten.  Ihnen  gegenüber  hoben  sich  sehr  vorteilhaft 
die  Leistungen  solcher  Fachvertreter  ab,  die  die  erforder- 
liche Aufnahme-  und  Entwickelungsfähigkeit  besitzen,  um 
die  Anregungen  und  Lehren  der  neuen  Zeit  ins  Gärt- 
nerische zu  iiliersetzeii  und  in  Verbindung  mit  Sarli-  und 
Fachkenntnis  praktisch  zu   verwerten. 

Man  konnte  lieobachten,  wie  der  auf  dem  tiebiete  der 
Gartengestaltung  entbrannte  Wettstreit  bei  einer  ganzen  Reihe 
grundverschiedener  Aufgaben  zu  eigenartigen  Lösungen 
Veranlassung  gegeben  hatte.  Dabei  war  es  von  besonderem 
Interesse,  im  einzelnen  zu  verfolgen,  wie  die  Beteiligten  es 
verstanden  hatten,  die  Sache  jeweils  so  aufzuziehen,  daß 
die  Lösung  mit  den  ihnen  vertrautesten  Mitteln  erfolgen 
konnte.  Man  braucht,  um  Beispiele  hierfür  heranzuziehen, 
nur  die  beiden  Extreme,  die  Schöpfungen  von  Läuger  und 
Henkel  zu  betrachten:  bei  jenem  eine  entschiedene  und 
weitgehende  Bevorzugung  der  .\rchitektur,  Plastik,  K'cramik, 


4.  Bliclv  in  den  Laubengang. 
Aufnahme  aus  dem  Sondergarten  von  Fr.  Biah 
Mannheimer  Gartenbauansstellmie. 


—  beim  anderen  eine,  wie  Otto  SchulzeElberfeld  so  treffend 
gesagt  hat,  mit  liebevollster  Hingabe,  größtem  Geschick  und 
rafliniertesten  Egoismus  durchgeführte  Zurschaustellung 
herlichsten  Pflanzenmaterials  —  beides  unter  Betonung 
einer  künstlerischen  Auffassung  vom  Garten.  Je  nachdem 
man  persönlich  der  Läugerschen  oder  der  Henkeischen 
Auffassung  näher  steht,  wird  man  sich  in  seinem  Urteil 
über  beider  Vorführungen  beeinflussen  lassen,    aber  bei  der 

großen  Verschiedenartigkeit 
der  Gesichtspunkte,  von 
denen  sie  bei  der  Auffassung 
und  Lösung  ihrer  Aufgaben 
ausgegangen  sind,  kann  von 
inner  vergleichsweisen  Be- 
wertung, etwa  wie  bei  dem 
Wettbewerb  um  eine  be- 
stimmte Aufgabe,  nicht  die 
Rede  sein.  Und  was  von 
diesen  beiden  gilt,  gilt  auch 
gleichmäßig  tür  alle  ande- 
ren. Behrens,  Hrahe,  Henkel, 
Läuger,  Röthe,  Siesmayer, 
Schultze-Naumburg  —  so- 
viel Namen,  soviele  ganz 
verschiedengeartete  Auf- 
gaben und  Lösungen..  I  lie 
i'inzigen,  die  etwa  einen 
Vergleich  gestatteten,  weil 
sie  ziemlich  ähnliche  Auf- 
galten  sich  gestellt  und  bei 
ihrer  Lösung  auch  an- 
nähernd gleiche  Wege  ge- 
gangen sind,  sind  Brahe 
und  Gebr.  Röthe.  Im  übri- 
gen kann  man  nur  jeden 
einzelnen  Fall  für  sich 
betx-achten:  man  kann  unter- 
suchen, welche  Aufgabe 
hatte  sich  der  Betreffende 
gestellt,  welche  Mittel  hat  er  zu  ihrer  Lösung  ergriffen, 
wie  ist  ihm  die  Lösung  gelungen.  Trotz  der  Verschieden- 
artigkeit  der  ausschlaggebenden  Gesichtspunkte  ergaben 
sich  zwar  hier  und  da  Gelegenheiten  zu  vergleichsweiser 
Betrachtung,  aber  sie  betrafen  doch  nur  Einzelheiten. 

Es  hat  deshalb  auch  keinen  rechten  Sinn  gehabt,  dall 
seitens  der  .\usstellungsleitung  eine  Art  von  Prämiierung 
der  Sondergärten  vorgenommen  uiul  durch  Zuerkennung 
von  Preis(ui  eine  gewisse  .\bstufung  in  ihrer  Bewertung 
zum  Ausdruck  gebracht  worden   ist. 

Wenn  dabei  beispielsweise  Siesmayerfiir  seinen  Garten- 
hol' \oi'  der  Bdlingschen  Kunsthalle  den  Ehrenpreis  des 
Prinzen  Arnulf  von  Bayern,  die  Gebr.  Röthe  für  ihren 
Sondergarten  die  biduzene  Medaille  eines  kleinen  mittel- 
deutschen Staates  erhalten  haben,  so  beweist  das  an  sich 
eigentlich  gar  nichts:  denn  Siesmayor  hat  die  ihm  zu- 
gefallene Aufgabe,  aus  einer  vertieft  gelegenen  Baustelle 
gewissermaßen  einen  Schmuckhof  zu  schafl'en,  auf  seine 
Art  ganz  ausgezeichnet  gelöst.      Er  niulile  dabei  naturgemäl! 


if  der 


IX,  12 


niK  GARTENKUNST 


237 


5.  Der  mittlere  Teil  des  Giirtens. 


6.  Das  Gartenhaus. 
Aufnahmen  aus  dem  ^ondergarten  von  Fr.  Brahe  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 


238 


DIE    GARTENKUNST 


L\,   12 


ganz  anders  zu  Werke  gehen  und  ganz  andere  Mittel 
entfalten,  als  die  Gebr.  Röthe,  die  einen  Hausgarten  ge- 
schaffen haben,  wie  er  ihnen  dem  Platz  und  den  Umständen 
entsprechend  erschienen  ist. 

Man  hätte  daher  richtiger  gehandelt,  eine  solche 
Prämiierung  zu  unterlassen,  die  immerhin  den  Anschein 
erwecken  kann,  als  seien  die  Leistungen  derjenigen  minder- 
wertiger, welche  mit  Preisen  bedacht  wurden,  die  nach 
allgemeiner  Auflassung  weniger  hoch  geschätzt  zu  werden 
pflegen  als  andere,  und  es  haben  diejenigen  Aussteller  kon- 
sequent gehandelt,  die  erklärt  liatten,  ihre  Gärten  keiner 
Prämiierung  zu 

unterwerfen 
und  sich  außer 
Wettbewerb  zu 
stellen.  Damit 
haben  sie  der 
gleichen  Auf- 
fassnug  Aus- 
druck verlie- 
hen, die  auch 
ich  lür  die 
richtige  halte. 
Bei  der  gro- 
ßen Verschie- 
denartigkeit 
der  Gesichts- 
punkte, welche 
für  die  Ge- 
staltung der 
Sondergärten 
maßgebend 
waren,       kann 

man  wohl 
sagen,  mir  ge- 
fällt diese 
oder  jene  Vorführung  besser,  die  ganze  Art  und  Weise 
ihrer  Durchführung  ist  mir  sympathischer  —  aber  man 
kann  nicht  von  dem  Unterliegen  einer  ganzen  Gruppe  von 
.Vusstellern  und  dem  Obsiegen  einer  anderen  Gruppe 
sprechen,  womit  nicht  gesagt  sein  soll,  daß  es  keine  Ent- 
gleisungen auf  beiden  Seiten  gegeben   habe. 

Was,  wenn  man  von  zwei  Gruppen  unter  den  Aus- 
stellern der  Sondergärten  reden  will,  sich  feststollen  ließ, 
das  war,  daß  die  gärtnerischen  Pachvertreter  eine  ganz 
offenbare  Überlegenheit  in  der  Verwendung  des  Pflanzen- 
materials besitzen,  woran  übrigens  noch  nie  jemand  ge- 
zweifelt hat,  und  daß  anderseits  die  Gartongestalter  aus  dem 
Kreise  der  Kunstprofessoren  aus  Neigung,  wie  wohl  auch 
im  uneinge-standenen  Gefühl  der  Unsicherheit  dem  Pflanzen- 
material gegenüber  bei  ihren  Gärten  den  Nachdruek  auf 
die  Ausstattung  mit  Architekturen,  plastischem  Sclunuck 
u.  dgl.  legen  und  erklärlicherweise  hierbei  eine  Über- 
legenheit zeigen,  die  man  nicht  ernsthaft  bestreiten  sollte. 
Dabei  braucht  man  noch  gar  nicht  gleich  an  den  Läuger- 
garten  zu  denken.  Schon  das  eine  einzige  Bildwerk  in 
Schultze-Naumburgs  Garton  war  so  glücklich  ausgewählt  und 
mit  so  f<dnem  (Jefühl  am  richtigen  Platze  aufgestellt,    daß 


Lageplan  des  Sondergartens  der  Gebr.  Roethe  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung. 
Die  eingeschriebenen  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  Nummern  der  Bilder  (Seite  239 — 241 ). 


dagegen  sämtliche  Plastiken  des  mir  sonst  so  sympathischen 
Röthegartens  nicht  aufkommen   konnten. 

Und  wenn  vom  Läugergai'ten  gesagt  wird,  daß  er 
wegen  des  starken  Vorherrschens  der  Architektur  kaum 
noch  als  Garten  angesprochen  werden  könne,  vielmehr 
einzelne  Teile  nur  den  Charakter  von  Höfen  gehabt  hätten, 
so  hat  das  nur  sehr  bedingte  Berechtigung  und  es  kann 
damit  meiner  .\nsicht  nach  gegen  Läugors  Auffassung 
nichts   bewiesen   werden. 

Willy  Lange  sagt  zwar:  Lien  Garten  bauen  «mIci' 
den  Garten   pflanzen,   das  ist  hier  die  Frage.     Ich  kann 

dem  nicht  ganz 
zustimmen  und 
möchte  sagen : 
Man  kann 

d  e  n  G  arte  n 
pflanzen  und 
man  kann  ihn 

allerdings 
auch—  bauen. 
Meiner  persön- 
lichen Neigung 
entspricht     der 

gepflanzte 
Garten,        und 

glücklicher- 
weise ist  es 
die  Mehrzahl 
der  Menschen, 
die  Neigung 
und Mit- 
tel auf  den  ge- 
pflanzten Gar- 
ten verweisen. 
Aber  deshalb 
kann  es  doch 
auch  Leute  geben,  die  —  um  bei  dem  Beispiel  zu  lileiben 
—  sich  einen  Läugergarten  zu  bauen,  Neigung  und  Mittel 
haben  —  und  wenn  ein  solcher  Garten  dann  einem  ver- 
ständigen Gärtner  in  die  Pflege  gegeben  wird,  der  dafür 
sorgt,  daß  die  Architekturen  durch  das  in  Mannheim  kaum 
angedeutete  Schlingpflanzengerank  umsponnen  werden,  daß 
die  Beete  gut  abstimmten  farbigen  Blumenschmuck  erhalten, 
daß  es  in  dem  Garten  blühe  in  üppiger  Fülle  vom  ersten 
Frühlings-  bis  zum  letzten  Herbsttage,  dann  kann  ich  mir 
denken,  daß  sich  ein  märchenhaft  schönes  Bild  voll  des  reichsten 
Pflanzenlebens  entwickelt.  Aber  die  Eigenarti,gkeit  dieses 
Bildes  wird  nicht  in  der  Gruppierung  des  Pflanzenmatorials, 
auch  nicht  in  dessen  eigener  Schönheit  beruhen,  sondern 
in  dem  architektonischen  Gosamtaufbau,  zu  dem  Läuni'i- 
die  Idee  gegeben  hat.  \\'a.runi  will  man  denn  das  nichl 
rückhaltlos  anorkonnon?  Warum  soll  mau,  um  vnn  dem 
angezogenen  Beispiel  abgehend,  allgemein  zu  spi'echeii, 
sich  nicht  offen  und  ehrlich  der  anregenden  l'^rfolge  der 
Mannheimer  \usstellung  treuen,  ohne  Rücksicht  dara.uf, 
von  wem  sie  ausgegangen   sind. 

Ich  meine,  es  wäre  nachgerade  höchste  Zeit  gowei-den, 
den    Blick    auf    das    gi'oßo     Ganze     zu     richten,     anstatt 


IX,  12 


DIE    GARTENKUNST 


239 


2.  Blick  vom  Eingang  in  den  Garten. 


3     Blick  schräg  durch  den  Garten  nach  dem   Hause  zu. 
Aufnahmen  aus  dem  Sondergarten  der  Gebr.  Roethe-Bonn  auf  der  Mannheimer  GartenbauaussteUung. 


240 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  12 


bei  jeder  Gelegenheit  wioder  aufs  neue  sicli  als  Hlitor  von 
Pacligrenzen  aufzuspielen,  die  längst  allseitig  durchlirocheii 
sind. 

Die  letzten  Jahre  haben  uns  unzweifelhaft  eine 
Fülle  nützlicher  und  fördernder  Anregungen  gebracht. 
In  erster  Linie  haben  wir  sie  dem  allseitig  wieder 
erwachenden  Interesse  am  Garton  zu  verdanken,  und 
wer  das  geweckt  hat,  sind  allerdings  nicht  die  Be- 
mühungen von  Gartenfachleutea  gewesen,  sondern 
es  ist  die  mit  Macht  einsetzende  neuzeitliche 
Bewegung  zur  Herbeiführung  einer  allgemeinen 
künstlerischen 
Wiedergeburt, 
die     auf     allen 

Gebieten 
menschlichen 
Schaffens  nach 
A  u  s  d  r  u  c  k  ringt 
und  schließlich 
auch  des  Gar- 
tens sich  be- 
mächtigt. 

Sollen  wir  die 
Förderung,  die 
sie  bringt,  ab- 
lehnen, weil  die 
Bewegung  nicht 
in  unseren  eige- 
nen Reihen  ent- 
standen ist?  Kön- 
nen wir  die  an- 
regende Mitarbeit 
von  Vertretern 
anderer  Kunstge- 
biete bei  der  sich 
vollziehenden  Wie- 
dergeburt der  Gar- 
tenkunst zurück- 
weisen, ohne 
uns    selber   untreu  zu   werden? 

Müssen  wir  sie  nicht  vielmehr  mit  lebhafter  Freude 
begrüKen,  weil  sie  der  von  uns  selbst  vertretenen 
Aufgabe  „Förderung  der  Gartenkunst  im  weitesten 
Sinne"  außerordentlich  nützlich  ist- 

Und  wenn  man  sich  wirklich  in  gänzlicher  Verkennung 
der  allgemeinen    Lage  auf   einen  ablehnenden    Standpunkt 


1.  Blick  in  den  Laubengang  zu  selten  des  Lusthauses. 

Aufnahme  aus  dem  Sondergarten  der  Gebr.  Roethe  auf  der  Mannheimer 

Gartenbauausstelluna;. 


traurig  wäre,  welch  eine  Fülle  von  rückständiger  Aut- 
fassung noch  fortgesetzt  in  den  Köpfen  derer  steckt,  die 
von  Berufes  wegen  mit  allen  Kräften  die  Vorwärtsbewegung 
fiirdern  sollten  und  sich  statt  dessen  ein  Sondervergnügen 
daraus  machen,  dem  Wagen  Steine  vor  die  Räder  zu  wälzen  I 
Sind  wir  es  denn  nicht  uns  und  unserem  Berufe 
schuldig,  jetzt  endlich  energisch  mit  zu  wirken  und 
mit  zu  streben,  nachdem  —  das  muß  einmal  offen  heraus- 
gesagt werden  —  diejenigen,  welche  auf  garten- 
künstlorischem  Gebiete  innerhalb  der  Fachkreise 
jahrzehntelang    die    Führung    in    Händen    hatten, 

s  1  c  h  d  e  r  h  a  rj- 
rendeu  grollen 
Aufgaben  nicht 
gewachsen  ge- 
zeigt   haben? 

Selten  sind 
die  Zeichen  der 
Zeit    so    gründlich 

miliverstanden, 
selten     die    G  e - 
I  e  g  e  n  h  o  i  t       a  u  s 
eigene  m         A  n  - 
triebe  eine 

kraftvolle  Rc- 
f  0  r  m  b  e  w  e  g  u  n  g 
einzuleiten  und 
ihr  Wege  und 
Ziele  zu  weisen, 

so  gründlich 
verpaßt  wor- 
den, als  ge- 
rade im  Kreise 
der  deutschen 
Gartenkünstler! 
Mit  nichtigem 

Kleiuigkeitskrani 
bat        man        die 
kostbare  Zeit 
vertrödelt    und    mit    wichtigtuendein    Gebahren    Dinge    zu 
Erfolgen    zu  stempeln  versucht,    die    in    \\'iiklichkoit   Mill- 
erfolge waren. 

l^nd  drang  mal  eine  Stimme  von  außen  herein  und 
mahnte  an  dir  harrenden  Aufgaben  der  neuen  Zeit,  dann 
wurde  d^r  unbequeme  Rufer  belehrt,  d.iß  „WIR"  deren 
Erfordernisse    doch  viel    besser    kenneu,     und     wagte   ein 


stellen    wollte,    gegenüber    der    von    allen    Seiten     heran-      junger  Stürmer  in  eigenem  Kreise  mal  ein   Wörtlein,    das 


drängenden  Mitarbeitsbereitschaft,  mit  welchen  Mitteln 
könnte  denn  unter  heutigen  Verhältnissen  das  Ein- 
dringen der  neuzeitlichen  Bewegung  und  ihrer  Ver- 
treter in  das  ängstlich  gehütete  Sondergebiot 
der  Gartenkunst  gehindert  werden?  Wollen  die 
Fachgronzwächter  etwa  zum  Büttel  laufen,  damit  er  jene 
Leute,  die  ohne  „Unsere"  Erlaubnis  im  Garten  zu  schaflen 
beginnen,  beim  Kragen  nehme  und  in  einen  sicheren 
Gewahrsam  bringe,  auf  daß  die  Ruhe  im  Garten 
nicht  gestört  wird? 

Man  könnte    lachen  darüber,    wenn  es   nicht    so  tief 


neue  Gedanken  verriet,  dann  bekam  er  es  mit  dem 
Schulmeistcrstock  auf  die  Finger,  daß  ihm  die  Lust  ver- 
ging, sich  zum  zweiten  Male  hören  zu  lassen.  Das  sind 
die  Resultate  eines  zwanzigjährigen  Strebens,  das 
so  glückverheißend  begonnen  hatte.  —  Muli  ich 
noch  deutlicher   werden?! 

Und  nun,  nachdem  es  noch  in  zwölfter  Stunde  ge- 
lungen ist,  Türen  und  Fenster  des  Hauses  weit  zu  öffnen, 
so  daß  dio  frische  Luft  der  neuzeitlichen  Bewegung  alle 
Räume  erfüllen  kann,  möchte  man  gar  versuchen,  sie  mit 
Papier  wieder  zu    verkleben,   weil  manchem  an  die  stickige 


IX,   12 


DIE  GARTENKUNST 


241 


•  1.  Achteckiger  Sitzplatz. 
Autnahmen  aus  dem  SonJerKarten  der  Gebr.  lioethe-Boun  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellun.: 


242 


DIE   GARTENKUNST 


IX,  12 


nUi^^^TCl.LUNb-wnNNnEin    19Q7- 


Stubenluft  Gewöhnten  der  frische  Luftzug  zu  lebhaft  um   die 
Ohren  wehtl 

Gewill  das  Sprichwort  sagt:  \\'o  gehauen  wird,  da 
fliegen  Späne,  und  mancher  mag  die  bitteren  Wahrheiten, 
die    ihm    jetzt    an  den   Kojjf    fliogen,    recht    unangenehm 

empfinden. 
Aber  das  läßt 
sich  nicht  än- 
dern. Die 
Fenster  unse- 
res Hauses 
sind  offen  und 
bleiben  offen ; 
dafür  wird 

schon  gesorgt 
werden,  auch 
wenn  es  Leu- 
ten, die  nebenan 
wohnen,  nicht 
gefallen  sollte. 
Es  ist  ganz 
naturgemäll 
und  selbstver- 
ständlich, daß 
nicht  alles,  was 
jetzt  an  neuen 
Ideen  auf  dem 
Acker  der  Gar- 
tenkunst ins 
Kraut  schießt, 
gut     ist     und 

dauernden 
Wert  hat.  Das 
hat  die  neu- 
zeitliche Bewe- 
gung mit  jedem 
ähnlichen  Vor- 
gang gemein- 
sam. Um  die 
Spreu  von  dem 
Weizen  zu  son- 
dern  und  eine 

von  Rück- 
schlägen freie 
Keinsaat  für 
die  Zukunft  zu 
gewinnen,  muß 
gesiebt  und 
Auslese  gehal- 
ten werden. 

Das    kann 
nur  erfolgreich 


JLageplan  des  Gartenhofes  der  Gebr.  Siesmayer  vor  der  Kuiistbolle  auf  der 
Mannheimer  Gartenbauausstellnng. 

Grundgedanke:  Vertieftliegender  Innenhof,   von  allen  Seiten  von  Gebäuden   uiiischlussen 

ß  e  [)  f  1  a  n  z  u  n  g : 


An  der  Wand  der  Kunsthalle  entlang 
standen  kanadische  Pappeln,  da/.wischen 
italienische  Pappeln.  Dieselben  Pflanzen  be- 
fanden sich  an  den  Ecken  und  an  einzelnen 
Stellen  der  Einfriedigung. 

Zu  einer  Hecke  vereinigt  waren: 

1.  Thuya  occidentalis,  davor 

2.  Prunus    Pissardi,     zwischen     diesen     in 
gleichen  Abständen 

3.  Thuya  occidentalis  lutea,  vor  diesen  eine 
Eeihe 

4.  Oanna  L.  E.  Bally,  und  als  letzte  Linie 
.').  Ligustrum  ovalifolium. 

6.  Buxus-Pyraniiden  1   auf  flacher 

7.  Picea  excelsa  compacta   I    Böschung. 

Die  kleinen  <^i)uadrate  dienten  Lorbeer- 
bäumen zur  Aufnahme. 

8.  Pyramid-Lorbeer.  untcrpllanzt  mit  Chry- 
santh.  cor.  n.  pum.  luteum, 

9.  Kugel-Lorbeer,    untorpflanzt    mit    Chry- 
santh.  cor.  n.  pum.  luteum. 


Geschäftigkeit  nur  taubo  Nüsse  knacken.  Mögen 
sie  an  dieser  Tätigkeit  Freude  und  Befriedigung  finden,  wir 
wollen  uns  an  etwas  anderem  erfreuen:  Wir  wollen  uns 
freuen,  daß  wir  die  heutige  Zeit  voll  regen  Lebens  und 
Strebens  mit  erleben,  wir  wölben  uns  dieser  schönen 
1  Zeit        würdig 

I  erweisen     und 

jeder  an  seinen 
Platz  unser 
Toll  beitragen, 
daß  die  Hoff- 
nungen erfüllt 
werden,  die  sie 
in  jedem  weckt, 
dem  die  Sorge 
f  ü  r  d  e  n  e  n  - 
g  e  n  K  r  e  i  s  s  e  i  - 
n  e  r     Sonder- 

intoressen 
n  i  c  h  t  de  n 
Sinn  für  die 
großen  Ideale 
der  Gesamt- 
heit verküm- 
mert hat. 

Und  die  Mann- 
heimer Aus- 
stellung, die 
den  Ausgangs- 
punkt unserer 
Betrachtungen 
bildete?  Nun, 
es  brauchen 
darüber  nicht 
mehr  viel  Worte 
gesagt  zu  wer- 
den. Wer  mei- 
nen Darlegun- 
gen beipflich- 
tet, der  wird  mir 
auch  /ustim- 
men,  wenn  ich 
diese  Ausstel- 
lung einen  be- 
deutsamen 
Markstein  am 
Wege  der  fort- 
schreitenden 
l'jntwickelung 
der  Garten- 
kunst nenne, 
wenn     ich    be- 


Die  Längsrabatten  waren  bepflanzt  mit: 

10.  Pelargonium  zonale  Reformator,  später 
Salvia  splend.  Feuerball. 

In  den  vier  grossen  Quadraten  an  den 
Ecken  standen: 

11.  Abies  Nordmanniana, 

12.  Vinca  minor, 

13.  Chrysanthemum  coronariuni  nannm  pu- 
milum  luteum, 

14.  Zierweg,  1  m  breit,  bedeckt  mit  weili- 
blauem  Silberkies. 

l.j.  Evonymus  japonica,  oben  zu  einer  Fläche 
geschnitten,  eingefaßt  mit  Efeu. 

Kl.  Bordüren  aus  Tropaeolum  majus  nanum 
(rolden  Queen,  später  Chrysanthenuini 
indicum  Soeur  Melanie. 

17.  Zierweg,  bedeckt  mit  rotem  Naulieimev 
Salinengrieü. 

18.  Pergobi,  oben  Pelargonium  peltat.  Charles 
Turner,  unten  Pelargonium  pcltat.  Leo- 
pard, an  den  Wänden  Efeu. 


in  offener  rückhaltloser  Aussprache  und  in  vorurteils- 
losem Zusammenwirken  aller,  der  berufenen  und  der 
freiwilligen  Mitarbeiter  geschehen.  Und  wenn  dabei 
auch  mal  ein  „Gemeinplatz"  zum  Vorschein  kommt,  so 
hat  das  nichts  zu  bedeuten  im  Vergleich  mit  der  Tätigkeit 
gewisser    Kreise,    die    heute    noch    in    geräuschvoller 


haupte,  daß  sie,  wie  kaum  eine  ihrer  Vorgängerinnen,  ge- 
eignet war,  das  Verständnis  und  Interesse  weitester  Kreise 
für  die  Kunst  des  Gartens  zu  erwecken,  und  wenn  ich 
hoffe,  dal!  ihre  Nachwirkungen  mit  dazu  beitragen  werden, 
den  nent'ii  gbinzvollon  Aufschwung  der  Gartenkunst  zu  be- 
schleunigen, den  wir  alle  erwarten.  Heicke. 


IX.    \-2 


DIE  GARTENKUNST 


2i3 


Auriiahiiif    1. 


Aufnahme  2. 
Aufnahmen  aus  dem  üartenhof  der  Gebr.  Siesmayer  vor  der  Kunsthalle  auf  der  Mannheimer  Gartenbauausstellung 


2U 


Dl  1-;  CA  UTEN  KUNST 


IX, 


i^^ii^^.'yZ^'^-fT 


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sk  »■  -'ÄÄ^«f<«,.^a>„^,p^js^j^ 


'W: 


Hecke  eines  Bauerngartens  aus  der  Nähe  von  Sulingen  (Prov.  Hannovei'). 


Ht'itr;i^zuiEiit\vickeliiiif;s^t'.scliiclite<lesiiie(ler.siiclisisclieii 
Baueriij;ai'teii.s. 

Von  Gartenarchitekt  Rofs. 

Liju  Geschichte  der  Gartenkunst  unterscheidet  eine 
ganze  Anzahl  von  Stilarten,  angefangen  beim  babylonischen 
und  ägyptischen,  bis  zum  modernen  oder  deutscheu, 
wie  ihn  der  Franzose  in  ehrliiher  Anerkennung  der  türh- 
tigen  Arbeit  der  jungdeutschen  Landschaftsgärtner  viel- 
fach nennt.  Aber  der  typische  Garten  des  niederdeutschen 
Bauern  gehört  keiner  dieser  Stilarten  an.  Sein  Grundzug 
ist  fast  durchweg  die  Zweckmäfsigkeit  der  Anlage  zur 
i'lrfüllung  seiner  wirtschaftlichen  Aufgaben,  er  i.st  die 
Quintessenz  des  Nützlichkeitsprinzipes,  und  wenn  man 
seinem  Wesen  eine  Stilbezeichnung  geben  soll  —  die 
moderne  wissenschaftliche  Methodik  will  es  ja  so  —  dann 
könnte  man  den  Stil  des  niedersächsischen  Bauerngartens 
vielleicht  den  „Utilitätsstil-'  nennen,  und  würde  da.mit 
allerdings  weniger  vornehm  sprachdeutsch,  alicr  um  so 
trefTender  sein  Wesen  gekennzeichnet  haben. 

Das  nüchterne  Prinzip  der  Nützlichkeit  wiiusciit  vor- 
nehmlich eine  bequeme  Einteilung  des  Gartens,  (Ue  am 
besten  durch  gerade,  sich  senkrecht  schneidende  Wege 
erzielt  wird.  Je  kleiner  der  Besitzer,  je  ärmer  an  Land- 
besitz, um  so  ängstlicher  die  Ausnutzung  des  Bodens  und 
um  soviel  schmaler  die  Wege,  um  so  geringer  die  Flüche, 
die  der  Ziergärtnerei,  der  Amme  der  Gartenkunst,  ge- 
widmet werden  kann. 

Diesem  Prinzip  entspricht  das  Aussehen  des  Gartens 
und    der    Blumenschmuck    schliefst    sich    in    seiner    Ver- 


wendung, sofern  er  in  reicherem  Mal'su  vorhanden  ist, 
der  im  Interesse  der  leichten  Bewirtschaftung  und  guten 
Ausnutzung  getroftenen  Anordnung  an,  indem  die  Wege 
seitlich  von  Beetstreifen  begleitet  sind,  welche  dem  Schmuck 
des  Gartens,  den  Blumen,  eingeräumt  sind. 

t>as  ist  der  unverfälschte  Typus  nicht  nur  des  nieder- 
sächsischen, sondern  des  Bauerngartens  in  fast  aller 
Herren  Lämler.  \\'as  dazu  kommt,  was  aufserdem  im 
Garten  vorhanden  ist,  kann  erst  das  Besondert^  des  nicdor- 
sä(!hsischen   Gartens  ausmachen. 

Ich  bemerke  von  vornherein,  dals  dieses  Besondere, 
welches  wir  nicht  selten  finden,  nicht  das  geistige  Eigen- 
tum des  niedersächsischen  Bauern  ist,  es  ist  nicht  Heimat- 
kunst, die  aus  der  eigenen  Scholle  emporwächst  und  des- 
halb eine  einheitliche  Wirkung  erzielt,  sondern  es  ist 
entlehnt.  Aber  es  ist  einem  stammverwandten  Volke 
entlehnt,  das  seinerseits  die  Anregung  /.u  seinem  Schaffen 
dem  französischen  Gartenstil  dankt.  1  »a.s  was  nun  zu- 
meist im  niedorsächsischen  Bauerngarten  iiulTälll,  sinil 
Rudimente,  Fra,gmente  des  holländischen  Gartenstiles.  VwA 
es  sind   nur  i'echt  dürftige,   verstümnu'lte   Reste. 

Bck.iinillich  grillen  die  Holländer  seinerzeit  die  Ideen 
des  französischen  Gartenstils  auf  und  modifizierten  sie, 
indem  sie  diese  ihren  Verhältnissen  anpafston.  L)er  }ilangel 
an  Grofsgrundbesitz  drückte  zunächst  den  Umfang  der 
Anlagen,  die  meistens  sogar  nur  in  sehr  bosclu'idenen 
Grenzen  gehalten  waren,  die  langen,  mit  aridiitcktouisi'hem 
Ausbau  uiul  Wasserkünsten  grofsartigen  liufaiiges  ver- 
sehenen Bassins  wichen  \\'ass(>rgräben,  und  was  dadurch 
an   Grofszügigkeit  und    vornehmer  \\irkiing  verloren  ging, 


IX,  12 


DIE  GARTENKUNST 


245 


sollte  durch  F\lpinmalerei  er.set.zt  werden.  Demzufolge 
entstand  Jener  Kleinschiniick.  von  dem  wir  Heste,  leider 
immer  gerade  die  unvorteilhal't  wirkenden,  kleinlichen, 
vielfach  noch  in  unseren  niedersiichsischen  Bauerngärten 
finden.  Zunächst  wurden  die  Hecken  des  französischen 
Stiles,  die  bei  aller  Einförmigkeit  eines  gewissen  impo- 
santen Eindruckes  nielit  entbeliren,  durch  Einschnitte  von 
Fenstern,  Toren,  durch  Einbau  von  lialbd(miartigen  Lauben, 
kleinen  Nischen,  Erkern  usw.  lebhafter  in  der  Linien- 
führung gemacht.  Eiann  .ging  man  dazu  über,  nach  Arl  der 
Architekten  \\'appentiere,  Säulen,  Vasen  usw.,  die  aber  .gleich 
den  Hecken  aus  lebenden  Pflanzen  geschnitten  wurden,  auf 
den  Hecken  anzul)ringen :  Eiiizelbäume  wui'den  vcrsidmitten 
zu  Sesseln,  Blumenkörben.  Menschen-  uml  Tiergruppen,  kurz 
der  Garten  wurde  zu  einer  Sa.nunlung  gärtnerischer  Kunst- 
stücke und  Spielereien.  Statt  einer  Umgebung  des  Hauses 
mit  Blumenbeeten  finden  wir  im  holländischen  Garten 
seiner  Zeit  Gruppierungen  von  Muscheln  aller  Art  und 
glänzenden  Steinen,  dazwischen  vielleicht  einen  Zwerg, 
di'r  aus  einem  Hörn  einen  dünnen  Strahl  ^\■asser  bläst. 
Die  niedrige  Buchsbaumeinfassung  kam  in  Mode,  und  alles 
wurde  noch  ülier  das  Mal's  des  französischen  Stieles 
verzerrt,  so  auch  die  Hecke,  die  von  da  ab  ei'st  in  einigen 
Metern   Hiihe   über  dem    Erdfioden    beu-innen    durfte,    und 


statt    der  Rosen    setzte  man  bunte,  glänzende  Glaskugeln 
an  langen  Stangen  auf  den  Hasen  usw. 

fiiii  nun  sehen  wir  uns  einmal  die  Zeichnungen  an, 
die  Herr  Kunstmaler  liolts  nach  früher  von  mir  gefertigten 
Skizzen  entwarf.  Die  Hecke  als  Lymfi'iedigung  mit  den 
grotesken  Verzierungen  (Abb.  1,  S.  244)  stammt,  wenn  ich 
mich  recht  erinnere,  aus  der  (iegend  von  Sulingen  in  der 
Provinz  Hannover.  Da  ist  die  Einfahrt  in  ein  (ikonomie- 
anwesen  in  Oberneuland  bei  Bremen  (Abb.  2,  S.  24.'3), 
tlankiert  von  hochstämmigen  Hecken.  Wer  da  olien  im 
Nordwesten  zu  Hause  ist,  der  wird  sicdi  auch  eines 
Bauerngartens  erinnern,  der  vor  der  Front  einen  Haufen 
zeigt,  komponiert  aus  Tuffsteinen  und  grofsen  Muscheln,  und 
gekrönt  mit   ein(Mn   (Inenien   oder  einem  Engel  als  General- 


schmuc 


die    Glasglocken    sind    auch    heute    noch 


der  Stolz  eines  jeden  tleifsig  behüteten  Jjandgartens.  Auch 
die  vielfache  Anwendung  des  Buchsbaumes  rührt  von 
damals  her  und  viele  werden  auch  schon  jene  in  Form 
eines  Heukelkorbes  geschnittenen  Buchsbaumvasen  gesehen 
haben,  die  im  Sommer  mit  Fuchsien  oder  Akelei,  mit 
fliegendem  Herz  oder  Goldlack  gefüllt  werden.  Fml  al) 
und  zu  findet  man  auch  noch  Künstler,  wehdie  Xamen- 
züge,  Tierfiguren,  Personen  und  mancdierlei  Gegenstände 
aus  lebenden   Pflanzen  S(dineiden.     Ich  .sah  vor  Jahren  in 


i  ■ 


Einfahrt  eines  Ökonomieanwesens  in  Oberneuland  bei  T^remen. 


24B 


LUE  GARTENKUNST 


IX,  12 


der  Nähe  von  Leer  ein  Segelschiff  aus  Cornus  mas.  dorn 
frühblühenden  Hartriegel,  mit  Takelzeug  und  .Mannschaft 
an  Bord,  und  wer  gelegentlich  von  Halberstadt  nach 
Wernigerode  im  Harz  fährt,  der  strecke  bei  der  Station 
Minsleben  den  Kopf  aus  dem  Fenster  und  er  findet  auf 
der  dem  Stationsgebäude  gegenübergelegenen  Seite  den 
Stationsnamen,  dessen  einzelne  Buchstaben  von  je  einem 
Baum  des  Weilsdorn  gebildet  werden.  Und  zu  beiden 
Seiten  ist  ein  „wohlassortiertes"  Möbellager  sowie  ein 
reichhaltiger  zoologischer  Garten,  fein  säuberlich  in  Weils- 
dorn ausgeschnitten,  zu  finden,  alles  das  Werk  eines 
Bahnwärters  bäuerlicher  Abkunft.  Und  ich  könnte  mehr 
Vergleiche  anführen  I 

Es  ist  eigentümlich,  dals  diese  Beeinflussung  durch 
die  Manier  der  Holländer  auffälligerweise  sich  auf  die 
Bevölkerung  niederdeutschen  Stammes  beschränkt,  be- 
sonders aber  nordwestlich  vom  Harz  in  direkter  Linie 
bis  etwa  nach  E)üsseldorf  in  der  Breite  des  Land- 
striches bis  zur  Nordsee  fühlbar  wird,  und  dafs  diese  Linie 
nahezu  mit  dem  Verlaufe  der  Grenze  zwischen  dem  nieder- 
deutschen und  dem  mittelhochdeutschen  Sprachgebiet  zu- 
sammenfällt. Dadurch  wird  eine  Übereinstimmung  des 
Geschmackes  dokumentiert,  die  einen  interessanten  Hin- 
weis auf  die  nahen  verwandtschaftlichen  Beziehungen  beider 
Volksstämme  auch  in  diesem  Punkte  bildet. 

Die  Bauerngärten,  welche  in  weiterem  Mafse  solche 
Anklänge  aufweisen,  verschwinden  mehr  und  mehr.  E)ie 
Pflege  dieser  Gärten,  besonders  der  Hecken,  verlangt  viel 
Arbeit,  die  bei  dem  heutigen  Mangel  der  Landwirtschaft 
an  Arbeitskräften  nicht  so  gut  geleistet  werden  kann. 
Wie  in  den  alten  Trachten,  Gewohnheiten,  Sitten  und 
Gebräuchen,  so  weicht  auch  hier  das  Alte  dem  Neuen. 
Läfst  auch  das  Alte  in  ästhetischer  Hinsicht  viel  zu 
wünschen  übrig,  so  hat  es  doch  das  Interesse,  das  die 
Geschichte  und  Vergangenheit  erweckt,  und  den  Vorzug, 
Abwechslung  zu  gewähren.  Die  Anlage  der  Gärten  nach 
moderner  Art,  wie  sie  heute  von  den  Landwirten,  die 
sich  den  Luxus  eines  Ziergartens  leisten  können,  betätigtwird, 
läfst  auch  meistens  sehr  zu  wünschen  übrig,  denn 
dort  wird  arg  gepfuscht.  Und  weil  eine  alte  Tracht  mit 
Würde  getragen  —  mag  sie  auch  an  sich  nicht  schön 
sein  —  mir  besser  gefällt,  als  ein  tadelloses  Modekleid, 
das  von  der  Trägerin  mit  Ungeschick  und  dem  eigenen 
Unbehagen  des  Ungewohntseins  spa.zieren  geführt  wird, 
so  gefällt  mir  ein  solcher  alter  Garten  mit  all  den  fremden 
Bestandteilen  darin  besser,  als  mancher  moderne,  dessen 
Anlage  an  sich  verfehlt  ist.  Mag  jener  viel  Entlehntes 
enthalten,  es  ist  der  Duft  der  Scholle,  der  Atem  des  Be- 
hagens und  der  Hauch  der  Heimat,  der  ihn  adelt.  Und 
deshalb  bedauere  ich,  daf.s  er  schwindet,,  dei'  alte  t,vpischi> 
Bauerngarten  der  Niedersachsen. 


Verschiedene  Mitteilungen. 


Grofs-Berlin.  Der  Gedanke  der  Berliner  Architekten- 
Vereine,  einen  einheitlichen  Bebauungsplan  für  Groß-Berlin  mit 
einem  Wald-  und  Wiesengiirtel  zu  schaffen  (vgl.  Gartenkunst  IX. 
Seite  187),  rückt  anscheinend  seiner  Verwirklichung  näher.  Es 
sind  in  Konferenzen  zwischen  den  mni']gebenden  Persönlich- 
keiten, in.sbosondere  in  Besprechungen  zwischen  dem  Ober- 
bürgermeister Kirschner  und  Geh.  Baurat  March,  die  Be- 
dingungen für  einen  allgemeinen  Wettbewerb  zur  Erlangung 
von  Bebauungsplänen  für  Groß-Berlin  festgesetzt  worden. 
,\uch  au  den  anderen  beteiligten  Stellen  hat  die  Angelegenheit 
gnlUtes  Interesse  und  Aussicht  auf  Funlerung  gefunden.  Man 
glaubt,  in  den  ersten  Monaten  nächsten  Jahres  mit  den  Be- 
dingungen des  Wettbewerbes,  bei  dem  mehrere  hochdotierte 
Preise,  unter  anderem  ein  1.  Preis  im  Betrage  von  30000  M., 
ausgeworfen  werden  sollen,  an  die  Öffentlichkeit  treten  zu 
können.  —  Für  die  Durchfübrnng  dieses  an  amerikanische  Vors 
bilder  gemahnenden  großzügigen  Wettbewerbs  darf  die  Bereit- 
stellung einer  Summe  von  1G5000  M.  erhofft  werden.  Die 
Vorarbeiten  werden  in  einem  besonders  gebildeten  Bureau  bo- 
trieben. 

Im  Zusammenhange  mit  diesen  Bestrebungen  hielt  Herr 
Landesbaurat  Prof.  Tb.  Goecke  kürzlich  im  Verein  für  deutsches 
Kunstgewerbe  einen  Vortrag  über  das  Thema:  Die  bauliche 
Ausgestaltung  von  Groß-Berlin.  Wir  erhielten  darüber  von 
Herrn  tlarteninspektor  Zahn  das  nachstehende  Referat: 

Nachdem  einleitend  der  Aus-  und  Aufbau  von  Groß-Berlin 
als  eine  „Aufgabe  der  Kunst"  bezeichnet  und  hierfür  der  Beweis 
erbracht  war,  wurden  die  im  Wettbewerbsprogramm  gestellten 
Forderungen  besprochen  und  Vergleiche  von  Berlin  und  Um- 
gegend mit  Wien  und  London  angestellt.  Der  Wald-  und 
Wiesengürtel  Wiens  fand  hierbei  eine  ganz  besondere  Be- 
achtung und  Wertschätzung,  ebenso  wie  die  in  London  aus- 
geführten gewaltigen  Durchbräche,  um  dem  Verkehr  neue 
Bahnen  zu  schaffen.  Den  Verkehrsanlagen  über  und  unter 
der  Erde,  als  Hocli-  und  Schwebehahn  und  der  am  wenigsten 
im  Straßenbild  auffallenden  Untergrundbahn,  sowie  den  leider 
noch  nicht  genügend  in  Aufnahme  gekommenen  Verbindungen 
zu  Wasser  auf  den  Kanälen,  Flußliiufen  und  Seen  wurde  ein 
besonderer  Abschnitt  gewidmet,  auch  nicht  unterlassen,  auf 
die  besonderen  Keize  der  Verkehrsstraßen  am  Wasser  hinzu- 
weisen. Es  ist  bekannte  Tatsache,  daß  gerade  in  und  um 
Berlin  wenig  Wert  daraid'  .gelegt  wird,  die  Ufer  der  Allgemein- 
heit zu  erhalten,  daß  sogar  Villenkolonien  lediglich  in  lUick- 
sicht  der  höheren  Bewertung  der  angrenzenden  Grundstücke 
von  diesem  Fehler  nicht  freizusprechen  sind.  Für  die  Haupt- 
straßen und  freien  Plätze  wurde  der  Wiederaufbau  von  San 
Franzisko  als  Beispiel  angeführt,  wo  getrennte  Gebiete  für  Ver- 
waltung und  Erziehung,  für  Erwerb,  für  Wohnung  vorgesehen 
sind.  Jedes  dieser  drei  wird  einen  ganz  bestimmt  ausgeprägten 
Charakter  erhalten.  Das  erste  ist  bestimmt,  die  monumentalen 
Bauten  in  Gruppen  an  Plätzen,  an  Pracht-  imd  Kingstraßen 
aufzunehmen.  Das  Erwerbsgebiet  \inifaßt  Fabriken  und  Handels- 
häuser und  endlich  das  dritte  die  Wohnungen;  dieses  Gebiet 
s(j11  durch  parkähnliche  l'lätze,  die  untereinander  in  Ver- 
bindung stellen,  für  die  Bewohner  besonders  angenehm  aus- 
gestaltet werden.  Neu,  wenigstens  füi-  unsere  Verhältnisse,  ist 
der  Vorschlag,  daß  die  Hausfronton  dem  Park,  die  Rückseiten 
der  Straße  zugekehrt  sein  sollten.  Dieser  Vorschlag  bringt  so 
recht  klar  und  deutlich  zum  Ausdruck,  daß  Wohngebiet  und 
Park  zusammengehören,  die  Strai.le  in  diesem  Falle  nur  Zugangs- 
weg. Wirtschaftsweg  bedeutet. 


IX,   12 


Uli':  CA  KT  ION  KUNST 


247 


Die  mit  dein  'l'elegraphenberg,  der  nur  Munumeutalbaiiten 
erhalten  soll,  gezogene  Parallele  mit  den  Müggelbergen  und 
ihrer  Ausgestaltung  als  monumentale  Festhalle  und  weihevollen 
Festplatz  bringt  ein  ganz  neues,  aber  der  Beachtung  wertes 
Moment  in  (Iroß- Berlins  künstlerischen  Ausbau. 

Kine  weitere  Parallele  mit  San  Franzisko  war  die  dort  ge- 
forderte Trennung  der  Fabrik-  und  Industriegebiete  von  den 
Wohngebieten;  maßgebend  für  ihre  Lage  sind  Eisenbahnen 
und  Wasserstraßen.  Wenn  auch  in  und  um  Berlin  diese  so 
notwendige  Trennung  noch  nicht  scharf  genug  durchgeführt 
ist,  so  sind  doch  u.  a.  Anfänge  dafür  vorhanden  in  Oberschöne- 
weide, in  dem  Gebiet  an  der  Oberspree  und  Johanuistal. 
Weiteren  Ausbau  können  diese  Fabrikviertel  in  den  durch  den 
Teltowkanal  aufgeschlossenen  Gebieten  erfahren. 

Mehr  übergreifend  auf  das  gartenkünstlerische  Gelnet 
waren  die  nun  folgenden  Ausführungen.  Den  Wohnstraßen 
und  Innenanlagen  wurde  ganz  besondere  Beachtung  geschenkt, 
namentlich  den  letzteren,  und  sei  hierfür  auf  den  Vortrag  ge- 
legentlich der  Flauptversammlung  in  Mannheim  hingewiesen 
und  auf  den  in  der  Gruppe  Rrandenliurg  im  Winter  gehaltenen 
'Wirtrag:  Innenanlagen  (vgl.  Gartenkunst  1907.  No.  5  u.  (5). 

Daß  des  Urhebers  der  InnengUrten.  Camillo  -Sittes,  an  dieser 
.Stelle  gedacht  wurde,  erscheint  selbstverständlich.  Einfamilien. 
häuser,  Landhausbebauung,  Vorgärten  können  wir  zusammen- 
fassen, und  sei  e.s  gestattet  auf  die  Broschüre  der  Gesellschaft 
für  Gartenkunst:  Gartenkunstbestrebungen  auf  sozialem  Gebiete, 
hinzuweisen,  in  der  auch  die  Vorgärtenfrage,  sowie  die  ^'orteile 
geschlossen  stehender  Einfamilienhäuser  im  Sinne  des  Vor- 
tragenden behandelt  sind.  Als  „Gartenstädte",  die  mit  allem 
großstädtischen  Komfort  ausgestatt  sein  müssen,  nannte  der 
Vortragende  die  l  fer  des  Müggelsees,  den  Wald  bei  Falken- 
hagen und  Hermsdorf,  die  Havelufer  gegenüber  dem  Grunewald, 
und  nicht  zu  vergessen  im  Süden  die  Seenkette  bei  Teupitz. 

Ist  so  vom  festen,  dichten  Kern  die  Bauweise  schon 
lockerer  geworden  im  Laudhausgcbiet,  so  müssen  auch  ausge- 
dehnte Flächen  frei  sein  von  jeglicher  Bebauung.  Ein  „Grüner 
Ring-  muß  die  bebauten  Flächen  umziehen,  muß  auch  als 
innerer  King  vorhanden  sein.  .Sport-,  Spiel-  und  Übungsplätze 
ist  dieser  außer  den  Parkanlagen  aufzunehmen  bestimmt.  Es 
ist  möglich,  ihn  im  Gebiete  Groß-Berlins  zu  schaffen,  da  ein- 
zelne Teile  in  den  bestehenden  Parkanlagen  bereits  vorhanden 
sind,  und  unter  Einbeziehung  des  Grunewalds,  der  ausgedehnten 
Flächen  der  jetzigen  liieselfelder  die  nötigen  Verbindungen 
hergestellt  werden  können.  Die  Friedhöfe  sind  ebenfalls  dem 
grünen  Gürtel  einzugliedern. 

Die  Rückwirkung  auf  die  vorhandenen  Stadtkanlagen 
werden  bestehen  in  großen  Straßendurchbrüchen;  es  sei  bei- 
spielsweise hierbei  nur  erinnert  an  die  auf  Befehl  Napoleons  III. 
ausgeführten  Durchbrüche  in  Paris  durch  den  Seinepräfekten 
Haußmann. 

..Wer  wird  den  Plan  für  Groß-Berlin  entwerfen?"  Diese 
Frage  bildete  in  ihrer  Antwort  den  Schlußsatz  der  Ausführungen. 
Schwerlich  nur  einer,  und  auch  nicht  in  einem  .Jahre.  Ein 
Stadterweiterungsamt  ist  damit  zu  betrauen.  Die  leitende 
Persönlichkeit  sei  ein  Städtebaukünstler,  und  mit  ihm  zusammen 
müssen  wirken  Architekten  und  Künstler,  ".Städtebau-,  Ver- 
waltungstechniker und  Ingenieure.  Diesen,  und  mit  dieser 
Ansicht  hoffe  ich  mich  eins  mit  meinen  Faclikoliegeu,  möchte 
ich  den  Gartenkünstler  eingereiht  wissen.  Zahn. 

Das  Schicksal  des  Mannheimer  Ausstellungsgeländes. 
Die  Veranstaltung  der  Gartenbauausstellung  1907  auf  dem 
Gelände  ehemaliger  Pachtgärten  im  .Süden  der  Augustaanlage 
hat  über  den  Wert  solcher  mit  reichem  Baumbestand  versehenen 
Fläche    manchem    die    Augen    geöffnet,     der    sonst   ohne    viel 


Sentimentalität  sich  darüber  wegzusetzen  pflegte,  wenn  alle 
Gartenanlagon  der  Baus|iekulation  geopfert  wurden.  Es  wurden 
mehrfach  Stimmen  laut  und  auch  Erwägungen  darüber 
angestellt,  ob  man  nicht  dieses  günstig  gelegene  Gelände  mit 
semem  schönen  Baumwuchs  ganz  oder  teilweise  als  Garten- 
anlage erhalten  solle,  die  unmittelbar  an  die  verkehrsreichste 
Gegend  von  Mannheim  und  den  schönen  Friodrichsplatz  an- 
grenzend, von  ganz  besonderem  Werte  sein  würde.  Man  hält 
dem  entgegen,  daß  die  herrschende  Wohnungsnot  zur  Be- 
bauung des  Geländes  dränge.  Sie  ist  vorhanden  —  allerdings! 
Ja  man  kann  sagen,  sie  grassiert  in  Mannheim  und  es  wird 
etwas  geschehen  müssen,  um  durch  Bereitstellung  von  Bauland 
dem  Mangel  an  Wohnungen  abzuhelfen  und  die  unheimlich 
holien  Mietspreise  herabzudrücken.  Allein  durch  die  Bebauung 
des  Ausstellungsgeländes  wird  dieser  Wohnungsnot  nicht  im 
mindesten  abgeholfen:  denn  woran  es  fehlt,  sind  Wohnungen 
für  die  Mittelstands-  und  Arbeiterbevölkerung.  Das  Aus- 
stellungsgebiet an  der  als  Prachtstraße  gedachten  Augusta- 
anlage kann  dafür  nicht  in  Betracht  kommen,  und  an 
Wohnungen  für  die  wohlluU)ende  I'.evölkernngsschicht  fehlt  es 
nicht. 

Es  liegt  also  keine  zwingende  Veranlassung  vor,  der  Stadt- 
verwaltung zuzumuten,  das  fragliche  Gelände  der  Bauspeku- 
lation preiszugeben.  Sie  sollte  vielmehr,  auch  wenn  es  mit 
Opfern  geschehen  müßte,  die  Umwandlung  in  eine  Parkanlage 
von  dauerndem  Bestand  anstreben,  zumal  ja  Mannheim  im 
Verhältnis  zu  seiner  Fläche  und  Bevölkerungszahl  arm  an 
Plätzen  und  Parkanlagen  genannt  werden  muß.  Gerade  in 
jener  Gegend  fehlt  ein  Erholungsaufenthalt  im  Grünen, 
trotz  der  Nähe  des  Friedrichsplatzes:  dieser  mit  seiner 
reichen  Ausstattung  wird  immer  mehr  den  Charakter  eines 
prunkvollen  Repräsentationsplatzes  behalten,  während  eine  zu 
behaglichem  Aufenthalt  einladende  Grünanlage  mit  lauschigen 
Winkeln  und  schattigen  Spielplätzen  sich  aus  dem  Ausstellungs- 
terrain mit  Ijeichtigkeit  machen  läßt  —  und  zwar  eine,  die 
nicht  noch  jahrzehntelanger  Geduld  und  Pflege  bedarf,  um 
heranzuwachsen!!  Also  anstatt  hier  dem  Baumoloch  zuliebe 
ein  Zerstörungswerk  zu  beginnen,  sollte  Mannheim  anderen 
Städten  mit  gutem  Beispiel  vorangehen  und  seiner  bereits  auf 
170000  Einwohner  angewachsenen  Bevölkerung  dieses  Eden  zu 
dauerndem  Genuß  zu  erhalten  suchen. 

Es  würde  das  ein  zwar  unbeabsichtigter  aber  um  so  segens- 
reicherer Erfolg  der  Gartenbauausstellung  1907  sein. 

Bei  der  Preisverteilung  im  Wettbewerb  für  die  gärt- 
nerische Umgestaltung  des  Nordmarktes  in  Dortmund 
wurden  die  Preise  wie  nachstehend  verteilt:  1.  Preis  (ÜOO  M.), 
Motto:  „Geometrie",  Verfasse)';  Städtischer  Garteninspektor 
Jung  in  Köln.  2.  Preis  (400  M.),  Motto:  „Koh-I-Noor",  Ver- 
fasser: Gartenarchitekt  Blumberger,  Köln-Rodenkirchen.  3.  Preis 
(200  M.),  Motto;  „Zur  Wohlfahrt  der  Bürger  gebaut",  Ver- 
fasser: Gebr.  Paetz,  Gartenarchitekten  Münster  und  Düsseldorf. 
Zum  Ankauf  sind  empfohlen:  Motto:  „Vier  Pappeln".  Verfasser; 
Gebr.  R<ithe,  Gartenarchitekten  in  Bonn,  und  Motto:  „Erholungs- 
stätte", Verlasser;  Gartenarchitekt  Foeth  und  Architekt  Bach- 
niann.  Köln-Lindenthal.  Als  Preisrichter  waren  tätig  die 
Herren:  Oberbürgermeister  Geh.  Regierungsrat  Schraieding, 
Stadtbaurat,  Kgl.  Baurat  Kullrich.  Stadtbaurat  Bovermann, 
Rentner  Julius  Baumeister,  Gärtnereibesitzer  Stoffregen  aus 
Dortmund  imd  Herzogl.  Promenadeninspektor  Kreiß  aus  Braun- 
schweig. Es  waren  .">1  Bewerbungen  aus  den  Kreisen  der 
Gartenkünstler    und    Architekten    Rheinlands    und    Westfalens 


emsegangen. 


248 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  12 


Bücherschau. 


House  and  Garden.  Infolge  einer  5 monatlichen  Balkan- 
reise komme  ich  erst  jetzt  ilazu.  wieder  über  den  Inhalt  dieser 
Zeitschrift  zu  referieren.  Im  Aprilheft  finden  wir  einen  inter- 
essanten Beitrag  von  Marie  v.  Tschudi,  gekennzeichnet  durch 
den  Titel:  ,To  Paint  the  Landscape  O'er.  To  Find  a  New  and 
Subtle  Charm  in  Tree  and  Shrub  celebrated  in  Song  and  Story, 
in  Music  and  in  Rhyme".  Die  Unterlage  dazu  bietet  die  mit 
guten  Photos  ausgestattete  Schilderung  der  Besitzung  „Overloigh" 
in  Neu-.Jersey,  die  dem  Künstler  .J.  M.  Dillon  gehört.  Die 
Ausführungen  über  Baumgruiipierung  u.  dgl.  m.  bieten  viel 
Anregendes. 

Das  Maiheft  wird  eingeleitet  mit 
einem  Beitrag  von  .Marv  H.  Carlisle 
welche  in  Wort  und  Bild  Skizzen  aus 
amerikanischen  und  englischen  Gärten 
gibt.  Sind  die  Skizzen  auch  etwas 
roh  in  der  Technik,  so  zeigen  sie  doch 
die  charakteristischen  Reize  solcher 
meis  tarchitektonischer  Anlagen  in 
ihrer  Blüteufülle.  —  Es  folgt  dann  ein 
Artikel  von  Edward  Thomas,  der  den 
alten  Garten  von  „Levenshall"  in  Kent 
schildert.  "Wir  sehen  die  bekannten 
verschnittenen  und  absonderlich  ge- 
formten Gebüsche  und  Einzelpflanzen, 
die  uns  als  lehrreiche  Dokumente  einer 
glücklicherweise  vergangenen  Zeit  :\n- 
muten.  —  Für  Gärtner  lehrreich  ist  der 
Aufsatz:  „The  Up-to-Date  Nursery". 

Das  .luniheft  ist  im  wesentlichen 
der  Architektur  gewidmet,  aber  die 
zahlreichen  guten  Pliotos  sind  vielfach 
auch  für  Gartenkünstler  sehr  instruk- 
tiv. Vor  allem  möchte  ich  auf  einen 
.\rtikel:  „The  Picture  Qualitv  of  Eng- 
lish  Vill.age  Cottages"  hinweisen.  Man 
vergleiche  mal  mit  diesen  Bildern 
unsere  gewohnten  Vorstadtvillen,  und 
wer  Augen  hat,  zu  sehen,  der  wiid 
eminent  viel  lernen  können.  Und 
dies  auch  aus  dem  kleinen  Beitrag 
von  Elizabeth  H.Fairley:  „Three  Gar- 
den Plans".  Wie  ganz  anders  ge- 
staltet diese  Frau  ihre  kleinen  Vor- 
stadtgärten, als  es  bei  uns  noch  immer 

üblich  ist.  Ich  will  damit  nicht  sagen.  dalJ  mir  alles  sym- 
p.athisch  ist,  sondern  nur,  daß  sie  nicht  im  Stile  der  be- 
kannten „100   kleinen   Haiisgärten"  vorgeht. 

Im  .Juliheft  ist  nichts  besonderes  hervorzuheben.  Höchstens 
die  Tatsache,  daß  sein  Ausstattungsschmnck  und  sein  Inhalt 
reich  wie  gewöhnlich  ist.  Für  das  ,\ugusthoft  gilt  das  gleiche. 
Ein  .\ufsatz  darin  von  F.  Mande  Smith  über  „Artistic  .lapanesc 
Features  for  Gardens  and  Country  Estatcs"  zeigt  z.  T.  Motive, 
die  mich  wenig  „japanisch"  anmuten,  oder  solche,  deren  Ein- 
beziehung in  sonst  wesensfremde  .\nlagen  nur  sehr  bedingt  an- 
zuraten ist. 

September-  und  Oktoberheft  sind  ebenfalls  ohne  Beiträge 
von  vorwiegend  gartonkünstlerischem  Interesse.     0.  K.  S. 

Dr.  Hegi,  Illustr.  Flora  von  Mitteleuropa,  illustr.. 
unter  Leitung  von  Dr.  G.  Dunzinger.  2.  F.,  Lehmanns  Verlag, 
München.     —     Von    dieser    trefflichen     Tlora     liegen    weitere 


Krummholzvegttation  im  Hochgebirge. 

Bildprobe  aus  Hegi-Dunzinger:  Illustrierte  Flora 

von  Mitteleuropa. 


Lieferungen  vor,  die  das  halten,  was  die  erste  versprochen  hat. 
In  eingehender  Weise  werden  die  Giefäßkryptogamen  zu  Ende 
behandelt.  Es  folgen  die  Koniferen  (Gymnospermen)  und  ein 
Teil  der  Monokotyledonen.  Wieder  können  wir.  auf  die  "guten 
Abbildungen  verweisen,  sowohl  der  koloriei'ten  Tafeln,  deinen 
jede  Lieferung  vier  bringt,  wie  auch  der  dem  Texte  eingefügten 
Federzeichnungen. 

Nicht    minder    bilden    die    guten    Habitusbilder    nach  Auf- 
nahmen   an    den     natürlichen    Standorten     besonders     charak- 
teristischer Arten  eine  schätzenswerte  Beigabe.    Einige  solche  • 
Bilder  aus  dem  Abschnitt  über  Nadelhölzer  geben  wir  hier  au 
Seite  24:8  und  Seite  249  wieder. 

Für  den  (Tartenkünstler  enthält  die  Flora  außerdem  in  den 
Angaben  über  die  Zusammensetzung 
der  verschiedenen  Formationen  be- 
achtenswerte Winke,  wenn  er  beab- 
sichtigt, Pflanzengruppierungen  auf 
ökologischer  Grundlage  zusammen- 
zustellen (Schwarzföhrenwald,  Krumm- 
liolzregion  usw.).  H. 

Hermann  Muthesius:  Land- 
haus und  Garten,  Beispiele  neuzeit- 
licher Landhäuser  nebst  Grundrissen, 
InnenrUumen  und  Gärten.  München 
1907. 

Es  ist  ein  anßerordentlicli  an- 
sprechendes Buch,  dem  ich  diese 
Zeilen  widme.  In  131  Textseiten,  die 
einer  reichen  und  guten  Bildersamm- 
lung vorangehen,  sind  die  neuzeitlichen 
Gedanken  über  die  Landhansbaukunst 
reizvoll  zu  einem  kleinen  Essai  zu- 
sammengeschmolzen. Gleich  im  Vor- 
wort beginnt  der  Verfasser  verständ- 
licherweise mit  der  Warnung  vor  dem 
gar  zu  oft  mißverstandenen  Gebrauch 
eines  solchen  Buches,  als  wäre  es 
eineVorratskammer  von  Mnsterhäusern 
zur  Auswahl  oder  gar  Hausteilen,  die 
je  nach  Geschmack,  oder  sagen  wir 
lieber  je  nach  Laune  so  oder  so 
zu  einem  sogenannten  „modernen 
i  lause"  zusammengestapelt  werden 
könnten.  Diese  Warnung  Icanu  nicht 
oft  genug  wiederholt  werden,  weil  die 
Tatsache,  daß  jedes  Werk  angewandter 
Kunst  aus  seinei  besonderen  Zweck- 
bestimmung horaiis  geboren  werden 
mulJ  und  somit  einen  Sonderfall  bedeutet,  auch  bei  der 
Mehrzaldder  „Gebildeten"  noch  lange  nicht  in  IMeiscJi  und 
Blut  übergegangen  ist. 

Was  Muthesius  zur  Grundlage  seinc^r  jirägnanten  .\us- 
fiihrungen  macht,  ist  die  Sehnsucht  nach  Wiedererlangung 
eines  menschenwürdigeren  Daseins,  das  in  dem  Getriebe  dos 
unruliigen  Großstadtleliens  verloren  zu  gelicu  droht.  Statt 
gesunder  Sammlung  und  Vertiefung  sehen  wir  in  der  Groß- 
stadt allentlialben  ungesunde  Zerstreuungen  und  \erflachung 
überhand  nolinu;n.  Dabei  kann  die  menschliche  Persönlichkeit 
nicht  ausreifen  und  —  wer  die  Sehnsucht  danach  laut  werden 
läßt,  wird  nicht  selten  vom  enragierten  Großstädter  als  ein 
naives  Kind  oder  als  exklusiv-philiströser  Sonderling  angesehen. 
Idealismus,  Geradheit.  Aufrichtigkeit,  diese  „kindlichen"  Eigen- 
schaften und  ersten  Bedingungen  für  gesundes  Knnstwachstum 
sind      zerstört     worden     vom     großstädtischen     Unkraut      des 


IX,  12 


DIE  GARTENKUNST 


249 


Arren  an  der  Baumgrenze, 
Bililprobe  aus:  Hegi-Dunzinger,  lUustr.  Florn. 

Materialismus  und  Geldprotzentums,  des  Seheinwesens  und  der 
Phrase.  Je  stärker  dieses  Unkraut  wuchert,  um  so  tiefer  sinkt 
das  Niveau  des  allgemeinen  Kunstsinnes.  Es  ist  kein  Wunder, 
daß  unter  solchen  Verhältnissen  auch  heute  noch  eine  After- 
kunft  sich  breit  macht,  deren  Ausgeburten  von  Muthesius 
in  scharfer,  beißender  Kritik  an  den  Pranger  gestellt 
werden.  Haus-  und  Gartenzerrbilder  werden  grell  genug 
beleuchtet  —  man  wagt  es  fast,  sich  der  Hoffnung  hin- 
zugeben, daß  die  verstockten  Ohren  endlich  hOren  und 
die  verblendeten  Augen  endlich  sehen  lernen  —  aber 
immer  noch  liilJt  sich  der  größte  Teil  des  Publikums  aus 
seiner  überaus  bedauerlichen  Verblendung  nicht  auf- 
rütteln und  von  gewissenlosen  und  geldmachenden 
(iauklern  beschwindeln.  Das  wird  so  lange  dauern,  bis 
endlich  wieder  der  .Sinn  für  persönlich  ausgestaltete 
Häuslichkeit  erwacht,  bis  endlich  wieder  die  Seele  des 
deutschen  Hauses  ihr  Selbstbewußtsein  wieder  gewinnt, 
das  beim  Graben  nach  unedlen  Scliätzen  verschüttet  und 
fast  erstickt  worden  ist. 

Es  ist  zunächst  nur  eine  „kleine  Gemeinde",  die 
Muthesius  Hoffnung  gibt  auf  den  herannahenden  Sieg 
echter,   gesunder  Kunst. 

In  seinen  weiteren  Ausführungen  entwickelt  Muthesius 
die  Anforderungen,  die  er  an  ein  gut,  d.  h.  zweckmäßig- 
gebautes  Landhaus  stellt.  Seine  Auseinandersetzungen 
sind  mir  insofern  angenehm  aufgefallen,  als  sie  auf 
außerordentlich  feinsinniger  Beobachtung  eines  persönlich 
durchgebildeten,  häuslich-harmonischen  Familienlebens 
beruhen.  Indem  Muthesius  die  einzelnen  Käume  des 
Hauses  zunächst  einzeln  aus  ihrem  Zweck  heraus  vor 
uns    erstehen    läßt,     indem     er    das    Arbeitszimmer    zu- 


gleich mit  dem  Gedanken  an  den  Platz  des  Schreibtisches 
das  Musikzimmer  zugleich  mit  vernünftiger  Aufstellungsmög- 
lichkeit des  Flügels  räumlich  formt,  ja  sogar  die  Morgonsonne 
als  stimmungsvollen  Faktor  beim  Frühstückskaffee  dabei  nicht 
außer  Acht  läßt,  den  gesundlujitlichon  und  woliuliclu/n 
Forderungen  und  dann  der  häufig  vernachlässigten  Beziehung 
der  Käunu^  zu  einander  besondere  Aufmerksamkeit  zuwendet 
—  indem  er  so  auf  die  Einzelheiten,  auf  die  so  wichtigen 
Ivleinigkeiten,  auf  die  zarten  Feinheiten  des  Lebens  eingehend, 
von  innen  heraus,  aus  dem  inneren  Sinn  und  Zweck  dos  Land- 
hauses als  etwas  Selbstverständliches  auch  seine  äußere  Gestalt 
sich  kristallisieren  läßt,  zeigt  er  sich  uns  als  ein  fein  durch- 
gebildeter Baukünstler. 

Daher  kann  es  uns  nicht  befremden,  daß  Muthesius  hin- 
sichtlich des  Gartens  ebenso  hohe  Anforderungen  stellt.  Man 
kann  ihm  ganz  zustimmen,  wenn  er  Haus  und  Garten  als 
organische  Einheit  betrachtet  wissen  will  und  daß  daher  auch 
beide  „von  demselben  Geist  ersonnen  sein  müssen"  (p.  XXV). 
Jedoch  m.  E.  mit  der  Bedingung,  daß  dieser  eine  Geist  auch 
das  Baumaterial  von  Haus  und  Garten  belierrsolit,  weil  er  nur 
in  dem  Fall  beide  zu  gestalten,  zu  bauen  vermag.  Diese  Be- 
dingung scheint  mir  aber  der  V'jrfasser  außer  Acht  zu  lassen, 
wenn  er  auf  der  erwähnten  Seite  schreibt:  „Es  läßt  sich  er- 
hoffen, daß  im  \'er!auf  einiger  weiterer  Jahre  der  Gedanke  der 
Einheit  von  Haus  und  Garten  allgemeiner  geworden  sein  wird 
und  daß  auch  die  Gärtner  sich  dann  bemühen  werden,  sich 
dem  Gedankenkreise  der  Ivünstler  dienstbar  zu  machen." 
Diesem  Wunsch  kann  ich  deshalb  nicht  beipflichten,  weil  ich 
durcluius  nicht  jeden  Architekten,  der  Häuser  baut  eo  ipso  als 
„Künstler"  bewerten  kann  und  anderseits  diese  Eigenschaft 
einem  „Gärtner"  nicht  eo  ipso  abspreche.  Ich  vermute,  daß 
der  Verfasser  mir  darin  beistimmen  wird,  daß  an  dieser  Stelle 
seine  Feder  mit  ihm  durcligegangen  ist  und  er  allzu  sehr  pro 
domo  gesprochen  hat.  Um  das  Gleichgewicht  und  die  Ge- 
rechtigkeit zu  wahren,  wird  er  mir  die  Behauptung  nicht  übel 
deuten,  daß  es  auch  künstlerisch  feinfühlige  „Gärtner"  geben 
dürfte,    in    deren    Gedankenkreis    sich    ein     „Bauunternehmer" 


''^^-S.i.CAt. 


Kieler  iu  dur  Eljene. 
Bildprobe  aus:  Hegi-Dunzinger,  lUustr.  Flora. 


25Ö 


DIE  GARTENKUNST 


IX,  12 


liineinzubemülien  hätte,  um  die  gewünschte  Einheit  zu  erzielen. 
Kurz  gesagt,  es  kommt  nicht  darauf  an,  wer  von  beiden  der 
Künstler  ist,  sondern  daß  ein  Künstler  da  ist.  Da  aber  heut- 
zutage so  vielseitige  Künstlerpersönlichkeiten  kaum  zur  Ver- 
fügung stehen,  wie  sie  die  Zeit  der  Renaissance,  die  den 
Architekten  und  Gartenkünstler,  Maler  und  Bildhauer  nicht 
selten  in  einer  Person  vereinigt  bieten  konnte,  was  Muthesiiis 
auf  p.  XXIX  selbst  auch  feststellt,  so  werden  wir  uns  in  den 
meisten  Fällen  auf  ein  inniges  Zusammenarbeiten  mehrerer 
Künstler  einigen  müssen,  von  denen  gebildetes  Verständnis. 
feiner  Takt  und  sachliche  Vertiefung  gefordert  werden  miilj. 
Es  ist  also  ein  gleich  hohes  Bildungsniveau,  wie  es  Muthesius 
beim  Bauherrn  und  Architekten  wünscht,  auch  hier  Bedingung 
für  die  Einheitlichkeit  des  Kunstwerkes. 

Wenn  ich  mich  den  weiteren,  freilich  recht  kna|ipen  Aus- 
führungen des  Verfassers  über  die  Gartengestaltung,  besonders 
auch  der  Forderung  eines  regelmässigen  Gartens  am  Hause, 
im  allgemeinen  anschliessen  mulJ,  so  kann  ich  mir  doch 
viele,  sehr  viele  Einzelfälle  denken,  die  durchaus  anders  be- 
handelt sein  wollen.  Mit  der  sclivver  angreifbaren  Behauptung 
„der  Palast  auf  der  Graswiese  ist  keine  künstlerische  Einheit" 
ist  keineswegs  die  Notwendigkeit  der  regelmäßigen  Garten- 
anlage an  jedem  Hause  erwiesen.  Es  ist  z.  ß.  eine  Sennhütte 
auf  der  Graswiese  wohl  eine  künstlerische  Einheit  und  die 
Sennhütte  ist  auch  eine  Art  Landhaus,  jedenfalls  Architektur. 
Gerade  das  Landhaus,  von  dem  Muthesius  hier  spricht,  wird 
selten  die  Form  des  Palastes  annehmen,  der  die  Repräsentation 
der  aktiven  Herrscherkraft  mit  besonderer  Intensität  künst- 
lerisch zum  Ausdruck  bringt.  Das  Landhaus  wird  vielmehr  der 
passiv-rezeptiven  Stimmung  gerecht  zu  werden  suchen,  die 
dem  Alleinseinwollen,  dem  Land-  und  Natursuchen,  dem  unauf- 
fälligen Sicheingliederu  in  die  gewählte  Umwelt  entspricht. 
Gewiß  wird  dabei,  je  nach  der  Persönlichkeit,  bald  ein  Hin- 
neigen zum  Palast  und  Herrenhaus  —  bald  zur  Hütte  und 
Bauernhaus  bemerkbar  sein.  In  all  den  Zwischentonarten  wird 
aber  die  Annäherung  zum  einen  oder  anderen  Pol  ausschlag- 
gebend sein  für  die  Ausgestaltung  des  Gartens:  Je  näher  zum 
Palast,  desto  strenger  und  auffallender  die  regelmäßige  Auf- 
teilung, je  näher  zur  Hütte,  um  so  „ungewollter",  gleichsam 
zufälliger  die  Ausgestaltung  des  Gartens.  Unter  „zufällig" 
verstehe  ich  nicht  Landschaftsmaskerade  oder  den  verldeinerten 
Vierwaldstädter  See.  Aber  —  ein  grader  oder  krummer  Pfad 
durch  Heideland  oder  Waldboden,  wie  er  z  B.  auf  der  Ab- 
bildung Seite  40  zur  Hausterrasse  des  Dr.  Ing.  II.  Muthesius 
führt,  läßt  sich  sehr  wohl  bei  einfacherer  Architektur  (etwa 
Seite  149  und  198)  direkt  bis  an  die  Haustüre  geführt  denken; 
dann    unter    einigen    großen   Birken  ein  gemütliches  Plätzchen 


mit  Bänken  und  Tischen,  auf  der  Sonnenseite  Rosen,  Jasmin 
und  Syringenbüsche,  ungeschoren,  —  dort  einen  krummen 
Weg,  weil  man  diesen  oder  jenen  alten  Baum  nicht  hat  fällen 
wollen  oder  weil  das  wellige,  abschüssige  Terrain  den  geraden 
Weg  als  unzweckmäl5ig  nicht  gestattet  und  eine  Terrassierung 
viel  zu  teuer  ist.  Ich  will  damit  nur  sagen,  daß  das  aufrichtig 
wohnliche  Gewordenseiu  einer  Hausumgebung  nicht  immer 
regelmäßig  sein  muß.  Es  kann  leider  auch  „regelmäßige  Reiß- 
brettphantasie" geben,  vor  der  man  heute  schon  warnen 
muß.  Vergewaltigungen  des  vorhandenen  Naturbestandes  durch 
Verschneiden  eiuer  schönen  Baumkrone  zu  einer  Kugel  oder 
Entfernung  malerischen  Brombeer-  und  Schlehdorngebüsches 
oder  —  Ausschaltung  frei  wachsender  und  blühender  Sträucher, 
weil  die  Heckenscheere  überall  arbeiten  muß,  weil  kein  Wachs- 
tum und  kein  Werden  das  Auge  des  Besitzers  mehr  erfreuen 
darf,  weil  alle  Gewächse  außer  den  Blumen  auf  den  Beeten 
dem  architelvtonischen  Gesetz  des  Fertigseins  sicli  beugen 
müssen  .... 

Alles  das  sage  ich  nicht  um  dem  regelmäßigen  Garten 
seine  E.xistenzberechtigung  abzusprechen,  auch  nicht  um  die 
durchaus  künstlerische  Auffassung  des  regelmässigen  Gartens 
seitens  des  Verlasses  irgendwie  zu  bemängeln  —  davon  bin 
ich  weit  entfernt  —  ich  sage  es  nur.  um  einerseits  der  unein- 
geschränkten Befürwortung  oder  gar  Forderung  eines  regel- 
mäßigen Hausgartens  entgegenzutreten,  die  Mutliesius  für  not- 
wendig zu  halten  scheint  und  andrerseits,  um  dieselben  Ge- 
fahren solcher  Einseitigkeit  zu  zeigen,  die  den  unregel- 
mäßigen Garten  so  oft  zu  einem  Zerrbild  gemacht  haben.  Aus 
den  Worten  des  Verfassers  dürfte  man  auf  solche  Einseitig- 
keit schließen,  während  die  Bilder  uns  weitere  Gartenmöglich- 
keiten  (z.  B.  Seite  188)  vorführen,  die  leider  im  Text  nicht  be- 
sproclien  sind;  denn  es  hätte  mancher  Leser  ein  Interesse 
daran,  das  Urteil  des  Verfassers  darüber  kennen  zu  lernen. 
Nach  meinem  Empfinden  sind  manche  „Gegenbeispiele"  dar- 
unter, etwa  auf  Seite  KiS,  161,  13.^  oben,  50  oben,  34,  5.  Sehen 
wir  von  diesen  Einzelheiten  ab,  denen  ich  mich  nicht  ]^nt- 
halten  konnte,  meine  abweichende  Ansicht  gegenüberzustellen, 
so  haben  wir  es  in  dem  vorliegenden  Werk  mit  der  dankens- 
werten Arbeit  eines  feinfühligen  Künstlers  zu  tun,  aus  der  wir 
lernen  können,  nicht  was  wir  machen  sollen,  sondern  vor  Allem 
wie  ein  organisches  Kunstwerk,  ein  Haus  und  ein  Garten  ent- 
stehen soll,  —  nicht  aus  fleißiger  Erlernung  von  Schul-  und 
Stilregeln  herauskonstruiert,  sondern  herausgeboren  aus  leben- 
diger Erfahrung,  harmonischer  Häuslichkeit,  aus  feingebildetem 
Verständnis  der  Wohnbedürfnisse,  aus  fleißiger  Vertiefung  in 
den  einheitlichen  Zweck  von  Haus  und  Garten. 

Düsseldorf.  Frhr.  von  Engelhardt. 


In  eigener  Sache.  Nachstehende  Erklärung  habe  ich  dem  Herausgeber  des  „Kunstwart"  mit  der  Bitte  um  Abdruck  als 
Ergänzung  meines  im  ersten  Novemberheft  veröffentlichten  Briefes  übersendet, 

„>Sie  haben  im  ersten  Novemberheft  d.  J.  einen  Privatbi-ief  von  mir  in  einen  Ai  tikel  verflochten,  der  eine  Darlegung  Ihrer 
Stellungnahme  zu  den  Bestrebungen  Willi  Langes  enthält.  Zu  der  Veröffentlichung  meines  Briefes  haben  Sie  meine  Zustimmung 
nicht  erhalten  und  ilm  unvollständig  wiedergegeben,  so  daß  sein  Inhalt  nicht  melir  dem  Original,  entspriclit  Zu  einem  solchen 
Vorgehen  waren  Sie  nicht  berechtigt 

Ferner  ist  durch  meine  Bezeichnung  Geschäftsfülirer  der  D.  G.  f.  G.  bei  vielen  Lesern  und  wohl  auch  bei  Urnen  der 
vielleicht  erklärliche  Irrtum  entstanden,  als  hätte  ich  im  Auftrage  der  genannten  Gesellschaft  geschrieben  und  somit  gleichsam 
den  .Standpunkt  der  Mcajorität  dieser  Gesellschaft  Ausdruck  gegeben.  Vm  jedes  Mißverständnis  zu  beseitigen  und  weitere  Irr- 
tümer auszuschließen,  stelle  ich  hiermit  ausdrücklicli  fest,  daß  ich  lediglich  als  Privatmann  meine  .\nsicht  ausgesprochen  habe. 
Dadurch  ist  jede  Bezugnahme  und  jeder  Angriff  gegen   die  Deutsche  Gesellschaft   für  Gartenkunst  hinfällig   und  bedeutungslos. 

Wenn  ich  mein  i)ersönliches  rrteil  über  Willi  Lange  |)rivatim  hart  formuliere,  so  ist  damit  längst  nicht  gesagt,  daß  icli 
deshalb  meine  Ansicht  öffentlich  denselben  Ausdruck  geben  müßte.  Daß  mir  die  Veniffcntlichung  „nicht  un.ingenoluvi  \v;ir",  wie 
ich  mich  in  meiner  Zuschrift  an  die  „Garlenwell"  ausdrückte,  das  bezieht  sich  lediglich  auf  den  Inhalt  meinei'  Kritik,  nicht 
aber  auf  die  Form. 

Ich  bitte  Sie,  diesen  meinen  Protest  gegen  die  unbefugte  Veröffentlichung  meines  Privatbriefes,  sowie  meine  AulkLirung 
über  die  J'ezeichnung   als  Geschäftsfülirer  der  D.  ('■.   f.  G.   im   näclisten   Heft  Ihrer  Zeitscin-ift  abzudrucken. 

Hochachtungsvoll  Arthur  Glogau,   Hannover." 

Nachschrift  der  Redaktion:  Auf  Grund  der  vorstehenden  Erklärung  des  Heim  Glogau  ist  der  aussclilioßlich 
private  Charakter  seines  Briefes  an  den  Herausgeber  des  Kunstwarls  festgestellt.  Wir  bemerken  unserseits,  daß  damit  die 
Angelegenheit  für  uns  erledigt  ist.  Heicke. 


Für  dip  Redahtion  vprantwortlifh:  Stadt-Qartendirektor  Heicke,  Frankfurt  a.  M.        Verlag  vim  (1 1' lir  ild  pr  BorntraPijpr,  Berlin  SW.  11, 

Grofsbeeron  Strafse  9.  —  Druck  von  A.  W.  Hayn'H  Erben,   Potsdam.'. 


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